327 © 2004 Schattauer GmbH Viren als Ursache der ambulant erworbenen Pneumonie B. Schweiger Nationales Referenzzentrum für Influenza, Robert Koch-Institut, Berlin Schlüsselwörter Keywords Ambulant erworbene Viruspneumonie, konventionelle respiratorische Viren, Influenzavirus, Respiratory Syncytial Virus Community-aquired viral pneumonia, conventional respiratory viruses, influenza virus, respiratory syncytial virus Zusammenfassung Acute respiratory tract infections are caused by a variety of viruses. Only some of them are considered conventional respiratory viruses such as influenza virus, respiratory syncytial virus (RSV), parainfluenza virus, adenoviruses, rhinoviruses, and enteroviruses excluding polioviruses and coronaviruses. The disease is mainly restricted to the upper respiratory tract with generally a good prognosis. Infants, immunocompromised patients, persons with underlying diseases and the elderly are more prone to develop serious or life-threatening disease. This paper discusses conventional respiratory viruses along with data on the etiology and epidemiology. The most important etiologic agents associated with community acquired pneumonia (CAP) during infancy are RSV and parainfluenza viruses whereas CAP in adults is – according to CAPNETZ-data mainly caused by influenza virus and RSV. Akute respiratorische Erkrankungen werden durch eine Vielzahl von Viren, hauptsächlich jedoch durch die „konventionellen“ respiratorischen Viren wie Influenza-, Respiratory Syncytial (RS)-, Parainfluenza-, Adeno-, Rhino-, Entero- und Coronaviren verursacht. Die Erkrankungen bleiben überwiegend auf die oberen Luftwege beschränkt. Kleinkinder, Immunsupprimierte, Personen mit vorbestehenden chronischen Erkrankungen und ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für virale Infektionen des unteren Respirationstrakts und schwere Infektionsverläufe. In diesem Beitrag werden die „konventionellen“ respiratorischen Viren vorgestellt und ausgewählte Daten bezüglich Ätiologie und Epidemiologie diskutiert. Für ambulant erworbene Pneumonien im Kleinkindalter sind vorrangig RSund Parainfluenzaviren verantwortlich. Bei Erwachsenen kommt bei ambulant erworbener Pneumonie entsprechend der CAPNETZ-Daten den Influenzaviren und RSV die größte Bedeutung zu. A kute Erkrankungen der oberen Atemwege sind überwiegend auf Infektionen mit respiratorischen Viren zurückzuführen. Eine Vielzahl von Viren (>150) kann den Respirationstrakt infizieren, aber nur einige davon werden als „konventionelle“ respiratorische Viren (KRV) bezeichnet. Dazu zählen die Influenzaviren, RS-, Parainfluenza-, Rhino- und Enteroviren, ausgenommen die Polioviren, sowie Corona- und Adenoviren. In die Gruppe der KRV sind auch die vor kurzem beschriebenen humanen Metapneumoviren einzuordnen (35). Generell verursachen die KRV zwar eine hohe Morbidität, sind aber in der Regel mit einer guten Prognose für die Infektion assoziiert. Schwere Verläufe einschließlich Summary Viruses causing community acquired pneumonia Med Welt 2004; 55: 327–31 Pneumonie wurden überwiegend in den sogenannten Risikogruppen wie älteren Menschen, chronisch Kranken und Immunsupprimierten beobachtet. Diese Daten stammen weitestgehend aus kleineren Studien mit definierten Patientengruppen. Eine der Zielstellungen von CAPNETZ besteht darin, virologische und epidemiologische Daten in Deutschland zu erheben und somit Informationen zur Rolle von konventionellen respiratorischen Viren bei ambulant erworbener Pneumonie (CAP) basierend auf einem großen Patientenkollektiv zu erhalten. Schwerpunkt unseres CAPNETZProjekts bilden die Influenza-, RS-, Adenound Enteroviren. Bei 11% der CAP-Patienten konnte ein Virus identifiziert werden. Influenza- und RS-Viren kam die größte Bedeutung zu, während Adeno- und Enteroviren je einen Anteil von 8% einnahmen. Influenzaviren Influenzaviren sind umhüllte Viren mit einem einzelsträngigen segmentierten RNAGenom negativer Polarität. Sie bilden die Familie der Orthomyxoviridae und werden in die Typen A, B und C unterteilt. Von epidemiologischer Bedeutung sind allein die Typ-A- und -B-Viren. Influenza-A-Viren besitzen neben dem Menschen noch ein großes tierisches Reservoir und werden aufgrund ihrer antigenen Eigenschaften in eine Vielzahl von Subtypen differenziert. Besonders charakteristisch für die Influenzaviren ist ihre große Variabilität. Die kontinuierliche Veränderung der Hüllproteine resultiert in einer Antigendrift, die eine jährliche Aktualisierung des Impfstoffs erfordert. Aufgrund des segmentierten Genoms dieser Viren besteht die permanente Gefahr einerAntigenshift durch genetisches Reassortment oder direkte Speziestransmission und somit eines pandemischen Infektionsgeschehens (39). Die Infektion mit Influenzaviren erfolgt über virushaltige Aerosole. Zu den charakteristischen Symptomen zählen der akute Krankheitsbeginn mit plötzlich auftretendem Fieber, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen sowie ein trockenen Husten. Gefürchtete Komplikationen einer Influenza sind vor allem Pneumonie, Myokarditis, Perikarditis und Enzephalopathie (39). Die primäre virale Pneumonie, die innerhalb weniger Tage zum Tod führen kann, tritt vor allem bei Angehörigen von Risikogruppen wie älteren Menschen und Personen mit chronischen Herz- und Lungenerkrankungen auf. Über ein Drittel der Fälle Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Med Welt 10/2004 328 Schweiger wurde allerdings bei Personen ohne Vorerkrankungen und bei Schwangeren beobachtet. Die viral-bakterielle Pneumonie kommt wesentlich öfter als die primäre virale Pneumonie vor und wird am häufigsten als Koinfektion mit Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Staphylococcus aureus beobachtet. Die Mortalität lag bei diesen beiden Pneumonie-Syndromen bei 12%, stieg aber bei Koinfektion mit Staphylococcus aureus auf bis zu 42% (39). Schwere und fatale Verläufe bei primär viraler und viral-bakterieller Pneumonie bei Kindern und jungen Erwachsenen ohneVorerkrankungen sind bekannt und in einzelnen Fallberichten beschrieben. (23, 33). Über eine Pneumonierate von fast 50% wurde bei hospitalisierten Influenzapatienten berichtet. Eine bakterielle Koinfektion war nur in 40% der Fälle nachweisbar. Die Mortalitätsrate betrug 29%. Zu den Pneumoniepatienten zählten auch gesunde Erwachsene, aber in der Mehrzahl waren es ältere Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen (28). Angaben über die Häufigkeit des Nachweises von Influenza in Zusammenhang mit einer Pneumonie schwanken je nach Studiendesign und Zeitraum. In einer Langzeitstudie wurden bei 18% der Pneumoniepatienten KRV nachgewiesen mit in der Hälfte der Fälle als einzigem Pathogen. Influenzaviren waren mit 64% am häufigsten vertreten. Diese Ergebnisse stehen im wesentlichen in Übereinstimmung mit früheren Daten. Das höchste Risiko für eine primäre Pneumonie besaßen Patienten mit chronischen Herzerkrankungen (7). Andere Untersuchungen wiesen Influenzaviren mit 7% als das nach Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae am dritthäufigsten identifizierte Pathogen aus (21). Eine sekundäre bakterielle Pneumonie als Folge einer Influenza ist die am häufigsten auftretende Komplikation. Die Erkrankung beginnt mit einer typischen Influenzasymptomatik, gefolgt von einer über wenige Tage einsetzenden Besserung und den dann beginnenden Anzeichen einer Pneumonie. Oft bleibt ein Influenzanachweis in dieser Phase negativ. Bei dieser milderen Form der Pneumonie wurde eine Mortalitätsrate von 7% beschrieben (39). Med Welt 10/2004 Trotz sporadischer Todesfälle bei Kindern und gesunden Erwachsenen entfällt die überwiegende Zahl der während einer Influenzawelle in interpandemischen Perioden registrierten Hospitalisierungen und Todesfälle auf die sogenannten Risikogruppen (31, 34). Daher wird auch vor allem diesem Personenkreis eine Influenzaschutzimpfung empfohlen, deren Wirksamkeit in vielen Studien dokumentiert wurde (26). Für die Therapie einer Influenza stehen Neuraminidasehemmer zurVerfügung. Eine rechtzeitige Therapie kann dazu beitragen, schwere Verläufe sowohl bei Personen ohne Vorerkrankung als auch bei Angehörigen von Risikogruppen zu reduzieren (19). Es wurde auch über den therapeutischen Einsatz bei Influenza-Pneumonie berichtet, die Effektivität dieser Therapie bedarf jedoch noch einer umfassenden Evaluierung (28). Basis für die Ermittlung der Exzessmortalität im Zusammenhang mit einer Influenzaepidemie ist ein gut ausgebautes Influenza-Surveillancesystem, wie es in Deutschland in enger Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsgemeinschaft Influenza und dem Nationalen Referenzzentrum für Influenza besteht. Schätzungen gehen davon aus, dass während der Influenzasaison 2002/03 etwa 15 000–16 000 Personen direkt oder indirekt an den Folgen einer Influenza verstarben (1). Daten aus den USA belegen, dass etwa 70% aller Influenza-assoziierten Todesfälle auf die Rubrik chronische Atemwegs- und Kreislauferkrankungen und 16% auf die Rubrik Pneumonie und Influenza entfielen (34). Sowohl die nationalen als auch die internationalen Überwachungsdaten belegen damit die große Bedeutung, die der Influenza in Zusammenhang mit einer Pneumonie zukommt. Respiratory Syncytial Virus (RSV) RSV ist ein Negativstrang-RNA-Virus, das in die Familie der Paramyxoviridae und innerhalb dieser in den Genus Pneumovirus eingeordnet wurde. RS-Viren sind weltweit verbreitet mit einem saisonalen Auftreten innerhalb der nördlichen Breitengrade. Der Gipfel der Aktivität ist im Winter, wobei so- wohl der Zeitraum als auch die Intensität ihres Auftretens sehr schwanken können. Das klinische Bild der RSV-Infektion variiert mit dem Lebensalter. Die primäre Infektion bis zum Alter von 2 Jahren ist gewöhnlich symptomatisch und schließt auch oft den unteren Respirationstrakt mit ein. RS-Viren sind im Kleinkindalter die häufigste Ursache von Bronchiolitis und Pneumonie. Therapeutische Optionen umfassen den Einsatz von Ribavirin als Aerosol, Immunglobulin sowie zeitlich begrenzt einen monoklonalen RSV-Antikörper zur Prophylaxe. Im Laufe des Lebens kommt es immer wieder zu Reinfektionen, die mit Erkrankungen des oberen und unteren Atmungstrakts verbunden sind und im Schweregrad von subklinischer Infektion bis zu Pneumonie und fatalen Verläufen rangieren (4). Bei Erwachsenen ohne Vorerkrankung verläuft die RSV-Infektion selten schwer oder fatal. Im Rahmen einer Studie mit Erwachsenen im Alter von 18–60 Jahren wurde berichtet, dass 7% der Studienteilnehmer eine RSV-Infektion erwarben, die bei 84% von einer Symptomatik begleitet war. Erkrankungen des unteren Respirationstrakts traten bei 26% der Fälle auf (15). Bei Erwachsenen mit ambulant erworbener Pneumonie war RSV das vierthäufigste Pathogen nach Pneumokokken, Influenza und Mycoplasmen (8). Eine RSV-Infektion in immunsupprimierten Personen ist mit einer signifikant höheren Morbidität und Mortalität verbunden, wobei die Schwere der klinischen Manifestation vom Ausmaß der Immunsuppression abhängig ist. Studien belegen sowohl für Leukämiepatienten unter Chemotherapie als auch für Patienten nach Knochenmarktransplantation (KMT) ein besonders hohes Risiko, denn 75% der RSV-Infektionen mündeten in eine Pneumonie mit einer Mortalitätsrate bis zu 80% (10). Ältere Menschen und Personen mit chronischen Erkrankungen haben ebenfalls ein wesentlich höheres Risiko für eine RSVPneumonie. Populationsbezogene Daten zu RSV-Infektionen bei Älteren sind kaum verfügbar. Ältere Personen stellen sich oft sehr spät dem Arzt vor. Dies beeinträchtigt wesentlich den Nachweis einer Infektion, da ältere Menschen das Virus nur sehr kurz und Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 329 Viren als Ursache der CAP auch in geringeren Konzentrationen im Vergleich zu Kindern ausscheiden. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes Jahr etwa 5% der Älteren mit RSV infiziert werden und sich bei 10–20% der Bewohner von Altenheimen sowie bei bis zu 55% der hospitalisierten Patienten eine Pneumonie entwickelt. Die Mortalitätsrate lag zwischen 3% und 5% in Heimen und bis zu 20% bei hospitalisierten älteren Menschen (6). Als Risikofaktoren innerhalb der Gruppe der Älteren sind vor allem fortgeschrittenes Alter sowie chronische Lungen- und Herzerkrankungen anzusehen (36). Eine Analyse von RSV- und InfluenzaÜberwachungsdaten aus den USA gibt Hinweise, dass nicht nur Influenza, sondern auch RSV mit vielen letal verlaufenden Atemwegsinfekten in Zusammenhang steht (34). Die bisher verfügbaren Daten lassen vermuten, dass die Bedeutung der RSV-Infektion bei Erwachsenen erheblich unterschätzt wird. Eine Diagnostik wird nur sehr selten eingeleitet, sogar bei hospitalisierten Patienten, da eine RSV-Infektion bei Pneumonien im Erwachsenenalter kaum in Betracht gezogen wird. effektiv übertragen werden. Reinfektionen treten im Laufe des Lebens immer wieder auf, sind aber bei Immunkompetenten in der Regel entweder asymptomatisch oder nur mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege assoziiert. Schwere Erkrankungen wie Pneumonien wurden in 23–38% der aufgrund von Erkrankungen der unteren Atemwege behandelten Kinder diagnostiziert (3). Der Prozentsatz der Pneumonien, die durch PIV verursacht werden, sinkt mit steigendem Lebensalter und liegt bei Erwachsenen zwischen 3% und 12% (16). PIV-Infektionen sind vor allem bei immunkompromittierten Personen wie Empfängern von Transplantaten, Tumorpatienten und HIV-Infizierten von Bedeutung. Studien zeigten, dass PIV-Infektionen bei 24–50% der KMT- und Leukämiepatienten zu einer Pneumonie führten, an der 22–75% verstarben (27). Ebenso wie anderen respiratorischen Viren wird auch den PIV eine Prädisposition im Hinblick auf eine sekundäre bakterielle Pneumonie zugeschrieben (12). Adenoviren Parainfluenzaviren Humane Parainfluenzaviren (PIV) besitzen eine einzelsträngige RNA negativer Polarität. Sie werden in die Typen 1 bis 4 unterteilt und gehören der Familie der Paramyxoviridae an. PIV sind weltweit verbreitet und verursachen Erkrankungen der Atemwege. PIV1 und 2 treten saisonal auf, während PIV vom Typ 3 endemisch sind. Die größte Bedeutung erlangen PIV bei Klein- und Schulkindern. Das Symptomspektrum umfasst überwiegend Erkrankungen des oberen Respirationstrakts. PIV1 und 2 sind die Hauptursache des Pseudokrupp, während schwerere Erkrankungen wie Bronchiolitis und Pneumonie durch PIV3 verursacht werden. PIV3 ist nach RSV der zweithäufigste Erreger von Pneumonie und Bronchiolitis bei Kleinkindern (3). Familienstudien haben gezeigt, dass PIV-Infektionen vorrangig über Vorschulkinder in die Familien eingebracht und sehr Adenoviren (AV) besitzen ein Doppelstrang-DNA-Genom, stellen nicht-umhüllte Viruspartikel dar und gehören zur Familie der Adenoviridae. Von den bisher bekannten 51 AV-Serotypen sind etwa nur ein Drittel für die meisten humanen Infektionen verantwortlich. AV können den Respirationstrakt, das Auge, den Gastrointestinaltrakt, die Harnwege und die Leber infizieren. Die respiratorischen Symptome gehen oft mit einer systemischen Manifestation einher und können in schwereren Fällen zu einer Pneumonie führen. AV-Infektionen treten vor allem im frühen Kindesalter auf. AV sind nach RSV das zweithäufigste virale Pathogen, das bei respiratorischen Erkrankungen von Kindern unter 4 Jahren nachgewiesen wurde und etwa für 10% aller Pneumonien im Kindesalter verantwortlich (18). Bei AV-Ausbrüchen scheint vor allem der Aufenthalt einer größeren Anzahl von Personen in festen Einrichtungen als Risikofaktor zu fungieren. Ausbrüche in Militärobjekten waren mit einer Morbidität bis zu 80%, einer Hospitalisierungsrate von 20–40% und fatalen Verläufen assoziiert (25). AV-Infektionen sind außerdem bei immunkompromittierten Personen von Bedeutung. Bei KMT-Patienten kann es zur Entwicklung einer schweren und häufig fatalen Pneumonie oder auch zu einer disseminierten Infektion kommen (22). Im Gegensatz zu Immunkompromittierten sind bei gesunden Erwachsenen nur wenig Daten hinsichtlich einer AV-Pneumonie verfügbar. Diese Berichte schließen einen AV-Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung für geistig Kranke ein, bei dem sowohl die Anzahl der Pneumonien als auch deren fatale Verläufe ungewöhnlich hoch waren (20). Einer der selten beschriebenen isolierten Fälle betrifft die AV-Infektion von ansonsten gesunden Zwillingsschwestern. Beide entwickelten eine schwere AV-Pneumonie, an der eine der jungen Frauen verstarb (2). Enteroviren Enteroviren (EV) sind Vertreter der Familie der Picornaviridae. Der Genus Enteroviren untergliedert sich in Polioviren, Coxsackieviren, Echoviren und Enteroviren. Eine Reihe von EV wurde auch in Zusammenhang mit respiratorischen Erkrankungen nachgewiesen, wobei es sich hauptsächlich um Erkrankungen des oberen Respirationstrakts handelte. Identifiziert wurden vor allem Coxsackie- und Echoviren. Enteroviren als Erreger von Atemwegserkrankungen wurden am häufigsten bei kleineren Kindern nachgewiesen. Auch schwere Erkrankungen der unteren Atemwege wie Pneumonie und Bronchiolitis standen in Zusammenhang mit einer EV-Infektion (29, 32). EV spielen bei respiratorischen Erkrankungen von gesunden Erwachsenen keine nennenswerte Rolle. Im Gegensatz dazu besteht jedoch bei immunkompromittierten Personen und auch älteren Menschen die Gefahr, dass eine durch EV verursachte Atemwegserkrankung mit einem schweren Krankheitsbild einhergeht (30). EV-Infektionen als Ursache für die Entstehung einer Pneumonie bei Erwachsenen wurden bei KMT-Patienten beschrieben. Bei den wenigen in diese Studien integrierten Patienten Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Med Welt 10/2004 330 Schweiger betrug die Mortalität 75% (14). Dieser Bericht verdeutlicht, dass EV-Infektionen vor allem bei immunkompromittierten Erwachsenen schwere Erkrankungen der unteren Atemwege verursachen können. Rhinoviren Rhinoviren (RV) sind, wie auch die Enteroviren, Vertreter der Familie Picornaviridae, vermehren sich aber im Gegensatz zu den Enteroviren nur im Respirationstrakt. RV werden auf Grund ihrer antigenen Eigenschaften in 100 Serotypen unterteilt. Sie sind die Viren, die am häufigsten von Personen mit milden Erkrankungen der oberen Atemwege isoliert wurden. Die Infektion mit RV führt in der Regel zu einer 2– bis 3-tägigen Erkrankung. Es wird vermutet, dass eine vorangehende Rhinovirusinfektion die Entwicklung einer bakteriellen Sinusitis oder einer Otitis media begünstigt (5). Erkrankungen der unteren Atemwege aufgrund von RV-Infektionen wurden öfter bei Kindern als bei Erwachsenen beobachtet. RV wurden bei Kleinkindern in direktem Zusammenhang mit einer Pneumonie nachgewiesen (24). Es ist seit langem bekannt, dass RV auch in erheblichem Umfang an der Exazerbation von chronischer Bronchitis als auch COPD beteiligt sind (5). Verschiedene Berichte weisen darauf hin, dass RV vor allem bei älteren und chronisch kranken Menschen eine größere Bedeutung bei Erkrankungen der unteren Atemwege zukommt als bisher vermutet (11). Es bleibt zukünftigen Studien vorbehalten, die spezifische Rolle von RV in Zusammenhang mit Erkrankungen des unteren Respirationstrakts zu untersuchen. Coronaviren Coronaviren (CoV) sind umhüllte Viren mit einem Positivstrang-RNA-Genom, die zur Familie der Coronaviridae gehören.Von humanen CoV waren bisher 2 Serogruppen bekannt, die sowohl den Respirations- als auch den Gastrointestinaltrakt infizieren können. Durch CoV verursachte Ausbrüche von Med Welt 10/2004 Atemwegserkrankungen wurden vorrangig während der Wintermonate registriert. Der Schweregrad der Atemwegsinfektionen erstreckt sich von asymptomatisch bis zur Pneumonie. Es wird vermutet, dass etwa 30% der respiratorischen Infektionen asymptomatisch bleiben und sich bei mehr als 50% der Infizierten die Symptomatik einer banalen Erkältung entwickelt. Reinfektionen können immer wieder auftreten und weisen auf eine Zirkulation von verschiedenen Antigenvarianten hin. Der Anteil der CoV an respiratorischen Erkrankungen lag je nach Jahreszeit und Studiendesign zwischen 5% und 30% (17). Kürzlich wurde ein neues humanes CoV entdeckt, das die Serogruppe 1 repräsentiert. Die Symptomatik dieser Infektion scheint mit der anderer humaner Coronaviren vergleichbar zu sein einschließlich Erkrankungen des unteren Respirationstrakts wie Pneumonie (13, 37). Ein schwereres Erkrankungsbild nach einer Infektion mit humanen CoV war in der Regel nur bei älteren chronisch kranken und bei immunsupprimierten Personen nachweisbar (9, 11). Atypische Pneumonien verursacht durch das SARS-CoV wurden Ende 2002 in Südchina erstmals beobachtet. Dieses vermutlich von der Zibetkatze auf den Menschen übertragene CoV war Auslöser einer auf viele Länder übergreifenden Epidemie und mit einer Mortalitätsrate von etwa 10% assoziiert (38). Eine kontinuierliche Zirkulation des SARS-CoV konnte bisher erfolgreich unterbunden werden. Diagnostik einer Infektion mit konventionellen respiratorischen Viren Für die Diagnostik stehen serologische, virologische und molekulare Nachweisverfahren zur Verfügung. Da serologische Tests frühestens 7–14 Tage nach Infektion ein Resultat versprechen, sind sie eher aus epidemiologischer Sicht interessant und für die Akutdiagnostik kaum einsetzbar. Die Virusanzucht ist generell für alle hier vorgestellten KRV möglich, kann bis zu 14 Tage in Anspruch nehmen und bleibt meist Spezial- Fazit für die Praxis Konventionelle respiratorische Viren wie RSV, Parainfluenza- und Adenoviren sind für die Mehrzahl der Pneumonien bei Kleinkindern verantwortlich. Bei Immunsupprimierten stehen RSV, Adeno-, Influenza- und Parainfluenzaviren an vorderer Stelle. Sichere und effektive Impfstoffe sind – abgesehen von Influenza – bisher nicht verfügbar. Ambulant erworbene Viruspneumonien bei Erwachsenen werden in erster Linie durch Influenza- und RS-Viren verursacht. Besonders gefährdet sind chronisch Kranke und ältere Menschen. Daher müssen vor allem die Influenza-Impfempfehlungen noch viel konsequenter umgesetzt und Therapieoptionen noch besser genutzt werden, um Hospitalisierungen und Todesfälle aufgrund von Influenza zu reduzieren. Generell sollte dem Screening nach konventionellen respiratorischen Viren eine größere Bedeutung zukommen, sowohl aus epidemiologischen Gründen (Isolierung) als auch im Hinblick auf verfügbare oder zukünftige neue Therapeutika. laboratorien vorbehalten. Antigentests wie ELISA oder Immunfluoreszenz sind – abgesehen von Corona- und Rhinoviren – für alle anderen KRV kommerziell verfügbar. Für den Nachweis von Influenza- und RSViren stehen seit einigen Jahren auch Schnelltests zur Verfügung, die als „near patient test“ geeignet sind. Die Sensitivität der Antigennachweise ist besonders von der Qualität des Probenmaterials und dem Zeitpunkt der Probenentnahme abhängig. Der Nukleinsäurenachweis durch Polymerasekettenreaktion (PCR) ist bezüglich der Spezifität und Sensitivität den Antigentests überlegen. Literatur 1. Arbeitsgemeinschaft Influenza. Abschlussbericht der Influenzasaison 2002/03. Berlin, 2003. 2. Barker JH et al. Fatal type 3 adenoviral pneumonia in immunocompetent adult identical twins. Clin Infect Dis 2003; 37: e142–6. Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 331 Viren als Ursache der CAP 3. Chanock RM, Murphy BR, Collins PL. Parainfluenza viruses. In: Fields BN, Knipe DM, Howley PM et al. (eds.), Fields Virology, Fourth Edition. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins 2001, pp. 1341 ff. 4. Collins PL, Chanock RM, Murohy BR. Respiratory syncytial virus. In: Fields BN, Knipe DM, Howley PM et al. (eds.), Fields Virology, Fourth Edition. Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins 2001, pp. 1443 ff. 5. 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