Hyperkerne von Sarah Lomp Johannes Gutenberg-Universität Mainz Seminar zum F-Praktikum, Vortrag vom 16. Dezember 2008 Einleitung Hyperkerne enthalten im Gegensatz zu normalen Atomkernen neben den Nukleonen noch gebundene Hyperonen. Hyperonen sind Baryonen mit Strangeness. Sie enthalten also Strange-Quarks. Befindet sich zum Beispiel ein Λ-Teilchen in einem Atomkern, so unterliegt es nicht dem Pauli-Prinzip der Nukleonen und kann somit auch Zustände einnehmen, die bereits von Nukleonen besetzt sind. Das Hyperon wirkt als „Sonde“ im Kern und erlaubt dadurch eine Untersuchung der tief liegenden Kernstruktur. Unter anderem lassen sich daraus Rückschlüsse auf das Kernpotential und die Spin-Bahn-Wechselwirkung im Kern ziehen. 1. Endeckung der Hyperkerne Im Jahr 1953 entdeckten M. Danysz und J. Pniewski das erste Hyperkernfragment. Sie bestrahlten eine Photoemulsion mit Höhenstahlung und erhielten dabei folgendes Bild: Beim Zusammenstoß eines schnellen Protons mit einem Bromkern der Photoemulsion entstehen geladene Teilchen. Diese wechselwirken mit den Atomen der Photoemulsion gemäß der Bethe-BlochFormel und man kann anhand der sichtbaren Spuren Rückschlüsse über Energie und Masse dieser Teilchen ziehen. Die dünnen Spuren wurden von Pionen erzeugt, die Dickeren von Kernfragmenten. Es entstand aber auch ein Hyperkern (rot). Hier ist ein Λ-Hyperon enthalten, welches in ein negativ geladenes Pion (grün) und ein Proton (blau) zerfällt. Die hellblaue Linie zeigt den restlichen Kern. 2. Erzeugung von Hyperkernen 2.1. Kaonenstrahl Anfang der 70er Jahre wurden am CERN erste Hyperkerne mit Hilfe eines Kaonenstrahls erzeugt. Trifft ein Kaon auf ein Neutron, entsteht ein Λ-Hyperon und ein Pion. Kaonen besitzen ein Strange-Quark und bringen somit bereits die Strangeness in die Reaktion mit ein. Abbildung 1: Wechselwirkung eines hochenergetischen Protons aus der Höhenstrahlung mit einem Bromkern der Photoemulsion Der experimentelle Aufbau am CERN ist in folgender Abbildung zu sehen: erzeugt werden, weshalb die Impulse der beteiligten Teilchen hier viel höher sind als bei der Methode mit dem Kaonenstrahl. Abbildung 2: Experimenteller Aufbau zur Erzeugung und zum Nachweis von Hyperkernen mit dem Kaonenstrahl. Im ersten Teil des Spektrometers wird der Impuls der einlaufenden Kaonen vermessen, im zweiten Teil der der entstehenden Pionen. Dies geschieht mit Hilfe von Dipolmagneten (grün). Quadrupollinsen (gelb) dienen zur Fokussierung. Szintillationszähler (blau), Drahtkammern (rot) und Cerenkovzähler (orange) dienen zum Nachweis und zur Identifikation der Teilchen. Der Kaonenstrahl ist ein Sekundärstrahl, welcher schwierig zu erzeugen ist. Treffen Protonen auf ein Target entstehen viele Pionen und nur wenig Kaonen. Mit Hilfe eines Flüssigabsorbers, in dem sie unterschiedlich viel Energie abgeben, und Dipolmagneten werden diese voneinander getrennt. Treffen die Kaonen mit einem Impuls von ca. 530 MeV/c auf das Target, so wird bei der Emission des Pions unter einem Winkel von 0° kein Impuls auf das Λ übertragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Hyperon im Kern gebunden bleibt ist dann am größten. Die Bindungsenergie des ΛTeilchens kann dann berechnet werden durch: wobei Bn die Bindungsenergie des Neutrons ist. Ist die Bindungsenergie positiv, liegt ein gebundener Zustand vor. Ist sie negativ, ist das Λ-Teilchen nicht gebunden. 2.2. Pionenstrahl In den 80er Jahren wurden am KEK in Japan Hyperkerne mit einem Pionenstrahl erzeugt. Trifft ein Pion auf ein Neutron entsteht ein Λ-Hyperon und ein Kaon. Hier muss die Strageness in der Reaktion Durch den großen Impulsübertag entstehen weniger Hyperkerne. Allerdings ist es nun für das Λ-Teilchen möglich große Drehimpulsänderungen herbeizuführen, sodass auch tief gebundene ΛZustände besetzt werden können. Man verwendet diese Reaktion hauptsächlich um schwerere Hyperkerne herzustellen. Die kleinere Hyperkern-Ausbeute wird jedoch durch die höhere Strahlenintensität des Pionenstrahls und durch die bessere Nachweisbarkeit der Kaonen teilweise ausgeglichen. 3. Elektronenstrahl Die Herstellung von Hyperkernen mit einem Elektronenstrahl wurde erstmals im Jahre 2002 am Jefferson Lab in Amerika durchgeführt. In Mainz am MAMI wird mit dem Kaos-Detektor ebenfalls die Erzeugung von Hyperkernen nachgewiesen. Das Projekt befindet sich noch im Aufbau, soll aber 2009 fertig gestellt werden. Bei dieser Reaktion wechselwirkt ein Elektron mit dem Target-Kern unter Aussendung eines virtuellen Photons, welches mit einem im Kern gebundenen Proton zu einem Λ und einem Kaon reagiert. Das virtuelle Photon kann Spin und Drehimpuls auf das Λ-Teilchen übertragen und somit neue Zustände erzeugen. Ein Vorteil dieser Reaktion ist die im Vergleich einfache Erzeugung des Elektronenstrahls. Dieser lässt sich auch besser fokussieren und hat eine viel höhere Intensität als der Pionen- oder Kaonenstrahl. Dadurch kann man dünnere Targets verwenden, in denen weniger Energie absorbiert und somit die Energieauflösung verbessert wird. Ein Nachteil ist die entstehende Bremsstrahlung durch die Streuung der Elektronen an den Hüllenelektronen der Targetatome. Ein weiteres Problem stellt ein gleichzeitiges detektieren des Kaons und des gestreuten Elektrons unter einem Winkel von 0° dar. Dies wurde am MAMI mit folgendem Aufbau gelöst: Abbildung 3: Der KAOS-Detektor am MAMI in Mainz. Ein einziger Dipolmagnet trennt die Elektronen von den Kaonen und leitet sie in die jeweiligen Detektoren. Eine TOF Wand und Drahtkammern dienen zur Energiemessung der Teilchen. Szintillationszähler sollen noch hinzukommen. Der Elektronenstrahl soll später durch den Magneten geleitet werden. 3. Hyperkernspektrum von 12C Das Hyperkernspektrum von Kohlenstoff ist in folgender Abbildung zu sehen: Ereignisse BΛ Abbildung 4: Hyperkernspektrum von Kohlenstoff und Sauerstoff. Aufgetragen ist die Produktionsrate von Hyperkernen gegen die Bindungsenergie des Λ-Teilchens und die Massendifferenz MHy−MA von Hyperkern und Atomkern. Der grüne Peak bei etwa 12 MeV Bindungsenergie entsteht durch die Umwandlung eines 1p3/2-Neutrons in ein 1s1/2- Λ-Teilchen. Der höchste Peak bei einer ΛBindungsenergie von etwa 0 MeV entspricht einem rückstoßfrei gebildeten Zustand, in dem ein 1p3/2-Neutron in ein ΛTeilchen auf demselben Niveau umgewandelt wird. Der gelbe Peak befindet sich bei einer negativen Bindungsenergie, da zur Bildung des tief liegenden Neutronenlochs mehr Energie notwendig ist, als man im weniger tiefen ΛKernpotential gewinnt. Vergleicht man den roten rückstoßfreien Peak bei MHy− MA =194MeV mit der reinen Massendifferenz zwischen Λ-Teilchen und Neutron M_ − Mn = 176 MeV (beide Zustände können dieselbe Konfiguration des Kernrumpfes haben), so erkennt man eine Differenz von 18 MeV. Dies kann man auf eine unterschiedlich Wechselwirkung der Λ-Teilchen mit den Nukleonen im Vergleich mit der Nukleon-Nukleon Wechselwirkung zurückführen. Nimmt man die Tiefe des Nukleon-Kernpotentials wie üblich mit 50 MeV an, so beträgt die Tiefe des Λ-Kernpotentials etwa 2/3 von der des Neutronen-Kernpotentials. 4. Gammaspektroskopie γ-Übergänge können auch bei Hyperkernen beobachtet werden. Man unterscheidet 3 Arten von Übergängen: 1. Kern Übergänge: Übergange zwischen unterschiedlichen Dubletts, ausgelöst durch Übergange der Nukleonen des Kerns. 2. Λ-spin-flip-Übergänge: Übergänge innerhalb eines Dubletts, ausgelöst durch den spin-flip eines Λ-Teilchns. 3. Λ-Schalenübergänge: Übergang eines Λ-Teilchens in eine andere Schale. Am KEK in Japan wurde zum detektieren der γ-Quanten ein sog. Hyperball verwendet. Er besteht aus 14 Detektorarmen, in denen sich jeweils ein mit flüssigem Stickstoff gekühlter Ge-Detektor befindet. Sechs BGO-Zähler sorgen für eine AntiCompton-Koinzidenz Messung. Auf Grund der Kühlung mit flüssigem Stickstoff ist der Aufbau des Detektors sehr umständlich. Allerdings ist die Energieauflösung mit 2 keVFWHM bei 1 MeV sehr gut. Der schematische Aufbau ist in folgender Abbildung (Abbildung 5) zu sehen. 5. Doppelhyperkerne Doppelhyperkerne sind Atomkerne mit 2 Λ-Hyperonen. Sie entstehen wenn ein ΣHyperon im Kern in zwei Λ-Teilchen zerfällt. Es wurden bereits Doppelhyperkerne in Photoemulsionen beobachtet. In Zukunft sollen am Projekt FAIR an der GSI in Darmstadt mit einer Proton – Antiproton Reaktion Doppelhyperkerne erzeugt werden. Ziel ist es, die ΛΛWechselwirkung genauer zu erforschen. Abbildung 5: Hyperball am KEK in Japan zur Messung von γ-Übergängen in Hyperkernen. Literatur: - Physik Journal 4/2005 Povh - Kern- und Teilchenphysik Elsevier - Progress in Particle and Nuclear Physics 57