Die besten Seiten für Customer Management Entscheider

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Ausgabe 5 Halbjahr 1/2012
Das Magazin der GORDELIK AG
Schutzgebühr 12 Euro
vernetzt!
Die besten Seiten für Customer Management Entscheider
SPURW
ECHSE
L
Nur Mut!
EDITORIAL
Gut, dass es den einen Königsweg nicht gibt. Das Leben
ist eine einzige große Suche: nach dem richtigen Beruf,
nach Stabilität und Rendite, nach treuen Kunden, nach
leistungsstarken Mitarbeitern, nach Freunden, Erfüllung und
Liebe. Doch wie oft schwingen wir uns auf ein galoppierendes Pferd, plötzlich verändern sich die Rahmenbedingungen und der vermeintlich zielführende Pfad entpuppt
sich als Holzweg. Wohl dem, der das auch bemerkt und
sich nicht vor einem Richtungswechsel scheut, der keine
Angst davor hat, Sicherheit spendende Routinen und bewährte Prozesse infrage zu stellen! Genau diese Richtungswechsel sind es nämlich, die wesentlich dazu beitragen,
Unternehmen, Persönlichkeiten und Existenzen zu formen.
Veränderungen gehen einher mit Mühen und Konsequenz.
Aber hey! "Per aspera ad astra", wie der alte Lateiner sagt.
"Durch das Raue zu den Sternen!" Grund genug für uns, das
Magazin vernetzt! dem Thema "Spurwechsel" zu widmen.
Gerade aus der Sicht einer Personalberatung ist uns dabei
besonders wichtig, dass ein Spurwechsel – früher gern als
"Bruch im Lebenslauf" geschmäht – heute ohne Angst vollzogen werden kann und keine Bewertung fürchten muss.
Dies ist die fünfte Ausgabe von vernetzt! und für mich
gleichzeitig auch die persönlichste. Ich freue mich, wenn
wir mit unserem Magazin inspirieren, vielleicht sogar Mut
machen.
Ihre Iris Gordelik
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
INHALT
Seite 4 -
SPURWECHSEL
Susanne Tölzel umsegelt die Welt. Mohamed Gomaa verbrachte ein knappes
Jahr auf der Sinai-Halbinsel. Cord Schulz-Klingauf wurde durch eine Krankheit über
Monate aus dem Berufsleben katapultiert. Ob freiwillig oder gezwungenermaßen:
Eine Auszeit macht um viele Erfahrungen reicher.
Seite 8 -
VON SEELENVERKAUF, SELBSTAUSBEUTUNG UND EIGENSINN
Burnout-Forscher Professor Dr. Matthias Burisch plädiert dafür, sich immer mal
wieder zu vergewissern, was im Leben wirklich wichtig ist.
Seite 10 -
VERNETZEN
Orte, die vernetzen
Networking in der Bar Anita
Menschen, die vernetzen
Claudia Langer, Gründerin von Utopia
Seite 12 -
ADVERTORIAL: DIE MACHTVERSCHIEBUNG
Es findet eine Unternehmenskulturrevolution statt. Ad-Scopum-Chef Stephan
Pucker erläutert, warum sich über kurz oder lang ein neues Service-Verständnis
durchsetzen wird.
Seite 14 -
“Lust auf ein anderes Leben”
Birgit Hüttner hatte nach 20 Berufsjahren im Marketing das dringende Bedürfnis,
etwas anderes zu tun. Seit gut drei Jahren führt sie ein Weingut mit Restaurant.
Seite 16 -
“STELLEN SIE SICH VOR, SIE HÄTTEN EIN JAHR ZUR FREIEN
VERFÜGUNG. WAS WÜRDEN SIE TUN?”
Ob Pilotenlizenz, Weltumrundung oder Dissertation: Unseren Umfrage-Teilnehmern
wäre in einem freien Jahr sicher nicht langweilig.
Seite 18 -
DEN MUTIGEN GEHÖRT DIE WELT
Jeder sollte selbstbestimmt und bewusst über seinen Lebensweg entscheiden,
lautet das Credo von Iris Gordelik. Dass das mitunter schmerzhaft sein kann, hat
sie selbst erlebt – und stark gemacht.
Seite 20 -
VERNETZERIN
Andrea Fuhrken ist Head of Customer Support bei mobile.international in
Kleinmachnow-Dreilinden bei Berlin.
Seite 22 -
HAFNERS KOLUMNE
Professor Dr. Nils Hafner über spurwechselnde Kunden
Beilagenhinweis: Der gedruckten Ausgabe von vernetzt! liegen die Mediadaten des Magazins
bei. Diese stehen auch auf der Webseite www.gordelik.ag zum Download
bereit. Wir bedanken uns für Ihr Interesse.
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
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SPURWECHSEL
Spurwechsel
VON VERA HERMES
Einfach mal weg. Einfach mal was anderes machen. Einfach
vor rund fünf Monaten ihren auf drei Jahre angelegten
mal raus aus der täglichen Routine. Immer mehr Topkräfte
Segeltörn antraten, sind sie kein einziges Mal nass geworden,
wagen einen Ausstieg auf Zeit, manche erleben ihn auch
haben noch nie gefroren, wurden noch nie seekrank.
gezwungenermaßen. Alle gehen reicher an Erfahrung, mit
erweitertem Horizont und klarer definierten Werten daraus
Susanne Tölzel ist Betriebswirtin und arbeitete viele Jahre als Pro-
hervor. Davon profitieren auch Arbeit- und Auftraggeber.
jektmanagerin im Marketing der Konsumgüterindustrie, zuletzt
war sie Market Development Managerin bei dem Unternehmen Werner & Mertz, das unter anderem die Marke Frosch vertreibt. Die erfolgreiche Marketerin verwirklichte, was sich immer
mehr Führungskräfte wünschen: eine Auszeit vom Berufsleben,
einen Spurwechsel auf Zeit.
Ihr Entschluss, drei Jahre die Welt zu bereisen, hat nichts mit
Frust im Job zu tun: "Ich habe immer gerne gearbeitet, insbesondere seit ich eine Arbeitsstelle gefunden hatte, die mir nicht
nur Erfolg bescherte und Spaß machte, sondern die mir vor
allen Dingen auch unter ethischen Aspekten sinnvoll erschien",
berichtet Susanne Tölzel.
Eine ihrer Aufgaben bei Werner & Mertz war es, sich mit Zukunftsszenarios zu beschäftigen, womit sie sich zwangsläufig
auch Gedanken über ihre eigene Zukunft machte. Susanne
Tölzel ist überzeugt, dass die Generation der heute 40-Jährigen
und deren Nachfolger gezwungen sein werden, wesentlich
länger als bis Anfang 60 zu arbeiten. Sie findet diese Aussicht
auf ein langes Arbeitsleben – vorausgesetzt natürlich, dass die
Aufgabe stimmt – gar nicht übel.
"Die Vorstellung, als Rentnerin dauerhaft Freizeit zu haben,
lockt mich nur bedingt. Zur Arbeit zu gehen heißt ja auch, unter Menschen zu sein, Aufgaben zu haben, soziale Kontakte
zu pflegen, und bietet die Chance, Lob und Anerkennung zu
finden."
Susanne Tölzel
Allerdings bedeute ein langes Arbeitsleben genauso, dass der-
war zuletzt Market Development Managerin bei dem
jenige, der seine Lebensträume bis zur Rentenzeit aufschiebe,
Unternehmen Werner & Mertz. Seit Juli 2011 segelt
sie vielleicht nicht mehr erfüllen könne. Und noch einen Ha-
sie mit ihrem Freund um die Welt und bringt dabei
ken hat das lange Arbeitsleben: "Es wird keine oder wenig Zeit
ihr Projekt Coplare voran. Wer das weltumreisende
bleiben, die Welt kennenzulernen, auch entlegene Gebiete
Recycling-Abenteuer verfolgen möchte, kann dies
zu bereisen, in fremdartige Kulturen einzutauchen und Men-
unter www.coplare.de tun.
schen, die dort leben, verstehen zu lernen, zu erfahren, was
sie bewegt, welche Werte sie haben und warum ihnen diese
Werte wichtig sind. Mit 25 Tagen Urlaub im Jahr ist das nicht zu
Die Kapverdischen Inseln im Zentralatlantik, 2.500 Seemeilen
bewerkstelligen."
von Deutschland entfernt. Die Winde waren leicht bis moderat,
die See war flach bis mäßig bewegt. Es herrschte meist Halb-
Die logische Konsequenz daraus ist, eine vorübergehende
oder Rückenwind. Seit Susanne Tölzel und ihr Lebensgefährte
Pause vom Berufsleben einzulegen. Das ist eine Sehnsucht, die
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
immer mehr Führungskräfte umtreibt. Nach Ausbildung oder
Weil nun weder Susanne Tölzel noch ihr Freund einfach nur
Studium und den ersten 20 meist arbeits- und erfolgreichen
über die Weltmeere schippern, sondern dabei auch etwas
Berufsjahren drängt sich vielen die Frage auf, ob das nun
Sinnvolles tun wollten, gründeten sie das Projekt Coplare, kurz
tatsächlich die nächsten 20, 30 Jahre so weitergehen soll.
für "Coastal Plastics Recycling". Dabei geht es darum, wie
Innovative Unternehmen reagieren nicht zuletzt wegen des
die jeweilige lokale Bevölkerung aus gebrauchtem Kunststoff
drohenden Fachkräftemangels und des daraus resultierenden
Geld machen kann. Das Projekt macht Arbeit. Manchmal ver-
war for talents bereits auf diese Entwicklung und bieten hoch
schwinden die beiden tagelang unter Deck, um zu recherch-
flexible Arbeitszeitmodelle. Ein Vorzeigeunternehmen ist der
ieren, Kalkulationen zu erstellen, Businesspläne zu entwerfen,
Ditzinger Investitionsgüterhersteller Trumpf, der seinen Mitarbei-
Kontakte herzustellen, Partner zu suchen, Präsentationen vor-
tern seit 2011 ein eigens entwickeltes Arbeitszeitmodell na-
zubereiten oder einfach nur die Webseite zu pflegen, die es
mens "Bündnis für Arbeit 2016" bietet. Trumpf brauche fähige,
mittlerweile in zwei verschiedenen Sprachen gibt.
motivierte und zufriedene Mitarbeiter, schreibt das Unterneh-
Coplare stößt auf großes Interesse. Die beiden Segler spre-
men. "Wir spüren heute mehr denn je, dass der Vertrag von der
chen mit Hotelmanagern, Tourismus-, Umwelt- und Abfall-
Stange dafür nicht mehr das Richtige ist. Denn unsere Mitar-
management-Beauftragten der lokalen Verwaltung, Vertretern
beiter haben ganz unterschiedliche Vorstellungen, wie sie Arbeit und Freizeit ausbalancieren wollen – und zwar zugeschnitten auf ihre ganz persönliche Lebenssituation." Die Folge aus
dieser Erkenntnis: Die Trumpf-Mitarbeiter entscheiden selbst,
wie viel sie in welcher Lebensphase arbeiten wollen. Sie haben
eine vertragliche Basisarbeitszeit zwischen 15 und 40 Stunden
und können sich alle zwei Jahre für eine abweichende Wahlarbeitszeit entscheiden. Außerdem gibt es neben der Gleitzeit
ein Familien- und Weiterbildungszeitkonto sowie ein Sabbaticalprogramm. Wer bis zu zwei Jahre für die Hälfte des Lohns
arbeitet, kann dann ebenfalls für zwei Jahre freinehmen und
erhält weiterhin die Hälfte des Lohns.
Dieses Modell empfiehlt auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der von
der Bundesregierung beauftragten Schrift "Herausforderungen
des demografischen Wandels". Eine stärkere Verbreitung von
zweijährigen Sabbaticals könne zur Kultur des lebenslangen
Lernens beitragen, ist dort nachzulesen.
Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung von Trumpf, ist überzeugt, "dass wir mit diesem
Modell heute schon eine Antwort auf den großen Trend der
kommenden Jahre haben: dass sich die Wünsche und Forderungen von Arbeitnehmern immer weiter individualisieren".
Mohamed Gomaa
war zuletzt Vice President Care & Retention Services
bei Telefónica O2. Heute ist er freigestellt. Als er von
seiner Auszeit auf der Sinai-Halbinsel zurückkehrte,
war für ihn schnell klar, dass er nicht mehr so weitermachen will wie früher.
Wichtig dabei ist: Flexible Arbeitszeitmodelle sind kein
Hemmschuh für wirtschaftlichen Erfolg. Trumpf meldet für das
von lokalen Umweltschutzorganisationen und Leitern von Hilfs-
abgelaufene Geschäftsjahr die höchste Umsatzsteigerung in
projekten. "Diese Gespräche bereichern die Reise sehr", sagt
der Unternehmensgeschichte, um exakt zu sein: um 51 Prozent
Susanne Tölzel.
oder 683 Millionen Euro auf 2,02 Milliarden Euro Umsatz.
Das Schöne mit Sinnvollem verbinden, so lautet die Devise
"Besitz ist vergänglich, Erlebnisse hingegen nicht", begründet
vieler Spurwechsler. Mohamed Gomaa zum Beispiel, zuletzt
Susanne Tölzel ihren Entschluss, statt wie geplant mit ihrem
Vice President Care & Retention Services bei Telefónica O2,
Partner eine Immobilie zu kaufen, lieber auf Weltreise zu ge-
verbrachte ein knappes Jahr mit seiner Familie auf der ägyp-
hen. Weil es sehr aufwendig ist, ein Segelboot entsprechend
tischen Halbinsel Sinai im Öko-Camp Basata. Dort unterstützte
auszustatten, war schnell klar, dass sich ein Sabbatical von
er unter anderem ein Projekt, das Beduinen neue Geschäfts-
nur einem Jahr nicht lohnt. Die beiden verlängerten ihren Plan
perspektiven eröffnet.
auf drei Jahre und informierten frühzeitig ihre Arbeitgeber, um
In Basata verbrachte Mohamed Gomaa schon in seiner Ju-
ihren Ausstieg auf Zeit auch für diese möglichst reibungslos zu
gend viel Zeit, im Laufe der Jahre wurde es ein Ort der Sehn-
gestalten.
sucht für ihn, seine Frau und seine beiden Söhne. Sie machten
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
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dort regelmäßig Urlaub. Es ist ein Ort, an dem sich die Familie
Die Mühe hat sich gelohnt, die Auszeit war großartig. "Die Liebe
Gomaa frei und wohl fühlt. Und so war es auch ein Abend am
zu meiner Frau und meinen Kindern ist sehr gewachsen, ich
Strand in Basata, an dem Mohamed Gomaa und seine Frau
verzichte auf alles Geld der Welt, Hauptsache, wir vier verbrin-
sich, während sie barfuß im Sand saßen, fragten, ob und wann
gen möglichst viel Zeit miteinander", sagt er und fügt hinzu:
die Zeit gekommen sei, eine Pause einzulegen.
"Karriere und Geld sind nicht mehr meine Ziele, ich habe gelernt, mit extrem wenig auszukommen."
Mohamed Gomaa war bei Telefónica O2 für den Kundenservice und die Kundenbindung verantwortlich – vom Personal
Die Folge: Mohamed Gomaa lehnte nach seiner Rückkehr
und Budget her die größte Abteilung des Unternehmens in
einen lukrativen Posten bei Telefónica O2 ab, für den er hätte
Deutschland. Er hatte es, wenn man so will, geschafft: eine
nach München pendeln müssen. Heute ist er freigestellt.
tolle Familie, ein super Job, ein schönes Haus, ein sehr gutes
Die Auszeit in Basata hat seine Wertvorstellungen deutlich
Gehalt. Eigentlich lief alles wie geschmiert. Aber: "Wir hatten
verändert. Er hatte große Probleme, sich wieder ins "normale"
das Gefühl, wir werden gelebt, statt zu leben", erzählt er. "Als
Leben einzufinden. Zu schnell, zu hektisch, angstgesteuert und
ich 20 Jahre alt war, habe ich gedacht: Wenn ich mal 100.000
in gewisser Weise blind kommt es ihm vor. "Wenn ich etwas
Mark verdiene, dann ist es gut. Irgendwann habe ich weit mehr
empfehlen darf, dann, dass alle, die eine Zeit lang aussteigen,
verdient und war fremdbestimmt. Die Frage war: Geht das die
sich Gedanken über die Reintegration machen sollten, denn
nächsten 15, 20 Jahre so weiter? Wenn man nicht die Zeit hat,
die ist viel schwerer, als man es sich vorstellt."
darüber nachzudenken, dann macht man immer so weiter.
Mohamed Gomaa verhandelt gerade über seinen neuen
Wenn man aber darüber nachdenkt, wird man unzufrieden."
Job. Natürlich wird er sich sehr engagieren und sein Bestes ge-
Familie Gomaa nahm sich die Zeit zu reflektieren. Und sie er-
ben. Er will aber auf jeden Fall künftig die Oberhand im Leben
laubte sich die Freiheit, ein bisschen herumzuspinnen und nicht
behalten und sich nicht mehr in der Arbeit vergessen. Auch auf
über mögliche Hürden, sondern über Lösungen nachzuden-
äußere Job-Bedingungen legt er keinen Wert mehr, emotional
ken. Was wäre, wenn alle vier für ein Jahr in Basata lebten? Was
soll es stimmen und die Aufgabe soll gewinnbringend und
wäre mit ihren Berufen? Mit der Schule der beiden Jungs? Was
sinnvoll sein. Dass die Familie noch einmal einen Spurwechsel
mit dem Haus? Wie ließe sich das finanzieren?
Richtung Basata machen wird, steht für ihn außer Frage: "Ich
weiß noch nicht, wann und wie, aber auf jeden Fall wieder."
Punkt für Punkt diskutierten sie – und für alles fand sich eine
Lösung. Die Kinder erhielten Unterricht in der Privatschule des
Cord Schulz-Klingauf, Chef von Schulz-Klingauf & Associates
Camps. Für das Haus, das sie ursprünglich nicht in fremde
in Baden-Baden, hat nicht die Spur gewechselt – es hat ihn
Hände hatten geben wollen, fand sich zufällig eine irische Arzt-
aus der Spur geworfen. Der Vollblutmanager leitete über zehn
familie, die für genau den gleichen Zeitraum in Deutschland
Jahre lang als Geschäftsführer die Geschicke von walter Tele-
leben wollte wie Familie Gomaa in Ägypten. Frau Gomaa
MedienService, 2004 machte er sich als Unternehmensberater
konnte ein Jahr unbezahlten Urlaub nehmen, und auch
selbstständig, arbeitete für Kunden aus der Call-Center- und
Mohamed Gomaa hatte Glück: Weil Telefónica O2 seiner-
der Pharma-Branche, war zeitweise in der Schweiz engagiert
zeit Hansenet gekauft hatte, ergaben sich Lücken im Team.
und gehörte zu der hochtourig agierenden Sorte Alpha-Mann:
Gomaa bot an, eineinhalb Jahre lang zwei Jobs zu erledigen,
immer auf dem Sprung, stets das Telefon am Ohr, immer von
wenn er anschließend ein Jahr lang unbezahlten Urlaub be-
einer Traube Menschen umgeben, auf allen Kongressen zu se-
kommen könne. "Das war die Chance meines Lebens. Es war
hen, morgens 700 Kilometer zum Termin hin, abends zurück,
eine tolle Zeit, aber es war auch die Hölle. Ich habe noch nie
danach Business-Dinner, 80 bis 100 Stunden Arbeit pro Woche,
so viel gearbeitet, diese Zeit hat mich wirklich ausgelaugt",
ein bisschen nervös manchmal, mitunter cholerisch und dazu
resümiert er heute.
40 bis 50 Zigaretten täglich.
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
Heute weiß er: "Ich habe 16 Jahre lang wie ein bescheuerter
Mein Verständnis für die Welt, für die Zusammenhänge, für den
Idiot Raubbau an meinem Körper betrieben." 2006 sandte
Glauben ist gewachsen."
dieser Körper ein Warnsignal: einen Hörsturz, den Cord SchulzKlingauf dank eines exzellenten Arztes gut überstand – und
Die erzwungene Auszeit und das Erleben der eigenen Krankheit
deshalb genauso weitermachte wie zuvor. Am 24. September
sowie die der Leidensgenossen in den Kliniken seien die prä-
2010 folgte keine zweite Warnung, sondern eine volle Breit-
gendsten Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre, sagt er.
seite: ein Schlaganfall. In München-Großhadern setzte man
Man frage sich in einer solchen Situation: Was bin ich noch
ihm einen Stent ins Gehirn. Um es gleich vorwegzunehmen:
wert und was kann ich noch an Wert vermitteln? Eine Antwort
Es ist alles gut gegangen. Cord Schulz-Klingauf ist im Vollbesitz
darauf fand Cord Schulz-Klingauf in der Reha-Klinik in Bad Aib-
seiner geistigen Kräfte, er arbeitet wieder und ist, so sagt er, "zu
ling. Dort war er von körperlich und geistig beeinträchtigten
Schlaganfall-Patienten umgeben. Erst nach ein paar Tagen
merkte er, dass er allenfalls 20 Prozent der Kranken überhaupt
zu Gesicht bekam, denn alle anderen konnten gar nicht ihr
Bett verlassen. Er, der Rollstuhl und Rollator kategorisch abgelehnt hatte, sprach mit den Schwestern, wie er helfen könne,
und fuhr die Kranken in den Rollstühlen spazieren und unterhielt
sich mit den psychisch Verwirrten. "Das war eine außerordentlich beglückende Erfahrung. Man will Krankheit und Armut im
normalen Leben nicht sehen. Wenn's einen dann selbst erwischt, sieht man die Dinge anders – anderen zu helfen macht
glücklich!"
Als Cord Schulz-Klingauf Anfang 2011 an der Seite seiner
langjährigen Ehefrau wieder durch den Schnee stapfte, als
im Frühjahr alles zu blühen begann, fühlte es sich an, als erlebe er all das zum ersten Mal. Noch nie habe er ein Jahr so
bewusst erlebt wie 2011. Statt auf allen Hochzeiten zu tanzen
und ständig etwas vorhaben zu müssen, liebt es Cord SchulzKlingauf jetzt, "morgens in mein schönes Büro zu gehen und
abends in ein schönes Zuhause zu kommen. Das freut mich."
Er weiß, dass Familie unverzichtbar ist und gute Freunde auch.
Mit den Freunden ist das allerdings so eine Sache: Angesichts
Cord Schulz-Klingauf
einer schweren Krankheit trennt sich die Spreu sehr schnell vom
ist Unternehmensberater und ein alter Hase in der
Weizen. Viele melden sich nicht aus Scheu vor der Krankheit,
Call-Center-Branche. 2010 erlitt er einen Schlagan-
andere vergessen einen schnell, manche überschlagen sich
fall. Wieder gesund zu werden war ein hartes Stück
vor Mitleid – dabei will und braucht Cord Schulz-Klingauf kein
Arbeit – bescherte ihm aber auch sehr beglückende
Mitleid. "Ich möchte genauso wahrgenommen werden wie
Erfahrungen.
früher", sagt er und schiebt lachend hinterher: "Als ein bisschen
netter vielleicht."
90 Prozent okay". Abends wird er schnell müde, und stunden-
Ob nun freiwillig oder unfreiwillig: Die Erfahrungen einer Auszeit
lange Meetings, in denen alle durcheinanderreden, strengen
sind wertvoll und prägend. Wie heißt es doch so richtig auf
ihn an (aber das, mal ehrlich, geht uns allen so).
der Website von Trumpf? "Ein erweiterter persönlicher Horizont
regt neue Denk- und Verhaltensweisen an und unterstützt die
Cord Schulz-Klingauf ist noch immer der Alte – nur seine Hal-
Entstehung neuer Ideen und Innovationen."
tung hat sich verändert. "Ich war früher ein knallharter Arbeit-
Und Susanne Tölzel sagt: "Mit 20 Jahren Berufserfahrung, vielen
geber-Typ und habe auf alles, was links ist, geschimpft wie ein
guten Referenzen und einem weit verflochtenen Kontaktnetz-
Rohrspatz. Heute höre ich mir alles sehr genau an und ver-
werk im Rücken, gepaart mit offensichtlicher Neugier, Flexibi-
stehe in manchen Dingen Herrn Bsirske oder die Attac-Bewe-
lität und einer gewissen Portion Unerschrockenheit, sollte uns
gung – obwohl ich ja immer noch 'part of the game' bin. Ich
am Ende der Reise der Wiedereinstieg ohne größere Hürden
bin ruhiger geworden, nicht mehr so unbeherrscht, und ich
gelingen." Wo sie recht hat, hat sie recht. Das gilt auch, wenn
glaube, dass ich umgänglicher geworden bin." Macht eine
man, so wie Mohamed Gomaa, nicht auf der alten Spur wei-
schwere Krankheit also demütig? Cord Schulz-Klingauf ant-
terfahren mag.
wortet: "Ich mag das Wort Demut nicht. Vielleicht kann man es
so ausdrücken: Ich höre besser zu und bin dankbarer als früher.
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
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VON SEELENVERKAUF, SELBSTAUSBEUTUNG UND EIGENSINN
Von Seelenverkauf, Selbstausbeutung und Eigensinn
VON VERA HERMES
Dr. Matthias Burisch
war lange Jahre Professor für Psychologie an der Universität Hamburg, wo er unter anderem das Studienmodul
Organisations- und Personalentwicklung leitete. Bereits
1989 – als noch kaum jemand das Wort kannte – verfasste er den Wissenschaftsbestseller "Das Burnout-Syndrom – Theorie der inneren Erschöpfung", der heute als
Standardwerk zum Thema gilt. 2010 erschien die vierte
Auflage, erweitert unter anderem um ein neues Kapitel,
in dem es um den Trend zur freiwilligen Selbstausbeutung und Hilfen zur Selbsthilfe geht. Matthias Burisch
ist ein viel gefragter Experte, der gern von Medien wie
Spiegel oder Focus zitiert wird. 2008 gründete er das
Burnout-Institut Norddeutschland (BIND), darüber hinaus
ist er als Berater, Trainer und Coach unterwegs und widmet sich dabei insbesondere der Burnout-Prophylaxe,
dem sogenannten Energy Management.
www.burnout-institut.eu
Es prangt auf den Titelseiten ernst zu nehmender Zeitschrif-
Was tun gegen diese Angst und diesen Druck?
ten, ist Diskussionsgegenstand im Freundeskreis und führt
"Es ist hilfreich, einen Plan B und C zu haben. Ein Beschäfti-
durch seine geradezu inflationäre Beschwörung langsam,
gungsverhältnis ist kein Pakt mit dem Teufel. Niemand hat seine
aber sicher zu Ermüdungserscheinungen: das Thema Burn-
Seele an das Unternehmen verkauft, für das er gerade arbei-
out. Kaum eine gesellschaftliche Debatte wurde im Jahr
tet", sagt Matthias Burisch. Er rät: Netzwerken, netzwerken, netz-
2011 so gehypt wie die über das scheinbar massenhaft
werken! Jeder sollte ein Dutzend Leute haben, die er anspre-
grassierende Gefühl des Ausgebranntseins. Psychologie-
chen kann, wenn er einen neuen Job sucht. "Und wenn es über
Professor Dr. Matthias Burisch beschäftigt sich seit über
XING ist." Auch ein Besuch beim Headhunter sei ratsam, "um
20 Jahren mit dem Burnout-Syndrom und bedauert die oft
zu schauen, was das Meer noch an Fischen bereithält". Ein
falsch geführte Debatte. Doch um Burnout soll es hier gar
Arbeitsplatzverlust, das sollte jedem bewusst sein, ist nicht das
nicht gehen. Sondern – zugegebenermaßen verkürzt und
Ende der Welt. Wer kann, darf auch beizeiten über die Option
unvollständig – ganz handfest darum, wie Menschen sich
Selbstständigkeit nachdenken.
davor schützen können, dass ihnen die Energie verloren
geht.
Viele Führungskräfte haben ein so großes Verantwortungsgefühl,
dass sie alle Dinge unbedingt zu Ende führen wollen und dabei
Da ist zum Beispiel diese Angst, die wohl alle berufstätigen
auch gleich noch das mit erledigen, was andere nicht schaf-
Menschen manchmal plagt: den Job und damit Geld, Status
fen. "Freiwillige Selbstausbeutung" nennt Burisch diese Nei-
und Sicherheit zu verlieren. Das Verfallsdatum für Berufstätige,
gung, sich alles zuzumuten und zumuten zu lassen.
sagt Burisch, liege heute gefühlt bei Ende vierzig. Also steigt mit
Solange sich die Menschen in vielen Branchen über die
zunehmendem Alter der Druck, alles richtig zu machen, um
Hutschnur belasteten, so lange nützten auch die besten Stress-
bloß nicht bei der nächsten Kündigungswelle dabei zu sein.
seminare nichts, ist der Coach überzeugt. Das Problem: Erst
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
VON SEELENVERKAUF, SELBSTAUSBEUTUNG UND EIGENSINN
befriedigt die Selbstausbeutung, irgendwann macht sie müde,
te das Gros der Menschen wahlweise ein Handy am Ohr, ein
die Routine kommt, der Spaß geht verloren. "Wenn Sie etwas
Smartphone in der Hand oder einen Laptop auf dem Schoß.
machen, woran Sie keinen Spaß haben, dann zählt jede
Niemals in der Geschichte seien die Menschen dermaßen
Stunde dreifach", weiß Burisch.
außengeleitet gewesen wie heute, sagt Burisch. Wir lassen
Man brennt aus.
uns permanent durch die Medien bedrängen und kommen
All jene, die proklamieren, die Arbeit sei das Wichtigste in ihrem
vor lauter Informationen nicht zum Nachdenken. Wer aber
Leben – laut einer aktuellen GfK-Umfrage für die Apotheken
immer von außen beeinflusst wird, steht über kurz oder lang
Umschau sagt das jeder dritte Berufstätige von sich –, sollten
nicht mehr auf eigenen Beinen. Statt Mainstream, Jugendkul-
sich darüber im Klaren sein, dass dem nicht so ist. "Außer-
tur und Trends hinterherzujagen, solle jeder besser einen Rest
halb von 'work' sollte es auch noch 'life' geben!", appelliert
dessen behalten, was Hermann Hesse in seinem Lob auf den
der Burnout-Spezialist. "Führen Sie ein Leben neben dem Job:
Eigensinn beschrieben habe, empfiehlt Burisch. Hesse leitet
Irgendwas werden Sie doch wollen? Gitarre spielen? Gärtnern?
seine Abhandlung über den Eigensinn so ein:
Als PR-Chef des Sportvereins fungieren?"
Wer über einen längeren Zeitraum selbstausbeuterisch alle
Eine Tugend gibt es, die liebe ich sehr, eine einzige. Sie
Kraft ausschließlich in die Arbeit investiert, lebt in Gefahr. Er ver-
heißt
Eigensinn. Von allen den vielen Tugenden, von denen
liert sich selbst. Der Freundeskreis wird kleiner, weil er oder sie
wir in Büchern
lesen und von Lehrern reden hören, kann
sich ja nicht mehr kümmern kann. Die Hobbys werden weniger,
ich nicht so viel halten. Und
doch könnte man alle die
denn es fehlt die Zeit. Die Familie sieht man ohnehin selten
vielen Tugenden, die der Mensch sich erfunden
hat, mit
genug.
einem einzigen Namen umfassen. Tugend ist: Gehorsam.
Die
Frage ist nur, wem man gehorche. Nämlich auch der
Matthias Burisch rät, sich immer wieder seiner eigenen Iden-
Eigensinn ist
Gehorsam. Aber alle andern, so sehr be-
tität zu vergewissern und über sich selbst nachzudenken. Wer
liebten und belobten Tugenden
sind Gehorsam gegen
bin ich eigentlich? Was kann ich gut? Was kann ich richtig
Gesetze, welche von Menschen gegeben sind. Einzig
der
schlecht? Worauf reagiere ich aggressiv? Worauf bin ich stolz?
Eigensinn ist es, der nach diesen Gesetzen nicht fragt.
Wofür schätzt man mich? Womit haben die Menschen bei mir
Wer
eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz,
Schwierigkeiten?
einem einzigen,
unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich
selbst, dem "Sinn" des
"Eigenen".
Wer derlei Fragen für sich beantwortet, stärkt seinen inneren
Kern, seine innere Heimat und macht sich damit stabiler ge-
Und wem das alles zu philosophisch ist, der muss vielleicht ein-
gen äußere Angriffe. Statt mit Problemen ausgefüllt zu sein oder
fach mal die Perspektive wechseln, um festzustellen, was ihm
ständig auf den nächsten Kick zu warten, gilt es, sich des "in-
wichtig ist und was nicht: "Es ist sinnvoll, sein Leben vom Tod
tegralen Selbst" bewusst zu sein. "Mal übergangen zu werden,
aus zu denken und sich einfach vorzustellen, man liege auf
mal zu scheitern, mal ungerecht behandelt zu werden, das
dem Totenbett. Dann wird einem schnell klar, dass vieles, was
alles können Sie besser vertragen, wenn Sie einen klaren, fes-
gerade wichtig erscheint, überhaupt nicht zählt", sagt Burisch.
ten Kern haben. Das verhindert Überreaktionen", ist Matthias
Sich seiner selbst vergewissern, Prioritäten setzen, ein Leben ne-
Burisch überzeugt.
ben der Arbeit führen, keine Angst haben – das klingt banaler,
als es wahrscheinlich ist. Wer diese Aspekte beherzigt, ist auf
Allerdings machen wir uns die notwendige Selbstvergewisse-
jeden Fall schon mal besser gefeit vor dem ständigen Ansturm
rung selbst schwer: Ob beim Warten auf die S-Bahn oder den
von außen. In diesem Sinne: Geben Sie gut auf sich Acht!
Flieger, im Zug, im Café, selbst im Meeting, am Abendbrottisch und in der Werbepause des TV-Films hat hierzulande heu-
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
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VERNETZEN
Orte, die vernetzen
Networking in der Bar Anita
Hier gibt's nicht nur selbstgebrauten Hierbas, sondern jede
Menge Austausch: Die Bar Anita auf Ibiza befindet sich im Dorf
Sant Carles de Peralta schräg gegenüber der Kirche. Sie ist legendär, weil sie seit Jahrzehnten Anlaufstelle für Einheimische,
Zugezogene und jede Menge Exhippies aus dem Dorf und der
Umgebung ist, denn: In der Bar Anita hängen die Postfächer.
Das ist nicht nur total praktisch für den Briefträger, sondern sorgt
für Umsatz in der Bar und bringt die Menschen zusammen.
Auf diese Win-win-win-Situation einen Hierbas!
Menschen, die vernetzen
Claudia Langer, Gründerin von Utopia
Claudia Langer und ihr Ehemann Gregor Wöltje gründeten
1992 die Münchner Agentur .start advertising, die sie 2004 an
die internationale Agentur-Holding Omnicom verkauften, um
sich eine Auszeit zu nehmen. Sie reisten mit ihren Kindern durch
Kanada und waren entsetzt über den Zustand der Wälder. Also
launchten die ehemaligen Werber im November 2007 die
Internetplattform für strategischen Konsum Utopia.de. Utopia
zählt heute zehntausende Community-Mitglieder, renommierte Wissenschaftler und Unternehmen zu ihren Unterstützern.
www.utopia.de
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
„Unübersehbare Spuren
hinterlassen wir dann, wenn
wir den Mut haben, Wege
zu gehen, die vor uns noch
niemand gegangen ist.“
(Ernst Ferstl)
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
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ADVERTORIAL - DIE MACHTVERSCHIEBUNG
Die Machtverschiebung
SPURWECHSEL FÜR UNTERNEHMEN
Innovative Unternehmen erleben gerade eine Art Unterneh-
Stephan Pucker: Na ja, "bloß" die vorgelagerten Prozesse zu
menskulturrevolution. Der Kunde von heute gewinnt immer
verbessern ist schon ziemlich komplex, und man muss sehr
mehr Macht. Er ist wenig loyal, gut informiert und tenden-
genau hinschauen, welche Maßnahmen tatsächlich den
ziell immer auf dem Absprung. Also müssen Unternehmen
größten Hebel auf die Kundenloyalität haben und für das Un-
ihre Kunden nun tatsächlich in den Mittelpunkt stellen und
ternehmen zeitnah umsetzbar sind.
dies nicht bloß in ihren Mission Statements propagieren. Mit
Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, Zielkonflikte aufzulösen und
der Machtverschiebung hin zum Kunden verschiebt sich zu-
die Verantwortung für die "Customer Experience", also die
gleich die Macht aus anderen Abteilungen in Richtung Ser-
Wahrnehmung des Unternehmens und seiner Leistungen aus
vice – denn schließlich kommen aus der Service-Abteilung
der Sicht des Kunden, in die Zielvereinbarungen der einzel-
die authentischen Kundeninformationen, die für Verbes-
nen Bereiche zu integrieren. Es ist schon ein erheblicher Un-
serungen, Produktinnovationen und – ja! – auch Service-
terschied, ob ich zum Beispiel ein Produktmarketing daran
Vermeidung genutzt werden können. Für Ad-Scopum-Chef
messe, wie schnell neue Produkte gelauncht werden, und
Stephan Pucker ist dieser Weg unausweichlich.
dabei Startschwierigkeiten billigend in Kauf nehme oder aber
daran, ob die Kunden wirklich begeistert sind und zu aktiven
Herr Pucker, lange Jahre waren Call Center so etwas wie Erfül-
Weiterempfehlern des neuen Produktes werden.
lungsgehilfen von Marketing und Vertrieb. Die Abteilung, die
dem Kunden am nächsten ist – nämlich das Call Center, auch
Nehmen wir an, die Kunden sind begeistert und aktive Weiter-
Service-Center, Customer-Care-Center oder Kunden-Center
empfehler. Was bedeutet das für den Service?
genannt –, hatte in kaum einem Unternehmen wahrnehm-
Stephan Pucker: Für den Service bedeutet dies, Schritt für
baren Einfluss auf die Unternehmensstrategie. Das ändert sich
Schritt neue Aufgaben zu übernehmen. Heute ist Service ten-
gerade. Warum?
denziell reaktiv unterwegs, getrieben von der Last vieler ver-
Stephan Pucker: Unternehmen stellen mehr und mehr fest,
meidbarer Kontakte. Wenn sich das Blatt wendet, entstehen
dass der Service-Bereich eine wichtige Aufgabenstellung sehr
neue Aufgaben, wie etwa den Kunden mit proaktiven Kontak-
effektiv lösen kann – nämlich dem Unternehmen aus Kunden-
ten zu begrüßen, im Lebenszyklus aktiv zu umsorgen und wei-
sicht den Spiegel vorzuhalten.
tere auf den Kunden zugeschnittene Optionen und Produkte
Was die einzelnen Unternehmensbereiche in diesem Spiegel
anzubieten.
sehen, ist oftmals nicht sehr schmeichelhaft. Ein enormer Anteil des Kontaktvolumens im Kundenservice entsteht durch
Dafür müsste der Kundenservice auf Augenhöhe mit Marke-
unausgereifte Produkte, fehlerhafte Prozesse, unverständliche
ting, Vertrieb sowie Forschung & Entwicklung zusammenar-
Kommunikation und dergleichen. Das sind lauter Defekte,
beiten. Ist das in den Unternehmen schon der Fall?
deren Ursachen außerhalb des Kundenservice zu finden sind.
Stephan Pucker: Nein, das ist eher die Ausnahme als die
Statt die Ursachen anzugehen, hat man über lange Jahre die
Regel. Aber es gibt erste Leuchttürme, die den Weg weisen.
Service-Bereiche in die Pflicht genommen, die Stückkosten
Ein organisatorischer Schritt dazu kann die Berufung eines Chief
für diese "Reparaturleistungen für Unternehmensdefekte" zu
Customer Officers sein, der nachhaltig für die Sicht des Kunden
drücken. Kunden sind es leid, dass Prozesse und Lieferprob-
im Unternehmen eintritt. Es gibt aber auch Unternehmen, die
leme auf ihrem Rücken ausgetragen werden, um dann mit
diesen Spurwechsel in der bestehenden Organisation durch
Service-Mitarbeitern zu sprechen, die oftmals keine wirkliche
neu gesetzte Prioritäten erfolgreich hinbekommen haben
Abhilfe schaffen können.
und deren neu auf den Kunden ausgerichtete Führung durch
deutlich verbesserte Markterfolge immer weiter befeuert wird.
Das würde ja bedeuten, dass die Unternehmen "bloß" in den
vorgelagerten Prozessen – Produktion, Logistik et cetera pp. –
Zum Beispiel?
optimieren müssten, im Service aber alles in bester Ordnung
Stephan Pucker: Ein Beispiel, das mich persönlich begeis-
ist, weil die Service-Mitarbeiter ja gar nicht selbst verantworten,
tert, ist die 1&1 Internet AG. Das Unternehmen verzeichnete
dass sie den Kunden nicht weiterhelfen können?
eine rückläufige Kundenzufriedenheit und hat sich Ende
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
2009 entschieden, mit einem umfassenden Programm den
Zufriedenheits-Turnaround zu schaffen. Zunächst wurden die
wichtigsten Ursachen für die Kundenunzufriedenheit identifiziert
und mit großer Entschlossenheit angegangen. Dazu zählen
zum Beispiel die Abschaffung der kostenpflichtigen Hotline
und attraktive Angebote auch für Bestandskunden. Inzwischen
hat sich der Fokus vollkommen auf die aktive Schaffung von
Begeisterungsfaktoren verlagert. Das ist es, was mich wirklich
fasziniert. In welch kurzer Zeit das Unternehmen es geschafft
hat, chronische Probleme abzustellen und den gewonnenen
Spielraum für neue, jetzt auf Kundenbegeisterung angelegte
Themen einzusetzen.
Stephan Pucker
Sind Mitarbeiter und Führungskräfte für einen solchen Spurwechsel vom reaktiven zum aktiven Service generell hinreichend qualifiziert?
Stephan Pucker: Sicher nicht gleich auf allen Ebenen, aber
ich bin immer wieder begeistert, welche Kräfte und welches
Engagement freigesetzt werden, wenn diese Ausrichtung erst
einmal klar ist, die Veränderung als erstrebenswert erkannt und
eine Art kollektive Kreativität freigesetzt wird. Es ist weniger ein
Thema der Qualifikation als vielmehr des Verständnisses dafür,
was die eigene Rolle ist und welche Prioritäten gesetzt werden.
Qualifikation könnte man schulen, ein Rollenverständnis lässt
ist Gründer und Geschäftsführer von Ad Scopum in Paderborn.
Das Unternehmen ist spezialisiert auf Customer Experience
Management und hilft Unternehmen, ihre Service-Qualität und
Kundenwahrnehmung nachhaltig zu verbessern. Ein wichtiger
Arbeitsschwerpunkt liegt in der Kundenfokussierung und systematischen Beseitigung wiederkehrender Kundenprobleme ("The Best
Service is no Service"), um operative Kosten zu senken und Kunden
mit einfachen und schnellen Prozessen zu begeistern. Gemeinsam mit seinen Partnern von der LimeBridge Global Alliance arbeitet er international für Kunden wie Microsoft, McDonald's, Vodafone oder E.ON.
www.adscopum.com
sich hingegen nur mühsam ändern. Was genau müssen Unternehmen, die sich kundenorientiert ausrichten wollen, an der
Und wie überzeugt man Skeptiker in Vorstand und Führungs-
Basis tun – also bei den Agenten im Service-Center –, damit
teams am besten davon, dass der Kunde das Maß aller
alle mitziehen und tatsächlich kundenorientiert agieren?
Dinge ist?
Stephan Pucker: Na ja, was ich über die Jahre beobachten
Stephan Pucker: Ich wäre ja oft schon froh, wenn das Wort
konnte, ist, dass jeder das Service-Center oder den Call-Cen-
"Kunde" außer in abstrakten Verklausulierungen wie Um-
ter-Dienstleister hat, den er verdient. Das Problem liegt weniger
satzsteigerung oder Marktanteil überhaupt in Management-
bei den Agenten als vielmehr in den Kriterien, nach denen
Meetings vorkäme. Ich glaube, die meiste Zeit wird internen
diese gesteuert werden. Ich kenne kaum ein Service-Center,
Themen oder der Shareholder-Pflege gewidmet. Eine segens-
das nicht primär über Effizienzkriterien gemanagt wird. Was
reiche Übung besteht darin, bei jedem einzelnen Agenda-
zählt, sind die Transaktionenkosten und damit letztlich die für
Punkt die Frage zu stellen, ob irgendein Kunde einen Mehr-
den Kunden im Schnitt eingesetzte Bearbeitungszeit.
preis dafür zahlen würde, dass dieses Thema jetzt erörtert wird.
Wenn man in einer solchen Organisation dann Detailunter-
Konsequent eingesetzt kann das viel Zeit für das Wesentliche
suchungen der einzelnen Kontakte macht, findet man statt
freisetzen. Ansonsten sind zwei Komponenten wichtig:
wohlgestalteter "Customer Journeys" eine Kundenodyssee
1. Die Verbindung von Kundenloyalität zu den finanziellen Kenn-
nach der anderen. Meist geht der erste Kontakt eines Kunden
zahlen des Unternehmens. Was bedeutet es für den finanziel-
auf ein systemisches Problem in einem anderen Unterneh-
len Erfolg, wenn Kunden, statt zu wechseln, mehr kaufen, im-
mensbereich zurück. Was folgt, ist eine niederschmetternde
mer wiederkommen und dabei noch ihre Freunde mitbringen?
Verkettung unerquicklicher Service-Kontakte, die das Problem
2. Ein möglichst direktes Erleben von Kunden und ihren An-
nicht beseitigen und den Kunden in den Wahnsinn treiben.
liegen. Jeden Monat einen Tag im Service-Center oder in der
Wenn wir einfach nur Verantwortung für die Lösung des Kunden-
Filiale verbringen. Zum Miterleben und nicht zum Repräsen-
problems übergeben würden und dann die notwendige
tieren. Das erdet und schützt vor Fehleinschätzungen, wenn
Unterstützung liefern, mit der dies auch möglich ist, würden
die nächste weltkluge Idee diskutiert wird.
die Kontaktvolumen in sich zusammenfallen. Service-Center
könnten viel kleiner sein als die Kontaktfabriken, die wir heute
Was prognostizieren Sie denjenigen Unternehmen, die einfach
unterhalten. Und sie würden Probleme abstellen, statt Teil des
weitermachen wie gehabt?
Problems zu sein.
Stephan Pucker: Dass sie das früher oder später ändern
werden.
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INTERVIEW "LUST AUF EIN ANDERES LEBEN"
„Lust auf ein anderes Leben“
VON VERA HERMES
Dann entschloss sie sich zu einem Spurwechsel.
Seit gut drei Jahren führt sie ein fünf Hektar großes Weingut samt Restaurant im Rheingau. Eigentlich hatten Birgit
Hüttner und ihr Ehemann nach einem Einfamilienhaus gesucht. Dann schleppte der Makler sie zur Ankermühle in
Oestrich-Winkel. Herzklopfen setzte ein. Zwei Tage später
war der Vorvertrag unterschrieben. Die Sanierungsarbeiten
dauerten zehn Monate. Im Juni 2009 eröffnete Birgit Hüttner
"ihre" Ankermühle neu. Seitdem hat sie unter anderem
den Gastronomiepreis Hessen 2010 als bestes Weinrestaurant gewonnen und wird einhellig von Medien wie dem
Hessischen Rundfunk oder der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung sowie vom Gault Millau und vom Feinschmecker empfohlen. Birgit Hüttner hat sich ihren Traum
vom anderen Leben erfüllt – und feiert Erfolge.
Frau Hüttner, Sie hatten – zumindest von außen betrachtet –
einen super Job und haben gut verdient. Was hat Sie dazu
bewogen, beruflich etwas völlig anderes zu machen?
Birgit Hüttner: Ich hatte nach 20 Jahren Berufsleben das dringende Bedürfnis, frei zu gestalten. Bei der AGOF wurde sehr
politisch agiert, man steht dort stark in der Medienöffentlichkeit.
Ich war oft auf Geschäftsreisen, bin morgens los und abends
um 20 Uhr wieder nach Hause gekommen, es war so ein typi-
Birgit Hüttner
sches Stadt-Berufsleben. Irgendwann wollte ich ein anderes
Lebenskonzept verwirklichen, ohne genau zu wissen, was es
führt seit gut drei Jahren die Ankermühle, ein Weingut mit Res-
sein könnte. Ich hatte einfach Lust auf ein anderes Leben!
taurant, dessen Wurzeln bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen.
Und ich hatte den Drang, etwas zu tun, wo ich sage, wie es
Wer nun eine romantische Vorstellung von der lustigen Winzerin in
gemacht wird, und dafür dann auch die Konsequenzen trage.
Gummistiefeln hat, muss leider enttäuscht werden: Beim Führen
eines Weinguts und Restaurants fliegen einem wahrlich keine
Warum fiel Ihre Wahl auf den Beruf der Winzerin und Gas-
gebratenen Tauben in den Mund. Aber es macht der marketing-
tronomin?
erfahrenen Oberschwäbin trotzdem sehr viel Freude – in ihr altes
Birgit Hüttner: Es war nie der Plan, ein Weingut zu kaufen. Mein
"Stadt-Berufsleben" will sie nicht zurück.
Mann und ich lagen nie im ehelichen Bett und haben gesagt:
www.ankermuehle.de
"Wir werden jetzt Winzer." Der Zufall hat mitgespielt. Wir wohnten
in Wiesbaden und haben ursprünglich ein Haus im Rheingau
8 Jahre Online-Branche, 7 Jahre Mineralöl-Branche, 5 Jahre
Marktforschung, 1 Jahr Kulturbereich, 2 Jahre Touristik –
das ist die ansehnliche Berufsbilanz von Birgit Hüttner (46).
Sie war unter anderem im Marketing von Aral tätig, später
Leiterin Sales Communication bei Web.de und zuletzt fünf
Jahre lang Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung AGOF.
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gesucht. "Das entspricht doch gar nicht unserem Briefing" war
unsere erste Reaktion, als der Makler mit der Ankermühle kam.
Er hat es dennoch geschafft, uns hierherzuschleppen. Und als
wir dann vorm Tor standen, sagte mein Mann: "Ich habe Herzklopfen." Es folgten zwei schlaflose Nächte und dann haben
wir den Vorvertrag unterschrieben. Mein Mann ist in seinem
Beruf geblieben, ich habe gekündigt.
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
Ist Ihnen das schwergefallen?
den Hof laufe, der täuscht sich. Es ist ein harter Job und ge-
Birgit Hüttner: Nein, überhaupt nicht. Ich habe sofort alle
rade in der Saison kräftezehrend, aber er macht Spaß.
Newsletter abbestellt, denn es war mir klar, dass ich nie wieder
Ich arbeite nicht weniger als früher, aber anders, sehr flexi-
zurückgehe. Einige haben gesagt, ich wäre nach spätestens
bel. Unter der Woche nehme ich mir einen Tag für mich frei,
einem Jahr wieder zurück. Aber ich wusste, dass das nicht
an dem ich nicht erreichbar bin. Dann gehe ich gern in die
stimmt und dass es für mich keinen Sinn mehr hat, die Medien-
Therme, in die Sauna oder shoppen. In der Saison sind die Er-
politik zu verfolgen. Man gewinnt schnell sehr viel Distanz.
holungspausen kürzer, im Januar haben wir Betriebsferien.
Wie ging es weiter?
Was können Sie aus Ihrem "alten Leben" für Ihre neue Berufung
Birgit Hüttner: Die Ankermühle ist ein altes Schätzchen aus
gebrauchen?
dem 14. Jahrhundert. Wir haben ein knappes Jahr lang saniert.
Birgit Hüttner: Ganz wichtig sind Marketing und PR, ein guter In-
Dieses Jahr Sanieren war großartig – es war eine unbändige
ternetauftritt und Plattformen wie Facebook. Ich kommuniziere
Freude, selbst zu gestalten. Viele Ideen entwickeln sich erst
sehr viel, schreibe Kunden an, mache Aktionen, werbe sehr viel
beim Gestalten. Ich musste erst ein Gefühl für das Haus be-
übers Internet. Dadurch werden wir, obwohl wir erst 2,5 Jahre
kommen, auch Denkmalamt und Brandschutz haben immer
hier sind, sehr gut wahrgenommen und konnten in kurzer Zeit
mitgesprochen. Abend für Abend habe ich vor dem Rechner
ein gutes Image aufbauen.
gesessen und recherchiert: Lampen, Besteck, Ausstattung –
das war wie ein Rausch, wie ein Jahr Adrenalin. Ich bin dank-
Und welches sind die größten Hürden bei solch einem
bar, dass ich so etwas machen durfte. Und wir sind auch noch
Spurwechsel?
nicht fertig, gerade haben wir einen Teich angelegt.
Birgit Hüttner: Man darf definitiv nicht verklärt an so eine Sache
herangehen. Unternehmens- und Personalführung sind sehr
wichtige Punkte, auch Formales wie Buchhaltung muss beherrscht werden – das ist zusammen mit Marketing und PR die
halbe Miete, um ein Unternehmen erfolgreich zu platzieren. In
unserem Geschäft arbeitet man zudem mit sehr kleinen Spannen. Optimierung ist nötig, damit am Ende was hängen bleibt.
Die Margen sind wirklich atemberaubend niedrig.
Die größte Hürde ist sicherlich, dass man branchenfremd
ist. Es geht erst mal darum, zu begreifen, wie das Geschäft
funktioniert. Das Thema Netzwerk ist gerade im Vertrieb sehr
wichtig. Auch in Banalitäten wie etwa, welches Papier für die
Etiketten ausgewählt wird und welche Korken genutzt werden,
Wie haben Sie das finanziert?
muss man sich einarbeiten. Das schaffen andere mit links. Da
Birgit Hüttner: Mein Mann und ich haben beide von Haus aus
macht man die meisten Fehler und sammelt Erfahrungen.
kein Geld mitgebracht. Aber wir haben beide lange gearbeitet
Eigentlich ist es ein ziemlich harter Beruf. Ich habe höchsten
und keine Kinder. Mein Mann hat seine Firma an ein interna-
Respekt vor Familienbetrieben, die das alles am Laufen halten:
tionales Unternehmen verkauft, damit hatten wir den nötigen
Herstellung, Vertrieb, Marketing – es gibt deutlich einfachere
Schub.
Wege, sein Geld zu verdienen. Zudem ist der Wettbewerb
enorm, und man ist außerdem vom Wetter abhängig: 30 Pro-
Sie haben während Ihres BWL-Studiums mit dem Schwerpunkt
zent weniger Ernte bedeuten 30 Prozent weniger Umsatz.
Fremdenverkehr eine studienbegleitende Ausbildung bei
einem Sternekoch gemacht. Hat Ihnen das geholfen?
Wie läuft es denn wirtschaftlich?
Birgit Hüttner: Das Thema Wein ist eine Leidenschaft von
Birgit Hüttner: Das Restaurant ist schon erfolgreich, der Wein-
mir, außerdem sammle ich seit 25 Jahren Kochbücher und
berg ist längerfristig angelegt, aber im Plan.
Rezepte. Aber ich stehe nicht selbst in der Küche oder im Weingut. Wir beschäftigen unter anderem einen Önologen, zwei
Haben sich Ihre Erwartungen und Wünsche an Ihr "neues
Köche und zwei fest Angestellte im Servicebereich. Ich sitze im
Leben" erfüllt?
Büro und treffe Absprachen mit Kunden, denn wir richten viele
Birgit Hüttner: Ja! Das Schönste sind der Kontakt zu den Men-
große Veranstaltungen aus, haben fast jedes Wochenende
schen und das direkte Feedback auf alles, was ich tue, egal,
eine Hochzeit oder Familienfeiern und organisieren viele Fir-
ob es eine neue Speisenkarte oder eine Weinprobe ist. Zu se-
menevents.
hen, wie mein Angebot ankommt, ist toll. Die Rückspiegelung
dessen, was man tut, hat man als Geschäftsführer in einem
Das klingt nach viel Arbeit.
Unternehmen nicht so unmittelbar.
Birgit Hüttner: Wer glaubt, dass ich lustig in Gummistiefeln über
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
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"Auch wenn es knapp wird: Ein
Jahr muss reichen, um das Training für meine kommerzielle
Pilotenlizenz abzuschließen und
eine(n)
Pilotenschule/Charter-
betrieb zu eröffnen. Favoriten:
Kanaren oder Florida. Ach ja,
ein Buch wollte ich auch noch
schreiben. Kann ich zwei Jahre
haben?"
Dirk Moreno, Vice President Int.
Customer Service 1&1 Internet
Inc., USA
„Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Jahr zur freien
Verfügung. Was würden Sie tun?“
EINE UMFRAGE
"Ich würde gerne zu einer Musikschule gehen, um richtig
13 Wochen gelesen – das ist etwas mehr als die berühmten
Notenlesen zu lernen und mein Gitarrenspiel auf ein anderes
80 Tage um die Welt, aber so oder so sehr faszinierend. Baut
Niveau zu bringen. Im Gegenzug würde ich anfangen, jungen
man noch ein paar Zwischenstopps ein, dann kann man diese
Musikern zu helfen. Das wäre ein Traum!"
Reise sicher auch wunderbar auf ein Jahr verlängern. Und be-
Brian Kelly ist Managing Director Germany der Visum Centrale
sonders würde ich mich freuen, diese Reise und damit viel Zeit
in Bonn.
gemeinsam mit meiner Frau zu genießen."
Claus Eimer ist Head of Customer Service Management von
"Mit meinen Töchtern und meinem Mann die Städte Europas
Telefónica Germany in München.
bereisen, die Leuchttürme zeitgenössischer Kunst besuchen
(Fondation Beyeler, Art Basel, MoMA, Tate Modern …), ausgie-
"Ich würde die ersten zwei, drei Monate erst mal gar nichts
big mit Freunden Mittag essen, eine Nähmaschine in Betrieb
machen. Außer entspannen, ausruhen, mich von Tag zu Tag
nehmen und einen Blog etablieren … und dabei wahrschein-
und von Stunde zu Stunde treiben lassen – und dabei neue
lich immer ans nächste Projekt denken."
Länder erkunden. Die restlichen neun bis zehn Monate würde
Catherine B. Crowden ist Marketing Manager von der BSI Busi-
ich in einem sozialen Projekt mitarbeiten. Darüber hinaus würde
ness Systems Integration AG im schweizerischen Baden.
ich einen Kochkurs und einen Tanzkurs machen, und vielleicht
würde ich auch noch eine zusätzliche Sprache lernen."
"Da ich immer wieder gerne am Meer und auf hoher See bin,
Gudrun Scharler ist Vice President Customer Services der
würde ich wahnsinnig gerne mit dem Schiff die Welt umrunden.
Telefónica Germany in München.
Erst letztens habe ich von einer Kreuzfahrt rund um die Welt in
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
UMFRAGE: STELLEN SIE SICH VOR, SIE HABEN EIN JAHR ZUR FREIEN VERFÜGUNG. WAS WERDEN SIE TUN?
"Ich würde versuchen, diese Zeit aus meiner Sicht sinnvoll zu
"Es wäre für mich als Hobby-Rennradfahrer einerseits eine
nutzen. Ich würde meinen Terminkalender auf meine Familie
großartige Vorstellung, mit meinem Rad zu einer Weltumrade-
abstimmen und in der verbleibenden Zeit Folgendes tun:
lung aufbrechen zu können, andererseits bin ich mir sicher,
1. mein Saxofon-Spiel verbessern (täglich eine Stunde üben
dass der Reiz für mich nur in der theoretischen Möglichkeit
und wöchentlich Einzelunterricht nehmen)
bestehen würde, da ich sowohl meine Familie als auch die
2. meine Golfkarriere starten und regelmäßig spielen
beruflichen Herausforderungen vermissen würde."
3. das Projekt Dissertation angehen
Michael Römer
ist Geschäftsführer von WAZ Dialog in Essen.
4. und wenn noch Zeit ist, anfangen, eine weitere Sprache zu
lernen."
"Zeit ist das einzige Gut, das gerecht verteilt ist. Wir alle ha-
Christian Holtmann ist Geschäftsführer Operation bei der EnBW
ben daher jedes Jahr zur freien Verfügung. Wenn ich mich
Energie Baden-Württemberg AG in Karlsruhe.
dazu entschließen würde, ein Jahr aus dem Berufsleben
auszusteigen, würde ich eine Weltreise machen und min-
"Die Wintermonate gehe ich mit Frau und Kindern in den
destens eine neue Fremdsprache lernen."
Schnee und fahre mit allen Snowboard und tobe mich aus
Milosch Alexander Godina ist Head of Customer Services von
bis zum Umfallen. Im Frühsommer machen wir dann einen
Tele2 Telecommunication in Wien
.
Planwagentrip durch Frankreich – unterwegs sein und dort, wo
es mir gefällt, die Angel auspacken und einen leckeren Fisch
"Wenn ich ein Jahr zur freien Verfügung hätte, dann würde ich
zum Grillen fangen. Im Sommer baue ich dann einen schönen
dieses auf einem Weingut in Chile verbringen."
Holzbalkon an unser Haus an und fröne einer Geschäftsidee,
Oliver Ebel ist Executive Director & General Manager von
die zurzeit passiv nebenherläuft. Dann bleibt auch schon nur
Lenovo Eastern Europe & Turkey in Stuttgart.
noch der Herbst, um einen weiteren Holzlangbogen zu bauen,
mich langsam wieder an eine gesunde Mischung aus Arbeit
"Was ich tun würde? Ich würde in dem Jahr intensiv und doch
und Privatleben zu gewöhnen und diese miteinander in Ein-
völlig entspannt auf der ganzen Welt nach der Fee suchen, die
klang zu bringen …"
ihren Zauberstab schwingt, damit ich danach alle Sprachen
Jens Köhler ist Geschäftsbereichsleiter Service & Support
dieser Welt sprechen kann. Und sollte das nicht funktio-
der Haufe Gruppe in Freiburg.
nieren, dann würde ich das machen,
was ich in meiner Auszeit 2010 getan
"Mein wichtigstes Ziel wäre es, die
habe: mich nur um mich
verlorenen Tage und Stunden mit
selbst kümmern! 2010
meinen Kindern und meiner
war
Frau
Jahr!"
nachzuholen.
Wir würden für drei
bis
vier
ein
großartiges
Thorsten Meyer ist Direc-
Monate
tor Outsourcer CC bei Sky
eine Reise nach Australien
Deutschland Fernsehen in Unter-
und Neuseeland unternehmen, und
föhring.
anschließend würde noch ein längerer
Aufenthalt in den USA folgen, damit wir das
"In dem Jahr würde ich etwas lernen, was nicht direkt mit mein-
schon oft besuchte Land noch besser kennenlernen. Die letz-
er täglichen Arbeit zu tun hat, sondern andere Fähigkeiten in
ten sechs Monate würde ich intensiv nutzen, private und beruf-
mir entwickelt. Wahrscheinlich würde ich lernen, Wellen zu rei-
liche Kontakte zu pflegen und mich auf eine neue berufliche
ten oder Jugendbücher zu schreiben."
Herausforderung vorzubereiten."
Alexander Holtappels ist Geschäftsführer bei Sabio in
Markus Mertl ist Director Service & Quality bei Thomas Cook in
Hamburg.
Oberursel.
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
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DEN MUTIGEN GEHÖRT DIE WELT
Den Mutigen gehört die Welt
VON VERA HERMES
rin und Mitglied der Geschäftsleitung. Es waren goldene Jahre.
TAS Bochum wuchs, zuletzt auf 2.500 Mitarbeiter. 1997 kaufte
der US-Konzern Sykes das Unternehmen. Iris Gordelik blieb noch
zwei Jahre als Director Business Development für Deutschland
und Skandinavien, dann warb sie ein Headhunter zur Telekom
ab. Es folgte ein weiterer Karrieresprung: Als Senior Executive
Vice President, Bereich Mehrwertdienste, Deutsche Telekom
AG, zählte sie zu den Top-300-Managern des Unternehmens
und war eine von nur drei Frauen in dieser Riege. Die Managerin, für die die Bezeichnung "rheinische Frohnatur" erfunden
sein könnte, hatte es geschafft: mit 38 Jahren Topverdienerin
mit Chauffeurservice und allem Pipapo bei einem der größten
Unternehmen Deutschlands. Mehr kann man nicht wollen,
sollte man meinen.
"Es ist, als würdest du unter Schmerzen und Mühen den Mount
Everest besteigen. Irgendwann bist du endlich oben angekommen und stellst fest: Hier will ich gar nicht hin. Es war die
falsche Richtung. Aus gesellschaftlicher Sicht hatte ich alles
richtig gemacht, nur mein Inneres sagte mir: Du fühlst dich
hier nicht wohl", resümiert Iris Gordelik rückblickend. Sie hatte
ihren einflussreichen Posten in dem Konzern in der Erwartung
angetreten, Dinge bewegen zu können, ein bisschen "die
Welt zu verändern". Bei der TAS pflegte sie ein sehr enges
Verhältnis zu Mitarbeitern und Führungskollegen. Sie war es
gewohnt, unternehmerische Entscheidungen zu treffen und
deren Auswirkungen auf den Erfolg direkt zu spüren. Ihr Fehler:
Sie hatte unterschätzt, dass derlei unmittelbares Agieren in
einem Konzern unüblich ist, dort sind Konzern-, Vorstands- und
Aktionärsinteressen zu berücksichtigen. Die persönlichen SteuEs war eine steile Karriere von der Telefonistin bis zur Top-
erungsmöglichkeiten eines einzelnen Managers sind gering.
300-Managerin bei der Telekom. Auf dem vermeintlichen
Gipfel ihres Erfolges stellte Iris Gordelik fest, dass die Traum-
"Trotz der privilegierten Situation im Konzern war ich in dem,
position ein Albtraum ist. Es folgte ein Burnout, aus dem sie
was mir wichtig ist, amputiert", sagt Iris Gordelik. Ihr Dilemma
gestärkt, selbstbestimmt und mit glasklaren Werten her-
bestand darin, dass niemand im Familien- und Freundeskreis
vorgegangen ist.
ihre Unzufriedenheit verstand. Ausgestattet mit Statussymbolen
und Privilegien, erschien jedem ihre Arbeit als Traumjob. Für
Stetig war es bergauf gegangen: Iris Gordelik startete ihre Kar-
die fehlenden Gestaltungsspielräume und Entfaltungsmög-
riere im Ratinger Fachverlag Argetra, baute dort eine Telefon-
lichkeiten bekäme sie schließlich reichlich Schmerzensgeld,
abteilung auf. Es folgte der Job als Teamleiterin beim Call-
argumentierten die Freunde. Sie möge sich doch bitte nicht
Center-Dienstleister TAS Langenfeld. Als gut neun Jahre später
so anstellen.
der TAS-Standort in Bochum gegründet wurde, ging Iris Gordelik
Die berufliche zog eine private Unzufriedenheit nach sich. "Mir
mit – als Projektleiterin. Bald darauf wurde sie Call-Center-Leite-
war klar: Egal, was ich tue, ich verliere auf jeden Fall. Das waren
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
meine Gedanken. Was dann kam, kann ich nicht erklären. Es
zwei Positionen durch sie besetzt. Das passte wie die Faust aufs
gab plötzlich kein Rauskommen mehr. Ich wachte eines Mor-
Auge. Ich hatte ein Geschäft getätigt, ohne zu wissen, wie es
gens mit einem Gefühl auf, das ich in meinem ganzen Leben
geht und wie ich es bepreisen soll. AOL hat mir auf den Kopf
noch nie verspürt hatte: Ich wollte nicht aufstehen, dem Tag
zugesagt, was ich am besten kann: Ich bin gut vernetzt, kenne
nicht entgegensehen. Natürlich war ich pflichtbewusst und bin
die Anforderungen an Positionen und die Unternehmensseite.
trotzdem aufgestanden, aber ich habe mich gefühlt und funk-
Da wusste ich, womit ich mein Geld verdienen würde", strahlt
tioniert wie ein Roboter."
sie und fügt hinzu: "Ich hatte mittlerweile wieder so viel Selbstbewusstsein, dass ich mir nicht vorstellen konnte, keinen Erfolg
Iris Gordelik, von Natur aus ein fröhlicher Mensch, zog sich in
zu haben."
sich selbst zurück. Das Schlimmste daran: Das Umfeld merkte
Es folgte ein kurzes Intermezzo bei einer Hamburger Perso-
augenscheinlich nichts. Sie selbst hatte das Gefühl, im Beruf
nalberatung, aber Iris Gordelik war schnell klar, dass sie, um
nur ein Drittel dessen zu leisten, was ihr eigentlich möglich
wirklich frei zu sein, ihr eigenes Unternehmen aus der Taufe he-
gewesen wäre. Im Unternehmen fiel das niemandem auf. Eine
ben musste. Und so gründete sie am 1. April 2004 die Perso-
deprimierende Erfahrung. Privat umgaben sich viele gern mit
nalberatung Gordelik AG.
der erfolgreichen Managerin und fühlten nicht, dass da etwas
Seit ihrer Kündigung bei der Telekom bis zur Gründung der Gor-
nicht mit ihr stimmte. "Die Frage, die ich mir damals immer
delik AG waren nur eineinhalb Jahre vergangen. Das sei keine
wieder stellte, war: Wo soll ich denn hin? Ich bin keine zwanzig
lange, aber eine sehr intensive Zeit gewesen, sagt sie heute.
mehr, was soll ich tun?"
Ob sie rückblickend etwas anders machen würde? "Man kennt
das von Menschen, die eine schlimme Krankheit überstanden
Die Ehe ging in die Brüche und auch beruflich zog Iris Gorde-
haben. Sie ziehen sehr viel Kraft und Lebenserkenntnis aus ihrer
lik die Reißleine. Sie kündigte und verschwand für ein halbes
Leidenszeit. So geht es mir auch nach dieser schlimmen Zeit.
Jahr von der beruflichen Bildfläche. Erst stürzte sie sich ins Par-
Würde Gott mich fragen, ob ich den Weg noch einmal ge-
tyleben, dann verließ sie wochenlang nicht mehr das Haus.
hen würde, würde ich mit Ja antworten, denn diese Phase hat
"Ich weiß nicht, wie ich die Zeit herumgekriegt habe", erklärt sie
mich sehr viel gelehrt. Auch für meinen Beruf. Ich wäre als Per-
heute, "ich hatte das Gefühl, das Thema Karriere läge hinter
sonalberaterin nicht so, wie ich heute bin. Jeden, den ich ken-
mir."
nenlerne, der sich mir anvertraut, betrachte ich ganzheitlich.
Ohne Job fehlte das Einkommen, das Geld wurde knapp. Zu-
Mir ist bewusst, dass Berufliches, Privates und persönliche Werte
gleich kam die "alte" Iris langsam wieder zum Vorschein. "Erst
zusammen betrachtet werden müssen. Wenn mir jemand
habe ich mich nicht getraut, mit alten Arbeitskollegen Kontakt
sagt, dass ihn seine Arbeit nicht mehr glücklich macht, höre
aufzunehmen, irgendwann habe ich mich dann aber doch
ich ganz anders zu. Und ich glaube und wünsche mir, dass
wieder auf mein Netzwerk besonnen", berichtet sie.
ich deshalb für unsere Kandidaten ein guter Gesprächspartner
Sie stellte ihr Haus bei Immonet im Internet ein, führte Verkaufs-
bin und den Unternehmen Kandidaten vorstelle, die zu ihnen
gespräche und sprach zeitgleich mit Headhuntern. Die ge-
passen. Ich ermutige die Kandidaten, ihre Emotionen zu for-
standene Fachfrau bekam viele Angebote, lehnte jedoch
mulieren."
allesamt ab. Ihr Ziel: eine nachhaltige und eigenverantwortliche Arbeit. Keine Politik, keine langen Entscheidungswege,
Ihre Burnout-Erfahrung hat sie gelehrt, dass jeder selbstbe-
keine Distanz zu den Menschen.
stimmt und bewusst entscheiden sollte, statt sich von Erwar-
"Ich habe mich für Selbstentfaltung entschieden, wollte mich
tungen anderer einschränken zu lassen. "Jeder muss seinen
nie mehr in ein System pressen lassen. Ich wollte einfach etwas
Weg finden, egal welchen, jeder ist individuell und sollte auf
anderes tun, ohne zu wissen, was." Dazu bedarf es Mut. Sie ver-
seine eigenen Bedürfnisse hören!", appelliert die Personalbera-
ließ sicheres Terrain – übrigens auch im übertragenen Sinn: Iris
terin. "Mein Lieblingsbild dazu ist Folgendes: Bin ich Ball oder
Gordelik zog aus dem Rheinland in den Großraum Hamburg.
bin ich Schläger?". Ist sie angesichts ihrer bereits länger zurück-
Ihr war klar, dass sie künftig nur noch ihr eigener Maßstab sein
liegenden Krise demütiger geworden? Iris Gordelik antwortet:
wollte. Ob das zum Geldverdienen reichen würde, wusste sie
"Wer mich gut kennt, weiß, dass ich Erfolge zu feiern weiß. Ein
allerdings nicht.
Kompliment von einem Kandidaten oder Unternehmen macht
mich glücklich. Diese Fähigkeit, mich zu freuen, impliziert so-
Den Mutigen gehört die Welt, sagt ein Sprichwort. Und tatsäch-
wohl Bescheidenheit als auch Demut. Wenn mich das nicht
lich: Zu ihrem Mut gesellte sich Glück. Sie hatte begonnen, das
immer wieder so glücklich machen würde, wäre es ja nichts
eine oder andere Beratungsmandat anzunehmen. Einer ihrer
Besonderes mehr für mich. Ich bin dankbar, dass ich die Fähig-
Auftraggeber war AOL. Und dort fragte man sie nach kurzer
keiten habe, etwas aufzubauen und damit Erfolge zu feiern."
Zeit, ob sie nicht jemanden für eine Spezialistenposition im Un-
Natürlich gibt es auch im Leben von Iris Gordelik mitunter Rück-
ternehmen kenne, sie sei doch so gut in der Customer-Care-
schläge oder Enttäuschungen. Aber sie steht jeden Morgen
Branche vernetzt. Das war die Initialzündung. "Ich wusste intui-
sehr gern auf.
tiv, wen ich fragen musste. Drei Wochen später waren gleich
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
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VERNETZERIN
Vernetzerin
VERNETZERIN
Wie sind Sie vernetzt?
Andrea Fuhrken
Persönlich, über die neuen Medien, auch über alte Medien:
ist Head of Customer Support bei mobile.international
die gute E-Mail!, gerne auch mal über das Smartphone. ;-)
in Kleinmachnow-Dreilinden bei Berlin. mobile.de ist mit
mehr als 66 Millionen Besuchen pro Monat der meistfre-
Wo knüpfen Sie neue Kontakte?
quentierte Fahrzeugmarkt für den An- und Verkauf von
Ich nutze natürlich die gängigen Netzwerkprodukte wie Face-
Fahrzeugen in Deutschland (IVW 10/2011).
book oder XING. Aber auch Messen und Veranstaltungen bie-
mobile.international betreibt neben mobile.de in
ten reichlich Möglichkeiten, mein Netzwerk zu erweitern oder
Deutschland auch Marktplätze in Italien, Frankreich,
zu pflegen. Wenn man lange in einer Branche arbeitet, dann
Polen und Rumänien.
haben solche Veranstaltungen leicht etwas von einem Klassentreffen, und man begegnet immer wieder Menschen, die
man lange nicht gesehen hat und die viel zu erzählen haben.
Grundsätzlich bevorzuge ich den persönlichen Kontakt, da
Gelingt es Ihnen, Privat- und Berufsleben zu vernetzen?
Da ich grundsätzlich ein offener Mensch bin und mich gerne
geht das Gespräch oft über fachliche Themen hinaus.
mit anderen Menschen umgebe, von ihnen lerne und Wissen
Wer ist für Sie ein vorbildlicher Vernetzer?
Berufs- und Privatleben. Ich bin so, wie ich bin!
Das "Vernetzen" darf nicht nur für eigene Zwecke genutzt
werden. Es ist ein Geben und Nehmen und sollte immer einen
ehrlichen Hintergrund haben. Ist die Freundlichkeit gespielt,
wird das in der Regel erkannt und kann sogar mehr schaden
als nützen.
20
-
an sie weitergebe, mache ich keine Unterschiede zwischen
Und wer oder was ist Ihr ganz persönliches Auffangnetz?
Ich gönne mir Ruhe, wenn es zu viel wird. Ich kann sehr gut für
mich alleine sein und ziehe daraus genauso Kraft und Energie
wie aus dem Gegenteil!
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
Hafners
Kolumne
Spurwechsel – bitte anzeigen!
VON PROF. DR. NILS HAFNER*
durch einen plötzlichen Spurwechsel überrascht zu werden.
Dennoch bleibt das Management von Kundenbeziehungen
spannend, da wir ja nie alle Informationen über den Kunden
und sein Leben haben. Das heißt, der Kunde überrascht uns
immer wieder – positiv wie negativ. Und eine Kernfähigkeit für
das Marketing der Zukunft ist, sich darauf einzustellen. Nur so
bleiben wir wettbewerbsfähig.
Im Grunde genommen hat man zwei Möglichkeiten, bei
einem Spurwechsel zu reagieren: abbremsen und dem anderen den Vortritt lassen oder Gas geben und vor dem spurwechselnden Fahrzeug davonziehen. Genau das gilt auch im
Umgang mit spurwechselnden Kunden. Entweder bin ich mir
meines Wettbewerbsvorteils sicher und gebe Gas, dann wird
der spurwechselnde Kunde mir schon folgen. Oder mein Unternehmen hat unter Umständen Fehler gemacht, dann lohnt
es sich, zu bremsen und dem Kunden den Vortritt zu lassen, ihn
zu fragen, was man tun kann, um wieder gemeinsam Gas zu
geben.
Die Faulheit, den Blinker zu setzen, ist eines der unangenehmsten Dinge beim Spurwechsel. Da fährt man in aller Seelenruhe
über die Autobahn und ZACK! zieht einer auf die linke Spur und
beschleunigt. So geht das ja nun nicht, hat man sich im Marketing gedacht und das CRM erfunden.
CRM versucht, das Kundenverhalten zu prognostizieren. Welches Produkt ist als Nächstes für den Kunden attraktiv, auf welche
Kampagne wird er reagieren, kann es unter Umständen sein,
dass er unser Unternehmen verlässt? Und so haben wir gelernt,
selbst die kleinste Reaktion des Kunden zu notieren, um nicht
Wenn man das verstanden hat, dann ist die "Blink-Faulheit" des
Kunden auch nicht mehr so schlimm.
*Prof. Dr. Nils Hafner ist internationaler Experte für den Aufbau
profitabler Kundenbeziehungen. Er ist Professor an der Hochschule Luzern in der Schweiz und Alumnus der Studenteninitiative MTP. In seinem Blog "Hafner on CRM" versucht er dem
Thema seine interessanten, spannenden, skurrilen und lustigen
Seiten abzugewinnen.
VERNETZER
B E R L I N + HAMBURG + MÜNCHEN + NÜRNBERG
Kanzlei Heyers
SABIO GmbH
Cornelia Gumm
Simone Heyers
Ruhrstraße 11, 22761 Hamburg
Tel: +49 (0) 40 / 85 19 27-0
Fax: +49 (0) 40 / 85 19 27-10
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Maistrasse 51, 80337 München
Tel: +49 89 54328993
Fax: +49 9129 9069958
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Rechtsanwältin
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Fon: 04122 / 979 16 46
Fax: 04122 / 979 16 48
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SABIO ist die unkomplizierte und schnelle
Wissensmanagement-Lösung. Unsere
Funktionen sind perfekt auf die Kundenberatung abgestimmt, damit Ihre Kunden immer
richtig beraten werden.
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Persönlichkeiten zu visualisieren. Deutschlandweit biete ich professionelle Image-, Stil- und
Typberatung, Farbberatung, Haarstyling- und
Make-up-Beratung sowie Personal Shopping und Kleiderschrankanalyse an. Denn
ein typgerechtes Styling kann Ihnen helfen,
Ihre beruflichen wie privaten Ziele leichter zu
erreichen.
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Printbereich. artprolog steht für exzellentes,
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definiert Maßstäbe immer wieder neu.
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defacto.x bündelt analytisches, kreatives
und operatives Know-how in CRM und
Dialog, ist weltweit in mehr als 65 Märkten für
unterschiedlichste Branchen tätig – und ist
Netzwerkpartner der Gordelik AG.
Als Rechtsberater für Arbeitnehmer sind
wir spezialisiert auf individuelle Lösungen
innerhalb und außerhalb arbeitsrechtlicher
Standards. Im Unternehmensbereich bieten
wir umfangreiches Know-how in der gesellschaftsrechtlichen Beratung.
Ad Scopum GmbH
Technologiepark 9, 33100 Paderborn
Tel.: 05251 / 1847 000
Fax: 05251 / 1847 029
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Seit dem Jahr 2004 beraten wir erfolgreich
marktführende Unternehmen in Sachen
Customer Experience Management.
Gemeinsam mit unseren internationalen
Partnern der LimeBridge Global Alliance
unterstützen wir Unternehmen dabei, KundenFeedback in konkrete Verbesserungen zu
verwandeln.
Hier finden Sie ausgewählte Netzwerkpartner, denen wir vertrauen. Auch Sie können vernetzt! als Bühne für Ihren eigenen oder
den Auftritt Ihres Unternehmens nutzen. Der gedruckten Ausgabe des Magazins liegen dazu die aktuellen Mediadaten bei.
Die Mediadaten stehen online auf der Webseite www.gordelik.ag zum Download bereit. Für Fragen, Wünsche und Anregungen
stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Vielen Dank für Ihr Interesse und viel Erfolg!
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Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
VERNETZT?
vernetzt! verpasst?
Ethik
vernetzt!
Freuen Sie sich auf spannend-
Die besten Seiten für Customer Management Entscheider
Ausgabe 3 Halbjahr 1/2011
Ausgabe 3 Halbjahr 1/2011
Das Magazin der GORDELIK AG
Ausgabe 1 Halbjahr 1/2010
Das Magazin der GORDELIK AG
Ausgabe 1 Halbjahr 1/2010
Kunding
vernetzt!
informative Artikel wie "Zum
Anstand verurteilt", "Die andere
Die besten Seiten für Customer Management Entscheider
ETHIK
no one is closer
vernetzt! verpasst?
ein anständiges Miteinander"
"Agents
Natürlich
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dürfen
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Die
besten
Customer
Seiten
Management
Februar 2011 unter dem Mono-
KUNDING
Change".
auch
vernetzt!
Entscheider erschien Anfang
Seite des Lebens", "Es geht um
und
Diese Ausgabe des Magazins
un-
thema "Kunding". Interviews mit
Meinungsbildnern
sere Vernetzer und das Thema
sowie
Au-
torenbeiträge aus der Wirtschaft
Vernetzen nicht fehlen! Dazu
heben das Thema auf die
sprachen wir mit Sylke Schröder, Manfred Maus, Wolfgang
Meta-Ebene und bieten unseren Lesern so neue Perspektiven
Fauter, Prof. Dr. Heike Simmet und anderen.
in der Auseinandersetzung mit den aktuellen Herausforderungen, denen sich Unternehmen auf ihrem Weg zur "Customer
Die besten Seiten für Customer Management Entscheider
Ausgabe 2 Halbjahr 2/2010
Ausgabe Nr. 4, Halbjahr 2/2011
Das Magazin der GORDELIK AG
vernetzt!
no one is closer
Ausgabe 2 Halbjahr 2/2010
Das Magazin der GORDELIK AG
Centricity" zu stellen haben.
Self Branding
vernetzt!
Ausgabe 4 Halbjahr 2/2011
Führen
Die besten Seiten für Customer Management Entscheider
Die Marke ICH
In dieser Ausgabe geht es um
Der Arbeitsmarkt ist hart um-
"Führung", und wir stellen die
kämpft. Gute Posten sind be-
These
gehrt. Qualifizierte Mitbewerber
Selbst-Führung
gibt's in Hülle und Fülle. Wie
Voraussetzung für das Führen
können sich Führungskräfte als
anderer ist. Außerdem ist uns
dass
achtsame
eine
gute
durch Diskussionen und Überle-
Persönlichkeit profilieren? Wie
werden Menschen zu Marken?
auf,
Führen
gungen klar geworden: Es gibt
Wie schmal ist der Grat zu Pro-
sie nicht, DIE gute Führung. Für
filneurose und Selbstüberschätzung? Und welche Rolle spielt
gute Führung hat jeder von uns andere Vorbilder. Jeder von
dabei das Internet?
uns setzt andere Schwerpunkte, worauf es bei guter Führung
vernetzt! schaut den Profis über die Schulter. Mit dabei:
ankommt. Und jeder stellt andere Erwartungen an sie. Führung
die führende Expertin für Self Branding Dr. Petra Wüst aus der
– gute wie schlechte – bietet demnach reichlich Stoff für diese
Schweiz, die Körpersprache-Legende Professor Samy Molcho
Ausgabe. Als Gesprächspartner konnten wir wieder spannende
aus Wien, die Münchner Stilberaterin Cornelia Gumm, der
Persönlichkeiten wie die Topposten-Besetzerin der REWE Group
Social-Media-Experte Klaus Eck und viele mehr. Ein Heft über
Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp, den Fußballtrainer-Berater Pro-
die Branding-Strategie fürs Ich.
fessor Wolfgang Jenewein, die beiden Beratungsprofis Anja
Förster und Dr. Peter Kreuz sowie Prof. Dr. Hermann Simon
gewinnen.
Vermissen Sie eine unserer bisherigen vernetzt!-Ausgaben? Kein Problem! Auf unserer Webseite www.gordelik.ag können Sie alle
bisherigen Ausgaben als PDF downloaden oder über das Bestellformular als Printversion anfordern.
Ausgabe Nr. 5, Halbjahr 1/2012 - Das Magazin der GORDELIK AG
-
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Redaktion und V.i.S.d.P.: GORDELIK AG, Grüner Wald 5, D-21614 Buxtehude,
Telefon +49 4161 72217-0, Fax +49 4161 72217-20,
[email protected], www.gordelik.ag
Design: www.artprolog.de
Titel-Illustrationen: www.dennis-lohausen.de
Druck: www.druckereibee.de
Koordination:
www.ann-christin-zilling.com
Erscheinungsweise: halbjährlich
Grafik Titel:
© Oleksandr - Fotolia.com
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