Brüssel, 25 November 2009 Die Erwärmung der Erde könnte Europa bis zu 65 Milliarden EUR jährlich kosten Würden die Klimaveränderungen, die für die 80er Jahre des 21. Jahrhunderts erwartet werden, bereits heute eintreten, müsste die EU mit einem Rückgang des BIP in Höhe von 20 bis 65 Milliarden EUR jährlich rechnen, je nachdem, wie hoch der Temperaturanstieg in Europa ausfällt (2,5 °C bis 5,4 °C). Dieses Ergebnis berücksichtigt vier Aspekte, die überaus sensibel auf Klimaveränderungen reagieren: Landwirtschaft, Überschwemmungen entlang der Flüsse, Küstensysteme und Fremdenverkehr. Diese Schätzung wurde heute in einem Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (Joint Research Center ­ JRC) veröffentlicht. Die PESETA­Studie macht auch deutlich, dass sich der Klimawandel in Europa regional unterschiedlich stark bemerkbar machen wird. Am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen wären vor allem Süd­ und Mitteleuropa. Nordeuropa würde dagegen als einzige Region wirtschaftlich und in den untersuchten Bereichen vom Klimawandel profitieren. Der Abschlussbericht des PESETA­Projekts (Projection of economic impacts of climate change in sectors of the European Union based on bottom­up analysis) bewertet die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels in Europa in den Bereichen Landwirtschaft, Überschwemmungen entlang der Flüsse, Küstensysteme und Fremdenverkehr. Anpassungsmaßnahmen werden in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. In der PESETA­Studie werden für Europa unterschiedliche Szenarien für den Temperaturanstieg und den Anstieg des Meeresspiegels für die 2080er Jahre verwendet, und zwar für einen Temperaturanstieg zwischen 2,5 °C und 5,4 °C und für einen Meeresspiegelanstieg zwischen 48 und 88 cm. Die Studie schätzt die Gesamtschäden für die EU­Wirtschaft (BIP­Verluste) auf 20 bis 65 Milliarden EUR jährlich ein. Der wirtschaftliche Wohlstand der Europäer, der in der Vergangenheit jährlich um etwa 2 % angestiegen war, würde durch die globale Erwärmung zurückgehen. Ein Temperaturanstieg um 2,5 °C könnte zu einem Rückgang des wirtschaftlichen Wohlstands um 0,2 % führen. Bei einem Temperaturanstieg von 5,4 °C könnte sich das jährliche Wohlstandswachstum in der EU sogar halbieren. Die Gesamtkosten der Erderwärmung könnten jedoch noch sehr viel höher ausfallen, da die Studie sich ausschließlich mit den ökonomischen Folgen des Klimawandels für vier Wirtschaftssektoren befasst und nicht­monetäre Folgen wie Verlust der biologischen Vielfalt, Beeinträchtigung der Ökosysteme oder Zunahme von Naturkatastrophen außer Acht lässt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen nach einzelnen Sektoren in der gesamten EU (Abbildung 2) Auch wenn aus zusammengefassten Schätzungen nicht ersichtlich wird, dass es in Europa große sektorale und regionale Unterschiede gibt, würden bei einem Worst­Case­Szenario (einem Temperaturanstieg um 5,4 °C und einem hohen Anstieg des Meeresspiegels) Verluste in folgender Höhe entstehen: 1 · · · Küstensysteme: Sturmfluten und Umsiedlungskosten würden zu einem Rückgang des jährlichen wirtschaftlichen Wohlstands um 0,46 % führen und jedes Jahr weitere 775 000 bis 5,5 Millionen Menschen im Vergleich zu heutigen Zahlen betreffen. Landwirtschaft: Aufgrund jährlicher Ertragsrückgänge in Höhe von 10 % würden Produktionsverluste von ­0,32 % entstehen; und Hochwasser entlang der Flüsse würde jährlich zwischen 250 000 und 400 000 Menschen betreffen; dies würde zu einem Rückgang des jährlichen wirtschaftlichen Wohlstands um 0,24 % führen, in erster Linie durch Gebäudeschäden (zwischen 7,7 und 15 Milliarden EUR Kosten pro Jahr). Der Fremdenverkehr wäre der einzige Sektor mit einem neutralen Ergebnis auf aggregierter EU­Ebene (0,04%); allerdings werden erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen erwartet. Auswirkungen nach Regionen in den 2080er Jahren (Abbildung 3) Um die Interpretation zu erleichtern, wurden die Auswirkungen des Klimawandels in der EU für fünf Regionen zusammengefasst: Nordeuropa, die britischen Inseln, nördliches Mitteleuropa, südliches Mitteleuropa und Südeuropa (Abbildung 1). In die Bewertung flossen alle EU­Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Luxemburg, Malta und Zypern ein. Es wurden Klimadaten, Daten über die physikalischen Auswirkungen und Wirtschaftsmodelle einbezogen. Spanien, Portugal, Italien, Griechenland und Bulgarien (Südeuropa) müssen nach diesen Schätzungen mit den höchsten Verlusten des wirtschaftlichen Wohlstands rechnen. Diese könnten zwischen 0,3 % und 1,6 % jährlich liegen. Für Südeuropa sind die Auswirkungen des Klimawandels in allen Sektoren negativ, mit einer erheblichen Verschärfung bei dem Extremszenario (d. h., einem Temperaturanstieg von 5,4 °C). Die größten Schäden wären für die Landwirtschaft in Südeuropa zu erwarten. Hier müsste mit einem Ertragsrückgang von 25 % jährlich gerechnet werden. Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr könnten um 5 Milliarden EUR jährlich zurückgehen. Auch Mitteleuropa wäre von den Folgen des Klimawandels betroffen, allerdings in geringerem Ausmaß. Deutschland, Belgien, die Niederlande und Polen (nördliches Mitteleuropa) müssten mit einem jährlichen Rückgang des wirtschaftlichen Wohlstands um 0,3 % bis 0,7 % rechnen. Die schlimmsten Folgen in dieser Region wären jedoch die Schäden an den Küstensystemen. Von den Überflutungen an den Küsten wären bis zu 2,4 Millionen mehr Menschen als heute betroffen. Überschwemmungen entlang der Flüsse würden jährlich bis zu 5 Milliarden EUR zusätzliche Kosten verursachen. Positive Auswirkungen hätte der Klimawandel allerdings auf den Fremdenverkehr in dieser Region (bis zu 4 Milliarden EUR zusätzliche Einnahmen jährlich). Die Wohlstandsverluste in Frankreich, Österreich, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn und Rumänien (südliches Mitteleuropa) würden zwischen 0,1 und 0,6% liegen. Auch in dieser Region würden Überschwemmungen entlang der Flüsse und Auswirkungen auf die Küstensysteme die Ursachen für die schlimmsten zu erwartenden Schäden darstellen. Profitieren würde auch hier der Fremdenverkehr, mit bis zu 10 Milliarden EUR zusätzlicher Einnahmen jährlich für das wärmste Szenario. In Irland und dem Vereinigten Königreich wäre der Wohlstandsverlust ähnlich wie in Mitteleuropa, außer für das Extremszenario eines Temperaturanstiegs von 5,4 °C und einem Meeresspiegelanstieg von 88 cm. In diesem Fall müsste man mit jährlichen Wohlstandsverlusten von 1,3 % rechnen, in erster Linie wegen der Folgen für die 2 Küstensysteme. Die Auswirkungen der Überschwemmungen entlang der Flüsse sind in allen Szenarien negativ. Die Ergebnisse für den Fremdenverkehr sind dagegen überall positiv, mit jährlichen Mehreinnahmen von bis zu 4,5 Milliarden EUR. Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Lettland und Litauen (Nordeuropa) wären die einzige EU­Region, in der der Klimawandel bei allen Szenarien zu einem Wohlstandsgewinn von zwischen 0,5 % und 0,7 % jährlich führen könnte, vor allem wegen der positiven Auswirkungen auf den Agrarsektor, geringeren Schäden durch Hochwasser und höheren Einnahmen aus dem Fremdenverkehr. Allerdings könnten Sturmfluten an den Küsten mehr als 250 000 Menschen zusätzlich jährlich betreffen. Hintergrundinformationen Vorläufige Ergebnisse des PESETA­Projekts hat die Europäische Kommission bereits in ihrem Weißbuch „Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer Aktionsrahmen” genutzt (KOM/2009/0147) , das im April dieses Jahres veröffentlicht wurde, ebenso wie in dem Referenzbericht des JRC und der EUA (Europäische Umweltagentur) "Impacts of Europe's changing climate" (2008). Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte jedoch nicht vergessen werden, dass PESETA lediglich eine erste Abschätzung der Folgen des Klimawandels darstellt, die mit einer Reihe von Unsicherheiten behaftet ist, vor allem, was zukünftige Klimamerkmale und die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur anbetrifft. Links PESETA­Bericht: http://ipts.jrc.ec.europa.eu/ PESETA­Website: http://peseta.jrc.ec.europa.eu/ Weißbuch der Europäischen Kommission über die Anpassung: http://eur­ lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2009:0147:FIN:DE:PDF Auswirkungen des Klimawandels in Europa: http://ec.europa.eu/dgs/jrc/downloads/jrc_reference_report_2008_09_climate_change.pdf Kontakt Elena González Verdesoto, JRC­Pressereferentin: Elena.gonzalez­[email protected] David Merino, IPTS­Öffentlichkeitsarbeit: [email protected] 3 Abbildung 1 Veränderungen des wirtschaftlichen Wohlstands nach den unterschiedlichen Szenarien und Sektoren (in %) 1.0% Tourism River floods Coastal systems 0.5% Agriculture 0.0% ­0.5% ­1.0% ­1.5% Southern Europe Central Europe South Central Europe North British Isles Northern Europe 5.4oC 5.4ioC 3.9oC 2.5oC 5.4oC 5.4ioC 3.9oC 2.5oC 5.4oC 5.4ioC 3.9oC 2.5oC 5.4oC 5.4ioC 3.9oC 2.5oC 5.4oC 5.4ioC 3.9oC 2.5oC 5.4oC 5.4ioC 3.9oC 2.5oC ­2.0% EU Abbildung 2: Zusammenfassung der Ergebnisse für die EU Climate Change Scenarios Δ Temperature (ºC) * Δ Precipitation (%) * SLR (cm) 2.5°C 3.9°C 4.3°C 5.4°C 5.4°C high SLR 2.51 1.01 49 3.86 0.98 56 4.06 1.02 51 5.36 0.98 59 5.36 0.98 88 Annual Physical Impacts (changes) Agriculture ‡ Yields (%) River floods † Affected Population (1000s/year) Economic damage (million €) Coastal systems (non adaptation) †† People flooded (1000s/year) Tourism ** Bed nights (%) Tourism expenditure (million €) Human Health (country­specific function) * Heat­mortality rate (per 100,000) Cold­mortality rate (per 100,000) 2.5°C 3.9°C 4.3°C 5.4°C 5.4°C high SLR 3 ­2 3 ­10 ­10 276 7,728 318 11,469 251 8,852 396 15,032 396 15,032 775 1,225 851 1,353 5,552 1 1,858 1 3,262 6 13,360 7 15,268 7 15,268 12 ­21 22 ­37 19 ­39 33 ­52 33 ­52 Annual Welfare Impacts (not considering human health) Agriculture River floods Coastal systems (non adaptation) Tourism TOTAL 2.5°C 3.9°C 4.3°C 5.4°C 5.4°C high SLR 0.01% ­0.08% ­0.16% 0.00% ­0.22% ­0.10% ­0.14% ­0.18% 0.01% ­0.42% 0.02% ­0.13% ­0.17% ­0.02% ­0.29% ­0.32% ­0.24% ­0.18% 0.04% ­0.70% ­0.32% ­0.24% ­0.46% 0.04% ­0.98% *Increase in the period 2071–2100 compared to 1961–1990. ‡Yield changes compared to 1961–1990 period and weighted by the country agriculture value added. †Differences compared to the 1961–1990 period. ††Differences compared to 1995. **Differences compared to 2005. 4 Abbildung 3: Jährliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die Flusseinzugsgebiete, den Fremdenverkehr und die Küstensysteme für Szenarien des Klimawandels in den 2080er Jahren Southern Europe Central Europe South Central Europe North Northern Europe EU ­0.09 ­0.11 0.09 0.06 0.58 0.59 0.56 0.72 0.01 ­0.10 0.02 ­0.32 ­0.13 0.11 ­0.02 ­0.10 ­0.52 0.06 ­0.06 ­0.11 ­0.22 0.00 0.05 0.12 ­1.26 ­0.28 ­0.17 0.16 Economic impacts as estimated by the river flooding model 0.81 0.85 0.76 1.09 0.02 ­0.09 0.04 ­0.29 ­0.06 ­0.21 ­0.20 ­0.37 0.09 0.01 0.07 0.10 ­0.08 ­0.14 ­0.13 ­0.24 ­0.01 ­0.01 0.00 0.00 ­0.01 ­0.01 ­0.01 ­0.01 0.00 ­0.01 ­0.01 ­0.01 0.00 ­0.01 ­0.02 ­0.02 Economic impacts as estimated by the coastal system model 0.00 0.00 0.00 0.00 ­0.01 ­0.01 ­0.01 ­0.01 ­0.17 ­0.19 ­0.18 ­0.20 ­1.02 ­0.13 ­0.14 ­0.14 ­0.15 ­0.35 ­0.16 ­0.18 ­0.17 ­0.18 ­0.46 ­0.23 ­0.24 ­0.23 ­0.25 ­0.26 ­0.11 ­0.12 ­0.11 ­0.13 ­0.16 ­0.19 ­0.20 ­0.20 ­0.21 ­0.24 0.01 0.01 0.05 0.06 0.01 0.02 0.07 0.08 0.00 0.01 ­0.02 0.04 0.00 0.00 0.01 0.01 0.00 0.00 0.02 0.02 0.00 0.00 ­0.01 0.01 European regions* British Isles Economic impacts as estimated by the agriculture model Welfare Change (%)‡ 2.5°C 3.9°C 4.3°C 5.4°C GDP Change (%)‡ 2.5°C 3.9°C 4.3°C 5.4°C Welfare Change (%)‡ 2.5°C 3.9°C 4.3°C 5.4°C GDP Change (%)‡ 2.5°C 3.9°C 4.3°C 5.4°C ­0.05 ­0.37 ­0.15 ­1.00 ­0.13 ­0.11 ­0.09 ­0.14 0.06 0.02 ­0.01 ­0.27 ­0.16 ­0.25 ­0.15 ­0.31 0.01 ­0.05 0.04 ­0.19 ­0.04 ­0.09 ­0.13 ­0.24 Welfare Change (%)‡ 2.5°C ­0.07 ­0.06 ­0.27 3.9°C ­0.11 ­0.08 ­0.29 4.3°C ­0.09 ­0.06 ­0.28 5.4°C ­0.10 ­0.09 ­0.30 5.4°C High Range IPCC SLR (88cm) ­0.38 ­0.19 ­0.37 GDP Change (%)‡ 2.5°C ­0.05 ­0.05 ­0.38 3.9°C ­0.05 ­0.05 ­0.41 4.3°C ­0.05 ­0.05 ­0.39 5.4°C ­0.05 ­0.05 ­0.42 5.4°C High Range IPCC SLR (88cm) ­0.04 ­0.06 ­0.50 Economic impacts as estimated by the tourism model Welfare Change (%)‡ 2.5°C ­0.02 0.02 0.01 3.9°C ­0.03 0.03 0.01 4.3°C ­0.08 ­0.11 0.03 5.4°C ­0.12 0.18 0.04 GDP Change (%)‡ 2.5°C ­0.01 0.00 0.00 3.9°C ­0.01 0.01 0.00 4.3°C ­0.03 ­0.03 0.01 5.4°C ­0.05 0.03 0.02 *European regions: Southern Europe (Portugal, Spain, Italy, Greece, and Bulgaria), Central Europe South (France, Austria, Czech Republic, Slovakia, Hungary, Romania, and Slovenia), Central Europe North (Belgium, The Netherlands, Germany, and Poland), British Isles (Ireland and UK), and Northern Europe (Sweden, Finland, Estonia, Latvia, and Lithuania). ‡Household welfare and GDP are compared to the 2010 values of the baseline scenario. 5