de - Gesellschaft für Virologie

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Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie (GfV), März 2013
Untersuchungen zur Pathogenität, Wirtsspezifität und Übertragbarkeit von Influenzaviren sind unter
Einhaltung besonderer Vorsichtsmaßnahmen vordringlich
Influenza-A-Viren gehören zu den wichtigsten Krankheitserregern des Menschen. Aufgrund ihrer hohen
genetischen Flexibilität verändern sie sich ständig, sodass es zu keinem dauerhaften Immunschutz und damit
zu den jährlichen Epidemien kommt. Darüber hinaus zeichnen sich Influenza-A-Viren durch ein breites
Wirtsspektrum aus. Man geht heute davon aus, dass Vögel das entscheidende Reservoir sind, aus dem die
Erreger gelegentlich auf andere Spezies übertragen werden und sich dann an den neuen Wirt anpassen. Wenn
auf diese Weise ein bislang bei den Menschen unbekanntes Virus auftaucht, gegen das keinerlei
Immunschutz besteht, kann es zur Pandemie kommen. Dabei handelt es sich häufig um ein dramatisches
Ereignis, auch wenn die Folgen nicht immer so verheerend sind wie 1918 bei der Spanischen Grippe. Die
Faktoren, die Pathogenität, Wirtsspezifität und andere biologische Eigenschaften der Erreger bestimmen,
verstehen wir bislang nur unvollständig. Ihre genaue Kenntnis ist jedoch für die Kontrolle und Bekämpfung
der Influenza, insbesondere für die Früherkennung von Pandemien, unerlässlich.
Als ein Hauptkandidat, der eine zukünftige Pandemie auslösen könnte, gilt das H5N1-Virus, das sogenannte
Vogelgrippevirus. Dieses Virus hat sich im letzten Jahrzehnt über weite Teile der Erde ausgebreitet, wobei
ihm Millionen von Vögeln zum Opfer gefallen sind. Beim Menschen wurden bislang nur relativ wenige
H5N1-verursachte Erkrankungen beobachtet, die dann allerdings in der Regel einen sehr schweren Verlauf
hatten. Dass das Virus bislang nicht zu einer Pandemie führte, beruht in erster Linie darauf, dass es im
Gegensatz zu humanen Influenzaviren nicht über die Luft von Mensch zu Mensch übertragen wird. Von
zentraler Bedeutung für die Influenzavirusforschung der letzten Jahre war daher die Frage, ob und auf
welche Weise H5N1-Viren diese Eigenschaft erwerben können.
Wichtige Antworten darauf haben Studien im Frettchen geliefert, das wegen der Ähnlichkeit der
Krankheitssymptome als besonders gutes Tiermodell für die Influenza beim Menschen gilt. Diese Arbeiten
wurden im letzten Jahr veröffentlicht. Dabei haben sich H5N1-Viren im Laufe der Experimente so verändert,
dass sie auf dem Luftweg von einem Tier zum anderen übertragen wurden. Es zeigte sich, dass diese
Eigenschaft auf ganz wenigen Mutationen beruhte, die das Andocken des Virus an die Zelloberfläche, sein
Eindringen in die Zelle sowie die Replikation des Virusgenoms veränderten [1,2]. Dies deutet darauf hin,
dass der Wirtswechsel vermutlich ein weniger komplexer Prozess ist, als bislang gemeinhin angenommen,
und dass die erforderlichen, entscheidenden genetischen Veränderungen möglicherweise auch in der Natur
auftreten könnten. In der Tat wurde ein Teil der entscheidenden Mutationen bereits recht häufig in H5N1Viren bei Ausbruchsuntersuchungen im Feld beobachtet. Insgesamt zeigen diese Untersuchungen, dass
H5N1-Viren nach wie vor eine Bedrohung für den Menschen darstellen. Die weltweite Überwachung von
H5N1 ist deshalb unverändert notwendig und sollte verstärkt werden, da wir nun ganz bestimmte Mutationen
in dem Virusgenom kennen, die besonderer Wachsamkeit bedürfen. Genauso sollten die aktuell
zirkulierenden H5N1 Viren immer wieder daraufhin überprüft werden, ob die zurzeit verfügbaren
sogenannten präpandemischen Impfstoffe noch wirken.
Diese Untersuchungen haben in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit zu einer intensiven
Auseinandersetzung über ihren wissenschaftlichen Nutzen auf der einen Seite und das Risiko der
unbeabsichtigten oder missbräuchlichen Freisetzung eines möglicherweise für den Menschen gefährlichen
Krankheitserregers auf der anderen Seite geführt (siehe auch die sogenannte „dual use“ Problematik). Eine
Gruppe von Influenzavirologen empfahl deswegen im Januar 2012, Forschungsarbeiten zur aerogenen
Transmission dieser Viren vorübergehend auszusetzen. Dieses Moratorium ermöglichte nicht nur eine
Risiko-Nutzen-Abschätzung,
sondern
auch
die
Überprüfung
und
Anpassung
der
bestehenden
Sicherheitsmaßnahmen. So hat die deutsche Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS)
empfohlen, Untersuchungen zur Steigerung der aerogenen Übertragbarkeit hoch pathogener aviärer
Influenzaviren in Säugetieren zukünftig nur noch unter den höchsten Sicherheitsbedingungen (BSL4)
durchzuführen [3]. Solche Untersuchungen sind ganz entscheidend, um zu verstehen, wie hoch die
Wahrscheinlichkeit und die evolutionäre Geschwindigkeit des Auftretens der kritischen Mutationen sind.
Diese Erkenntnisse ermöglichen die Risikoabschätzung hinsichtlich des Auftretens von Grippepandemien.
Außerdem müssen die molekularen Mechanismen für aerogene Übertragbarkeit von H5N1-Viren auch
untersucht werden, um Hinweise für wirksame Hygiene- und Interventionsmaßnahmen (wie z.B.
Chemoprophylaxe und Impfungen) zu erhalten. Die GfV hält es deswegen für folgerichtig, dass das
Moratorium aufgehoben wurde, damit die davon betroffenen Forschungsarbeiten wieder aufgenommen und
weitergeführt werden können. Grundsätzlich ist jedoch immer darauf zu achten, dass der wissenschaftliche
Erkenntnisgewinn und der gesellschaftliche Nutzen solcher Untersuchungen das von ihnen ausgehende
Gefahrenrisiko deutlich überwiegen. Dies nach bestem Wissen und Gewissen zu prüfen liegt natürlich auch
in der besonderen Verantwortung der auf diesem Gebiet tätigen Wissenschaftler.
[1] M. Imai et al., Nature 486, 420 (2012).
[2] S. Herfst et al., Science 336, 1534 (2012)
[3] Empfehlung der ZKBS zur Einstufung von gentechnischen Arbeiten mit hochpathogenen aviären
Influenza A-Viren, die das Potential einer effizienten Luftübertragbarkeit zwischen Säugetieren besitzen.
http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/06_Gentechnik/ZKBS/01_Allgemeine_Stellungnahmen_de
utsch/09_Viren/Influenza_A_Viren.pdf?__blob=publicationFile&v=3
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