22 Druck und Papierverarbeitung tag für tag 6·2002 Erfolgreiches Vorgehen beim Ersatz von Isopropylalkohol (IPA) Bogendruck ohne Alkohol im Feuchtwerk Gesundheitliche Bedenken der Drucker sowie Umweltbelastungen durch die Verwendung von Isopropanol haben dazu geführt, dass die Alkoholfeuchtung schon bald nach ihrer Einführung vor ca. 30 Jahren in die Kritik geriet. Der Verbrauch an Isopropanol als Zusatz zum Feuchtwasser nahm im Zuge dieser Kritik in den vergangenen Jahren erfreulicherweise drastisch ab. Die anfänglich vorgeschlagenen 25 % IPA-Gehalt sind heute nicht mehr zeitgemäß. Verringerungen auf 6 % IPA-Anteil im Feuchtwasser sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Die ersten Druckereien gehen nun den entscheidenden Schritt weiter und führen den alkoholfreien Nassoffsetdruck ein. Alkoholfrei: MAN Roland 705 »Wir wollen für den Tag X gerüstet sein, an dem der Gesetzgeber uns dazu zwingt, die Emissionen an Isopropanol zu reduzieren«, so Werner Schwendner, Geschäftsführer der Akzidenzdruckerei HMS Druckhaus GmbH in Dreieich. Aber auch wirtschaftliche Überlegungen und das Wohlbefinden der Mitarbeiter führten dazu, dass man dort mit Nachdruck an der Einführung des Null-Promille-Drucks arbeiten wollte. 2001, mit der Anschaffung der neuen MAN Roland Druckmaschine 705, sollten daher von Beginn an neue Wege beschritten werden. Die notwendigen Eigenschaften des Isopropanols sollten weitestgehend durch technische Lösungen ersetzt werden. Um die Druckplatten gleichmäßig zu benetzen, wurde in der Vergangenheit die Oberflächenspannung des Feuchtmittels durch Zugabe von IPA reduziert. »Dieser Zustand wird bei uns durch den Einsatz von Feuchtwalzen mit geringerer Shorehärte und höherer Oberflächenrauhigkeit der Firma Westland erreicht«, so Helmut Friedl, Produktionsleiter bei HMS. Auch eine höhere Schöpfmenge konnte mit den neuen Walzen erreicht werden. Andere Eigenschaften des Alkohols werden bei HMS durch ein Feuchtmittelgerät neuester Generation (Hersteller: Technotrans) eingestellt. Dieses Gerät dosiert, kühlt und kontrolliert mittels Leitwertmessungen ständig die Qualität des Wassers. Weitere Verbesserungen der Benetzungsfähigkeit und der Viskosität des Feuchtwassers sowie >> Positive Auswirkungen für Produktion und Marketing. Nadine Kindermann, Marketing und Helmut Friedl, Technische Leitung. tag für tag 6·2002 Druck und Papierverarbeitung 23 IPA – Verbrauch reduzieren? Warum? Die Temperatur auf der Erdoberfläche hängt mit vielen, äußerst komplizierten, sich im Gleichgewicht befindlichen Vorgängen zusammen. Wird dieses empfindliche Gleichgewicht jedoch gestört, steigt oder fällt die Temperatur auf der Erdoberfläche. Steigt die Temperatur, spricht man vom so genannten Treibhauseffekt. Normalerweise wird die Wärmeenergie der Sonne nur zum Teil auf der Erde verbraucht, z. B. für das Pflanzenwachstum. Die nicht verbrauchte Wärme wird in Form von Strahlung in den Weltraum zurückreflektiert. Dabei trifft sie in der Erdatmosphäre auf Spurengase wie Kohlendioxid oder Methan. Diese nehmen die Wärmestrahlung, die von der Erde kommt, in sich auf, geben sie aber in einem kurzen Zeitabstand wieder ab. Die Abgabe der Strahlung erfolgt aber in alle Richtungen, d. h. zum Teil auch auf die Erde zurück. Steigt die Menge der Spurengase (z. B. IPA) in der Atmosphäre, ist das Gleichgewicht gestört, denn es kommt durch die Spurengase mehr Energie auf die Erde zurück, d. h. die Temperatur der Erdoberfläche steigt. Verstärkt wird das Problem, da jedes Spurengas »seine« Wärmestrahlung, die eine ganz bestimmte Wellenlänge hat, in sich aufnimmt, d. h. Kohlendioxid nimmt einen anderen Anteil auf als Methan. Die Spurengase »ergänzen« sich demnach. Das bedeutet, dass eine Zunahme des Spurengases IPA bzw. seiner Zersetzungsprodukte in der Erdatmosphäre einen anderen Anteil der Wärme auf die Erde zurückstrahlt als andere Spurengase. IPA trägt damit – wenn auch verglichen mit Kohlendioxid oder Methan nur in geringem Umfang – zum Treibhauseffekt bei. Ein für Methan charakteristischer Teil der Wärmestrahlung wird aufgenommen und sofort wieder in alle Richtungen abgestrahlt, ein Teil davon zurück zur Erde. Sonnenstrahlung Methan Ein für IPA charakteristischer Teil der Wärmestrahlung wird aufgenommen und sofort wieder in alle Richtungen abgestrahlt, ein Teil davon zurück zur Erde. IPA oder Zersetzungsprodukte von IPA Kohlendioxid Wärmestrahlen von der Erde in den Weltraum Wärmestrahlen von der Erde in den Weltraum Wärmestrahlen von der Erde in den Weltraum Ein für Kohlendioxid charakteristischer Teil der Wärmestrahlung wird aufgenommen und sofort wieder in alle Richtungen abgestrahlt, ein Teil davon zurück zur Erde. 24 Druck und Papierverarbeitung tag für tag 6·2002 »Alle Erwartungen wurden erfüllt.« Geschäftsführer Stefan Warlich, rechts und Druckereileiter Thomas Grosser. >> Korrosionsunterdrückung und Reduzierung von mikrobiellem Wachstum werden durch die Zugabe des Feuchtmittelzusatzstoffes RCL-M OS Gold (Lieferant Röbel & Fiedler) erreicht. Nach Abschluss der Einarbeitungsphase der Druckmannschaft wird nun seit ca. einem halben Jahr in Dreieich erfolgreich alkoholfrei produziert. »Nach mehreren Versuchen sind wir heute in der Lage, auch bei schwierigsten Druckformen und feinsten Rastern (bis zu 100er Raster) nach anfänglichen 10.000 Bogen pro Stunde, die Maximalgeschwindigkeit von 15.000 Bogen pro Stunde zu erreichen«, erklärt Produktionsleiter Friedl. Dabei werden Papiere (holzfreie Bilderdruckpapiere) bis zu 230 g/m2 bedruckt. Nach den Erfahrungen bei HMS, lassen die heutzutage erhältlichen hochwertigen Papiere den IPA-freien Druck problemlos zu. Negative Auswirkungen wurden nicht beobachtet. Auch hinsichtlich der verwendeten Farbsysteme Pantone, HKS oder Metallfarben sind keine Unterschiede feststellbar. Im Gegenteil: Seit Einführung des alkoholfreien Drucks wird sogar eine bessere Druckqualität und ein höherer Glanz erreicht. Geschäftsführer Schwendner stellt außerdem fest, dass sich die Produktionszeiten in der Weiterverarbeitung, bedingt durch eine schnellere und bessere Trocknung, verkürzt haben. Lediglich der Verschmutzungsgrad des Feuchtwassers ist nach Einführung des »Null-Promille-Drucks« angestiegen, so dass zur Zeit der Wasserkreislauf alle 4 Wochen gereinigt wird. Eine Optimierung der Filtersysteme ist daher ein Punkt, der bei HMS noch auf der Wunschliste steht. Als Fazit der vergangenen 6 Monate sagt Werner Schwendner: »Wir sind stolz darauf, diesen technischen Fortschritt realisiert zu haben, den wir ohne Mithilfe unserer Partner nicht erreicht hätten.« Alkoholfrei: Heidelberger master 102-4-P Speed- Sehr gute Erfahrungen mit dem alkoholfreiem Offsetdruck werden auch bei der Warlich Druck Meckenheim GmbH gemacht. Bereits in den vergangenen Jahren wurde mit 5 bis 6 % IPA-Anteil im Feuchtwasser gedruckt. Bei der Bestellung der neuen Speedmaster 102-4-P der Heidelberger Druckmaschinen AG, stellte Stefan Warlich, Geschäftsführer bei Warlich Druck, die Anforderung an seine Lieferanten, dass die Maschine in der Lage sein muss, alkoholfrei zu drucken. Bedingung war, dass die Druckqualität ohne Alkohol nicht schlechter sein darf, als mit Alkohol. Höhere Anschaffungskosten für z. B. spezielle Walzenbezüge sollten sich »rechnen«. In diesem Zusammenhang wird von Warlich die sehr gute Zusammenarbeit mit den Systemlieferanten betont, die von Beginn an das Erreichen des gesteckten Zieles effektiv unterstützten. So wurden spezielle Feuchtauftragsund Tauchwalzen (Lieferant EasyLac) verwendet. Als Feuchtwasserzusatz kam Alco Damp Grün M60 (E798) (Lieferant: Vegra) zur Anwendung. Die Farb- und Feuchtwerkstemperierung sowie die zusätzlich installierte elektrochemische Aufbereitung des Feuchtwassers taten ein übriges, damit von Beginn an alkoholfrei gedruckt werden konnte. Eine weitere Modifikation im Schliff der Tauchwalzen nach den ersten Wochen führte dazu, dass mittlerweile bei Warlich Druck in Meckenheim seit einem Jahr erfolgreich und ohne jede Einschränkung IPA-frei gedruckt wird. »Wir drucken heute mit der einer Geschwindigkeit von 13.000 Bogen pro Stunde im Schön- und Widerdruck und das im 3-Schichtbetrieb«, so Druckereileiter Grosser. Qualitätsunterschiede bei verschiedenen Farben oder Papieren werden nicht beobachtet. tag für tag 6·2002 Elektrochemische Aufbereitung des Feuchtwassers. Allerdings verschmutzt das Feuchtwasser im Vergleich zum IPA-haltigen Druck stärker. Daher wünscht sich auch Warlich Druck eine Verbesserung der Filtersysteme. Heute, nach einem Jahr Erfahrung, stellt Geschäftsführer Warlich begeistert fest: »Alle unsere Erwartungen wurden erfüllt. Es ist tatsächlich gelungen auf IPA zu verzichten, bei gleichbleibend hoher Qualität des Druckguts. Die Luft im Drucksaal ist sehr viel besser geworden, was zu einer erhöhten Zufriedenheit der Mitarbeiter geführt hat. Letztlich haben wir sogar eine Produktionssteigerung erreicht und neue Kunden gewinnen können.« Druck und Papierverarbeitung Eine Achtfarbenmaschine, die ohne IPA-Zusatz druckt. Maschinenführer Thomas Weller, rechts, und Erwin Miller, Druckereileiter, links, sind mit dem Ergebnis zufrieden. Durch die Zwangsfiltration des Feuchtwassers werden Verunreinigungen aus Farbe und Papier zuverlässig und vollständig zurückgehalten. Nun zu den Zusätzen: das Wasser wird mit Magnesiumcarbonat aufgehärtet, nicht wie üblich mit Kalziumcarbonat. Die Erfahrung zeigt, dass so die Ablagerungen von Kalkbelägen z. B. auf dem Gegendruckzylinder, verhindert werden. Die Zudosierung erfolgt über Messung des elektrischen Leitwertes. Als Feuchtmittelzusatz wird ein handelsübliches Produkt, Stabilomat 5.500 verwendet. Der Anteil liegt zwischen 1,8 und 2 %. »Aber exakt gemessen, und zwar im Alkoholfrei: In Bracken- Gesamtkreislauf«, so Erwin Miller. Als Messgerät wird ein »Alcofree« von Unisensor eingesetzt. heim, im Zabergäu, produziert Walter Medien GmbH, ein Etwas mehr Aufwand ist allerdings erforderlich: Bereits breites Kalenderprogramm und im Rahmen seiner Cross Media Dienstleistungen Akzidenzien, amtliche Mitteilungs- bei der Anschaffung war ein gewisser Kosten-Mehraufwand blätter u. Ä. Gedruckt wird auf acht Bogendruckmaschinen für die Ausrüstung der Maschine notwendig, z. B. für spezielle Tauch- und Dosierwalzen und Farbwerkstemperierung. mit höchster Qualität und allen Feinheiten wie MetallfarHeute muss man vielleicht ein bis zwei Stunden in der Woben. Mit der Reduktion von Isopropylalkohol (IPA) im che mehr aufbieten, um die Maschine exakt und sorgfältig Feuchtwasser hat man bereits seit längerer Zeit Erfahrung. Aber so ganz ohne ging es bisher nicht. Als im April dieses Jahres die neue KBA Rapida 105 Achtfarben im IIIB-Format geliefert wurde, wollte man es jedoch genau wissen: »In diese Maschine sollte kein IPA«, so Erwin Miller, Das Feuchtmittel wird ständig filtriert. Abteilungsleiter Druck und Umweltschutzbeauftragter. Und man hat es geschafft, die Maschine läuft ohne IPA im Feuchtwasser. Über die einzelnen Schritte, die zu diesem Erfolg geführt haben, gibt Erwin Miller gerne Auskunft: »Das A und O ist die sorgfältige Feuchtwasseraufbereitung.« Hierzu gehören die Entsalzung des Wassers über Umkehrosmose und eine Feuchtwasseraufbereitungsanlage mit einer Zwangsfiltration des Feuchtwassers. KBA Rapida 105 25 26 Druck und Papierverarbeitung tag für tag 6·2002 zu reinigen, denn dies ist Voraussetzung für die Produktion ohne IPA. Dafür spart man aber auch laufende Kosten durch nicht verbrauchtes IPA. »Neben den technischen Voraussetzungen benötigt man auch Unterstützung«, so Erwin Miller. So müssen Druckfarben, Zusatzmittel und Härtung aufeinander abgestimmt sein, sonst erlebt man Pannen. Darüber hinaus müssen die Mitarbeiter eine positive Einstellung gegenüber der neuen Technologie haben. Fazit Bis vor 30 Jahren druckte man im Offsetdruck völlig ohne IPA. Erst mit der Konstruktion der Filmfeuchtwerke (z.B. Dahlgren) wurden grenzflächenaktive Stoffe erforderlich, damit sich ein gleichmäßiger Feuchtmittelfilm auf den Walzen bilden kann. Alkohol in Form von IPA bot sich damals hierfür an. Doch IPA setzte sich nicht sofort durch. So waren z. B. die Druckfarben und Gummiwalzen zu Beginn nicht auf das Arbeiten mit IPA abgestimmt. Saubere Luft im Drucksaal: Mit diesem Zeichen sind Bogenoffsetmaschinen ausgezeichnet, die nachgewiesenermaßen in der Lage sind, emissionsarm zu drucken. Die Emissionsprüfung geht über IPA hinaus und bezieht z. B. auch Druckbestäubungspuder mit ein. In den darauf folgenden Jahren optimierten die Hersteller Material und Chemikalien für den alkoholhaltigen Offsetdruck. Die langfristige Abstimmung der Offsetfeuchtung auf die Verwendung von Alkohol hat zur Folge, dass der völlige Ersatz von IPA im Feuchtmittel nur dann gelingen kann, wenn Drucker und Systemlieferanten eng zusammenarbeiten. Am einfachsten ist die Umstellung bei einer neuen Druckmaschine zu erreichen. Die Praxisberichte zeigen, dass der Wunsch zum alkoholfreien Druck bei vielen Unternehmern besteht. Bereits bei Bestellung der Maschinen müssen die betroffenen Systemkomponenten wie Walzen, Dosier- und Kühleinrichtungen sowie Feuchtmittelzusatzstoffe entsprechend ausgewählt und entsprechend abgestimmt sein. Ebenso ist die Qualität des Brauchwassers von eminenter Bedeutung. Nur Wasser mit einem konstanten Härtegrad und niedrigem Gehalt an Chlorid, Sulfat und Nitrat ist als Prozesswasser geeignet. In manchen Gebieten kann dies durch die zuständigen Wasserversorgungsunternehmen gewährleistet werden. Dies ist bei unseren Beispielen in Meckenheim und Dreieich der Fall. Anderenfalls muss das Leitungswasser vorher aufbereitet werden. Neben diesen rein technischen und chemischen Gegebenheiten muss aber auch die Motivation des Druckerei-Teams stimmen. Nur dann kann – wie die Erfahrungsberichte zeigen – der alkoholfreie Druck erfolgreich eingeführt werden. Bei älteren Maschinen ist sehr viel Reduktionspotenzial vorhanden. Ob sich Investitionen in den Kauf der erforderlichen Systemkomponenten lohnen, hängt von vielen Faktoren ab. Eine Reduktion des IPA-Anteils auf maximal 6 bis 8% ist jedoch an diesen Druckmaschinen meist möglich. – My –