Forschungsschwerpunkte – Professor Karl-Peter Hopfner Frost Das Erbgutmolekül DNA (Desoxyribonukleinsäure) ist der Hauptträger der Informationen der Zelle. Es kodiert für die Proteinmoleküle, regulatorische Ribonukleinsäuren (RNAs), und genregulatorische Elemente. In Zellen liegt die DNA in Komplexen mit Proteinen als sogenanntes Chromatin vor. Die Chromatinstruktur schützt und verdichtet die DNA. Sie trägt, neben der genetischen Information der DNA, weitere epigenetische Informationen und hat wichtige Aufgaben in der Zellregulation. Die DNA-Moleküle einer menschlichen Zelle bilden, aneinandergereiht, einen empfindlichen Faden von circa 2 Meter Länge bei nur 2 Milliardstel Meter Dicke. Zahlreiche äußere Stressfaktoren, zum Beispiel energiereiches Licht und reaktive Chemikalien, aber auch normale enzymatische Reaktionen in der Zelle führen zu DNA-Schäden, darunter den sehr gefährlichen DNA-Doppelstrangbrüchen. DNA-Doppelstrangbrüche verursachen Genominstabilität und umfangreiche chromosomale Veränderungen, welche Ursprung und Merkmal vieler Krebserkrankungen sind. Daneben stellen auch „fremde“ Nukleinsäuren aus eindringenden Viren und Bakterien eine Gefahr für das Erbgut oder für die Zelle dar. Zum Schutz vor diesen Gefahren haben wir sehr empfindliche Sensoren, welche die Zusammensetzung und Integrität zellulärer Nukleinsäuren überwachen. DNA-Doppelstrangbrüche und fremde DNA lösen dabei nach Erkennung durch diese Sensoren zelluläre Alarmzustände und Abwehrmechanismen aus. Meine Arbeitsgruppe untersucht mit struktur- und molekularbiologischen Methoden die Wirkweise dieser Schutzmechanismen. Ein zentraler Faktor in der Erkennung und Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen ist der MRN-Komplex. Er ist Teil einer sehr breiten Proteinfamilie, den sogenannten ABC-ATPasen, welche die Energie der ATP-Hydrolyse für unterschiedlichste chemomechanische Reaktionen verwenden. Im Fall des MRN-Komplexes bewirkt ATP, dass DNA-Doppelstrangbrüche gebunden und mittels einer Nukleaseaktivität prozessiert werden. Dadurch können beispielsweise verbliebene Proteine von den DNA-Enden entfernt werden, was für nachfolgende Reparaturwege, wie die sogenannte homologe Rekombination, notwendig ist. Hierbei zeigte sich, dass der Funktionsmechanismus von MRN weitreichende Bedeutung für den Mechanismus anderer ABC-ATPasen hat. Die Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen, aber auch das Ablesen von Genen und die Replikation von DNA findet nicht auf nackter DNA statt, sondern in Chromatin. Alle diese Prozesse benötigen deshalb die dynamische Umwandlung von Chromatinstrukturen. Der Auf- und Umbau von Chromatinstrukturen wird von einer Klasse von ATPasen bewerkstelligt, den sogenannten Chromatinremodellern. Wichtige Beiträge der Arbeitsgruppe betreffen die Struktur und den Wirkmechanismus dieser Remodeller. Unsere Struktur einer RemodellerATPase im Komplex mit DNA zeigte sehr früh, dass die ATPase des Remodellers unter ATP-Hydrolyse an der kleinen Furche der DNA entlangfährt. Der damit erzeugte Torsionsstress hilft, Chromatinstrukturen aufzulösen. Weitreichende Fragen bleiben allerdings offen. Forschungsschwerpunkte – Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2017 Professor Karl-Peter Hopfner Januar 2017 DFG Seite 2 von 2 Einige dieser Remodeller bilden sehr große Proteinkomplexe (>15 Proteine) und haben faszinierende biochemische Eigenschaften im Auf- und Umbau von Chromatin. Ein wichtiger Schritt zur Struktur dieser Remodeller war die Kartierung der 15 Untereinheiten des INO80Komplexes. Mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie wollen wir in Zukunft aufklären, wie diese molekularen Maschinen Chromatin auf- und umbauen. Da Remodeller auch in der Krebsentstehung zentrale Bedeutung erlangen, werden strukturelle und mechanistische Erkenntnisse im Hinblick neuer Therapien Bedeutung haben. Neben den genomerhaltenden Mechanismen arbeiten wir auch an der Erkennung fremder Nukleinsäuren in der Zelle. Virale RNA und DNA im Zytosol sind eine Signatur von infizierten oder gestressten Zellen und lösen ein Alarmsignal des angeborenen Immunsystems aus, worauf über vielfältige Abwehrreaktionen des Immunsystems die Infektion bekämpft wird. DNA ist normalerweise nicht Bestandteil des Zytosols, sondern nur im Zellkern und den Mitochondrien vorhanden. Der Sensor cGAS detektiert zytosolische DNA und löst eine Immunantwort über die Synthese eines neuartigen Botenstoffs aus. Wir konnten die Struktur und den Wirkmechanismus des cGAS-Proteins aufklären und damit Einblicke in die Immunerkennung zytosolischer DNA in atomarer Auflösung erlangen. Hierbei zeigte sich unter anderem, dass cGAS ohne DNA in einer inaktiven Konformation vorliegt. Die Interaktion mit DNA bewirkt eine Konformationsänderung, welche das aktive Zentrum von cGAS ordnet und die Synthese des Immunbotenstoffs cGAMP, eines zyklischen Dinukleotids, erlaubt. cGAMP aktiviert eine Signaltransduktionskaskade, welche die zellulären Abwehrmechanismen auslöst. Nukleinsäuresensoren des angeborenen Immunsystems können auch falschen Alarm auslösen, was zu Autoimmunerkrankungen führen kann. Hierbei erkennen die Sensoren bereits zelleigene DNA oder RNA, anstatt erst zum Beispiel auf virale Nukleinsäuren bei Infektionen zu reagieren. Verschiedenste Mechanismen liegen diesen Autoimmunerkrankungen zugrunde, aber eine Ursache sind Mutationen in den Sensoren selbst. Ein Beispiel dafür ist der Sensor für zytosolische virale RNA, das RIG-I-Protein. Aufbauend auf unseren grundlegenden Arbeiten zur Struktur und den Wirkmechanismus des RIG-I-Proteins konnten wir kürzlich herausfinden, dass einer bestimmten Autoimmunerkrankung die Hemmung der ATPHydrolyse dieses Sensors zugrunde liegt. ATP wird gebunden und aktiviert den mutierten Sensor durch eine Konformationsänderung bereits in Gegenwart zelleigener RNA. Normalerweise bewirkt die ATP-Hydrolyse, dass der Sensor von RNA-Substraten abgelöst wird. Dieser Mechanismus scheint das „Signalrauschen“ über zelleigene RNAs zu verringern. Diese Ergebnisse zeigten überraschend, dass die ATPase nicht so sehr für die hochaffine Erkennung viraler RNA wichtig ist, sondern vielmehr hilft, zufällige Aktivierung durch niedrigaffine zelluläre RNA zu unterdrücken und somit Autoimmunität zu verhindern. Die Strukturforschung an den genomerhaltenden Prozessen der Zelle liefert Ansatzpunkte auch für die spezifische Entwicklung von Wirkstoffen. So kann zum Beispiel das Immunsystem über eine maßgeschneiderte Aktivierung oder Hemmung der Sensoren und anderer Komponenten der Signalwege durch synthetische Liganden aktiviert oder abgeschaltet werden. Anwendungen finden sich in der Immuntherapie von Krebs oder der Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Forschungsschwerpunkte – Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2017 Professor Karl-Peter Hopfner Januar 2017 DFG