Ethische Aspekte der Transplantationsmedizin

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Ethische Aspekte der
Transplantationsmedizin
Prof. Dr. Ludwig Siep
Philosophisches Seminar
Übersicht:
1. Was ist Ethik?
2. Kriterien medizinischer Ethik
3. Probleme der Organentnahme von
toten Spendern
4. Probleme der Lebendspende
5. Gerechte Organverteilung
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1. Was ist Ethik?
1. Ebenen und Bedeutungen von „Ethik“ („ethisch“)
a) umfassend („letztlich“) richtiges Handeln
b) Vorschriften und Ziele der „moralischen
Kultur“ („Sitten“, „Ethos“, Religionen, Traditionen)
c) Vorschriften des Rechts
d) Lehren über richtiges Handeln („Lehramt“,
Weisheitslehren, Standesregeln)
e) wissenschaftliche Theorien über Pflichten,
Rechte, Güter, Werte, Tugenden etc. –
systematisch und begründet
f) Erörterungen, Vorschläge, Voten öffentlicher
Foren und Gremien (Ethik-Kommissionen)
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1. Was ist Ethik (2)?
1. Allgemein: Lehren und Verhaltensregeln über
das Gebotene und Erlaubte, Gute und
Schlechte im menschlichen Handeln (über die
rechtlichen Regeln hinaus).
2. Sanktionsinstanzen: Gewissen,
Berufsorganisation, Rechtsordnung, soziale
Akzeptanz (evtl. Kirche, Lehramt)
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2. Kriterien der Medizinethik
1. Medizinethik: Anwendung ethischer Kriterien im
Handlungsbereich der Medizin. Entwicklung
ethischer Kriterien aus der Erfahrung mit Fällen
und „guter Praxis“ im Umgang mit Patienten.
2. Pluralismus ethischer Positionen, wie auch in
der allgemeinen Ethik (Pflichtenethik,
Folgenethik, Tugendethik, Menschenbilder,
religiöse Überzeugungen, Rechtsauffassungen
auch „de lege ferenda“)
3. Unumstrittene Kriterien „mittlerer Reichweite“
bzw. Begründungstiefe nach
Beauchamp/Childress, Principles of Bioethics:
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2. Kriterien der Medizinethik (2)
1. Nicht-Schaden (bewußt und langfristig, primär
gegenüber dem behandelten Patienten)
2. Wohltun (körperliche und psychische Leiden
mildern oder überwinden, in verschiedenen
zeitlichen Perspektiven)
3. Autonomie (informierte Zustimmung des
Patienten, Selbstbestimmung als Ziel)
4. Gerechtigkeit (rechtmäßige und faire Verteilung
von Lasten und Vorteilen in „konzentrischen
Kreisen“ – Station, Krankenhaus, Krankheitsoder Altersgruppe, „Gesellschaft“)
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3. Ethische Probleme der Organentnahme bei
toten Spendern
1. Todesverständnis bzw. –definition: Ende des
integrierten, gesteuerten Lebensprozesses
eines Organismus (Leben: Selbstbewegung,
Selbsterneuerung, Selbsterhaltung).
2. Todeskriterium: Irreversibler Ausfall des
Gehirns als ganzem (ab dem Zeitpunkt, an dem
dessen Steuerungsfunktion begann). Andere
Kriterien möglich (Blutkreislauf als
„Integration“?)
3. Todesfeststellung: Hirntoddiagnose („Stand der
medizinischen Wissenschaft“)
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3. Ethische Probleme der Organentnahme bei
toten Spendern (2)
1. Kriterium des Nicht-schadens:
a) Spender: Leben nicht verkürzen, Sterben
nicht erschweren
b) Empfänger: Nicht überflüssig verzögern,
keine „schlechten“ Organe
c) Angehörige: Gefühle und Überzeugungen
schonen
Primat hat in jedem Fall der Spender!
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3. Ethische Probleme der Organentnahme bei
toten Spendern (3)
2. Kriterium der Autonomie:
a) Alle Maßnahmen nur zulässig bei Einwilligung
b) geltendes Recht: Zustimmungslösung (ethisch
spricht viel für Informations- bzw. Widerspruchslösung)
c) Bei „Vorbereitung“ in der Sterbephase, die dem
Sterbenden nicht schadet, wäre persönliche
Zustimmung (Spenderausweis) wünschenswert
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4. Ethische Probleme der Lebendspende
1. Primat der Autonomie (Einbußen an
Lebensqualität können freiwillig in Kauf
genommen werden, aber Beihilfe zu schwerer
Selbstschädigung nur in Extremfällen)
2. Probleme der Freiwilligkeit
a) persönliche Bindungen (Verwandtschaft,
Partnerschaft) als Indiz für Opferbereitschaft –
oder als Quelle von Druck (Erwartungen der
Umgebung)?
b) Vorteile als Indizien für Erpressung bzw.
Bestechung (Organhandel, „Clubmodell“) –
oder als Entlastung von „Heroismus“?
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4. Ethische Probleme der Lebendspende (2)
3. Spezialproblem: „Non-heart-beating-donors“
Bei ausdrücklicher Zustimmung zur Spende und
zum Unterlassen von Wiederbelebung ethisch
vertretbar, aber setzt die „Hirntod-Bestimmung“
außer kraft. Spezialregelung des Gesetzgebers
nötig (Dammbruchgefahren?).
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5. Gerechte Organverteilung
1. Gerechtigkeit: Respekt vor Individualrechten
(Autonomie!) und faire Verteilung von Lasten und
Vorteilen
2. Rechte bzw. Ansprüche: Spender, Empfänger,
Angehörige, Patienten in einem Rechts- bzw.
Verteilungssystem
3. Rechte von Spendern und Angehörigen abhängig
von bestimmten Zustimmungsverfahren (ethisch:
gewichtige Gründe für die Ablehnung)
4. Gründe für Knappheit (BRD): Organisation des
Transplantationssystems, Information, historische
Erfahrungen (Misstrauen gegenüber Medizin und
Staat, Individualismus nach extremem NSKollektivismus, Mangel an Solidarität)
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5. Gerechte Organverteilung (2)
1. Möglichkeiten der Verbesserung:
Organisation, Information (auch: ethisch),
Anreize:
a) Kommerzialisierung: Direkter Verkauf bringt
die Gefahr von Erpressung, sozialem Druck,
„Vergegenständlichung“ (Körper als
Warenhaus) mit Dammbruchgefahren
b) „Clubmodell“: Vorteilstausch statt
Spendencharakter, aber auch Verhinderung
von Schwarzfahrermentalität – ethisch
erwägenswert.
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