Deliktpräventive Therapie in der Maßregel nach § 64 StGB

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Kliniken und Heime des
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Deliktpräventive Therapie in der
Maßregel nach § 64 StGB –
Herausforderungen des Klientels und ihre
Implikationen auf Behandlungskonzepte
Monika Winter, Dipl. Psych., Leitung Abteilung II, Suchtforensik und Soziotherapie,
Klinik für Forensische Psychiatrie, Bayreuth
Auftrag des Maßregelvollzugs
Schutz der Öffentlichkeit durch
Behandlung und Betreuung
Kontinuierliche Risikobewertung
(Wieder - ) Eingliederung
Nachsorge nach der Bewährungsentlassung
Methode
Deliktpräventive Therapie
Behandlung von Risiken mit dem Ziel der Etablierung langfristiger
Risikomanagementprozesse
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Wiedereingliederungsgebot
Ausrichtung des Maßregelvollzugs ist die Rehabilitation
und Resozialisierung des untergebrachten Patienten,
unter der Voraussetzung, dass die Gewährleistung
angemessener Sicherheit nicht gefährdet wird
Ziel = umfassende psychosoziale Stabilisierung
nicht nur medizinisch – psychiatrische und psychotherapeutische
Behandlung, sondern auch schulische, berufliche und soziale
Förderung
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Entwicklung des Klientels
Im Längsschnitt Verschiebung in Richtung der Unterbringung von
Drogenabhängigen, mittlerweile bei anhaltendem Trend 2/3 der Patienten
Die Probanden erkranken im Mittel mit 19
Jahren, Drogenabhängige deutlich früher
sie sind häufiger erfolglos vorbehandelt
§ 64 StGB Irsee März 2014
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Behandlungsherausforderungen
Häufiger broken – home Situation, Heimunterbringungen
beginnen früher mit dem Substanzkonsum, häufig auf dem
Hintergrund von Aufmerksamkeits- und Verhaltensstörungen mit
Beginn in der Kindheit und Jugend
Früher Delinquenzbeginn, oft schon vor der Strafmündigkeit
Desolate Schul – und Arbeitsbiographien, nur 22% gingen vor der
Inhaftierung einer Beschäftigung nach
Mehr abgebrochene Therapien, wenn abgeschlossen dann
weniger erfolgreich als Alkoholpatienten im Sinne kürzerer
Abstinenz nach Behandlung Stimulanzienabhängigkeit 4 Monate, mit Opiat- oder
Cannabispräferenz 8 Monate, alkoholabhängige Patienten bleiben im Schnitt 18 Monate „trocken"
Hepatitis C Behandlungen komplizieren Rehabilitationsbehandlung
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Multiproblemlagen
Chronifizierte Suchterkrankungen
Persönlichkeitsstörungen und andere Komorbiditäten
Körperliche Begleiterkrankungen
Psychosoziale Funktionseinschränkungen in den
Bereichen Selbstfürsorge und Alltagsbewältigung,
berufliche und familiäre Funktionsfähigkeit und anderen
sozialen Rollen und Aktivitäten; Erheblichste Probleme in
den Bereichen Wohnen, Freizeit und Beziehungen
Faktoren der sozialen Umgebung und der individuellen
Lebensbewältigung:
Negative Kindheitserlebnisse und Probleme mit der Erziehung
Probleme in Verbindung mit Ausbildung und Bildung
Probleme bei der Lebensbewältigung und mit der Justiz
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Delinquenz
Patienten haben im Mittel 8
Vorstrafen und sehr häufig
Bewährungsversagen
Anlassdelinquenz
23%
36%
Multiple Delinquenz bei mehr
als 60 % der Probanden
(die Delinquenz erstreckt sich
über verschiedene Bereiche)
Hohe Bereitschaft zur
Aufdeckung der Dunkelziffer,
sehr oft weit mehr Gewalt als
sanktioniert und Delinquenz
15% häufig vor Sucht
62 % Gewalt im
Anlassdelikt!
nur Gewaltdelikte
26%
nur Eigentumsdelikte
nur BTMG - Verstöße
Gewalt in Kombination
56% der Patienten haben in ihrem Leben wenigstens ein schweres Gewaltdelikt begangen
15 % Patienten mit dem Status besonders zu sichernder Personenkreis
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Sozialisationsstörungen
70 % haben familiäre Belastungen wie Gewalt, Sucht, Kriminalität erlebt,
71 % berichten von eigenen Auffälligkeiten bis zum 16. Lbj., also
viele Patienten mit Bindungsstörungen und Reifungsverzögerungen
Etwa 1/3 bringt einen Migrationshintergrund mit
Hohe Erwerbslosenquote
Geringe schulische und berufliche Qualifikation
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Traumapathologie
Diese Erhebung erfolgte zu Beginn
der Behandlung, in der Sucht- und
deliktpräventiven Behandlungsphase tauchen noch weit mehr
Traumatisierungen auf.
Bindungstrauma
sex. Trauma
Gewalttrauma
keine Anzeichen für Trauma
Massive Stressverarbeitungsstörungen
30%
38%
24%
Eine Traumapathologie muss
unbedingt
mitbedacht werden!
8%
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Höherer Anteil an Komorbidität
71% Doppeldiagnosen
aber kaum ambulante oder stationäre Vorbehandlungen,
wobei aktuell fast 40% eine Behandlung wenigstens als erheblich wichtig
einschätzten
9%
4%
29%
keine
hirnorganische Störung
19%
Persönlichkeitsstörung
F8/F9 Diagnose
affektive Störung
psychotische Störung
21%
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18%
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Patientengruppen in Bayreuth
Klassische Suchtpatienten mit Stimulantienproblematik und
Beschaffungsdelinquenz bei Strafen über 4 Jahren
Junge Intensivtäter mit erheblicher Gewaltproblematik
Depravierte chronisch Suchtkranke mit komplexem
Rehabilitationsaufwand
Psychiatrisch komorbide Patienten mit erheblichen
Emotionsregulationsproblemen
Patienten mit hoher krimineller Energie und lebensstilassoziiertem
Suchtmittelkonsum
Patienten mit kurzen Begleitsstrafen
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Problematische Entwicklungen
Anstieg der Unterbringungen im
Zusammenhang mit
Anstieg der Unterbringungszahlen
Länge der parallel verhängten Freiheitsstrafen
Behandlungsdauer
Therapeutischer Konzepte
Maßstab für erfolgreiche Behandlung
Prognose der Legalbewährung
Einfluss der öffentlichen Meinung
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Resultierende Konsequenzen
Überbelegungen
Veränderungen des Stationsmilieus
Vermehrte Belastung der Mitarbeiter
Veränderung der Klinikstrukturen
Tendenz zu vermehrten Beendigungen
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Prädiktoren für Beendigung
Schalast Projektbericht:
hochsignifikante Unterschiede
Die beiden Gruppen unterscheiden sich deutlich hinsichtlich Hafterfahrung
und Anzahl der Einträge im Bundeszentralregister.
Patienten mit ungünstigerem Verlauf haben häufiger über Symptome von
Hyperaktivität und Impulsivität in der Kindheit berichtet,
und von den Therapeuten werden die Patienten dieser Verlaufsgruppe als
reizbarer und anstrengender beschrieben (Anger Rating Index).
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Prädiktoren für Beendigung
Mittels Clusteranalyse Identifikation eines besonders problematischen Klientels
mit einer Fülle von Risikofaktoren
(< 10% Bewährungsentlassungen)
Besonders selten bei Eltern aufgewachsen (mehr als 50% Heimaufenthalte),
erlebten körperliche Misshandlung, starke Symptomatik kindliches ADHD,
Verdacht auf Störung des Sozialverhaltens vor dem 15. Lebensjahr, früher
Beginn der Straffälligkeit.
Erhöhtes Maß an aktueller Impulsivität und Aggressivität in Selbst- und
Fremdeinschätzung;
Zitat Schalast: Erhöhte Werte auf den beiden Dimensionen
der Psychopathy Checklist (PCL:SV) lassen die negative Gegenübertragung erkennen,
die diese Patienten auf sich ziehen.
Finanzielle Verschuldung, wobei Arbeitsbereich nicht der
Hauptproblembereich ist.
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Prädiktoren für Beendigung
Gruppe haftgeprägter, therapeutisch eher schwer
erreichbarer Süchtiger mit desolater Biographie
Im Mittel etwas älter als die der beiden anderen Cluster,
deutliche kriminologische Auffälligkeiten in der
Vorgeschichte,
dennoch werden sie von ihren Therapeuten hinsichtlich
Aspekten von Dissozialität und Umgänglichkeit im
Klinikalltag eher günstig eingeschätzt. Patienten
erscheinen beinahe „ausgeglichen”.
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Zielgruppe vs. Fehleinweisung
HERAUSFORDERUNG
Patienten mit schweren familiären Belastungsfaktoren und
Entwicklungsproblemen,
einer früh einsetzenden und chronischen Dissozialität sowie
ausgeprägter Aggressivität, Impulsivität und Labilität
Gefahr negativer Auswirkungen eines konflikthaft verlaufenden und
frustrierenden Therapieversuchs
Im Vorfeld hinreichend konkrete Aussichten eines
Behandlungserfolges besonders kritisch zu prüfen, Gutachter müssen
zumindest im Auge behalten, dass den Betroffenen durch erfolglose
und frustrierende Therapie zusätzlich geschadet werden kann
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Zielgruppe vs. Fehleinweisung
Einschränkend muss betont werden, dass die Ergebnisse natürlich auch die aktuelle Praxis
des Maßregelvollzugs widerspiegeln.
Schon die erhebliche Streubreite der Erfolgsquoten verschiedener Einrichtungen weist
darauf hin, dass es Gestaltungs- und Optimierungsspielräume geben
muss
(Pollähne und Kemper 2007)
Gerade bei den Patienten dieser Gruppe muss man befürchten, dass sie
durch negative Erfahrungen in der Unterbringung, das Hin und Her
zwischen Strafvollzug und Therapie und die Etikettierung als
„aussichtslos” zusätzlich entmutigt und in einer antisozialen Haltung
bestätigt werden können.
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Steigende Belegungszahlen und Abbrecher?
Frage, wie von Seiten der Behandlungseinrichtung
das Haltevermögen und der Behandlungserfolg verbessert werden
kann
Ansatzpunkte:
Therapeutische Konzepte
Behandlungsdauer
Maßstab für erfolgreiche Behandlung
Prognose der Legalbewährung
Einfluss der öffentlichen Meinung
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Effektivität von Straftäterbehandlung
Straftäterbehandlung kann erfolgreich sein und
Rückfallkriminalität mindern, wenn sie
Den gesamten Problembereich umfasst (multimodal),
hoch strukturiert und kognitiv-behavioural angelegt ist,
auf die kriminogenen Klientenmerkmale abzielt
(Bedürfnisprinzip)
und Methoden verwendet, welche dem Lernstil der
Klienten entsprechen (Ansprechbarkeitsprinzip).
Zudem erwies es sich als wirksam, wenn Therapeuten
mit Kompetenz und Engagement die Behandlung
durchführten
(Andrews & Bonta, 1995)
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Was nicht wirkt (nach Hofstetter)
Bestrafungsstrategien
Traditionelle psychodynamische Behandlungsverfahren
Angehen nichtkriminogener Merkmale
Behandlungskonzepte, welche die multikausale
Genese von Kriminalität nicht berücksichtigen
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Effekt von Straftäterbehandlung
Rückfallrate wird durch Behandlung um ca. 1/3 gesenkt
(Schmucker, 2007)
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Prädiktoren für Beendigung
Gruppe eher klassischer Suchtpatienten mit geringen
kriminologischen Auffälligkeiten
Weniger Risikofaktoren wie „broken home”, Heimerfahrungen oder deutliche ADHDSymptome
Auch sie waren ziemlich häufig dauerarbeitslos vor der Unterbringung, werden aber
von den Therapeuten hinsichtlich des Arbeitsverhaltens in der Vorgeschichte weniger
negativ bewertet
Hinsichtlich strafbaren Verhaltens sind sie relative Spätstarter (erste Straffälligkeit laut BZR
im Mittel mit 24 Jahren), und ihr BZR weist viel weniger Einträge auf als das der anderen
Gruppen
In der Wahrnehmung der Therapeuten sind diese Patienten vergleichsweise
umgänglich (niedrige Werte im Anger Rating Index) und geben selten Anlass zur
Feststellung einer dissozialen Persönlichkeitsstörung
Doch auch in dieser Gruppe ist das Outcome bei über 40 % der
Patienten eher ungünstig.
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Straftäterbehandlung ist in vielen Fällen wirksam!
Die Effekte liegen in einer ähnlichen Höhe wie die vieler
medizinischer Standardbehandlungen.
Allerdings: Die Wirksamkeit ist deutlich geringer als z.B. bei der
Psychotherapie von Depression (d = . 67 bzw. d = .42; Cujpers et al.,
2010)
Aber: Straftäter sind weniger motiviert, weniger introspektionsfähig,
weniger gebildet; unterschiedliche Outcome- Maße (Rückfall vs.
Subjektives Befinden)
Die entscheidende Frage:
Wovon hängt die Wirksamkeit ab und wie erreichen wir
unser schwieriges Klientel ?
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Das RNR-Modell
Risk principle:
Die Intensität der Behandlung soll an der individuellen Gefährlichkeit ausgerichtet
werden.
Wer ist zu behandeln?
Need principle:
Die Behandlungsziele sollten den dynamischen Risikofaktoren entsprechen.
Was ist zu behandeln?
Responsivity principle:
Die Art der Behandlung sollte an der individuellen Ansprechbarkeit des Klienten
(kognitive Fähigkeiten, Motivation, kultureller Hintergrund) ausgerichtet sein.
Wie ist zu behandeln?
Quelle:
Andrews, D. A. & Bonta, J. (2010).
The psychology of criminal conduct (5th ed).
New Providence, NJ: Anderson.
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Deliktpräventive Effekte
Stärkste Effekte, bei Bedürfnis – und Ansprechbarkeitsprinzip, am geringsten
bei Gefährlichkeitsprinzip
r: risk 0,10 zu need 0,19, zu responsivity 0,23
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Risikoprinzip
Intensität der Behandlung richtet sich nach dem
Risikopotential der Klienten
Umgekehrt u-förmige Beziehung
Verschlechterte Rezidivrate, wenn Probanden mit einer eigentlich niedrigen
Wahrscheinlichkeit wieder straffällig zu werden, mit einer hochintensiven Therapie
behandelt werden (Bonta, Wallace-Capretta & Rooney, 2000)
? Wie hoch ist das individuelle Risiko?
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Hauptrisikobereiche
Schwere des
Anlassdelikts spielt
untergeordnete
Rolle
Ausrichtung des
Verhaltens nach
kurzfristigen, nicht
langfristigen
Konsequenzen
Kriminelles Verhalten
als legitimes Mittel
zum Erreichen
persönlicher Ziele
Wenig Kontakte zu
Menschen mit
prosozialen
Einstellungen und
Verhaltensweisen
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Hauptrisikobereiche
Bindungsverhalten
Protektive Einflüsse durch
Partner oder
Verantwortungsübernahme für Kinder
Bildung, sozialer Einfluss,
der damit verbunden ist;
Anerkennung und
Verstärkungsaspekte, die
Menschen dadurch
erhalten
Zu kriminellem Verhalten
und antisozialen
Einstellungen
inkompatible Tätigkeiten
Suchtschwere zum
Deliktzeitpunkt
Kaum Einfluss auf Rückfallquoten:
Schichtzugehörigkeit, verbale Intelligenz, psychische
Störung!!, Furcht vor Bestrafung
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Prognoseinstrumente
Wer ist wie intensiv zu behandeln?
Zugehörigkeit zu Hochrisikogruppen und Vorliegen von
Risikofaktoren (PCL, HCR, VRAG, LSI…)
Bestimmung der deliktrelevanten Problembereiche
Tatanalysen anhand der Ermittlungsakten (FOTRES)
Beeinflussbarkeit des strukturellen Rückfallrisikos durch Therapie
Ergebnis Delikthypothese und erste
Einschätzbarkeit einer Veränderbarkeit
durch Therapie
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An welchen Stellen setzen wir FOTRES zur
Behandlungsplanung und Evaluation ein?
Motivationsphase: Entwicklung internaler Therapiemotivation
Wem gelingt es in einen deliktpräventiven Behandlungsprozess einzusteigen und kontinuierlich
mitzuarbeiten
hier FOTRES als Instrument zur Gefährlichkeitsdiagnostik = Strukturelles Risiko
und Erfassung der Beeinflussbarkeit der Gefährlichkeit durch therapeutische Massnahmen
Therapiephase: Reduktion der Gefährlichkeit durch deliktpräventive Therapie
inwieweit lässt sich eine Minimierung des Risikos objektivieren; gelingt sie durch unser
Therapieangebot?
FOTRES: Ausmaß der dynamischen Risikominderung und ihre Relation zum Strukturellen Risiko
Rehabilitationsphase: Gestaltung des Umfeldes und Erreichen einer günstigen Sozialund Legalprognose
welche Faktoren der Risikominderung liegen vor?
unterschiedliche soziale Empfangsräume, unterschiedlich hoch strukturierte Entlassräume,
unterschiedlich differenzierte Weisungen
FOTRES: Labile eigenständig risikorelevante Faktoren und dominierender Einzelfaktor
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„Risk-Needs-Assessment“:
Level of Service Inventory-Revised (Andrews & Bonta, 1995)
Kriminelle Vorgeschichte
Freundschaften und
Bekanntschaften
Leistungsbereich
Finanzielle Situation
Familie/Partnerschaft
Alkohol/Drogenprobleme
Emotionale/psychische
Wohnsituation
Freizeitgestaltung
Beeinträchtigungen
Normorientierung
gute Vorhersagegüte (Mr=.35 - .38)
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Bedürfnisprinzip
Ansatzpunkt sind die kriminogenen Faktoren der Klientel
Nicht alle festgestellten Defizite mit einbeziehen, sondern nur diejenigen, die nach einer
spezifisch entwickelten Delikthypothese auch für eine zukünftig zu befürchtende
Straftat relevant sind
? Welches sind die kriminogenen Faktoren?
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„Needs“ (Behandlungsziele)
Need-Prinzip:
Die Behandlung sollte sich auf die kriminogenen Needs
richten!
Kriminogene Needs ( = dynamische Risikofaktoren)
- z.B. kriminalitätsbegünstigende Einstellungen, kognitive Verzerrungen,
Suchtproblematik, kriminelles Umfeld, mangelnde Selbstbeherrschung,
Dissozialität, negative Emotionalität
Nicht-kriminogene Needs:
z.B. Selbstwertproblematik, Angst, Unzufriedenheit, geringe
Leistungsmotivation
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Gefährlichkeit
Gefährlichkeit ist mehrdimensional
(Wahrscheinlichkeit, Schwere, Geschwindigkeit des Rückfalls)
Statische Risikomerkmale: Vorstrafen, frühere Diagnosen, Probleme
in Kindheit, eigene Viktimisierung
Dynamische Risikofaktoren: Kriminogene Defizite und Bedürfnisse
(Fähigkeiten der Konfliktbewältigung, Impulskontrolle, Frustrationstoleranz,
gewaltaffine Einstellungen, kriminogenes Umfeld, antisozialer Lebensstil, usw.)
- stabile : Dispositionen, Einstellungen etc.
- akute: Emotionale Zustände, Drogeneffekte etc.
Protektive Faktoren (Behandlung, Ressourcen…)
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Dynamische Risikominderung
Erhöhung der Steuerungsfähigkeit
Bewusstseinsnähe herstellen
Sensibilisierung
Training
Wissen und Kompetenz
Support (Gruppeneffekte)
Verminderung der Deliktmotivation
emotional korrigierende Erfahrungen
affektive und kognitive Komplettierung
Beseitigung persönlicher Defizite
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Verminderung der Deliktmotivation
Definition von Ressourcen nach Grawe
jeder Aspekt des seelischen Geschehens und darüber hinaus der
gesamten Lebenssituation eines Patienten, also z.B. motivationale
Bereitschaften, Ziele, Wünsche, Interessen, Werthaltungen, Wissen,
Bildung, Fähigkeiten, physische Merkmale wie Aussehen, Kraft,
Ausdauer, finanzielle Möglichkeiten, sowie seine
zwischenmenschlichen Beziehungen
Die Gesamtheit all dessen stellt, aus der Ressourcenperspektive
betrachtet, den Möglichkeitsraum eines Patienten dar, in dem
er sich gegenwärtig bewegen kann oder, anders
ausgedrückt, sein positives Potenzial, das ihm zur Befriedigung
seiner Grundbedürfnisse zur Verfügung steht.
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Verminderung der Deliktmotivation
Die vier Grundbedürfnisse des Menschen nach Grawe 1998
I.
II.
III.
IV.
Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle
Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung
Bindungsbedürfnis
Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstschutz
Therapieziele sind unter der Problemperspektive zu bestimmen,
für die Therapie ist jedoch der Ressourcenaspekt wichtiger und das
eigentliche Wirkprinzip der Psychotherapie
forensische Therapie muss also auf Ressourcenaktivierung abzielen,
ihre Basis ist die stabile therapeutische Beziehung
und zu erreichen ist eine ausreichende Aufnahmebereitschaft des
Patienten
bewältigungsorientierte und bewusstseinsschaffende Interventionen
können neue Impulse für Bearbeitung und Lösung von Problemen setzen
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Dynamische Risikominderung
Die prognostisch entscheidende Frage ist
dabei
nicht wie, sondern ob
es geschieht, also ob der Patient
mehr Deliktbewusstsein
entwickelt und/oder
mehr Risikomanagementkompetenzen
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„Needs“ (Behandlungsziele)
Ansatzpunkte deliktpräventiver Therapie:
a) Kompensationsfähigkeiten
(Etablierung kompensatorischer Fähigkeiten ohne Veränderung der
Grundproblematik)
b) Persönlichkeitsveränderung
(risikorelevante Persönlichkeitsmerkmale werden in ihrer Ausprägung vermindert)
c) labile eigenständig risikorelevante Faktoren
(Betreuungssituation, Arbeit, Partnerschaft, Wohnsituation, Abstinenz, …)
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Ansprechbarkeitsprinzip
Abstimmung auf spezifische Lernweisen und
Fähigkeiten der Klientel
Verschiedene Probanden sprechen auf verschiedene Maßnahmen gut an,
Heterogenität der angebotenen Therapiemethoden
? Welches sind die individuellen Lernweisen und
Fähigkeiten?
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Responsivity (Ansprechbarkeit)
General responsivity:
Behandlung sollte kognitiv-behavioral sein!
Specific responsivity:
Behandlung sollte die individuellen
Lernvoraussetzungen berücksichtigen und
Behandlungshindernisse überwinden!
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Ansprechbarkeit
Hilfreich bei beschriebenem problematischen
Klientel mit Bindungsproblematiken:
Verständnis von Sucht als
Stressregulationsproblematik auf
dem Hintergrund von
Vernachlässigungstraumata
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Thesen schonende Traumatherapie
Suchterkrankungen lassen sich als
„traumakompensatorische“Symptomatik bzw. als
Stressbewältigungsversuche verstehen
Eine an Behandlung der Ursachen ausgerichtete
Psychotherapie kann an der Stress bzw.
Traumaproblematik ansetzen
Ressourcenorientiert eingesetzte konfrontative
Behandlung bietet die Chance einer nachhaltigen
Stabilisierung
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Vernachlässigungstraumata (Prof. Sack)
Warum ist Vernachlässigung potentiell so schädlich?
Suchtkranke leiden häufig an den Folgen
mangelnder Erfahrungen von sicherer Bindung
Fehlende Beruhigung und Regulation
Fehlendes Gegenüber, auf sich selbst geworfen sein
Die eigenen emotionalen Reaktionen werden aversiv erlebt
Dissoziation im Sinne verhaltensbezogener und mentaler
Vermeidung (van der Hart et al., 2006)
Vermeidung der Wahrnehmung eigener Gefühle
Störung der Beziehung zu sich selbst
Störung der Beziehung zur Umwelt
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Einbeziehung der Traumatherapie
Stressreduktion und Ressourcenaktivierung
Therapeutische Beziehung
(Aktivierung des Bindungssystems)
Therapeutisches Setting
(Aktivierung eines Sicherheitsgefühls)
Dosieren der Belastung während der Bearbeitung der
Traumafolgesymptomatik
(Distanzierungstechniken, Ressourcenaktivierung)
Schutz und Nachversorgung für traumatisierte Ich –
Anteile
(sog. Innere Kind - Arbeit)
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Einbeziehung der Traumatherapie
Modifizieren der traumatischen Erinnerung
Zuwendung zur inneren Not
(Wahrnehmen und Anerkennen von Schmerz, Trauer, Wut, etc.)
Exploration des Traumagedächtnisses
(fragmentierte Erinnerungsanteile ergänzen)
Assoziieren positiver Informationen
(Perspektive von heute: ich habe überlebt)
Dysfunktionale Kognitionen modifizieren
(Arbeit an Scham, Schuldgefühlen, etc.)
Verändern des Narrativs
(Imaginatives Umschreiben in eine Geschichte mit positivem
Ausgang)
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Ansprechbarkeit
Hilfreich bei beschriebenem problematischen
Klientel haftgeprägter, therapeutisch eher
schwer erreichbarer Süchtiger mit desolater
Biographie :
Ansatz achtsamkeitsbasierte
Rückfallprävention
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Wirkmechanismen von Achtsamkeit
Klinisch möglicherweise besonders relevant"
— Unterbrechung, Deautomatisierung von
dysfunktionalen Mustern des Erlebens und
Verhaltens"
— Bereitschaft zur Exposition bei aversiv erlebten
Gefühlen, Gedanken, Körperempfindungen"
— Dezentrierung, meta-kognitiver Aspekt,
Einsicht"
— Reduktion negativer Bewertungen des Erlebens
und des Selbst, Zunahme von „Selbstmitgefühl„
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Erhöhte Emotionstoleranz
Potential von Achtsamkeit
Fähigkeit entwickeln, starke Gefühle vollständig zu
erleben, ohne diese unmittelbar verändern zu müssen,
aber auch ohne sie auszuagieren
– Sensibilisierung i. S. einer bewussten
Wahrnehmung der aktuellen Situation
– Desensibilisierung gegenüber (negativen)
emotionalen Zuständen
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„Urge Surfing“
– innere Abläufe (z.B. Craving) nicht bezwingen, sondern
erleben (auch ihre spontane Veränderlichkeit)
– dem Drang nicht nachgeben führt zu
Schwächung der Suchtkonditionierung
• Stärkung von Akzeptanz und Selbstwirksamkeitserwartung
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Zusammenfassung:
• Achtsamkeitsbasierte Therapie zielt nicht ab auf
Symptomreduktion (Verhaltenstherapie), sondern auf
die Veränderung des Verhältnisses des Patienten zu
seinen Symptomen
• Das Leben läuft nicht einfach ab
– ich kann innehalten und habe eine Wahl.
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MBRP – weitere empirische Ergebnisse
Bowen et al. (voraussichtl. 2013)
MBRP vs CBT (Rückfallprävention) vs 12-StepProgramm, randomized-controll-trial
geringere Rückfallraten bei MBRP
selbst bei Rückfall geringere negative Konsequenzen
des Substanzkonsums bei MBRP
Alter < 30 CBT überlegen gegenüber MBRP
Alter 30 – 40 MBRP überlegen CBT
längere Dauer der Abhängigkeit: MBRP überlegen
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Ansatzpunkte Straftäterbehandlung
Das Hauptaugenmerk in Forschung und Praxis war
längere Zeit eher auf kriminogene Defizite und
Risikomanagement gerichtet.
Seit einiger Zeit wird ergänzend die Good-livesPerspektive (Ward et al.) beachtet, die stärker auf
Ressourcen und positive Lebensziele fokussiert und in
Behandlungsmodellen von Marshall, Fiedler oder
Feelgood/Helmes (Zukunfts-Ich) etabliert ist.
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Good lives Perpektive
Man versucht, mit den Patienten Lebensziele zu entwickeln bzw. einen
Lebensstil herauszuarbeiten, der ihnen entspricht, aber Delinquenz
ausschließt.
Damit wird primär an der Ebene der Motivation angesetzt.
Der Versuch, vorrangig über eine forcierte Entwicklung von
Opferempathie den Willen zur Rückfallvermeidung (avoidant active) zu
fördern, wird durch die jüngere Forschung zunehmend in Zweifel gezogen.
Mit der Entwicklung eigener positiver Lebensziele könnte sich
diesbezüglich ein sinnvoller Ersatz, zumindest eine wesentliche Ergänzung
abzeichnen.
• good-lives Perspektive
• ressourcenorientiert
• lösungsorientiert
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Good lives Modell
Zentrale Idee
Erneute Straftaten bei bereits straffällig gewordenen Menschen
lassen sich vor allem durch eine postdeliktisch zufriedenstellende
Lebensführung verhindern
Eine wichtige Wiedereingliederungsmaßnahme besteht darin,
Klienten in einer solchen Lebensführung zu unterstützen
Ward, T. & Maruna, S. (2007) nach Franqué von, F. & Briken, P. (2013). Das „Good Lives
Model“ (GLM) – Ein kurzer Überblick. Forensische Psychiatrie, Psychologie und
Kriminologie, 7, 22-27.
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Humanistische Psychologie
Straftäter teilen Neigungen und Grundbedürfnisse mit
anderen Menschen und sind von Natur aus
prädisponiert, bestimmte Primärziele anzustreben
„Risikofaktoren sind interne und externe
Hindernisse, welche es für einen Menschen
schwer machen, den Plan für ein gutes Leben in
sozial akzeptabler und persönlich erfüllender
Weise umzusetzen“
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Primäre Güter
Gesundheit: auf Faktoren achten, die die körperliche
Funktionsfähigkeit erhalten
Wissen: bestimmte Dinge über sich selbst, andere Personen oder
die Welt zu verstehen
Hervorragend sein in Hobby oder Arbeit: sich in bestimmten
Aktivitäten fortlaufend zu verbessern
Autonomie: eigene Entscheidungen treffen, sich nicht durch
andere beeinträchtigen zu lassen, selbstbestimmt eigene Ziele
Verfolgen
Innerer Frieden: emotional ausgeglichen sein, mit Gefühlen
umgehen können
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Primäre Güter
Verbundenheit: warme und liebevolle Beziehungen zu anderen
Menschen haben
Gemeinschaft: zu einer Gruppe von Menschen gehören, die die
eigenen Werte, Interessen oder Sorgen teilen
Spiritualität: im eigenen Leben einen Sinn oder eine Bedeutung
Finden
Glück: Spaß und Freude haben, sexuell zufrieden sein, mit dem
eigenen Leben einverstanden sein
Kreativität: etwas Neues oder neue Wege entdecken, künstlerisch
tätig sein
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Prinzip
Kritik am RNR
der individualisierte Risikobegriff
die unzureichende Berücksichtigung des Kontexts, in den Straftäter
entlassen werden
die Vernachlässigung der Frage, was Straftäter als menschliche Wesen
motiviert
und das Abstellen auf kriminogene Bedürfnisse, wodurch nicht –
kriminogene Bedürfnisse unterschätzt würden
Nicht Frage: „was für Programme funktionieren?
Sondern: „was hilft Menschen, sich zu verändern?
Fragen Menschen, die es geschafft haben, nicht mehr
straffällig zu werden, was ihnen geholfen hat
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Bedeutung für uns?
Anhand von Biografie und Deliktverhalten Hypothese zu den
primären Gütern bilden
Gemeinsam alternative Lebensplanung entwickeln:
- Welche primären Güter als Ziel?
- Plan, wie diese in die Lebensgestaltung integriert werden können
- Welche Hindernisse können wie überwunden werden?
- Welche Ressourcen stehen zur Verfügung?
Verknüpfung der Arbeit an Deliktfaktoren mit Annäherungszielen
(„Ich will ein zufriedenstellendes Leben führen.“) statt
Vermeidungszielen („Ich will einen Rückfall verhindern.“)
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Good lives Perpektive
Versuch nötige Kompetenzen zu vermitteln
Verhaltenssteuerung und Affektregulation
interpersonelle Kompetenzen
Selbstwertregulation
Problemlösekompetenz
moralische Kompetenz
alltagspraktische Fertigkeiten
ggf. schulische oder berufliche Qualifikation
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Moderatoren des Behandlungseffekts
(Quelle: Lösel, 2012)
Ambulante Behandlung ist wirksamer als stationäre Behandlung
Positives Behandlungsklima wirkt förderlich
(Teilweise) individualisierte Behandlung ist wirksamer als voll
standardisiertes Behandlungsprogramm
Ansprechbarkeit ist wichtiger Faktor für die Wirksamkeit von
Therapie
Beziehungsqualität ist wesentlicher therapeutischer Faktor
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Wie versuchen wir das umzusetzen
Versuch der schnellen Umsetzung von Vollzugslockerungen mit
Erleben von Unterstützungsbedarf
Rückkehr zur Aufnahme auf Behandlungsstationen mit
bestehender therapeutischer Gemeinschaft, stabile
Bezugspersonen, unterschiedliche Übertragungsfiguren mit
übergreifenden Gruppentherapeuten
Vorhalten eines struktuierten Behandlungsangebotes mit
Basisprogramm Motivations-, Soziale Kompetenz-, Sucht- und
Deliktbearbeitungsgruppe, zu denen versucht wird alle Patienten
zu gewinnen; Psychoedukation und Bewerbungssystem sollen
eigene Entscheidung betonen, Symbolarbeit und hohes Maß an
aktiver Mitgestaltung
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Wie versuchen wir das umzusetzen
Differenziertes Behandlungsangebot mit Achtsamkeits-,
Körpertherapie, Musiktherapie, Kunsttherapiegruppen; Angebot
von Entspannungsverfahren, Meditationstechniken,
Imaginationsübungen, Akkupunktur etc.
ergänzt wird der Behandlungsplan durch erlebnispädagogische
Angebote wie Klettergarten, Kanutouren, Höhlenwanderungen,
Besuch von Konzerten, Theater, Sportveranstaltungen um
abstinente Lebenslust und Genussfähigkeiten zu aktivieren
Die Mitwirkung an Projekten wie Bandprojekt, Treppenhaus- und
Stationsgestaltung, Schattentheater und einem Fotoprojekt führen
zu einer Identifikation mit der Behandlung und hinterlassen Stolz auf
Geleistetes; außerdem dienen sie der Öffentlichkeitsarbeit
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Wie versuchen wir das umzusetzen
Im Bereich der Entlassphase haben wir suchtforensische
Wohngemeinschaften in Zusammenarbeit mit einem
Betreuungsverein gründen können und können somit den
zunehmenden Sozialisationsdefiziten und psychosozialen
Funktionseinschränkungen gerecht werden
Patienten werden in Therapieangebote einbezogen, so
entwickelte sich z.B ein Boxtraining, aber auch Nachhilfe, Fit in den
Tag, Sprachkurse und Instrumentenunterricht
Ansprechbarkeit bedeutet auch Drogenpatienten, wenn möglich
die Verantwortung für den Alkoholkonsum selbst zu übertragen;
Bedingung tragfähiges eigenes Regelsystem, keine
Impulskontrollstörung und keine Straftaten unter Alkohol
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Vorteile Behandlung § 64 StGB
Profitiert von langfristiger Milieutherapie
Entwicklungen haben Zeit
Kann individualisiert und schulenübergreifend stattfinden
Finden im Multiprofessionellen Team statt
Behandlungsabbrüche nach kurzfristiger Stabilisierung und in Krisen
können vermieden werden
Auch in weniger kooperativen Phasen kann auf den Patienten
eingewirkt und so die Behandlungsmotivation aufrecht erhalten
werden
Lockerungen schaffen früh ein quasi ambulantes Setting mit
ausreichenden Erprobungs- und Erfahrungsmöglichekeiten
Einflussnahme auf die sozialen Bedingungen kann ausgeübt, ein
passendes Entlassumfeld kann aufgebaut werden
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Ziel der Behandlung § 64 StGB
Behandlung muss auf den Hang abzielen, auch um der gesetzlich
vorgegebenen zeitlichen Beschränkung gerecht zu werden;
ambulante Weiterbehandlung und Kriseninterventionsszenarien
bei schwierigen Verläufen?, bedingte Entlassung bei fehlender
Motivation zu deliktpräventiver Behandlung bei moderatem
Risiko (keine schweren Gewalt/Sexualdelikte)?
vollständige Abstinenz zu hohes Ziel für Abhängige?
Rückfallkompetenz? kontrollierter Konsum?, Auswirkungen des
schädlichen Konsums begrenzen?, Substitution?, keine
Alkoholweisung für Drogenabhängige?
Vermeidung von Beendigungen um „Hoffnungslosigkeit“ bei
endlicher Freiheitsstrafe zu verhindern und Erreichbarkeit für das
Hilfesystem zu erhalten
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Vielen Dank für
Ihre
Aufmerksamkeit!
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