Transsexualität und Sozialisation

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Pädagogik
Franziska Hofmann
Transsexualität und Sozialisation
Magisterarbeit
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Copyright © 2009 GRIN Verlag, Open Publishing GmbH
ISBN: 9783640621156
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Franziska Hofmann
Transsexualität und Sozialisation
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UniversitätLeipzig
eingereichtan
dieFakultätfürErziehungswissenschaften
Magisterarbeit
zurErlangungdesakademischenGradesMagistraArtium
imFachErziehungswissenschaftlichen
ander
UniversitätLeipzig
TranssexualitätundSozialisation
Eingereichtvon:
FranziskaHofmann
Leipzig,den13.10.2009
Danksagung
IchmöchtemichandieserStellebeimeinerBetreuerinFrauPDDr.BarbaraDrinckbedan
ken,diemirfürFrage,trotzdergroßenEntfernung,immerzurVerfügunggestandenhat.
Ein besonderer Dank gilt den freiwilligen Interviewpartnern, die so ausführlich alle meine
Fragen beantwortet haben, und Astrid Hofmann und Liane Damke für das Korrekturlesen
undderHilfebeiderTextformatierung.
Inhaltsverzeichnis
0.Einleitung................................................................................................................... 6
1.PhänomenTranssexualität…………………………………………………………………………………….. 9
1.1.GeschichtlicheEntwicklung………………………………………………………………………… 9
1.2.BegrifflicheEntwicklung…………………………………………………………………………….11
1.3.Begriffserklärung……………………………………………………………………………………... 14
1.4.BegriffserklärungausSichtvonTranssexuellen……………………………………….. 17
1.5.FormenvonTranssexualität…………………………………………………………………….. 18
1.6.UrsachenvonTranssexualität………………………………………………………………….. 19
1.7.VerlaufvonTranssexualität……………………………………………………………………… 21
1.8.Behandlung……………………………………………………………………………………………… 24
1.8.1.Diagnostik……………………………………………………………………………………… 25
1.8.2.Alltagstest……………………………………………………………………………………… 27
1.8.3.Hormonbehandlung………………………………………………………………………. 28
1.8.4.GeschlechtsangleichendeOperation……………………………………………… 29
1.8.5.Nachbetreuung…………………………………………………………………………….. 31
1.9.Psychotherapie………………………………………………………………………………………… 31
1.10.DasTranssexuellengesetzunddiedarausresultierendenStandardsfür
dieBegutachtung……………………………………………………………………………………. 38
2.IdentitätundSozialisation…....................................................................................43
2.1.DerSozialisationsbegriff…………………………………………………………………………. 43
2.2.DieGeschlechtsidentität………………………………………………………………………… 46
2.3.GeschlechtsspezifischeSozialisation………………………………………………………. 51
2.3.1.PsychoanalytischeAspekte……………………………………………………….…. 53
2.3.2.DerbiologischeAnsatz………………………………………………………………… 57
2.3.3.DerkognitiveAnsatz……………………………………………………………….…… 58
2.3.4.DieSozialkognitiveLerntheorie…………………………………………………… 62
2.3.5.GeschlechtsspezifischeSozialisationalsKonstruktionsprozess……. 63
3.Interviewstudie………………………………………………………………………………………………….. 65
3.1.FragestellungderUntersuchungundForschungsansatz……………………….. 65
3.2.Forschungsmethode……………………………………………………………………………… 67
4
3.3.VorgehensweiseundProblematikbeiderAuswertungder
3.4.VorstellungdesFragebogens………………………………………………………………… 70
3.5.DarstellungundErgebnisse…………………………………………………………………… 75
3.5.1.Kindheit……………………………………………………………………………………… 75
3.5.2.AdoleszenzundErwachsenenalter………………………………………………. 86
gewonnenenDaten…………………………………………………………………………….… 69
4.Schlussbemerkung................................................................................................... 95
5.Literaturverzeichnis................................................................................................ 98
6.Anhang………………………………………………………………………………………………………………. 100
I.Interview1:Luke………………………………………………………………………………….. 101
II.Interview2:John………………………………………………………………………………….. 108
III.Interview3:Jay…………………………………………………………………………………….. 110
IV. Interview4: Jim…………………………………………………………………………………….. 114
V.Interview5:Theo…………………………………………………………………………………..126
VI.Interview6:Tim…………………………………………………………………………………….131
VII.Interview7:Lea……………………………………………………………………………………. 135
VIII.Interview8:Mia…………………………………………………………………………………… 140
VIV.Interview 9: Anna………………………………………………………………………………… 142
X.Interview10:Lara………………………………………………………………………………… 146
XI.Interview11:Ina…………………………………………………………………………………..151
XII.Interview12:Mara……………………………………………………………………………….156
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0.Einleitung
KimP.ist14Jahrealt,sieträgteinbauchfreiesTop,bestickteJeansundleichtenLidschatten.
SiehatlangeblondeHaareundträumtdavonspätereinmalalsModemacherinnachPariszu
gehen. Ihr Zimmer unter demDachisteinMädchenparadiesinRosa,mitSchminktischchen,
Modezeitschriften und einer eigenen Schaufensterpuppe. Doch so normal und einfach, wie
sichallesanhört,istesnicht.Kimistvor14JahrenalsJungezurWeltgekommen,alsTim.Ihr
ganzerKörper,Chromosomen,Hormoneistalleseindeutigmännlich.NurKimwarvonAnfang
anklar,dasssieimfalschenKörpergelandetist.SchonimAltervonzweiJahrenzogTimdie
KleiderseinerälterenSchwesteranundspielteliebermitPuppen.DieElterndachtenesgehe
vorüber, doch mit vier Jahren rannte Tim in sein Zimmer und drohte sich „das Ding“ abzu
schneiden.FortanhießTimzuHauseKim.AlsdiePubertäteinsetztewurdeKimpanisch.Sie
hatteAngstdavoreinevondiesenFrauenmitmännlichenGesichtszügen,Bartwuchsundtiefer
Stimmezuwerden.DieElternerkanntenihreNotundließensichzweiunabhängigeGutachten
erstellen, welche die Transsexualität ihres Kindes bestätigten. Im Hamburger Endokrinologi
kum wird Kim heute von Dr. Achim Wüstenhof behandelt. Mit Spritzen wird die männliche
PubertätgestopptundHormonesorgenfüreineweiblicheVeränderungdesKörpers.Schließ
lich bekommt sie auch den Namen Kim gesetzlich anerkannt. Ihr größter Wunsch ist es die
Veränderung vom Mann zur Frau perfekt zu machen. Allerdings ist eine geschlechts
angleichendeOperationausrechtlichenGründenerstmit18Jahrenmöglich.
DasobenbeschriebeneBeispielistkeineSeltenheit.LautWeltgesundheitsorganisationnennt
mandas,wasKimdurchlebt,Transsexualität.NachdemICD10,der„InternationalenKlassifi
zierung von Krankheiten“, ist es eine Form der Geschlechtsidentitätsstörung und wird den
sexuellenStörungenzugeordnet.DieBetroffenenfallendadurchauf,dasssieSpielzeug,Aktivi
täten,AussehenundKleidungdesjeweilsanderenGeschlechtsbevorzugenundindemZuge
auchallesablehnen,wasmitihrembiologischenGeschlechtinVerbindungsteht.Kinderwie
Tim fühlen sich dem falschen Geschlecht angehörig. Ihre Seele passt nicht zu ihrem Körper.
Doch was ist Transsexualität eigentlich? Wen betrifft es und warum? Welche Behandlungs
möglichkeitengibtes?UndwelcheGesetzegeltenfürBetroffene?
IndieserArbeitsollesumTranssexualitätundSozialisationgehen.UmindieThematikeinzu
führensollimerstenTeilbereichdieserArbeitebengenannteFragenbeantwortetwerden.
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SoerhältderLesereinÜberblickswissenzumPhänomenTranssexualität.EssolleinEinblickin
dieGeschichteunddieBegriffsentwicklunggegebenwerden,nachUrsachengeforschtundder
Verlauf der Störung beschrieben werden. Anschließend wird der Behandlungsverlauf analy
siertundzumAbschlussdesTeilbereichssolldasTranssexuellengesetzdiskutiertwerden
WieweiterobenschonerwähntfühlensichTranssexuelleimfalschenKörper.Sieempfinden
ihrangeborenesGeschlechtalsfalschundnehmenallesdafürinKaufsichdemgewünschten
Geschlechtanzugleichen.DaswasbedeutetGeschlechteigentlichundwielernenbzw.merken
wir welchem Geschlecht wir angehören? Welche Erwartungen müssen die jeweiligen Ge
schlechtererfüllenundwiegehenJungenundMädchenbzw.MännerundFrauenmitdiesen
Erwartungenum?
Diese Fragen sollen im zweiten Teilbereich dieser Arbeit behandelt werden. Zuerst soll der
Begriff Sozialisation im Allgemeinen definiert werden. Im Anschluss daran werden wir den
Begriff Geschlechtsidentität näher betrachten. Um dann im letzten Abschnitt beide Begriffe
zusammenzuführenunddiegeschlechtsspezifischeSozialisationausverschiedenenBlickwin
kelnderPsychologieundSoziologiezudefinieren.
NachdemindenvorangegangenTeilbereichenderArbeitdietheoretischenGrundlagenzum
ThemaSozialisation,GeschlechtsidentitätundTranssexualitätgelegtwurden,sollnunimdrit
tenTeilbereicheinBlickindiePraxisgeworfenwerden.DiezentraleFragedabeiist:Wiesozia
lisierensichTranssexuelle?
UmAntwortenaufdieseFragezubekommenwurdeeinFragebogenentworfenundanver
schiedeneTranssexuelleverteilt.DieAntwortenvondenBetroffenensollenunseinenEinblick
inderenKindheit,JugendundErwachsenenaltergeben.DurcheineAnalysederAntwortensoll
dieFragenachdenSozialisationsprozessenvonTranssexuellenbeantwortetwerden.
Nach Erstellen des Fragebogens habe ich mich an verschiedenste Organisation, Selbsthilfe
gruppenundInternetforengewandtumFreiwilligezufinden,diemeinenFragebogenbeant
wortenwürden.DieReaktionenwarendurchwegpositivundvielehabenmirbereitwilligihre
EMailAdressenzukommenlassen,damitichihnendenFragebogenschickenkonnte.Leider
sindamEndenurzwölfBögenbeantwortetwiederanmichzurückgeschicktwurden.Vermut
lichistesvielenschwergefallen,sooffenunddetailliertüberihrLebenundihrLeidenzu
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berichten. Daher möchte ich an dieser Stelle betonen, dass alle Ergebnisse meiner Fragebo
genstudiekeinenAnspruchaufVollständigkeiterheben.SiebeziehensichnuraufdieAntwor
tenauszwölfFragebögenundkönnenkeineendgültigenAntwortengeben.
IchdankedenFreiwilligensehrfürihreOffenheitundBereitwilligkeit.Ichhoffe,dassihreAnt
wortenzumehrVerständnisinderGesellschaftführenundInteressierteneinenEinblickindas
LebenvonTranssexuellengebenkönnen.
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1.PhänomenTranssexualität
1.1.GeschichtlicheEntwicklung
DasPhänomen„Transsexualität“istkeineErscheinungunserermodernenGesellschaft.Im
Gegenteil,siewarzuallenZeitenundinverschiedenenKulturenmehroderwenigerrele
vant.SchonausderAntikesindunsMenschen,welchedieGeschlechtsrollewechselten,be
kannt. Die Geschlechtsumwandlung galt zu der Zeit als ein Mysterium, dem Respekt und
Hochachtungentgegengebrachtwurde.„IndergriechischenMythologiewirdzumBeispiel
vondemblindenSeherTeiresiaserzählt,dersichalsjungerMannwiedurcheinWunderin
eineFrauverwandelteundspäterwiederineinenMann.SomachteerdiesexuellenErfah
rungendesMannesundderFrau,wasihmzuhohemAnsehenverhalf.“
(Haeberle,E.J.:Transsexualität.In:B.KampradundW.Schiffels(Hrsg.):ImfalschenKörper.
AllesüberTranssexualität.Zürich1991.S.1216.)
AuchderMythosüberdieGeburtderGöttinAphroditeweistaufeinentranssexuellenHin
tergrundhin:nachdenSchriftenHesoidsum700v.ChristuswurdeUranus(GottdesHim
mels) zum Tyrann, der Gaia (Göttin der Erde) und ihre gemeinsamen Kinder umbringen
wollte.GaiaschufeineSichelmitwelcherihrSohnKronosseinenVaterentmannteunddie
abgeschnittenen Geschlechtsteile ins Meer warf. Aus diesem Meer entstieg Aphrodite in
vollkommenerWeiblichkeit.(Stalla2006:14)
ImrömischenReichändertesichderUmgangmittransgenderIndividuen.InKunstundPhi
losophieverherrlichtemandasPrinzip,dassMenschendiebeiihrerGeburtvondertraditi
onellen Geschlechterteilung in Mädchen und Jungen abwichen, ein fatales Omen wären.
Diesesogenannten„monstra“wurdendaraufhinineinemReinigungszeremoniellgetötet.
InderabendländischenKulturgaltesalsoberstePrioritätdiezweitraditionellenGeschlech
teraufrechtzuerhalten.AufderGrundlage,dasssichdasGeschlechteinesMenschenaus
derkörperlichenErscheinungbzw.ausdenGenitalienermittelnließe,wurdeim6.Jhd.ein
GesetzerlassendasimFalleeinergenitalenUneindeutigkeitbeiderGeburteineZuordnung
nachüberwiegendenMerkmalenbeschloss.
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DieseVorgehensweiseführteallerdingsauchnichtimmerzueindeutigenEntscheidungen.
SowurdeimMittelaltereineweitereLösungerarbeitet:sollteeinKindmitnichteindeuti
gem Geschlecht geboren werden darf der Vater bei der Taufe ein vorläufiges Geschlecht
festlegen. Im heiratsfähigen Alter darf die betroffene Person sich dann selber für ein Ge
schlecht entscheiden. In einem „promissorischen Eid“ musste sich die Person zu dem ge
wähltenGeschlechtbekennenunddemanderenabschwören.EinBruchdiesesEideswurde
bisins17.Jhd.alsSodomiemitdemTodebestraft.(Stalla2006:15)WasdieBegrifflichkeit
anbelangt wurde allerdings lange nicht zwischen Transvestitismus, Transsexualität, Her
maphroditismusoderHomosexualitätunterschieden.
DieseProzedurdes„promissorischenEides“wurdeim18.Jhd.vonderVorstellungabgelöst
esgäbenureinwahresGeschlechtdasherauszufindenwarunddaswarentwedermännlich
oder weiblich. Das Phänomen des Hermaphroditismus wurde nun als „Pseudo
Hermaphroditismus“indasSystemderzweiGeschlechtereingeteilt.Unterteiltwurdedabei
in Zwitter männlichen Geschlechts und weiblichen Geschlechts. Diese Kategorisierung
brachteaberauchnichtdiegewünschteGenauigkeit,woraufeindrittesGeschlechteinge
führt,dasderZwitter.DurchdasimmernochbestehendeProblemeinergenauenjuristisch
medizinischenBestimmbarkeitfolgtedasBürgerlicheGesetzbuchinDeutschlandvon1900
dermedizinischenErkenntnis,dasseskeineHermaphroditengäbe.DasGeschlechtderZwit
terwurdewiederabgeschafftunddasSchemaderzweiGeschlechterwurdeweitergeführt.
Bisinsheutige21.Jhd.konntetrotzFortentwicklunginderMedizinkeineLösungdesProb
lemsgefundenwerden.
NichtinallenKulturenwirdvondemBestehenvonzweinatürlichenGeschlechternausge
gangen. Aus indianischen Überlieferungen kann man schließen, dass transsexuelle Stam
mesmitgliederexistierthaben.UnteranderemistvonWe´whadieRede,einemdergrößten
undstärkstenMännereinesStammesimSüdwestenvonNordamerika,dervon18491896
gelebthat.TrotzbiologischeindeutigerMerkmalezogeresvorsichalsFrauzukleidenund
zuleben.AlsKnabewurdeerindenreligiösenMännerbundaufgenommen,alsErwachsener
trugerFrauenkleider,webteundtöpferte.
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BerichteausdemJahr1540erzählenvondemStammderYumainAnicandaindemesim
mer vier so genannte Weibmänner gab. Starb einer dieser Weibmänner musste die erste
Frau,dieeinenJungengebar,ihrenSohnabgeben.ErwurdedaraufhinalsFrauaufgezogen,
trugFrauenkleider,verrichteteFrauenarbeitunddurftenurmitMännernverkehren.
AusIndiensindunsauchdieEunuchenbekannt.JungeMännerlassensichihreGenitalien
entfernen,legenihrebisherigeGeschlechterrolleabundnehmendaraufhineineArtmythi
sches drittes Geschlecht an. Ihnen werden übermenschliche Fähigkeiten nachgesagt wo
durchsieinweitenTeilenIndiensverehrtundgefürchtetwerden.
AusdenverschiedenenÜberlieferungenlassensichganzunterschiedlicheFormendesGe
schlechtswechsels erkennen. Die wesentlichen Veränderungen umfassen eine Übernahme
dergesellschaftlichenRolledesjeweilsanderenGeschlechts,z.B.dasTragendergegenge
schlechtlichenKleidung,dieVeränderungderStimmhöheundGangartunddieÜbernahme
traditionellgegengeschlechtlicherArbeiten.
1.2.BegrifflicheEntwicklung
Bisins20.JahrhundertwurdenGeschlechtsidentitätsstörungennichtnäherdifferenziert.Es
wurde nicht zwischen Transvestiten, Intersexuellen, Homosexuellen oder Transsexuellen
unterschieden.
ErstimJahr1910prägtederdeutscheArztundSexualforscherMagnusHirschfeld dieBe
zeichnung „Transvestitismus“ für Menschen, die sich gelegentlich bzw. regelmäßig als An
gehörigedesanderenGeschlechtsverkleiden.Erunterschieddabeinichtzwischensexueller
OrientierungundGeschlechtsidentität.
InseinemsexualwissenschaftlichenResümee„Geschlechtskunde“beschreibtHirschfeldden
Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung als eine extreme Form von Transvestitismus.
ErprägtedafürdenBegriff„seelischerTranssexualismus“undbeschriebdamitMenschen,
diesichnichtnurdurchKleidungsondernauchkörperlichversuchendemjeweilsanderen
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Geschlechtanzupassen.ErverwendetedieBegriffeTransvestitismusundTranssexualismus
allerdingssynonym.
(vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/Transsexualität)
Erst 1949 wird der Begriff „psychopathia transsexualis“ von Cauldwell geprägt. Durch
HirschfeldsumfangreicheErfahrungenaufdemGebietderSexualforschunglockertesichdie
streng pathologisierte Definition erstmals. Eine daraus folgende Neuerung war der Trans
vestitenschein, derauf GrundärztlicherGutachtenbehördlichausgestelltwurdeunddem
BetroffenendasTragenderKleidungdesjeweilsanderenGeschlechtserlaubte.1920wurde
es Transvestiten erlaubt ihren Namen auf Antrag in einen geschlechtsneutraleren Namen
umzuwandeln,zumBeispielwurdenausAntonoderAntoniaderNameToni.
NachdemAnfangsder60erJahreBetroffenedenWunschnachoperativerVeränderungdes
eigenenKörpersgeäußerthatten,warfürHarryBenjaminklar,dassesUnterschiedeinder
Definition geben musste. Im Jahr 1953 trennte er in seinem Artikel „ Transvestitism and
Transsexualism“diebeidenBezeichnungenvoneinanderundetabliertesie1966mitseinem
Buch „The Transsexual Phenomenon“ als eigenständige Phänomene in der Sexualwissen
schaft.ErdefinierteTransidentitätinverschiedenenStufenundbeschriebTranssexualität
alshöchstenGraddesTransvestitismus.Mitteder60erJahrekonntesichdieDefinitionso
weitfestigen,dassderBegriff„transsexuell“alssubjektivesGeschlechtsempfindenverstan
denwurde,TransvestitismusinderPraxisdesKleidertauschsallerdingseheralsfetischisti
schesSexualverhalten.
In den 1950er Jahren konnten Transsexuelle erstmals eine gegengeschlechtliche Hormon
therapieerhalten.VielederBetroffenenwurdenindieserZeitvonHarryBenjaminbetreut,
derimGegensatzzuseinenKollegenTranssexualismusnichtalseinepsychischeErkrankung
ansah.Fürihnstandvielmehrfest,dassdaskörperlicheGeschlechtderBetroffenenwirklich
vonihrerGeschlechtsidentitätabweicht.Schon1954schrieber,dasspsychotherapeutische
AnsätzeinderBehandlungvonTranssexualitätwirkungslossindundeineBehandlungeher
eineSelbstverwirklichungalseineUnterdrückungdesWesensdarstellt.
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1952 erreichte die Amerikanerin Christine Jörgensen hohen Bekanntheitsgrad, als erste
Transsexuelle, die eine geschlechtsangleichende Operation erfolgreich erhalten hatte
(MannFrau).DerPeniswarentferntsowieeineVulvaausSkrotumgeformtwordenundin
NewJerseykonnteerstmalseineNeovaginageformtwerden.DiePublikationdesFalleszog
eineBriefflutvonBetroffenennachsich,dieebensoeineGeschlechtsanpassungwünschten.
DareligiöseGruppensolcheOperationenverabscheutenundDruckaufdieKrankenhäuser
ausübten,musstenTranssexuellezurchirurgischenGeschlechtsanpassungzunächstinsAus
landreisen.SowurdeauchChristineJörgenseninDänemarkbehandelt.DerAnsturminDä
nemarkwarsogroß,dassstaatlichverfügtwurde,dassnurnochdänischeStaatsbürgerdie
se Operation erhalten dürfen. 1966 wurde dann im amerikanischen Baltimore die erste
GenderIdentityClinicimJohnHopkinsMedicalCentereingerichtet,inderseitdemauchge
schlechtsangleichendeMaßnahmendurchgeführtwerdendurften.
InderfrühenBundesrepublikDeutschlandwardiesschwieriger.Ärzte,diehierGeschlechts
umwandlungen durchführten, konnten noch wegen „sittenwidriger Körperverletzung“ be
straftwerden.Sowurden1967siebenBerlinerGynäkologenangeklagt,weilsieTranssexuel
lenHormoneverschriebenhatten.1971stelltedannaberderBundesgerichtshoffest,dass
es sich nicht um eine sittenwidrige Körperverletzung handeln kann wenn die Einwilligung
desBetroffenenvorliegtunddieOperationdazudient,daskörperlicheundseelischeBefin
dendesPatientenwiederherzustellen.
(BGHvom21.September1971,JZ1972,S.281)
1978erlaubtedanndasBundesverfassungsgerichtauchdievonvielenBetroffenenlanger
sehnte Personenstandsänderung, mit der Begründung: „Menschenwürde und Grundrecht
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gebieten es, die Eintragung des männlichen Ge
schlechtseinesTranssexuellenimGeburtenbuchjedenfallsdannzuberücksichtigen,wenn
essichnachmedizinischenErkenntnissenumeinenirreversiblenFallvonTranssexualismus
handeltundeinegeschlechtstranponierendeOperationdurchgeführtwurde.“
(BVerfGvom11.Oktober1978.NJW1979.S.595)
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurde das Transsexuellengesetz durch
denGesetzgebererlassen,welchesdannam1.Januar1981inKrafttrat.AufdiesesGesetz
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