M E D I Z I N Volker F. Eckardt Zusammenfassung Gastroösophagealer Reflux kann über die Entwicklung eines Barrett-Syndroms zum Adenokarzinom der Speiseröhre führen. Die Inzidenz dieses Tumors hat sich innerhalb von zwei Dekaden vervierfacht. Diese Beobachtungen haben in der Bevölkerung zu einer großen Verunsicherung geführt. Eine Analyse der bisher verfügbaren wissenschaftlichen Daten zeigt jedoch, dass das Adenokarzinom des Ösophagus trotz dieser Entwicklung immer noch ein seltener Tumor ist, und selbst beim etablierten Barrett-Syndrom die Lebensbedrohung durch diese Erkrankung überschätzt wird. Das Ziel, durch Vorsorgemaßnahmen eine entscheidende Beeinflussung der ohnehin geringen Karzinomgefährdung Refluxkranker zu erreichen, hat sich bisher nicht erfüllt. Die zurzeit zu beobachtende „Anti-Reflux-Kampagne“ ist damit weder durch die Karzinomgefährdung noch durch die Effektivität von Vorsorgemaßnahmen zu rechtfertigen. Schlüsselwörter: Refluxkrankheit, Adenokarzinom, Barrett-Ösophagus, Krebsrisiko, Ösophaguskarzinom Summary How Dangerous is Heartburn? Gastroesophageal reflux may lead to the development of Barrett’s esophagus and eventually to esophageal adenocarcinoma. The incidence of this neoplasm has quadrupled within the last two decades. However, despite these developments esophageal adenocarcinoma is still a rare neoplasm and even in patients with established Barrett’s esophagus, malignant degeneration is an exception rather than the rule. Furthermore, until today, it remains unproven whether the relatively mild cancer risk of patients with gastroesophageal reflux disease can be significantly altered by preventive measures. It is concluded that there is little scientific evidence for motivating patients with heartburn to undergo endoscopy as a cancer prevention measure. Key words: reflux disease, adenocarcinoma, Barrett’s esophagus, cancer risk, esophageal carcinoma Wie gefährlich ist Sodbrennen? G astroösophagealer Reflux und seine Folgen gehören zurzeit zu den weltweit am intensivsten diskutierten Themen in der Gastroenterologie. Während in den neunziger Jahren Helicobacter pylori im Mittelpunkt des Interesses stand, wird sich jetzt auf ein Phänomen konzentriert, das möglicherweise mit der allzu ambitionierten Behandlung dieses Keimes im Zusammenhang steht, nämlich der Zunahme von Refluxbeschwerden. Ähnlich wie bei der „Helicobacter-Kampagne“ werden große Anstrengungen unternommen, um die Bevölkerung auf die Ernsthaftigkeit dieses Symptoms aufmerksam zu machen. Die dafür verwandten Mittel sind nahezu identisch: Man aktiviert die Medien und verweist insbesondere auf die Bedrohung betroffener Bevölkerungsgruppen durch Krebs. Den vorläufigen Höhepunkt hat diese Anti-Reflux-Kampagne jetzt mit folgendem Zitat eines prominenten Mediziners erreicht: „An der Refluxkrankheit sterben in Deutschland pro Jahr mehr Menschen als an Aids“. Was ist von dieser Aussage zu halten? Ist das gelegentlich empfundene Sodbrennen, das nahezu die Hälfte der Durchschnittsbevölkerung betrifft, tatsächlich ein Alarmzeichen? Wie groß ist die Gefährdung der Refluxpatienten durch das Adenokarzinom? Und welche Möglichkeiten haben die betroffenen Personen diesem Schicksal zu entgehen? Mit der nachfolgenden Analyse soll versucht werden, die bisher zu diesem Thema vorhandene Literatur darzulegen und kritisch zu werten. Dabei soll insbesondere die Frage geklärt werden, ob mit einer breit angelegten Medienkampagne tatsächlich dem Allgemeinwohl gedient wird oder ob man damit nicht lediglich zur Verteuerung der Medizin und zur Verängstigung der Bevölkerung beiträgt. Fachbereich Gastroenterologie II (Leiter: Prof. Dr. med. Volker F. Eckardt) der Deutschen Klinik für Diagnostik, Wiesbaden A 1754 Adenokarzinome als Folge gastroösophagealen Refluxes Sodbrennen ist eines der häufigsten Symptome, das von Personen der Durchschnittsbevölkerung mit gewisser Regelmäßigkeit empfunden wird. In der westlichen Welt erleben 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung dieses Symptom mindestens einmal monatlich, während es 14 Prozent der Erwachsenen einmal wöchentlich und 7 Prozent sogar täglich beschreiben (10, 21). Endoskopiestudien lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass zeitgleich mit der weiträumigen Erkennung und Behandlung von Helicobacter pylori dieses Symptom noch prävalenter geworden ist (29). Einhergehend mit dieser Entwicklung ist ein deutlicher Anstieg der Prävalenz des Adenokarzinoms der Speiseröhre zu verzeichnen. Inzwischen besteht wenig Zweifel, dass dieser Tumor nahezu ausschließlich über die Sequenz gastroösophagealer Reflux, Ösophagitis und Barrett-Syndrom entsteht. Was dabei besondere Sorge bereitet ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Inzidenz dieses Tumors geändert hat. Innerhalb von 20 Jahren hat sie sich vervier- bis verfünffacht (2, 6, 25, 40) (Grafik 1), sodass das Adenokarzinom derzeit derjenige Tumor ist, der unter allen Karzinomen die höchste Steigerungsrate aufweist. Derartige Daten bilden die Grundlage für eine Aufklärungskampagne, die das Ziel hat, Tumorfrühstadien in einem asymptomatischen Stadium zu erkennen und Patienten mit erhöhter Karzinomgefährdung intensiv zu überwachen. Die erste Frage, die sich dabei aber stellt, ist, ob eine Verfünffachung der Karzinominzidenz tatsächlich eine ernst zu nehmende Bedrohung der Allgemeinbevölkerung darstellt. Um diese Frage zu beantworten, muss man die ursprüngliche Inzidenz des Adenokarzinoms kennen und ihre jetzige HäuDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 25½ 21. Juni 2002 M E D I Z I N figkeit mit der anderer TuGrafik 1 morleiden in Relation setzen. So betrug die Inzidenz des Adenokarzinoms der Speiseröhre vor 20 Jahren etwa 0,5 pro 100 000. Eine Verfünffachung bedeutet daher, dass von 100 000 Personen zwei oder maximal drei pro Jahr an diesem Tumor erkranken. Vergleicht man diese Inzidenz mit der anderer maligner Tumoren in der Bundesrepublik Deutschland (34), dann ist leicht zu erkennen, dass es sich beim Adenokarzinom des Ösophagus immer noch um einen seltenen Tumor handelt, dessen Häufig- Zunahme der Inzidenz des Adenokarzinoms der Speikeit um den Faktor 30 bis 40 seröhre in vier Studien aus unterschiedlichen Ländern (2, 6, 25, 40). niedriger liegt als beispielsweise die des Lungen- oder Kolonkarzinoms (Grafik 2). Grafik 2 Es könnte eingewendet werden, dass diese Relativierung bisheriger Daten zwar für die Durchschnittsbevölkerung gilt, nicht aber für Personen, die über Refluxbeschwerden klagen. So ist in einer Aufsehen erregenden Studie kürzlich gezeigt worden, dass Patienten mit Sodbrennen im Vergleich zu asymptomatischen Personen eine etwa achtmal höhere Wahrscheinlichkeit haben, an einem Adenokarzinom der Speiseröhre zu erkranken (16). Darüber hinaus bestand eine deutliche KorrelaHäufigkeit des Adenokarzinoms der Speiseröhre in tion zwischen der Häufigkeit Deutschland im Vergleich zu anderen Malignomen. der Refluxsymptomatik und dem Ausmaß des Tumorrisikos. Mit aller Wahrscheinlichkeit sind Nachweises eines Barrett-Syndroms diese Zusammenhänge auf die Tatsa- regelmäßige und lebenslange Kontrolche zurückzuführen, dass Zylinder- lendoskopien durchzuführen sind. Daepithelmetaplasien des Ösophagus, die mit wird aber auch die Frage aufgedie conditio sine qua non für die Ent- worfen, in welcher Größenordnung stehung von Adenokarzinomen dar- Karzinome beim Barrett-Syndrom stellen, bevorzugt bei Patienten mit auftreten, wie hoch die Wahrscheinausgeprägtem gastroösophagealen Re- lichkeit ist, dass sie durch Überwaflux entstehen (11, 13). chungsstrategien in einem frühen und Basierend auf derartigen Beobach- behandelbaren Stadium entdeckt wertungen wird heute weitläufig empfoh- den können, und ob durch derartige len, dass Patienten mit deutlicher Re- Maßnahmen die Lebenserwartung der fluxsymptomatik endoskopiert wer- betroffenen Patienten verbessert werden sollten, und dass im Falle des den kann. A 1756 Häufigkeit des BarrettSyndroms und des BarrettKarzinoms Aus früheren Studien an hoch selektionierten Patientenkollektiven ist die Schlussfolgerung gezogen worden, dass etwa 10 Prozent aller Patienten mit häufigem Sodbrennen ein BarrettSyndrom aufweisen (44). Neuere Untersuchungen bei weniger ausgewählten Patientenpopulationen lassen es aber wahrscheinlich erscheinen, dass nur bei 3 bis 5 Prozent dieser Patienten eine Zylinderepithelmetaplasie des distalen Ösophagus zu finden ist (5). Natürlich würde auch diese, inzwischen relativierte Häufigkeit des Barrett-Syndroms Früherkennungsmaßnahmen rechtfertigen, wenn es bei einem größeren Teil der betroffenen Patienten über die Entwicklung einer Dysplasie zu einem Karzinom kommen sollte. Aber auch in dieser Frage bestehen inzwischen erhebliche Unsicherheiten. Während anfängliche Beobachtungen bei kleinen Patientenkollektiven dafür sprachen, dass beim Barrett-Syndrom mit einem Karzinom in 50 Patientenjahren zu rechnen ist, werden in neueren Studien sehr viel geringere Häufigkeiten angegeben. Wenn man einmal alle bisher publizierten Verlaufsbeobachtungen beim Barrett-Syndrom (1, 3, 7–9, 12, 14, 15, 20, 22, 23, 28, 30, 32, 33, 36, 37, 41–43, 45) näher betrachtet, fällt auf, dass die beschriebene Karzinominzidenz umgekehrt proportional zur Länge der Verlaufsbeobachtung und Größe des Patientenkollektives ist (31). In Studien mit größeren Patientenkollektiven, die über viele Jahre beobachtet wurden, findet sich nicht ein Karzinom in 50, sondern in 200 bis 300 Patientenjahren (Grafik 3). Bezieht man diese Zahlen schließlich auf alle Patienten mit häufigem Sodbrennen, von denen maximal 5 Prozent ein Barrett-Syndrom entwickeln, lässt sich schätzen, dass bei dieser Personengruppe mit etwa einem Adenokarzinom in 6 000 Patientenjahren zu rechnen ist. Damit stellt sich die Frage, ob häufiges Sodbrennen allein aus Gründen der Karzinomvorsorge eine zwingende Indikation für eine Endoskopie ist und welche Konsequenzen aus dem NachDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 25½ 21. Juni 2002 M E D I Z I N weis eines Barrett-Syndroms zu ziehen sind. Selbst wenn nur wenige Patienten mit häufigem Sodbrennen durch ein Adenokarzinom gefährdet wären, könnte man Vorsorgemaßnahmen und Überwachungsstrategien rechtfertigen, solange dadurch die Lebenserwartung verbessert und die Karzinomgefährdung deutlich reduziert wird. Wie gut aber sind diese Effekte bewiesen? Effektivität von Überwachungsstrategien beim Barrett-Syndrom In drei Untersuchungen aus chirurgischen Kliniken wurde gezeigt, dass die Lebenserwartung von Patienten, bei denen ein Adenokarzinom der Speiseröhre im Rahmen von Routineuntersuchungen diagnostiziert wurde, eine erheblich bessere 5-Jahres-Überlebensrate aufweisen als solche bei denen der Tumor aufgrund von Beschwerden diagnostiziert wurde (24, 35, 39). Aus diesen Ergebnissen ist die Schlussfolgerung gezogen worden, dass engmaschige Kontrolluntersuchungen bei Patienten mit Barrett-Syndrom lebensverlängernd wirken und zu einer Karzinomheilung führen können. Dabei wurde aber weder berücksichtigt, dass es sich bei diesen Studien um retrospektive Analysen eines hoch selektionierten Patientenkollektives handelt, noch wurde die Frage gestellt, ob symptomatische Patienten mit schlechter Prognose überhaupt für Früherkennungsmaßnahmen in Betracht gekommen wären. Die Frage, ob Früherkennungsmaßnahmen bei Patienten mit Sodbrennen und insbesondere solchen mit bereits vorhandenem Barrett-Syndrom effektiv sind, wäre nur durch eine prospektiv kontrollierte Untersuchung zu klären, die den Verlauf von überwachten und nicht überwachten Patienten ermittelt. Leider existiert eine derartige Untersuchung bis zum heutigen Tage nicht und es ist in Anbetracht der allgemeinen Voreingenommenheit bezüglich der Effektivität derartiger Überwachungsprogramme nicht wahrscheinlich, dass sie in absehbarer Zeit in Angriff genommen wird. Einige Daten aus unkontrollierten, aber prospektiven Verlaufsbeobachtungen erlauben lediglich eine A 1758 Erkrankungen und extraösophageale Malignome zurückzuführen (8, 18, 38). Darüber hinaus existieren Hinweise, dass sich die Karzinomgefährdung auf jene Patienten mit Barrett-Syndrom konzentriert, die bereits zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung eine Dysplasie im pathologischen Zylinderepithel aufweisen (1, 9, 12, 20, 27, 45). Für alle übrigen Patienten ist zwar die maligne Entartung nicht ausgeschlossen, bisherige Untersuchungen haben aber keine Einschränkung der LebensHäufigkeit der malignen Entartung beim Barrett-Syn- erwartung für diese Personendrom in Abhängigkeit von der Zahl überwachter Patien- gruppe nachweisen lassen (3, ten sowie der Dauer der Verlaufsbeobachtung (1, 3, 8, 9, 8, 37) (Grafik 4). Damit ist es 12, 14, 15, 20, 22, 28, 31–33, 36, 37, 41–43, 45). zumindest für diese Patientengruppe zweifelhaft, dass durch regelmäßige endoskoGrafik 4 pische Kontrolluntersuchungen eine wesentliche Verbesserung der Lebenserwartung erreicht werden kann. Der augenblicklich vermittelte Optimismus, dass durch Screeningmaßnahmen und Verlaufskontrollen die ohnehin geringe Gefährdung durch ein Adenokarzinom der Speiseröhre vermindert werden kann, wird schließlich durch eine weitere Beobachtung erheblich getrübt. So lässt ein Vergleich zwischen der Häufigkeit des Barrett-Syndroms in Autopsiematerial Vergleich der Lebenserwartung von Patienten mit Bar- und endoskopierten Patienrett-Syndrom und der deutschen Durchschnittsbevölketenkollektiven vermuten, dass rung (modifiziert nach 8). nur ein Bruchteil der Zylinderepithelmetaplasien durch envorläufige Einschätzung der Effekti- doskopische Untersuchungen identifivität von Vorsorgeprogrammen. ziert und einer Überwachung zugeführt Betrachtet man den Verlauf von un- werden kann (4). Selbst die zunehmende selektionierten Patienten mit lang- Kenntnis über die Zusammenhänge zwistreckigem Barrett-Syndrom, die das schen Refluxsymptomatik und Karzigrößte Karzinomrisiko aufweisen, dann nomgefährdung hat wenig an dieser einerscheint ihre Langzeitprognose nur geschränkten Möglichkeit der Früherin einem geringen Ausmaß durch die kennung von Karzinomvorstufen geänEntwicklung eines Ösophaguskarzi- dert. In einer erst vor wenigen Monaten noms bestimmt zu sein. Mehr als 90 publizierten Untersuchung ist beispielsProzent aller Todesfälle beim Barrett- weise gezeigt worden, dass auch zum jetSyndrom stehen nicht mit dieser Er- zigen Zeitpunkt bei weniger als 10 Prokrankung in Zusammenhang, sondern zent aller diagnostizierten Adenokarzisind vorwiegend auf Herz-Kreislauf- nome der Speiseröhre ein Barrett-SynGrafik 3 Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 25½ 21. Juni 2002 M E D I Z I N drom vor der Karzinomdiagnose bekannt war (6). Derartige Daten lassen die Schlussfolgerung zu, dass die große Mehrheit aller Patienten mit Zylinderepithelmetaplasien des Ösophagus wenig Symptome aufweist und daher nicht frühzeitig zu diagnostizieren ist. Geht man davon aus, dass zurzeit etwa zwei Adenokarzinome pro 100 000 pro Jahr auftreten, dass maximal 10 Prozent davon durch Überwachung von Patienten mit Barrett-Syndrom früh erkannt werden können, und dass bei etwa 50 Prozent dieser Tumoren eine Heilung möglich ist (1, 3, 7, 12, 14, 17, 20, 23, 28, 32, 36), dann kann man schätzen, dass durch Vorsorgemaßnahmen bei einem von einer Million der frühzeitige Tod am Adenokarzinom der Speiseröhre verhindert wird. Ob derartige Zahlen engmaschige Verlaufskontrollen beim Barrett-Syndrom rechtfertigen, muss zumindest infrage gestellt werden. In einer kürzlich publizierten Kosten-Nutzen- Referiert Unterschiede bei der Mitteilung infauster Prognosen In Chicago wurde bei 326 Krebspatienten in fünf verschiedenen Krankenhäusern untersucht, wie offen Ärzte bei der Mitteilung von Prognosen bezüglich der Krebserkrankung gegenüber den Patienten sind. Dabei stellte sich heraus, dass die explizit von den Patienten hinsichtlich ihrer Prognose befragten Ärzte in 22 Prozent der Fälle gar keine Angabe machen, in 37 Prozent die ihrer Meinung nach realistische Prognose mitteilen und in 40 Prozent dem Patienten eine andere Einschätzung mitteilen, als ihrer eigenen Überzeugung entspricht. Im letzteren Fall wird die Prognose meist optimistischer formuliert, als sie der wahren Einschätzung des Arztes entspricht. Ältere Patienten erhalten häufiger realistischere Prognosen als jüngere Patienten. ÜberraschenDeutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 25½ 21. Juni 2002 Analyse ist errechnet worden, dass allenfalls fünfjährliche Untersuchungen hinsichtlich des Kosten-Nutzen-Effekts wirkungsvoll sind (26). Dabei ist man allerdings, davon ausgegangen, dass ein Karzinom in etwa 200 Patientenjahren auftritt, eine Schätzung, die möglicherweise immer noch zu hoch kalkuliert wurde (8, 22). len die Lebenserwartung entscheidend verändern, erscheint es schließlich schwer verständlich, dass mit großangelegten „Anti-Reflux-Kampagnen“ die Hoffnung geweckt wird, die ohnehin gute Prognose Refluxkranker weiter verbessern zu können. Der bisher einzige messbare Effekt derartiger Laienaufklärungen besteht in einer Zunahme der Endoskopiefrequenz und damit in einer Verteuerung der Medizin. Resümee ❚ Zitierweise dieses Beitrags: Berücksichtigt man alle bisher bekannten Fakten über die Gefährdung Refluxkranker durch ein Adenokarzinom der Speiseröhre, dann gibt es wenig Gründe, um die Betroffenen zu verängstigen. Selbst bei bereits etabliertem BarrettSyndrom ist die Karzinomgefährdung gering oder zumindest geringer als ursprünglich angenommen. Da niemand bewiesen hat, dass Screeningmaßnahmen und engmaschige Verlaufskontrol- derweise zeigte sich, dass nicht nur die ganz unerfahrenen Ärzte dazu tendierten, gar keine Prognosen abzugeben, sondern auch die ganz Erfahrenen. acc Lamont et al.: Prognostic disclosure to patients with cancer near the end of life. Ann Intern Med 2001; 134: 1096–1105. Dr. Lamont, University of Chicago Medical Center, 5841 South Maryland Avenue, MC 2007, Chicago, Il 60637, USA. Referiert Auswirkungen einer väterlichen Zöliakie auf das Neugeborene Dtsch Arztebl 2002; 99: A 1754 –1759 [Heft 25] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Volker F. Eckardt Fachbereich Gastroenterologie II Deutsche Klinik für Diagnostik Aukammallee 33 65191 Wiesbaden E-Mail: [email protected] In der Tat wiesen Kinder Gluten-sensitiver Väter eine kürzere Schwangerschaftsdauer und ein niedrigeres Geburtsgewicht auf. Eine Glutenenteropathie bei anderen Verwandten wirkte sich hingegen nicht negativ auf die Neonatalperiode aus. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass selbst eine behandelte Zöliakie bei einem der beiden Eltern einen negativen Einfluss auf die Schwangerschaft ausübt, sodass mit einem niedrigeren Geburtsgewicht und einer Verkürzung der Schwangerschaft gew rechnet werden muss. Ludvigsson JF, Ludvigsson J: Coeliac disease in the father affects the newborn. Gut 2001; 49: 169–175. Dr. J. F. Ludvigsson, Paediatric Department, Örebro Medical Centre, Hospital, 701 85 Örebro, Schweden. Eine unbehandelte Glutenenteropathie der Mutter führt zu einem niedrigen Geburtsgewicht. Die Autoren interessierte aber auch, ob eine Zöliakie beim Vater Auswirkungen auf das Neugeborene haben könnte. A 1759