Behandlungsfehler: Übertragung von Hepatitis C und AIDS

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Behandlungsfehler: Übertragung von Hepatitis C und AIDS
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
Az.: 8 U 140/99
Verkündet am 23.12.2003
Vorinstanz: Landgericht Frankfurt – Az.: 2 -14 O 497/97
In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 13. November 2003 für Recht erkannt: Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.6.1999
verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - Az. 1/14 O 497/97- wird zurückgewiesen. Die Kosten
der Berufung fallen den Beklagten zur Last. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird
gestattet, die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 336.000,00 €
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem
Beklagten zu 1 wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische, unbedingte,
unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu
erbringen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen der Übertragung von Hepatitis C
und AIDS durch einen Behandlungsfehler bei einer Ozon-Therapie geltend, die in der Praxis der Beklagten ab
Mai 1992 bis Ende 1993 bei ihr durchgeführt wurde. Sie verlangt einen Schmerzensgeldbetrag von 300.000,-DM = 153.387,56 €, eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 1.000,-- DM = 511,29 € und die
Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für ihre zukünftigen immateriellen und materiellen
Schäden. Die Klägerin litt seit 1990 an Migräne. Sie war deswegen bei verschiedenen Fachärzten in
Behandlung. Außerdem wurde sie 1991 wegen einer Eileiterschwangerschaft im ...krankenhaus, O1, operiert.
Bei einer Zahnbehandlung im Februar 1992 ließ sie sich die Amalgamfüllungen entfernen. Ihre Leberwerte
waren 1987 und 1991 normal. Im Mai 1992 wandte sich die Klägerin wegen ihrer Kopfschmerzen an die Beklagten, die eine Gemeinschaftspraxis für Naturheilkunde betrieben. Sie unterzog sich dort auf Empfehlung
des Beklagten zu 1. einer Ozon-Therapie. Diese vollzog sich so, dass den Patienten über eine Vene in der
Armbeuge ca. 100 ml Blut entnommen wird, das anschließend in einer Vakuumflasche mit einem OzonLuftgemisch versetzt und dem Patienten schließlich wieder über die Vene in der Armbeuge zugeführt wird. Ab
dem ... .05.1992 erfolgten ca. 30 Ozon-Behandlungen, die entweder vom Beklagten zu 1. oder von der
Beklagten zu 2. vorgenommen wurden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die für das Ozon verwandte
Glasspritze nicht nach jeder Anwendung sterilisiert, sondern für die Behandlung mehrerer Patienten verwandt
wurde. Die Beklagten beschrieben das Verfahren im Einzelnen in Schreiben an die V1 AG, ihre
Berufshaftpflichtversicherung, vom 08. u.9.12.1994, aufweiche insoweit Bezug genommen wird (Bl. 39-42 d.
A.). Bei der Klägerin traten Anfang Juli 1992 Anzeichen einer massiven Virusinfektion mit Fieber bis 40 °C,
starke Lymphknotenschwellungen am Hals und hinter den Ohren, Bewusstlosigkeit, starke Schmerzen in
Gesäß und Beinen und große körperliche Schwäche auf. Auf Anraten des Beklagten zu 1. ließ sich die
Klägerin ab Ende Juli 1992 wiederum mit der Ozon-Therapie behandeln. In der Folgezeit ging es ihr etwas
besser. Allerdings stellten sich im September 1992 äußerste Müdigkeit bereits am Vormittag, körperliche
Schwäche und Übelkeit bei ihr ein. Ein von den Beklagten veranlasster Bluttest ergab eine Hepatitis CInfektion. Weitere Laborbefunde vom ... .10.1993 und ... .10.1993 bestätigten dieses Ergebnis (Bl. 414-416 d.
A.). Außerdem ergab sich nun ein positiver Befund bei HIV-Antikörpern. Die Ozon-Therapie wurde von den
Beklagten auch nach diesem Befund fortgeführt. 1994 litt die Klägerin an körperlichen Schwächezuständen,
mangelnder Belastbarkeit, Stressempfindlichkeit, Leistungsabfall, Gewichtsabnahme und einer Candida
Mykose. Im Frühjahr 1997 erkrankte sie an einer Lungenentzündung, im Mai 1997 an einer Toxoplasmose.
Die Klägerin, von Beruf ... und ... , kann eine Vollzeitberufstätigkeit wegen ihres körperlichen Zustandes nicht
mehr ausfüllen. Das ...examen kann sie nicht mehr anstreben. Freizeitgestaltung und Kontakte zu Mitmenschen
sind ebenfalls sehr eingeschränkt. Die Klägerin hat Mühe, ihren Alltag zu bewältigen. Für ihre
Vermögenssorge wurde Rechtsanwalt Dr. A als Betreuer bestellt (Bl. 33-37 d. A.). Das Stadtgesundheitsamt
führte eine Praxisbegehung bei den Beklagten durch (Protokolle vom 20.09.1995 und 22.07.1997, Bl. 98, 99 u.
100, 101 d.A.). Prof. Dr. G1 vom Institut 11 in O2 erstattete am 05.09.1997 für die Staatsanwaltschaft ein
Gutachten, in welchem die Übertragung von Krankheitskeimen durch die Glasspritze für möglich gehalten
wurde (Bl. 102-104 d. A.). Das Stadtgesundheitsamt identifizierte mehrere Patienten der Praxis der Beklagten
mit einer HCV-Infektion (Schreiben Dr. G2 vom Stadtgesundheitsamt an die Staatsanwaltschaft Frankfurt am
Main vom 30.10.1995, Bl. 100, 101 d. A.). Die Klägerin hat behauptet, sie sei in der Praxis der Beklagten bei
der Ozon-Therapie durch die dabei für mehrere Patienten verwandte Glasspritze, die nicht sterilisiert worden
sei, mit Hepatitis C und dem Aids-Virus infiziert worden. Dies stelle einen schweren Verstoß gegen die
Hygieneregeln und damit einen groben Behandlungsfehler dar. Dabei bezieht sie sich auf zwei von ihr
eingeholte Privatgutachten, nämlich von Prof. Dr. G3 vom 12.11.1995 (Bl. 66-92 d. A.) und von Prof. Dr. G4
vom 28.02.1997 (Bl. 83-94 d. A.). Der Beklagte zu 1.. habe ihr nach dem Bekannt werden ihrer Infektion von
den positiven Erfahrungen bei der Behandlung von HIV-positiven Männern in seiner Praxis mit der OzonTherapie berichtet. Die Beklagte zu 2. habe ihr mitgeteilt, dass in ihrer Praxis eine regelrechte kleine HCVEpidemie ausgebrochen sei. Eine weitere Patientin, Frau B, habe die Beklagten ebenfalls klageweise in
Anspruch genommen. Die Ozon-Therapie sei bei ihr, der Klägerin, von den Beklagten sehr eilig durchgeführt
worden. Die Ärzte seien dabei zwischen den einzelnen Patienten hin und her gelaufen. Diese Therapie sei bei
ihr, der Klägerin, nicht indiziert und unwirksam gewesen. Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben
behauptet, die Infektion der Klägerin mit HCV und HIV habe nicht in ihrer Praxis stattgefunden. Die
Glasspritze, die bei der Ozon-Therapie verwandt werde, komme nicht mit dem Blut der Patienten in Kontakt.
Das in der Vakuumflasche befindliche Führungsröhrchen, in das Ozon hineingegeben werde, bleibe während
des gesamten Vorgangs - Vermischung des Blutes mit Ozon- mehrere Zentimeter blutfrei. Dabei berufen sich
die Beklagten auf ein undatiertes Privatgutachten des Dipl.-Physikers Dr. G5: „Berechnungen zum Druck- und
Strömungsverhalten während der Ozon-Therapie" (Bl. 332-339 d. A.). 1992 seien in ihrer Praxis keine HIVpositiven Patienten behandelt worden. Erst 1993 hätten sich unter ihren Patienten zwei, 1995 drei HIV-positive
Personen befunden. Die Infektion der Klägerin mit Hepatitis C und AIDS sei in ihrer, der Beklagten, Praxis
lediglich festgestellt worden. Die Klägerin sei bereits zuvor infiziert gewesen, denn sie habe bereits zu Beginn
der Behandlung Lymphknotenschwellungen angegeben. Zudem seien die von der Klägerin vorgelegten
Unterlagen über ihre bisherigen ärztlichen Behandlungen unvollständig. Das Landgericht hat Beweis erhoben
gemäß Beweisbeschluss vom 17.03.1998 (Bl. 256, 257 d. A.) durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. G6 vom 04.12.1998 (Bl. 284-319 d. A.). Außerdem ist der Sachverständige mündlich
angehört worden (Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 22.04.1999, Bl. 470-475 d. A.). Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten und die Sitzungsniederschrift ergänzend
Bezug genommen. Sodann hat das Landgericht der Klage durch ein am 29.06.1999 verkündetes Urteil in voller
Höhe stattgegeben. Es hat festgestellt, dass die Beklagten die Infektion der Klägerin mit HCV und HIV durch
einen groben Behandlungsfehler verursacht hätten. Ihnen sei nämlich durch die Handhabung der Glasflasche
bei der Ozon-Therapie ein schweren Verstoß gegen die Regeln der Hygiene unterlaufen. Dabei wurde das
Gutachten des Sachverständigen Dr. G6 der Beurteilung zugrunde gelegt. Gegen diese Entscheidung haben die
Beklagten in zulässigerweise Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 30.09.1999
begründet. Die Beklagte zu 2. behauptet, dass die in ihrer Praxis 1992 durchgeführte Ozon-Therapie den
damals geltenden hygienischen Standards entsprochen habe. Dabei beruft sie sich auf verschiedene Autoren.
Zudem habe Ozon nach dem damaligen Kenntnisstand auch als viruzid gegolten. Die Beklagte zu 2. wendet
sich dementsprechend gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. G und behauptet, die seiner Beurteilung
zugrunde gelegten Versuche entsprächen nicht den Bedingungen der Ozon-Therapie. Sie bestreitet, dass die
Glasspritze hätte sterilisiert werden müssen und erhält ihre Behauptung aufrecht, die Spritze sei nicht mit dem
Blut der Patienten in Berührung gekommen. Der Sachverständige habe hierzu nur unzulänglich Stellung
genommen. Er habe sich bei seiner mündlichen Anhörung auf einen Aufsatz über die Ozon-Therapie berufen,
dessen Verfasserin eine Ärztin sei, die am Institut des Privatgutachters der Klägerin, Prof. Dr. G, arbeite. Der
Sachverständige sei auch in physikalischer Hinsicht nicht ausreichend sachkundig. Die Kontamination, die bei
seinen Versuchen eingetreten sei, habe er nicht wissenschaftlich erklären können. Es habe Anzeichen dafür
gegeben, dass die Klägerin bereits vor ihrer Behandlung bei den Beklagten mit AIDS infiziert gewesen sei.
Aus den Laborbefunden des 12-lnstituts und der Fachärzte für Labormedizin Dres. C und Kollegen ergebe
sich, dass sich die HIV 1 -Infektion im Spätstadium befunden habe. Danach müsse die HIV-Infektion fünf bis
sieben Jahre zurückliegen. Dafür spreche auch die Candida-Mykose der Klägerin im Jahr 1992. Sie habe zudem bereits bei ihrer ersten Vorsprache in der Praxis der Beklagten am ... .05.1992 über
Lymphknotenschwellungen geklagt. Die Beklagte zu 2. behauptet, die Klägerin habe sich bei der Operation
einer Bauchhöhlenschwangerschaft einer Bluttransfusion unterzogen. Auch bei der stattgefundenen
Zahnbehandlung habe ein erhebliches Infektionsrisiko mit HIV und HCV bestanden. Das Gleiche gelte für die
Gastroskopie, die bei der Klägerin 1987 durchgeführt worden sei. Auch das Baunscheidtieren beim
Heilpraktiker berge ein Infektionsrisiko in sich. Die Beklagte zu 2. rügt, dass die Klägerin ihre
Krankengeschichte nicht lückenlos dargelegt habe. Es fehle der Untersuchungsbefund einer Leberbiopsie.
Daraus könne man das Alter der HCV-Infektion ableiten. Schließlich behauptet sie, dass die Patienten, die sie
in ihrer Praxis behandelt habe und die mit AIDS infiziert gewesen seien, bereits eine Monozytose im Blutbild
aufgewiesen hätten. Der Beklagte zu 1. schließt sich in mehrfacher Hinsicht der Argumentation der Beklagten
zu 2. an. Insbesondere greift auch er das Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G6 an, was auf Bl.
651 ff. d. A. im Einzelnen ausgeführt wird. Er behauptet diesbezüglich, die erneute Definition der „Grundregeln der Hygiene" sei entgegen Dr. G6 erst 1994 und nicht 1988 erfolgt. Auch die Privatgutachten der Prof.
Dres. G3 und G4 werden vom Beklagten zu 1. in Zweifel gezogen. Das Gleiche gilt für die gutachterliche
Stellungnahme von Prof. Dr. G1 für die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main vom
5.9.1997(61. 102-104 d. A.). Der Beklagte zu 1. behauptet ebenso wie die Beklagte zu 2., das in seiner Praxis
1992 angewandte Verfahren für die Ozon-Therapie habe dem damaligen Standard entsprochen, wie die
Beschreibungen in der Medizinischen Literatur zeigten. Er behauptet zudem, die Ozon-Therapie bei der
Klägerin erst ab Oktober 1992 übernommen zu haben. Die vorherige Behandlung habe die Beklagte zu 2.
durchgeführt (Beweis: Patientenkartei, Zeugnis D, Bl. 643 d. A.). Außerdem habe er bei seiner OzonBehandlung nur sterile Glasspritzen verwandt. Durch seine Behandlung könne daher die Infektion bei der
Klägerin nicht verursacht worden sein. Die Laborergebnisse bei der Klägerin von Oktober 1992 wiesen im
Übrigen darauf hin, dass die Patientin bereits lange zuvor mit HIV und HCV infiziert gewesen sei. Insofern
argumentiert der Beklagte zu 1. in gleicher Weise wie die Beklagte zu 2. Auch er beruft sich auf einen Befund
des Labors für Blutdiagnose vom ... .05.1992 hin, der bereits eine Immunschwäche und einen nicht der Norm
entsprechenden Leberstoffwechsel ergeben habe. Schnelle Verläufe seien bei der HIV-Infektion sehr selten.
Sie seien hauptsächlich bei Infektionen durch Blutinfusionen zu verzeichnen. In der Regel lägen zehn Jahre
zwischen Infektion und voller Entfaltung des Krankheitsbildes. Es sei nicht richtig, dass die HCV-Infektion
und AIDS sich gegenseitig beschleunigten. Auch der Beklagte zu 1. macht geltend, dass die Klägerin die
Vorbehandlungen durch andere Ärzte in dem Zeitraum von 1987 bis 1991 verschweige. Die Operation einer
Eileiterschwangerschaft, die Zahnbehandlung und die Gastroskopie mit Gewebeentnahme seien mit
erheblichen Infektionsrisiken verbunden. Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie wiederholt ihren Vortrag
erster Instanz und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie weist darauf hin, dass nicht nur der
Gerichtsgutachter Hygienemängel festgestellt habe, sondern auch das Stadtgesundheitsamt anlässlich einer
Praxisbegehung. Das Gleiche gelte für die Festsstellungen in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
bei dem Landgericht Frankfurt am Main. Die Klägerin behauptet zudem, dass die Praxis der Beklagten
seinerzeit eine „Modepraxis" für HIV-Infizierte gewesen sei. Bis 1995 seien zudem weitere HCV-Infektionen
unter den Patienten der Beklagten festgestellt worden. Schließlich lasse sich die Ozon-Therapie in der damals
von den Beklagten praktizierten Art und Weise nicht so fehlerfrei ausführen, dass eine Benetzung der
Mehrfachglasspritzen durch infiziertes Blut ausgeschlossen sei. Die Beklagten könnten ihre Behauptung, sie,
die Klägerin, sei bereits vor der Behandlung in ihrer Praxis infiziert gewesen, durch Offenlegung und Untersuchung anonymisierter Daten der weiteren erkrankten Patienten nachweisen. Dies hätten sie bisher nicht getan.
Durch die Vorbehandlungen beim Zahnarzt, die Gastroskopie und die Operation der Eileiterschwangerschaft
sei sie keinen Infektionsrisiken ausgesetzt gewesen. Weder habe bei ihr im Oktober 1992 ein Spätstadium der
AIDS-Erkrankung vorgelegen noch sei bei ihr bisher ein schwerer Leberschaden festzustellen. Das
Spätstadium von AIDS sei erst Ende 1996/Anfang 1997 durch die Pneumocystis carinii eingetreten (Beweis:
sachverständiges Zeugnis von Prof. Dr. G7, Bl. 676 d. A.). Ein bei ihr 1990 durchgeführter HIV-Bluttest habe
ein negatives Ergebnis gehabt (Beweis: Zeugnis Dr. G8, Bl. 677 d. A.). Ihre fieberhafte Erkrankung im Juli
1992, sechs Wochen nach Beginn der Ozon-Behandlung, deute gerade auf eine akute HIV-Infektion in dem
Zeitraum zwischen Mai und Juli 1992 hin. Die vom Beklagten zu 1) im November und Dezember 1993 in der
Patientenkartei notierte Diagnose „Soor im Mund", „systemische Mykose" bestreitet die Klägerin. Im Übrigen
nimmt sie Bezug auf ihren Vortrag erster Instanz. Der Senat hat Beweis erhoben gemäss Beweisbeschlüssen
vom 9.12.1999 (Bl. 682, 683 d. A.), 14.9.2000 (Bl. 792 d. A.) und 21.11.2000 (Bl. 830 d. A.) durch Einholung
von Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. G9, die dieser am 3.7.2000 (Bl. 770-779 d. A.), 7.9.2000
(Bl. 787- 791 d. A.) und 13.2.2001 (Bl. 834-837 d. A.) erstattet hat. Der Sachverständige hat sein Gutachten
außerdem am 24.1.2002 mündlich erläutert (Bl. 935- 939 d. A.). Gemäss Beweisbeschlüssen vom 24.1.2002
(Bl. 940, 941 d. A.)und 12.11.2002 (Bl. 1052,1053 d. A.) ist weiter Beweis erhoben worden durch Einholung
eines Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. G10 und Dr. G11 vom 5. 8. 2002 (Bl. 978-981 d. A.) und
eines Ergänzungsgutachtens derselben vom 12.4.2003 (Bl. 1062-1073 d. A.). Der Sachverständige Dr. G11 ist
zudem im Senatstermin vom 13.11. 2003 mündlich angehört worden (Bl. 1129-1135 d. A.). Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die mit Blattzahl zitierten schriftlichen Gutachten und
Sitzungsprotokolle ergänzend Bezug genommen. Außerdem wird hinsichtlich der Stellungnahme der Parteien
zur Beweisaufnahme auf die Schriftsätze des Beklagten zu 1) vom 16.10.2000 (Bl. 794-817 d. A. mit
Anlagen), vom 26.6.2001 (Bl. 866-872 d. A.), vom 4.11.2002 (Bl. 1000-1013 d. A.), vom 21.7.2003 (Bl. 10851092 d. A.) und vom 4.12.2003 (Bl. 1143-1154 d. A.), der Beklagten zu 2) vom 13.11.2000 (Bl. 826-828 d.
A.), vom 4.11.2002 (Bl. 1014-1051 d. A. mit Anlagen) und vom 18.7.2003 (Bl. 1083, 1085 d. A.) sowie der
Klägerin vom 8.10.2001 (Bl. 897-904 d. A.), vom 10.11.2003(61. 1117-1121 d. A. mit Anlage) und vom
12.12.2003(61. 1159-1163d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht
Schadensersatz wegen einer Infektion mit Hepatitis-C und AIDS aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers
bei einer Ozontherapie in der Praxis der Beklagten zuerkannt. Der Klägerin steht gegen beide Beklagte ein
Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB und positiver Verletzung des
ärztlichen Behandlungsvertrages (letzteres nur hinsichtlich der materiellen Schäden) zu. Die Beweisaufnahme
in beiden Instanzen hat ergeben, dass den Beklagten bei der Durchführung einer Ozontherapie bei der Klägerin
im Zeitraum von Mai 1992 bis Ende 1993 ein schwerer Verstoß gegen die Regeln der Hygiene zur Last fällt.
Bereits der in erster Instanz beauftragte Sachverständige Dr. G6- Leiter der Abteilung l des ...
untersuchugsamts ... - Abteilung für Humanmedizin, Seuchen- und Umwelthygiene- hat in seinem Gutachten
vom 4.12.1998 (Bl. 284-319 d. A. - mit Anlagen -) festgestellt, dass die Ozontherapie mit einer großen Zahl
von Einzelaktionen ein kumuliertes Infektionsrisiko für Patienten und Ärzte in sich berge. Es sei nicht nur eine
Kontamination der gebogenen Kanüle, durch die Ozon eingeblasen wird, sondern auch eine solche durch die
Finger der Behandler mit dem Blut aus der am Patienten liegenden Kanüle oder vom Schlauchende nach Lösen
der Verbindung mit der Kanüle möglich. Auch beim Halten der Kanüle beim Zuführen von Ozon oder durch
mögliche Verfahrensfehler , z. B. durch unterlassenes oder unvollständiges Öffnen der Rollklemme vor
Einstich der gebogenen Kanüle, durch die das Ozon zugeführt werden soll, könne eine Kontamination erfolgen
(S. 4 des Gutachtens, Bl. 287 d. A.). In Anbetracht dieses Risikos müssten die bekannten Hygieneregeln bei
der Art und Weise der seinerzeit von den Beklagten gehandhabten Ozontherapie, besonders streng angewandt
werden. Das bedeute, dass die Beklagten Einmalartikel hätten verwenden müssen. Der eigentliche Fehler liege
in der Fehleinschätzung des Risikos bei einer großen Zahl invasiver Maßnahmen, verbunden mit
Manipulationen mit Blut und dem Unterlassen von Sicherheitsmassnahmen, wie sie seit Jahren zum Standard
gehörten. Bei Würdigung des Procedere und der Fehlermöglichkeiten konnte der Sachverständige der Behauptung der Beklagten, die Kontamination der Glasspritze und der Kanüle mit Blut sei aus physikalischen
Gründen nicht möglich, nicht zustimmen (S. 6 des Gutachtens, Bl. 289 d. A.). Diese Beurteilung wird von den
Privatgutachtern der Klägerin, Prof. Dr. G3 und Privatdozentin Dr. G12 sowie Prof. Dr. G4 geteilt. Prof. Dr.
G3 und Dr. G12 führen in ihrem Gutachten vom 12.11. 1996 (Bl. 66-82 d. A.) aus, es sei als eindeutiger
hygienischer Fehler zu werten, dass die Glasspritze, aus der über eine Kanüle das Ozon-Luft-Gemisch in die
Flasche mit dem Blut der Patienten gegeben worden sei, nicht nach der Behandlung eines jeden Patienten
sterilisiert oder erneuert worden sei (S. 8-10 des Gutachtens, Bl. 73-75 d. A.). Prof. Dr. G4 stellt in seinem
Gutachten vom 28.2.1997 (Bl. 83-94 d. A.) fest, dass das unterlassene Sterilisieren der Glasspritze einen
Verstoß gegen jede Grundregel der hygienischen Sorgfalt darstelle (S. 7 des Gutachtens, Bl. 89 d. A.). Der
Einwände der Beklagten gegen die Begutachtung des Sachverständigen Dr. G6 bleiben ohne Erfolg. Der vom
Senat in zweiter Instanz mit der Überprüfung der Feststellungen dieses Sachverständigen beauftragte
Sachverständige Prof. Dr. Dr. G9- Leiter des Fachbereichs ...-Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und
Infektionsschutz der 13...Universität... O3 - ist nämlich in seinen Gutachten vom 3.7.2000 (Bl. 770-779 d. A.),
7.9.2000 (Bl. 787- 791 d. A.) und 13.2.2001 (Bl. 834-837 d. A.) zum gleichen Ergebnis gelangt. In seinem
Hauptgutachten vom 3.7.2000 stellt der Sachverständige zunächst fest, dass die bei der Klägerin durchgeführte
Ozontherapie ein von der Schulmedizin nicht anerkanntes Verfahren aus dem Bereich der
Komplementärmedizin ist (Bl. 771 d. A.). Sodann führt er zu den 1992 geltenden Hygienerichtlinien aus, dass
seinerzeit die 1985 im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichten Richtlinien gegolten hätten, die 1992 zwar neu
aufgelegt, aber in Bezug auf den hier maßgeblichen Aspekt nicht verändert worden seien. Allerdings erwähnten die im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichten Regeln die Behandlung von Gasen nicht besonders,
weil es in der Schulmedizin nicht üblich sei, Gase in Kontakt mit Infusionslösungen zu bringen. Da es jedoch
viele Erreger gebe, die auch durch Aerosole übertragen würden und die jedem Arzt bekannt sein sollten (z. B.
Varizella-Zoster-Virus, Masernvirus, Tuberkelbazillen), gelte für die Entnahme von Gasen aus einem
mehrfach verwendeten Behälter (hier die Glasflasche) sinngemäß das gleiche wie für Flüssigkeiten. Die
Injektionsvorgänge bei der Zubereitung von Injektionslösungen seien vergleichbar mit der Injektion von Ozon
in eine Infusionsflasche. Auch hier sei ein Kontakt mit dem Patientenblut nicht vorgesehen. In dem Abschnitt
„Anforderungen an Injektionslösungen" werde vorgeschrieben, dass die Entnahme von Injektionslösungen aus
Mehrdosisbehältern unter sterilen Bedingungen zu erfolgen habe. Die mehrfache Verwendung der
Ozoninjektionsspritze bei verschiedenen Patienten stelle daher eine Missachtung der Hygieneregeln dar, und
zwar unabhängig von der Frage, ob aus physikalischen Gründen ein Blutkontakt mit der Spritze stattgefunden
haben kann, weil auch die Gefahr der Übertragung von Umweltkeimen aus der Arztpraxis gegeben sei. Eine
Übertragung der in der Umgebung vorhandenen Keime sei sowohl aerogen als auch über die Hände des
untersuchenden Arztes im Sinne einer Schmierinfektion denkbar (Bl. 775 d. A.). Das Übertragungsrisiko sei
noch bedeutend höher, wenn auch Patienten mit Erkrankungen des Immunsystems (z. B. AIDS) behandelt
würden. Neben der Empfänglichkeit dieser Patienten für Krankheitserreger seien sie andererseits durch ihren
Immundefekt häufig Träger von anderen Infektionserregern. Die hier in Rede stehende Infektion mit Hepatitis
C-Viren und HI-Viren setze für die Übertragung einen direkten Blut- oder Schleimhautkontakt mit dem Erreger voraus (Bl. 775 d. A.). Die Begutachtung der physikalischen Möglichkeiten der Blutübertragung bei der
Ozontherapie von dem Steigröhrchen auf die Nadel im stehenden Gefäß durch den Sachverständigen Dr. G5
(Bl. 332 f. d. A.) und die modellhafte Nachstellung der Situation unter Laborbedingungen mit einem
Bakterium als „Indikator" (Dr. G6, Bl. 284 f. d. A.) berücksichtigten nicht alle Bedingungen, die in der Realität
einer Arztpraxis mit hohem Patientendurchsatz vorliegen könnten. Allerdings sei die Kritik der Beklagten
nicht durchweg berechtigt. Vielmehr müssten in der Wissenschaft häufig Modellversuche, die nicht zu 100 %
auf die Realität übertragbar seien, durchgeführt werden. Deswegen könne hier die Verwendung eines
Bakteriums anstelle von Viren toleriert werden (Bl. 776 d. A.). Die bakterizide Wirkung des Gases Ozon sei
zwar grundsätzlich gegeben, sie sei aber durch die Anforderungen an die Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, PH-Wert und Kontaktzeit begrenzt. Sie könne unter kontrollierten Bedingungen
allenfalls zur Desinfektion von Trinkwasser eingesetzt werden, den hohen Anforderungen einer Sterilisation,
wie sie für das Instrumentarium zur Injektion und andere medizinische Anwendungen gefordert werde, genüge
sie nicht. Für die Gassterilisation reiche die Wirkung von Ozon ebenfalls nicht aus (Bl. 777 d. A.). Die
Informationen von Medizintechnikfirmen stellten für ärztliches Handeln keine ausreichende Grundlage dar.
Sie würden meist von Nichtmedizinern verfasst oder beurteilt. Die Beklagten könnten sich also nicht auf die
Angaben der Herstellerfirmen für die bei der Ozontherapie verwandten Geräte berufen. In seinem ersten
Ergänzungsgutachten vom 07.09.2000 (Bl. 787-791 d. A.) bestätigt der Sachverständige seine bisherige
Stellungnahme. Als Fazit seiner Ausführungen stellt er fest, dass das Vorgehen der Beklagten bei der
Ozontherapie eine schwere Verletzung der Grundregeln der Hygiene, die auch zum damaligen Zeitpunkt
jedem Arzt bekannt gewesen sein müssten, darstelle (Bl. 791 d. A.). In seinem weiteren Ergänzungsgutachten
vom 13.02.2001 (Bl. 834- 837 d. A.) setzt sich der Sachverständige mit den von dem Beklagten zu 1)
vorgelegten Privatgutachten der Sachverständigen Prof. Dr. G13 vom 18.4.2000 (Bl. 734-755 d. A.) und vom
8.9.2000 (Bl. 807-813 d.A.) sowie von Prof. Dr. G14 vom 4.10.2000 (Bl. 814-817 d. A.) auseinander. Der
Sachverständige Prof. Dr. Dr. G9 führt aus, dass auch Prof. Dr. G13 zu dem Schluss komme, die
Wiederverwendung einer Spritze zur Gasinjektion stelle einen Hygienemangel dar. Die Differenz zu seiner
Begutachtung bestehe lediglich darin, dass Prof. Dr. G13 einen „nicht so gravierenden" Verstoß annehme (Bl.
834, 835 d. A.). Bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat am 24.1.2002 (Bl. 937 d. A.) hat Prof. Dr. Dr.
G9 ausgeführt, die dem Gutachten von Prof. Dr. G13 zugrundeliegenden Versuche seien mit Bakterien
vorgenommen worden. Demgegenüber sei aber eine Kontamination mit Viren sehr viel leichter möglich. Der
Staphylococcus aureus sei mit einem HIV-Virus nicht vergleichbar. Zudem reagiere Schafsblut in CASOBouillon anders als Menschenblut. Im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr. G14 weist der
Sachverständige auf dessen abweichende Auffassung zur Anwendung der Hygienevorschriften hin, hält aber
gleichwohl an seiner Auffassung fest, wonach die mehrfache Verwendung der Glasspritze bei der
Ozontherapie eine schwere Verletzung der Grundregeln der Hygiene darstellt. Bei der mündlichen Erläuterung
seines Gutachtens hat der Sachverständige ausgeführt, dass der vom Beklagten zu 1. vorgelegte
Untersuchungsbericht des ...Zentrums O4- Institut 14-...-vom 12.4.2000 (Bl. 756-768 d. A.), der zu dem
Ergebnis kam, dass eine Kontamination der begasten Flüssigkeit bei der Ozontheraoie nicht erfolge, für den
Streitfall nicht ergiebig sei, weil die angewandte Untersuchungsmethode nicht sensitiv genug für die hier in
Betracht kommenden Erregerkonzentrationen ist. Die Begutachtung von Prof. Dr. Dr. G9 hat auch ergeben,
dass den Beklagten durch die Mehrfachverwendung der Glasspritze nicht lediglich eine schwere Verletzung
der Grundregeln der Hygiene, sondern auch ein schwerer Behandlungsfehler zur Last fällt. Ein grober
Behandlungsfehler ist dann anzunehmen, wenn ein Fehlverhalten des Arztes vorliegt, das zwar nicht
notwendig aus subjektiven, in der Person des jeweiligen Arztes liegenden Gründen, wohl aber aus objektiver
ärztlicher Sicht bei Anlegung des für einen Arzt geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes nicht mehr
verständlich und verantwortbar erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt „schlechterdings"
nicht unterlaufen darf (BGHZ85,212). Nachdem der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung auf
die inhaltliche Bedeutung des Rechtsbegriffes „grober Behandlungsfehler" hingewiesen worden ist, hat er
ausgeführt, dass in der Mehrfachverwendung der Glasspritze bei der Ozontherapie nicht nur ein schwerer
Verstoß gegen die Grundregeln der Hygiene, sondern auch ein grober Behandlungsfehler liege. Der Arzt
müsse bei Fragen der Hygiene abwägen, was auf dem Spiel steht. Gehe es um Leben und Tod z.B. bei der
Operation eines Verletzten in einsamer Berghütte- könnten Hygienemängel in Kauf genommen werden. Im
Streitfall habe dagegen nichts auf dem Spiel gestanden. Die Ozontherapie sei von der Schulmedizin nicht
anerkannt, ihre Wirksamkeit nicht erwiesen. Wenn ein Arzt ein derartiges Verfahren anwende, müsse er sich
überlegen, wie steril er zu hantieren habe. In solchen Fällen müsse der Arzt die Hygieneregeln ordnungsgemäß
anwenden. Insbesondere der Umgang mit menschlichem Blut erfordere größte Sorgfalt, weil es alle möglichen
Keime, insbesondere Viren, enthalten könne. Daher müssten für eine solche Therapie die sichersten Maßnahmen, nämlich die Verwendung jeweils neuer oder sterilisierter Spritzen, ergriffen werden. Dies sei hier
nicht geschehen. Dieser überzeugenden, nachvollziehbaren und ersichtlich von hoher Kompetenz getragenen
Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. G9 schließt der Senat sich an. Auch wenn in den
1992 geltenden Hygienerichtlinien eine spezielle Vorschrift für den Umgang mit Gasen nicht enthalten war,
musste doch der Arzt beim Umgang mit menschlichem Blut die strengst möglichen hygienischen Maßnehmen
ergreifen. Es leuchtet bereits dem medizinischen Laien ein, dass die mehrfache Verwendung derselben
Glasspritze für verschiedene Patienten bei einer Behandlung, bei welcher mit menschlichem Blut hantiert wird,
nicht die sicherste Behandlungsmethode sein kann. Dabei geht es auch nicht lediglich um die Infektion durch
direkten Kontakt der Spritze mit dem Blut der Patienten, sondern auch um eine aerogene oder über die Hände
des Behandlers erfolgende Übertragung von in der Umgebung vorhandenen Keimen. Soweit der von den
Beklagten herangezogene Sachverständige Prof. Dr. G14 eine andere Auffassung vertritt, überzeugt diese
nicht. Es ist nicht richtig, wenn Prof. Dr. G14 ausführt, dass der Sachverständige Prof. Dr. Dr. G9 eine
gegebene Hygienerichtlinie „drastisch umdeutet und eigenmächtig den Geltungsbereich erweitert", denn der
gerichtliche Sachverständigen hat lediglich für eine in der Schulmedizin nicht anerkannte und daher in den
Hygienerichtlinien nicht geregelte Therapie einen in Anlehnung an die bereits bestehenden Vorschriften
adäquaten, hygienisch einwandfreien Anwendungsmodus festgestellt. Der Umstand, dass ärztliche
Behandlungsmaßnahmen mit Gasen in den Hygienerichtlinien nicht geregelt sind, weil das betreffende
Verfahren nicht anerkannt ist, kann kaum zur Folge haben, dass für eine solche Therapie keinerlei hygienische
Maßnahmen zu ergreifen sind. Die Feststellung eines groben Behandlungsfehlers hat zur Folge, dass für den
Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden, der grundsätzlich vom Patienten
zu beweisen ist, Beweiserleichterungen eintreten, indem die Kausalität vermutet wird und der Arzt beweisen
muss, dass sein grober Fehler für die Schädigung nicht ursächlich geworden ist. Allerdings muss der grobe
Behandlungsfehler grundsätzlich geeignet sein, den Schaden herbeizuführen (Müller, DRiZ 2000, 266
m.w.N.). Das ist hier der Fall. Der Hygienemangel bei Durchführung der Ozontherapie mit mehrfacher Verwendung der Glasspritze war geeignet, die Infektion der Klägerin mit HCV und HIV herbei zu führen und es
hat sich gerade dasjenige Risiko verwirklicht, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt (vgl.
BGH NJW 1981, 2513). Es ist unstreitig, dass die Glasflaschen für mehrere Patienten verwandt wurden. Der
von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt a. M. beauftragte Sachverständige Prof. Dr. G1 hat
in seiner Gutachterlichen Stellungnahme vom 5.9.1997 folgende Äußerung des Beklagten zu 2 zu dem
Verfahren der Ozontherapie widergegeben: „Es konnte auch sein, dass zwei Patienten gleichzeitig parallel
behandelt wurden. Die dabei verwendeten Glasspritzen konnten in dem Fall, dass zwei Patienten parallel
behandelt wurden auch ausgetauscht werden, d. h. die selben Glasspritze wurde während der Behandlung von
mindestens zwei Patienten gleichzeitig bei diesen zwei Patienten benutzt". Bereits der Sachverständige Prof.
Dr. G1 hat darauf hingewiesen, dass nach der Rekonstruktion der Vorgehensweise der Beklagten durchaus
möglich erscheine, dass die Spritze zum Vehikel für Blut werden könne, das von einem Patienten zum anderen
übertragen wird. Das Führungsröhrchen bleibe in seinem oberen Teil blutkontaminiert. Während des Einstichs
der Nadel, die zum Zusammenbruch des Vacuums führe, bestehe Turbulenz in dem Führungsröhrchen, welche
die Gefahr von Spritzern in sich berge. Eine Kontamination der Einstichnadel sei auch durch
Handhabungsunterschiede möglich, im extremsten Fall durch Umstürzen der Infusionsflasche vor oder nach
dem Einstich der Nadel. Für den weiteren Transport von Blutspritzern aus der Transfusionsflasche in den
Kanülenansatz der Spritze spreche, dass bei allen Maßnahmen, bei denen zwei Röhrchen
aufeinandergeschoben bzw. auseinandergezogen würden, Druck- bzw. Sogvorgänge auftreten (S. 2 des
Gutachtens, Bl. 103d. A.). Der Sachverständige Prof. Dr. G6 hat in seinem Gutachten vom 4.12. 1998-wie
bereits ausgeführt- ebenfalls festgestellt, dass die Ozontherapie mit einer großen Zahl von Einzelaktionen ein
kumuliertes Infektionsrisiko für Patienten und Ärzte in sich trage. Es sei nicht nur eine Kontamination der
gebogenen Kanüle, durch die Ozon eingeblasen werde, sondern auch eine solche durch die Finger der
Behandler mit dem Blut aus der am Patienten liegenden Kanüle oder vom Schlauchende nach Lösen der
Verbindung mit der Kanüle möglich. Auch beim Halten der Kanüle beim Zuführen von Ozon oder durch
mögliche Verfahrensfehler, z. B. durch unterlassenes oder unvollständiges Öffnen der Rollklemme vor
Einstich der gebogenen Kanüle, durch die das Ozon zugeführt werde, könne eine Kontamination erfolgen (S. 4
des Gutachtens, Bl. 287 d. A.). Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. G9 bejaht ein Infektionsrisiko aus gleichgelagerten Gründen und führt aus, in der Praxis sei durchaus denkbar, dass bei der Ozontherapie das Gefäß mit
dem entnommenen Blut während des Transports vom Patienten zum Ozongerät nicht immer in der vertikalen
Position verbleibe und das im unteren Ende des Steigröhrchens vorhandene Blut unbemerkt in die obere Hälfte
laufe, in welche die großvolumige Nadel für die Applikation des Ozons eingesteckt werde. Kleinere
Missgeschicke dieser Art müssten bei der Planung einer derartigen Therapie berücksichtigt werden (Bl. 791 d.
A.). Im ungünstigsten Fall könne die Flasche um 90° kippen, wenn sie auf dem Tisch stehend umgestoßen
werde. Deswegen müsse bei einer solchen Therapie diese Möglichkeit durch organisatorische Maßnahmen,
nämlich die Verwendung von sterilisiertem Material oder Einmalartikeln, ausgeschlossen werden (Bl. 777 d.
A.). Bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. G9 zusätzlich
dargelegt, dass für eine Infektion mit Viren bereits eine sehr geringe Menge des kontaminierten Materials,
nämlich weniger als ein Nanoliter, ausreiche. Beim Druckausgleich komme es in der Apparatur zum
Aufwirbeln von Kleinstteilchen, die nicht sichtbar seien. Beim Molekülaustausch im Vacuum des
Begasungsrohres könnten Wassermoleküle, die Erreger mit sich führten, hochgeschleudert werden und eine
Kontamination bewirken, ohne dass dies wahrnehmbar sei. Zwar hat der Sachverständige Dr. G11, der
zusammen mit Prof. Dr. G10 zu den Möglichkeiten einer Infektion der Klägerin anlässlich früherer ärztlicher
Behandlungen Stellung genommen hat, bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat am 13.11.2003
ausgeführt, er halte für eine Kontamination sowohl mit HCV als auch mit HIV eine Materialmenge von 10
Nanolitern, und zwar auch dies nur bei stärkerer Konzentration der Erreger, für erforderlich. Dies spricht aber
letztlich nicht gegen eine Infektion der Klägerin mit Erregern beider Krankheiten, denn auch der
Sachverständige Dr. G11 hielt eine Kontamination der Patientin bei der Ozontherapie, wie sie von den
Beklagten durchgeführt wurde, für möglich. Wie im folgenden noch auszuführen sein wird, haben die
Sachverständigen Prof. Dr. G10 und Dr. G11 in ihrem Gutachten vom 5.8.2002 dargelegt, dass die
Behandlung mit ozonisiertem Eigenblut, bei welcher regelmäßig mit großen Blutmengen verschiedener
Patienten hantiert werde, unter den Bedingungen einer Allgemeinpraxis, von Personen ohne spezielle
transfusionsmedizinische Erfahrung durchgeführt, ein ganz erhebliches Infektionsrisiko darstelle (Bl. 4 des
Gutachtens, Bl. 981 d. A.). Die unterschiedliche Auffassung der Sachverständige Prof. Dr. Dr. G9 und Dr. G11
in Bezug auf die für eine Infektion erforderliche Menge des kontaminierten Materials stellt entgegen der
Auffassung des Beklagten zu 1) die Kompetenz des ersteren Sachverständigen nicht in Frage. Dies kann
bereits deswegen nicht angenommen werden, weil offen ist, welche der beiden unterschiedlichen Angaben
zutrifft. Dies kann auch dahingestellt bleiben, da- wie zuvor dargelegt- beide Sachverständige eine Infektion
der Klägerin bei der Ozontherapie für möglich, ja sogar für wahrscheinlich halten. Im Übrigen besteht
keinerlei Anlass, die Fachkompetenz des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. G9 in Zweifel zu ziehen. Er hat die an
ihn gestellte Beweisfrage einleuchtend und nachvollziehbar beantwortet. Seine Ausführungen haben dem
Senat den Eindruck einer sorgfältigen und gründlichen Beschäftigung mit der vorliegenden Materie vermittelt.
Wie bereits angegeben handelt es sich bei dem Sachverständigen um den Leiter des Fachbereichs ...- ... -der...
Universität... O3. Es ist nicht ersichtlich, warum ihm als Inhaber eines Lehrstuhls für dieses Fachgebiet die
erforderliche Kompetenz zur Beantwortung der Beweisfrage fehlen sollte. Auch die von der Klägerin
beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. G3 und Privatdozentin Dr. G12 halten eine Infektion durch die
Mehrfachverwendung der Glasspritze für möglich. Sie stellen in ihrem Gutachten vom 12.11.1996 fest, dass es
nach Durchstechen des Gummistopfens durch Schäumen und Hochspritzen des Blutes gelegentlich zu einer
sogar sichtbaren Verschmutzung der Glasspritze mit dem in der Flasche befindlichen Patientenblut infolge
Überdrucks durch das Überleiten des Gasgemisches kommen könne (S. 7 des Gutachtens, Bl. 72 d. A.). Dieser
Beurteilung hat sich der weitere von der Klägerin beauftragte Sachverständige Prof. Dr. G4 in seinem
Gutachten vom 28.2.1997 angeschlossen (S. 6 des Gutachtens, Bl. 88 d. A.). Soweit die von den Beklagten
beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. G13 und Prof. Dr. G14 zum gegenteiligen Ergebnis gelangen, kann
dem nicht gefolgt werde n. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Dr. G9 hat- wie bereits oben ausgeführtdarauf hingewiesen, dass die der gutachtlichen Stellungnahme von Prof. Dr. G13 zugrunde liegenden Versuche
nicht mit Viren, sondern mit Bakterien vorgenommen worden seien, die hinsichtlich der Kontaminationsmöglichkeiten mit Viren nicht vergleichbar seien. Daher kann der Senat der These von Prof. Dr. G13, eine
Kontamination sei auch dann nicht möglich, wenn bei der Ozontherapie Unregelmäßigkeiten vorgekommen
wären - Schütteln, Hinlegen oder Umfallen der Infusionsflasche- nicht folgen. Dies hat auch deswegen zu
gelten, weil der Sachverständige sich nur mit den Infektionsmöglichkeiten der Therapie-Apparatur befasst und
die Möglichkeit einer Kontamination durch die Hände der Behandler, die angesichts der außerordentlich
geringen erforderlichen Materialmenge bei unsteriler Glasflasche gleichermaßen besteht, außer Acht lassen.
Das gilt ebenso für den Sachverständigen Prof. Dr. G14. Den Beklagten ist es auch nicht gelungen
nachzuweisen, dass die Klägerin sich nicht in ihrer Praxis, sondern bei einer ihrer früheren ärztlichen Behandlungen mit HCV und HIV infiziert hat. Die Sachverständigen Prof. Dr. G10 und Dr. G11 vom Institut 15 ...
Universität O5 haben nicht bestätigt, dass das Erscheinungsbild der Infektion bei der Klägerin so gestaltet sei,
dass man auf eine Spätform schließen müsse, dass eine Infizierung also bereits erhebliche Zeit vor der
Ozontherapie, die ab Mai 1992 stattfand, erfolgt sein müsse. Vielmehr haben die Sachverständigen in ihrem
Gutachten vom 5.8.2002 (Bl. 978-981 d. A.) festgestellt, dass der Zeitraum von der Infektion mit Hepatitis-C
bis zum Ansteigen der Leberwerte bei etwa 4-8 Wochen liege. Ähnliches gelte für den Nachweis von
Hepatitis-C-Antikörpern. Insoweit sei der positive HCV-Antikörpertest Anfang Oktober 1992 bei der Klägerin
mit einer HCV-Infektion durchaus vereinbar (S. 2 des Gutachten, Bl. 979 d. A.). Mit der HIV-Infektion
verhalte es sich ähnlich. Hier sei der erste positive HIV-Antikörpertest im November 1993 erhoben worden.
Daraus ergebe sich, dass die HIV-Infektion nicht später als im Oktober 1993 erfolgt sein könne. Ein wichtiges
Indiz für den Zeitpunkt der HIV-Infektion könne die Erkrankung der Klägerin im Juli 1992 sein. Diese
Erkrankung weise Charakteristika eines akuten retroviralen Syndroms auf. Eine derartige Erkrankung trete bei
einem Teil der HlV-Infizierten relativ kurz- innerhalb von etwa 3 Wochen bis 3 Monaten - nach der Infektion
auf. Das Auftreten dieses Krankheitsbildes sei als Hinweis auf eine erst kurz zuvor erfolgte HIV-Infektion zu
werten (S. 3 des Gutachten, Bl. 980 d. A.). Insgesamt stellen die Sachverständigen fest, dass eine HCVInfektion ebenso wie eine HIV-Infektion durch die Behandlung mit ozonisiertem Eigenblut mit den
vorhandenen Laborergebnissen und klinischen Befunden durchaus vereinbar sei. Im Übrigen stellen die
Sachverständigen fest, dass das Risiko der Klägerin, sich bei einer der ärztlichen Behandlungen in den Jahren
1987 bis 1992 mit AIDS oder HCV zu infizieren, sehr gering gewesen sei. Das gelte für die Gastroskopie mit
Schleimhautbiopsie 1987, die Operation einer Bauchhöhlenschwangerschaft 1991 und die Zahnbehandlung
mit Amalgamentfernung 1992 gleichermaßen. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass die Klägerin sich bei
diesen Behandlungen mit AIDS oder HCV infiziert habe. Demgegenüber stelle die Behandlung mit
ozonisiertem Eigenblut, bei welcher regelmäßig mit großen Blutmengen verschiedener Patienten hantiert
werde, unter den Bedingungen einer Allgemeinpraxis, von Personen ohne spezielle transfusionsmedizinische
Erfahrung durchgeführt, ein ganz erhebliches Infektionsrisiko dar (Bl. 4 des Gutachtens, Bl. 981 d. A.). Die
dagegen von dem Beklagten zu 1) (Ss v. 4.11.2002, Bl. 1000-1013 d. A.) und der Beklagten zu 2) (Ssv.
4.11.2002, Bl. 1014-1022 d. A.) erhobenen Einwände haben die Sachverständigen durch ein
Ergänzungsgutachten vom 12.4.2003 ausgeräumt (Bl. 1062-1066 d. A.). Demnach ist die Progression der
Erkrankung bei der Klägerin nicht so stark verlaufen, dass auf eine bereits früher erfolgte Infektion
geschlossen werden müsste (S. 1 des Ergänzungsgutachtens, Bl. 1062 d. A.). Der Abfall der CD4-Zellzahl im
Januar 1997 gegenüber Mai 1994 sowie das Auftreten einer Ppneumocystis carinii und Toxoplasmose im
Januar 1997 weise nicht auf eine langsame Entwicklung, sondern eher auf einen schnellen Verlauf hin (S. 2
des Ergänzungsgutachtens, Bl. 1063 d. A.). Aus der Krankengeschichte der Klägerin gingen auch sonst keine
Symptome, hervor, die auf eine bereits 1987 stattgefundene HIV-Erkrankung hinwiesen (S. 2 EGA, Bl. 1063d.
A.). Der Sachverständige Dr. G11 hat diese Beurteilung des Falles auch bei seiner mündlichen Anhörung vor
dem Senat bestätigt. Die Versuche der Beklagten, durch einzelne, bei der Klägerin aufgetretene Symptome
nachzuweisen, dass sowohl die HCV- als auch die HIV -Infektion aus einer Zeit vor ihrer Behandlung bei den
Beklagten stammt, blieben erfolglos. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass eine CD4-Zellzahl von 250/uJ
Blut noch keinen Rückschluss auf den Infektionszeitpunkt zulasse. In der Regel sei eine erniedrigte CD4Zellzahl zwar erst acht Jahre nach der Infektion festzustellen. Diese Zeitspanne sei aber sehr variabel. Sie
könne in Einzelfällen von weniger als einem Jahr bis zu 15 oder 20 Jahren reichen. Bei der Infektion mit AIDS
liege bei 10 bis 15 % der Fälle zwischen der Infektion und dem Ausbruch der Erkrankung ein Zeitraum von 4
bis 5 Jahren. Auch aus einem positiven P24-Antigentest und einem niedrigen Anti24-Titer könne kein
Rückschluss auf die Dauer der Infektion gezogen werden. Die Interpretation des serologischen Befundes des
12-Instituts stehe dieser Sichtweise nicht entgegen, denn dort sei der Kommentar „späte Phase der HIVInfektion" mit einem Fragezeichen versehen. Auch das Auftreten einer Candida-Mykose könne nicht ohne
weiteres als ein Hinweis auf ein fortgeschrittenes Stadium der Infektion gewertet werden, weil es sich dabei
nicht um eine AIDS-definierende Erkrankung handle (Bl. 1125 d. A.). Auch unter der Prämisse, dass für eine
Infektion sowohl mit HCV als auch mit AIDS eine Materialmenge von mindestens 10 Nanolitern erforderlich
ist, hielt der Sachverständige eine Infektion der Klägerin sowohl mit HCV als auch mit HIV durch eine
mehrfach verwendete Glasspritze bei der Ozontherapie abschließend durchaus für möglich. Nach alledem steht
fest, dass die Klägerin in der Praxis der Beklagten grob fehlerhaft behandelt wurde und dass der Fehler auch
für ihre Infektion in dem Sinne kausal war, dass er generell geeignet ist, einen entsprechenden Schaden
herbeizuführen. Zudem hat sich bei der Klägerin auch gerade dasjenige Risiko, nämlich die Infektionsgefahr,
verwirklicht, dass der Behandlungsfehler in sich barg. Eine weitere Beweisaufnahme, insbesondere durch
Einholung zusätzlicher Sachverständigengutachten, kommt nicht in Betracht. Die Beweisthemen sind durch
die eingeholten Stellungnahmen der gerichtlich beauftragten Gutachter erschöpfend und überzeugend
beantwortet worden. Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen für die Einholung neuer Gutachten gemäss
§ 412 l ZPO nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass die Privatgutachter der Beklagten, die Prof. Dres. G13 und
G14, oder andere Gutachter gegenüber den gerichtlichen Sachverständigen über überlegene Forschungsmittel,
eine überragende Sachkunde oder besondere Autorität verfügen. Die Beklagten haben für die
schwerwiegenden Folgen auch beide einzustehen Das gilt auch für den Fall, dass die Klägerin von Mai bis
Oktober 1992 nur von der Beklagten zu 2) behandelt worden ist, wie der Beklagte zu 1. behauptet. Für die
Folgen einer positiven Forderungsverletzung haften beide Beklagte als Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis.
Diese ist hier gemäß den vom BGH in BGHZ 142, 126 ff und BGHZ 144, 296 ff. aufgestellten Erfordernissen
anzunehmen. Die Beklagten haben sich in einer auch nach außen gemeinsam geführten Praxis zur Erbringung
gleichartiger Leistungen auf einem bestimmten Fachgebiet, nämlich der Naturheilkunde, verbunden. Hier hat
zudem auch eine gemeinsame Behandlung der Klägerin durch beide Beklagte stattgefunden. Der Beklagte zu
1. trägt selbst vor, dass er der Klägerin bei einer ersten Unterredung, an der auch die Beklagte zu 2.) beteiligt
war, die Ozontherapie empfohlen habe, welche die Beklagte zu 2.) dann durchgeführt habe. Ab 7.10.1992 habe
er die Therapie selbst fortgesetzt (Berufungsbegründung des Beklagten zu 1 vom 27.9.1999, Bl. 620 d. A.).
Außerdem ist festzustellen, dass dem Beklagten hinsichtlich der Art und Weise, wie die Ozontherapie
angewandt wurde, nämlich mit mehrfacher Verwendung der Glasspritze, ein Organisationsfehler zur Last fällt,
da ihm diese Vorgehensweise der Beklagten zu 2) bekannt war und er selbst diese Methode in gleicher Weise
anwandte, denn er hat selbst entsprechende Angaben gegenüber Prof. Dr. G1 gemacht (Gutachterliche
Stellungnahme dieses Sachverständigen vom 5.9.1997, oben Bl. 18 zitiert). Daher ist auch eine Haftung des
Beklagten zu 1) aus unerlaubter Handlung begründet worden. Die Klage ist auch der Höhe nach
begründet. Der Klägerin steht ein Schmerzensgeld von 300.000,00 DM = 153.387,56€ zu. Dieser Betrag ist
angesichts der außerordentlich schweren Beeinträchtigungen, welche sie durch die Infektion mit HCV und
HIV erlitten hat, gerechtfertigt. Das Landgericht hat dies bereits ausführlich dargelegt. Auf die zutreffenden
Ausführungen S. 11-13 des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 519-521 d. A.) wird Bezug genommen. Der Zustand
der Klägerin hat sich zwischenzeitlich nicht gebessert. Nach Auskunft ihrer behandelnden Ärztin Frau Prof.
Dr. G7 in der mündlichen Verhandlung im Termin vom 24.1.2002 ist die Klägerin auf den Rollstuhl
angewiesen. Sie ist aufgrund der cerebralen Toxoplasmose halbseitig gelähmt, die Funktion des Frontalhirns
ist eingeschränkt. Außerdem leidet sie an heftigen Schmerzattacken. Im weiteren Verlauf der Krankheit sind
schwere Depressionen zu erwarten. Hier war auch zu berücksichtigen, dass die Erkrankung der Klägerin auf
einem schweren Behandlungsfehler der Beklagten beruht, wie oben im einzelnen ausgeführt. Jedoch legt der
Senat der Bemessung des Schmerzensgeldes gleichwohl kein schweres persönliches Verschulden der
Beklagten zugrunde. Zwar ist der Fahrlässigkeitsbegriff im Arzthaftungsrecht deutlich objektiviert, so dass
jedenfalls beim materiellen Schadensersatz ausschließlich persönliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt
werden können. Dagegen kann sich das Gewicht des persönlichen Verschuldens beim immateriellen
Schadensersatz auswirken (Müller, a.a.O. S. 261 m.w.N.). Hier ist den Beklagten kein schwerer persönlicher
Vorwurf zu machen, weil sie der Auffassung waren, die Hygienevorschriften einzuhalten und diese in der Tat
keine besondere Regelung für den Umgang mit Gasen enthielten. Es ist ihnen daher lediglich zur Last zu
legen, dass sie trotz des Umgangs mit menschlichem Blut versäumt haben, die sicherste mögliche Methode
anzuwenden, die hier - ungeachtet mangelnder Regeln - die Benutzung einer sterilisierten oder jeweils neuen
Glasspritze gebot. Gleichwohl führt dies nicht zu einer Herabsetzung des vom Landgericht als angemessen
festgestellten Schmerzensgeldes, weil es sich bei der Schädigung der Klägerin um schwerste
Beeinträchtigungen der Lebensqualität ohne Hoffnung auf Genesung handelt. Vielmehr ist mit einer
lebenslänglichen schweren Krankheit zu rechnen. Daher ist im Streitfall neben dem Schmerzensgeld auch eine
Schmerzensgeldrente gerechtfertigt. Zur Begründung kann auch hier auf die zutreffenden Ausführungen im
landgerichtlichen Urteil S. 13 (Bl. 521 d. A.) verwiesen werden. Der Zinsanspruch wurde vom Landgericht
zutreffend beschieden. Aus den oben dargelegten Gründen ist auch der Feststellungsantrag der Klägerin
zulässig und begründet. Nach alledem musste die Berufung erfolglos bleiben. Die Kostenentscheidung beruht
auf § 97 l ZPO. Das Urteil ist gemäss §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO a. F. gegen Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar. Die Revision, für welche gemäß § 26 Nr. 7 EGZPO die Vorschriften des
Zivilprozessreformgesetzes gelten, war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen von § 543 ZPO n. F. liegen
nicht vor.
Post date: 2013-04-05 14:56:22
Post date GMT: 2013-04-05 12:56:22
Post modified date: 2013-04-05 14:56:22
Post modified date GMT: 2013-04-05 12:56:22
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