ESSSTÖRUNGEN Immer mehr Menschen in Industrieländern zeigen Anzeichen eines gestörten Essverhaltens bzw. entwickeln eine schwere Essstörung. In Österreich dürften über 200.000 Frauen im Laufe ihres Lebens an einer Essstörung erkranken. Zu berücksichtigen ist allerdings die Dunkelziffer, denn nicht jede Essstörung wird auch entdeckt. Oftmals verlaufen diese Erkrankungen im Geheimen oder bleiben lange Zeit unentdeckt. Erste Anzeichen für ein gestörtes Essverhalten sind übertriebene Beschäftigung mit der Nahrung und ständige Gedanken an Essen bzw. Nicht­Essen. Meistens spielt die Waage eine derart wichtige Rolle, dass tägliches Abwiegen zur Routine gehört. Menschen, die ein gestörtes Verhalten zum Essen haben, sind mit sich und ihrem Körper nicht zufrieden. Das Gewicht wird als zu hoch eingeschätzt, auch wenn es eventuell dem Normgewicht oder dem Untergewicht entspricht. Einzelne Körperpartien wie Hüften, Bauch, Po und Oberschenkel werden in der Regel als überdimensional wahrgenommen. Weiters wird Nahrung bzw. der Verzicht auf Nahrung dazu benutzt, Gefühle zu unterdrücken oder Konflikte zu vermeiden. Essstörungen sind oftmals eine Antwort auf Überforderung, Leere, Ängste oder Wut. Im Leben eines Essgestörten rückt alles in den Hintergrund, was nicht mit Essen bzw. Nicht­Essen zu tun hat. Nahrung wird zum zentralen Thema. Dabei erfahren nicht nur Freizeitaktivitäten eine Reduktion, sondern auch Verpflichtungen wie Schule und Beruf. Ebenso werden soziale Kontakte eingeschränkt. Die Zahl der Menschen, die an schweren Essstörungen leiden, ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Es gibt immer mehr Menschen mit extremem Unter­ oder Übergewicht oder gestörtem Essverhalten. Die Beschäftigung mit Ernährung und Körper wird in der Gesellschaft zunehmend wichtiger. Medien vermitteln Schönheitsideale, die schwer zu erreichen sind und kaum eine Zeitschrift setzt sich heutzutage nicht mit dem Thema „Diät“ auseinander. In Industrieländern ist es zu einem wahren Paradoxon gekommen: Einerseits gibt es ein Übermaß an Nahrung und unbegrenzte Möglichkeiten an Genüssen, andererseits prägt ein Ideal von Magerkeit unsere Zeit. Der Umgang mit Ernährung ist regelrecht schizophren. So bietet der Markt immer mehr appetitanregende Speisen und verlockende zuckerhaltige Getränke, gleichzeitig sollen und wollen die Menschen immer schlanker werden. Das Durchschnittsgewicht von Models und Schauspielerinnen ist in den letzten Jahren gesunken. Demgegenüber ist das durchschnittliche Gewicht der Allgemeinbevölkerung angestiegen. Es ist also zu einem Auseinanderklaffen zwischen „Idealgewicht“ und „Realgewicht“ gekommen. Dieser Umstand fördert die Unzufriedenheit mit dem Aussehen und begünstigt die Entwicklung ernstzunehmender Essstörungen in Industrieländern. Besonders sensible oder labile Menschen sind durch diese Situation gefährdet. Bei ihnen kann es äußerst leicht zu einer Verschiebung des eigenen Lebensschwerpunktes auf das rein Körperliche kommen. Eine Schweizer Studie zeigte, dass Essstörungen zu den häufigsten psychosomatischen Störungen im Kindes­ und Jugendalter gehören. Dies bedeutet, dass essgestörtes Verhalten bereits in jungen Jahren beginnen kann. Es handelt sich bei Essstörungen nicht um ein Problem, dass sich ausschließlich auf Erwachsene bezieht. Vor allem Fettsucht und Magersucht entwickeln sich meist im Kindes­ und Jugendalter. Die Basis dafür ist insbesondere die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Dies trifft vor allem auf weibliche Jugendliche zu. Folglich werden Diäten ausprobiert oder Fastenkuren abgehalten. Wenn eine Jugendliche/ein Jugendlicher nun an psychischen Problemen leidet, kann eine Diät der Anfang einer Essstörung sein. Festzuhalten ist, dass Essstörungen Suchtkrankheiten sind, wobei sich alle Gefühle und Gedanken des Betroffenen/der Betroffenen auf den Körper, das Gewicht und das Essen beziehen. Essen, Erbrechen und Hungern sind zwar nicht zu substanzgebundenen Süchten wie Alkoholsucht oder Drogensucht zu zählen, doch haben die Erkrankten unter absolutem Kontrollverlust über ihr Essverhalten und unter starken Entzugserscheinungen zu leiden, wenn ihnen die Möglichkeit zur Sucht genommen wird. Eine Sucht beginnt schleichend und oft unbemerkt. Charakteristisch für eine Sucht ist, dass sie den Alltag, ja das ganze Leben bestimmt. Das Ausleben der Sucht – etwa das Hungern bei Magersüchtigen – führt zu einer Art Glücksgefühl. Kurzfristig verschwinden Spannungen, bis es zu den Folgewirkungen wie Gefühle des Versagens oder körperliche Beschwerden kommt. Mitunter sind Depressionen und Suizidgedanken die Konsequenz. Tatsächlich setzen fünf bis zehn Prozent der von Essstörungen Betroffenen ihrem Leben ein Ende. Diagnosekriterium BMI Die Körpermasse eines Menschen wird heutzutage nach dem BMI, also nach dem Body Mass Index (Körpermasseindex), bewertet. Der BMI ist ein Maßstab, mit dessen Hilfe man die Masse eines Menschen „objektiv“ bewerten kann. In der Medizin dient der BMI mitunter der Diagnostizierung von Essstörungen. Der BMI ist ein international anerkanntes Mess­System, wenn es um die Bestimmung von Gewicht geht. Berechnet wird der BMI wie folgt: Körpermasse in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat (d.h. multipliziert mit 2). Das Ergebnis dieser Rechnung zeigt an, ob ein Mensch untergewichtig, idealgewichtig oder übergewichtig ist. Dabei sind stets Alter und Geschlecht zu berücksichtigen. Im Groben gilt: · BMI unter 17,5: Anorexie · BMI unter 18,5: Untergewicht · BMI zwischen 18,5 und 25: Normalgewicht · BMI über 25: Übergewicht · BMI über 30: Adipositas Innerhalb der angeführten Kategorien gibt es Einteilungen, die etwa auf massives Untergewicht oder ausgeprägte Adipositas hindeuten. Wie äußert sich essgestörtes Verhalten? Allgemein zusammengefasst äußert sich ein essgestörtes Verhalten vor allem durch die vermehrte Beschäftigung mit Nahrung und Kalorien. Die Gedanken einer essgestörten Person drehen sich ständig um die Ernährung sowie um Nährwerte und Menge der Speisen. Das Essen wird für diese Person zunehmend zu einem Problem. Unbeschwertes Genießen von Nahrung ist für sie nicht möglich. Natürliche Sättigungsgrenzen verschieben sich oder werden nicht mehr wahrgenommen, sei es nun bei Adipositas­Erkrankten, die sich nie satt fühlen, oder bei Anorexie­Kranken, die Hunger ignorieren bzw. aufgrund des kleinen Magenvolumens kaum mehr hungrig sind. Ganz allgemein ändern sich die Essgewohnheiten. So essen Magersüchtige etwa äußerst langsam, während Adipositas­Betroffene die Speisen regelrecht hinunterschlingen. Essgestörte vermeiden es, in der Öffentlichkeit zu essen. Sie fühlen sich stets schlecht, wenn sie beim Essen beobachtet werden. Zudem haben Essgestörte das Gefühl, dass andere negativ über sie denken, wenn sie essen. Allerdings kommt es nicht nur in Essenssituationen zum sozialen Rückzug. Essgestörte isolieren sich mehr und mehr von ihrer Umwelt. Während des Essens stellt sich bei Betroffenen generell Scham und Panik ein. Sie meinen, dass sie Versager sind, wenn sie Nahrung zu sich nehmen. Menschen mit Essstörungen haben enorme Angst davor, zuzunehmen; auch wenn sie nicht mehr als sonst essen. Diese Angst beherrscht das Denken ebenso wie die Beschäftigung mit der Ernährung und ist daher besonders in einer Therapie anzusprechen. Die Angst vor einer Zunahme an Gewicht hält den Teufelskreis der Essstörung aufrecht. Essgestörte sehen im Schlank­ bzw. Dünnsein ein Ideal sowie den Schlüssel zu Erfolg und Glück im Leben. Die Figur bestimmt das Selbstwertgefühl. Wertschätzung durch andere wird untergeordnet oder nicht wahrgenommen. Figur und Aussehen dominieren. Es kommt zu Freudlosigkeit, dem Gefühl der Sinnlosigkeit und Leere, (schweren) Depressionen, mitunter auch zu Suizidgedanken. Neben den eben erwähnten Anzeichen, sind bei Essgestörten noch weitere Signale zu erkennen. Diese werden bei den jeweiligen Arten von Essstörungen (Bulimie, Anorexie, Fettsucht etc.) einzeln genannt, da hier etliche Unterschiede existieren. Besonders die körperlichen Folgen differieren. Fettsüchtige leiden zum Beispiel unter hohem Blutdruck, Magersüchtige unter niedrigem. Was Essen bedeutet? Nahrung ist essenziell. Das heißt, dass der Mensch ohne Nahrung genauso wenig existieren kann wie ohne Sauerstoff. Eine ausgewogene, nährstoffreiche Grundernährung sorgt dafür, dass alle Körpervorgänge funktionieren und der Mensch gesund bleibt. Der Körper benötigt Eiweiß, Kohlehydrate, Fett, Vitamine und Mineralstoffe. Kohlehydrate, Eiweiß und Fett sind die Hauptnährstoffe und versorgen den Menschen mit Energie. Eiweiß (Proteine) sind unter anderem für den Aufbau von Zellen verantwortlich, sie spielen eine wichtige Rolle für die Muskulatur und dienen dem Aufbau von Antikörpern. Fette sind nicht nur Energielieferanten, sondern sind auch wichtig für die Regulation von Nervenzellen, sie haben Schutzfunktion, helfen bei der Verwertung vieler Vitamine und sorgen noch für viel mehr im Körper. Kohlehydrate stützen Knochen und Sehnen, dienen der Aufrechterhaltung des Wasser­ und Elektrolythaushalts und sind zugleich Energiereserven. Vitamine und Mineralstoffe sind genauso lebensnotwendig wie Kohlehydrate, Proteine und Fette. Sie halten verschiedene biologische Funktionen aufrecht. Für den Körper ist eine ausgewogene Ernährung wichtig, um angemessen mit den eben genannten Stoffen versorgt zu sein. Überschuss oder Mangel an einem dieser Stoffe kann gesundheitliche Auswirkungen haben. Eine ausgewogene Ernährungsweise besteht aus mindestens eineinhalb bis zwei Litern Flüssigkeit (bevorzugt Wasser) pro Tag. Mehrmals täglich sollte der Körper mit Getreideprodukten wie Brot, Reis, Hülsenfrüchten etc. versorgt werden. Gemüse sollte drei Mal täglich, Obst zwei Mal täglich auf dem Ernährungsplan stehen. Milch­ und Milchprodukte sollten mindestens zwei Mal täglich verzehrt werden, Fisch sollte zumindest ein Mal die Woche gegessen werden. Fleisch und Eier sollten nicht öfter als zwei bis drei Mal wöchentlich verspeist werden. Nur in geringem Maße sollte Süßes verzehrt werden. Süßes ist nicht verboten, sollte jedoch dem Genuss und nicht der üblichen, sprich täglichen, Ernährung dienen. Bei all diesen Angaben sind jedoch Nahrungsmittelunverträglichkeiten und gewisse Ernährungsweisen bei bestimmten Krankheiten wie etwa Diabetes zu berücksichtigen, da hier die körperlichen Ansprüche anders gelagert sind. Im Folgenden werden nun kurz die wichtigsten Vitamine und Mineralstoffe angeführt: · Vitamin A ist notwendig für den Aufbau von Haut sowie Schleimhaut und unterstützt die Sehkraft. Es kommt in Nahrungsmitteln wie Ei, Milch und Fisch vor. Vitamin­A­ Vorstufen, die der Körper in Vitamin A umwandelt, finden sich in Orangen, Karotten und Blattgemüse. Ein Mangel macht sich vor allem durch verminderte Sehkraft, trockene Haut sowie Appetitlosigkeit bemerkbar. · Vitamin B1 ist wichtig für den Abbau von Kohlenhydraten. Es ist etwa in Hefe, Vollkornprodukten, Kartoffeln, Schweinefleisch und Linsen enthalten. Ein Mangel führt zu Magenschmerzen, Blutarmut, Herzrasen und Konzentrationsstörungen. · Vitamin B2 ist für den Abbau von Fett und Eiweiß relevant. Es findet sich in Eiern, Fleisch und Milchprodukten. Ein Mangel kommt vor allem bei Veganern vor, da sie keine tierischen Produkte zu sich nehmen. Anzeichen für einen Mangel sind rissige Lippen, trockene Haut, Hautentzündungen und trockene Augen. · Vitamin B6 ist wichtig für den Eiweißstoffwechsel. Es ist vorwiegend in Fisch, Bananen, Avocado, Kohlgemüse und Vollkornprodukten enthalten. Ein Mangel ist äußerst selten und macht sich durch Übelkeit, Angstzustände, Krampfanfälle oder entzündete Schleimhäute und Haut bemerkbar. · Vitamin B12 ist essentiell für den Aufbau von roten Blutkörperchen. Es kommt ausschließlich in tierischen Produkten und milchsauer konserviertem Gemüse wie Sauerkraut vor. Ein Mangel ist bei Menschen, die keine tierischen Produkte essen, deshalb nicht selten. Außerdem führen einige Darmerkrankungen zu einer verminderten Aufnahme von Vitamin B12. Anzeichen für einen Mangel sind Ekel vor Fleisch, eine brennende Zunge sowie Müdigkeit, Schwäche und Schwindelgefühl. · Folsäure bildet gemeinsam mit Vitamin B12 rote Blutkörperchen. Folsäure findet sich in Spinat, Spargel, Brokkoli, Tomaten, Vollkornprodukten und Nüssen. Folsäuremangel tritt sehr selten auf. Bei einem Mangel zeigen sich dieselben Symptome wie bei einem Vitamin­B12­Mangel. · Niacin ist für den Energiehaushalt der Zellen wichtig. Es kommt in Pilzen, Kaffee, Geflügel und Fisch vor. Mangelzeichen sind Kopf­ und Magenschmerzen, Depressionen sowie schuppende, gerötete Haut. · Pantothensäure – auch als Vitamin B5 bezeichnet – ist für den gesamten Nährstoffwechsel von Relevanz. Pantothensäure findet sich vor allem in Innereien, Eiern, Reis, Milch, Obst, Gemüse und Bierhefe. Der Bedarf ist in der Regel über die durchschnittliche Ernährung gedeckt. · Vitamin C ist für die Bildung von Bindegewebe zuständig. Ebenso kann der Körper Eisen und Folsäure nur aufnehmen, wenn Vitamin C vorhanden ist. Vor allem Kiwis, Paprika, schwarze Johannisbeeren, Zitronen und Kartoffeln enthalten eine große Menge an Vitamin C. Auch Rinderleber enthält Vitamin C. Ein Mangel zeigt sich durch Schwäche, Zahnfleischbluten, Blutarmut und Gewichtsverlust. · Vitamin D ist für den Knochenaufbau zuständig. Vorstufen dieses Vitamins werden aus Sonnenlicht gewonnen, die der Körper anschließend in Vitamin D umwandelt. Vitamin D findet sich in Fisch, Eiern und Butter. Ein Mangel führt dazu, dass die Knochen poröser werden. · Vitamin E hat Schutzfunktion für die Zellen. Dieses Vitamin findet sich etwa in Mais, pflanzlichen Ölen sowie in Butter und Margarine. Vitamin­E­Mangel macht sich durch Muskelschwäche, Müdigkeit, Hauttrockenheit und Reizbarkeit bemerkbar. · Vitamin H wird im Darm selbst hergestellt. Ein Mangel an diesem Vitamin ist daher äußerst selten. Vitamin H ist in Sojabohnen, Eigelb sowie Nüssen enthalten. · Vitamin K wird wie Vitamin H vom Darm hergestellt. Daher ist auch hier ein Mangel selten. Reich an Vitamin K sind alle Kohlarten, grünes Gemüse, Milchprodukte sowie Eier und Fleisch. · Der Mineralstoff Kalium ist notwendig für die Reaktion von Muskel­ und Nervenzellen. Kalium findet sich insbesondere in getrockneten Früchten, Nüssen, Bananen, Pilzen, Erbsen und Vollkornprodukten. Ein Kaliummangel kann nicht nur aufgrund unzureichender Versorgung durch Nährstoffe auftreten, sondern auch wenn man regelmäßig Entwässerungskapseln oder Abführmittel nimmt. Anzeichen für einen Mangel sind Muskelschwäche, Antriebslosigkeit, Blähungen sowie Verstopfung. · Kalzium ist besonders wichtig für Knochen sowie Zähne. Es beeinflusst zudem die Reaktion von Muskel­ und Nervenzellen und dient der Blutgerinnung sowie dem Immunsystem. Damit Kalzium aus dem Darm aufgenommen werden kann, ist Vitamin D notwendig. Kalzium kommt in Milchprodukten, Sesamkörnern, Mohn, Kohlgemüse, Petersilie vor. Ein Mangel äußert sich zum Beispiel durch Blässe, Unruhe, schmerzhafte Krämpfe, Übelkeit und Durchfall. Zudem führt Kalziummangel auf Dauer zu einer Abnahme der Knochenmasse. · Phosphat ist wichtig für die Knochen und die Zellvermehrung. Auch Phosphat benötigt Vitamin D, um aus dem Darm aufgenommen zu werden. Phosphat ist in tierischen sowie pflanzlichen Nahrungsmitteln enthalten. Achtet man auf ausgewogene Kalzium­ und Eiweißzufuhr ist man in der Regel genügend mit Phosphat versorgt. In der heutigen Zeit neigt man eher zu einer Überversorgung mit Phosphat, da es in vielen Fertigprodukten sowie in diversen Limonaden enthalten ist. Ein Überschuss an Phosphat kann zu einer Ausdünnung der Knochenmasse führen. · Magnesium ist notwendig für Knochen und Zellen, insbesondere für Muskelzellen. Dieses Mineral findet sich in Vollkornprodukten, Mineralwasser mit erhöhtem Magnesiumgehalt, Haferflocken, Geflügel, Fisch und vielem mehr. Ein Mangel zeigt sich in nervösen Störungen, Herzbeschwerden, Magen­ und Wadenkrämpfen. · Für Knochen­ sowie Zahnaufbau ist Fluorid wichtig. Es kommt im Trinkwasser vor, ebenso in Fisch, Meersalz und Schwarztee. Zudem sind die meisten Zahnpasten heutzutage mit Fluorid versetzt, wodurch die Zähne vor Karies geschützt werden. · Eisen ist von Bedeutung für das Hämoglobin (Blutfarbstoff) der roten Blutkörperchen. Viel Eisen findet sich in Hirse, Fleisch und Hülsenfrüchte. Die Aufnahme von Eisen wird durch Vitamin C begünstigt. Kaffee, Schwarztee und Milchprodukte hemmen die Aufnahme von Eisen. Anzeichen eines Eisenmangels sind Schwächegefühl, Müdigkeit, Blässe, brüchige Haare und Nägel, Verdauungsbeschwerden sowie kalte Hände und Füße. Essstörungen führen auf die Dauer zu einer Unter­ bzw. Überversorgung mit gewissen Stoffen. So leiden Magersüchtige und Ess­Brechsüchtige häufig an Kalzium­, Kalium­, Vitamin­C­ sowie Eisenmangel. Diese Mängel haben gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit. Menschen mit Adipositas hingegen nehmen meist zu viel an Zucker oder Phosphat über die Nahrung zu sich, was sich ebenfalls verheerend auf den Körper auswirken kann. Essen ist außerdem enorm wichtig für die Seele. Die Gesundheit der Psyche hängt nämlich stark von der Ernährung ab. Dabei spielt es eine Rolle, was, wie und wie viel der Mensch isst. Das Essverhalten ist ein deutliches Signal dafür, wie es um das körperliche und seelische Befinden bestellt ist. Ausgeglichene Menschen – diejenigen also, bei denen Körper und Geist in Einklang miteinander sind, – essen abwechslungsreich, gerne und kennen ihre natürliche Sättigungsgrenze. Leidet jemand allerdings unter psychischen Problemen, schlägt sich das in der Ernährung nieder. Stress, Wut oder Trauer werden im wahrsten Sinne des Wortes hinuntergeschluckt, es kann zu Frustessen kommen oder zu Appetitverlust, weil der Kloß im Hals den Hunger hemmt. Sättigung und Appetit werden nicht mehr adäquat wahrgenommen. Psychische Probleme können sich demnach auch im Körpergewicht widerspiegeln. Welche Faktoren begünstigen eine Essstörung? Die Ursachen für Essstörungen sind nicht eindeutig. Meistens sind Frauen im Jugend­ und Erwachsenenalter von Essstörungen betroffen. Eine Essstörung verläuft zumeist chronisch und das Sterblichkeitsrisiko ist hoch. Als Ursache für die Zunahme von Essstörungen spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Besonders die im Folgenden aufgezählten Faktoren begünstigen eine Essstörung. · Vorbildwirkung der Eltern im Bezug auf Essen und Diät: Vor allem Mütter haben eine wichtige Vorbildfunktion für ihre Kinder bezüglich Ernährung, Figur und Gewicht. Eine Modellwirkung ist nur zu erwarten, wenn das Vorbild bei dem Kind einen positiven Eindruck erweckt. Das heißt, dass Mütter, die mit ihrem Körper unzufrieden sind und verschiedene Diäten oder Fasten praktizieren, dies auf das Kind übertragen können. · Medien: Medien wie Fernsehen, Printmedien etc. propagieren das Ideal eines möglichst schlanken, fitten Körpers. Wer diesem Ideal nicht entspricht, wird von den Medien für ungenügend oder zum Versager erklärt. Sie machen einen schlanken Körper zum Geheimrezept für Erfolg im Leben. Ein Großteil des Aussehens – also auch des Gewichts – ist jedoch von Natur aus einigermaßen festgelegt und kaum manipulierbar. Ein Überangebot an Schlankheitsmethoden, Diäten und Schlankheitsmitteln verstärkt die öffentliche Ansicht, dass es nur eine Frage der richtigen Methode und der eigenen Disziplin ist, das propagierte Ideal zu erreichen. Damit wird gleichzeitig die Aussage vermittelt, dass niemand so in Ordnung ist, wie er ist. · Peergroup: Die Peergroup ist die Gruppe der Gleichaltrigen. Sie hat auf den Bezug zur Figur und auf das Verhalten dem Essen gegenüber einen großen Einfluss. Aussehen Gleichaltriger und deren Reaktionen sind für die Identität eines Jugendlichen von immenser Bedeutung. · Gefühle: Negative Gefühle können einerseits Essanfälle begünstigen, andererseits Hungern fördern. Essen dient dann nicht der Befriedigung des Hungers, sondern der Befriedigung der Emotion bzw. wird Essen aus Kummer vermieden. · Selbstwertgefühl: In der Jugend ist der Mensch besonders sensibel und verletzlich. Das gehäufte Auftreten von Essstörungen in dieser Phase hängt mit den damit verbundenen Identitätsproblemen, mit diversen Ängsten und mit erhöhter Sensibilität für körperliche Veränderungen (etwa durch die Pubertät) zusammen. · Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper: Ein enger Zusammenhang besteht zwischen Unzufriedenheit mit Körper, Aussehen und Selbstwertgefühl sowie Emotionen. Eine negative Stimmung etwa wirkt sich negativ auf das eigene Körperbild aus. Je schlechter die Stimmungslage, desto weniger zufrieden zeigt man sich mit dem eigenen Aussehen. · Schlankheitswahn: Dem Dünnsein wird in unserer Gesellschaft ein hoher Stellenwert beigemessen. Diesem Ideal wird oftmals vieles untergeordnet; im Extremfall sogar die Gesundheit. Es entsteht die Illusion, dass vieles, was das Leben nicht bietet, der dünne Körper leisten oder bringen kann (Erfolg im Beruf, Bewunderung etc.). Trotz eines niedrigen Körpergewichts wollen insbesondere Magersüchtige immer dünner werden. Dabei ist aber zu beachten – wie auch bei den anderen Essstörungen –, dass es immer schwerer wird, der Krankheit zu entrinnen, je länger sie andauert. · Perfektionismus: Perfektionismus kann ein riskanter Charakterzug sein, weil perfektionistische Menschen Schlankheitsideale äußerst streng verfolgen. Bei vielen Essgestörten zeigt sich der Wunsch nach perfekter Selbstkontrolle und eiserner Disziplin. Dabei bezieht sich dieser Wunsch nicht nur auf die Figur, sondern auch auf andere Lebensbereiche. Mit dem Perfektionismus geht oft auch ein Drang nach Überlegenheit und Differenziertheit einher. Etwas zu können, was andere nicht können bzw. schaffen (bei Magersüchtigen ist dieses „Können“ das Hungern) bewirkt ein Glücksgefühl sowie ein Gefühl des Einzigartigseins und der Überlegenheit. Daher wird Essen von Magersüchtigen bei sich selbst als Niederlage empfunden. · Familienstruktur: Einige Charakteristika wurden bei Untersuchungen gehäuft in Familien von Essgestörten gefunden. So sind Familien, aus denen etwa Bulimiker hervorgehen, häufig als überangepasst zu bezeichnen. Nach außen hin erscheint die Familie perfekt. Die Eltern fordern von den Kindern große Leistungen und verplanen dementsprechend die Freizeit der Nachkommen mit diversen Aktivitäten wie Sport, Musikunterricht und dergleichen mehr. In Familien, in denen gehäuft Essstörungen zu beobachten sind, werden Gefühle und Nähe selten zugelassen. Die Erwartungshaltung der Eltern gegenüber den Kindern ist meist sehr hoch. Auch kann es möglich sein, dass zwischen Geschwistern Rivalität herrscht und untereinander konkurriert wird. Die Ursachen von Essstörungen sind demnach sehr komplex. Sie schließen eine Vielzahl an soziokulturellen, familiären, biologischen und persönlichkeitsspezifischen Faktoren mit ein. Altersgruppen bei Essstörungen Nach Alter und Schweregrad lassen sich insbesondere für Magersucht und Bulimie verschiedene Altersgruppen definieren, in denen diese Essstörungen auftreten. Die jüngste Gruppe betrifft Neun­ bis Fünfzehnjährige. Hier entstehen oft erste Versagensängste, wobei Nahrung als Ausdrucksmittel verwendet werden kann. Essen kann Trost und Qual zugleich bedeuten. Die Chancen auf Heilung in dieser Altersgruppe sind vergleichsweise günstig, wenn rechtzeitig eine Behandlung erfolgt. Die zweite Gruppe erkrankt nach der Pubertät im Alter von 15 bis 20 Jahren. Bei dieser Gruppe treten die Symptome der Essstörung meist plötzlich auf. Schnell erhält die Erkrankung einen zwanghaften Charakter. Für diese Altersgruppe wird in der Regel eine lang anhaltende Therapie von Nöten sein. Die dritte Gruppe bezieht sich auf über 25­Jährige. Die Erkrankung ist bei dieser Altersgruppe meist nur schwer therapierbar. Da die Symptome in dieser Gruppe langsam auftreten, werden oft Fehldiagnosen gestellt, was eine rechtzeitige Therapie verhindert. Somit kommt es nur selten zu einer gänzlichen Heilung. Arten der Essstörung Zu den klassischen Essstörungen zählen Magersucht (Anorexia nervosa), Ess­Brechsucht (Bulimia nervosa) und Fettsucht (Adipositas). Weitere, eher selten anzutreffende Essstörungen sind Pica und Rumination. Eine Essstörung, die in den letzten Jahren, immer häufiger zu beobachten ist, ist die so genannte Orthorexia nervosa, bei der man von gesunder Ernährung besessen ist. Pica Das Wort Pica kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Elster. Bei dieser Essstörung, die auch Picazismus genannt wird, werden aufgrund besonderer Gelüste sonderbare Dinge gegessen, die eigentlich ungenießbar sind. Menschen, die an Pica leiden, nehmen etwa Erde, Schnee, Haare, Kot oder Insekten zu sich. Es werden oftmals auch spitze Gegenstände verschluckt, die zu Verletzungen im Mund, aber auch im Magen­Darmbereich führen. Ebenso sind Parasitenbefall, Vergiftungen oder Schwermetallbelastungen mögliche Folgen von Pica. An dieser Essstörung erkranken in der Regel Kleinkinder, Schwangere, Stillende und geistig Behinderte. Meistens verschwindet diese Störung nach einigen Monaten von selbst. Nur in wenigen Fällen dauert Pica bis ins Erwachsenenalter. Bei kleinen Kindern ist beim Verzehr ungewöhnlicher Dinge wie Erde oder Papier zunächst von einem bloßen Ausprobier­ und Entdeckungsverhalten auszugehen, bei dem buchstäblich alles in den Mund genommen wird. Erst, wenn es häufig und offenbar absichtlich gewollt zu solch einem Verhalten kommt, besteht der Anlass, ein Pica­Syndrom anzunehmen. Die Ursachen für Pica sind zum Beispiel ein Eisenmangel oder ein Zinkmangel, weshalb man Appetit auf Erde bekommen kann, weil diese Eisen und Zink enthält. Pica kann aber auch wegen hoher Stressbelastung oder Verwahrlosung auftreten. Rumination Rumination ist das, was man als Wiederkäuen kennt. Bei dieser Essstörung wird bereits geschluckte und teilweise verdaute Nahrung heraufgewürgt und erneut durchgekaut. Anschließend wird der wiedergekäute Brei geschluckt. Manchmal wird der Brei aber auch ausgespuckt. Übelkeit oder Brechreiz sind nicht der Grund für das Heraufwürgen der Nahrung. Rumination tritt meist bei Säuglingen und Kleinkindern auf, aber auch bei älteren und/oder geistig behinderten Menschen. Typisch für Rumination ist eine eigene Haltung, die das Heraufwürgen begünstigt. Dabei wird der Rücken angespannt, der Kopf nach hinten gehalten, mit der Zunge werden Saugbewegungen durchgeführt. Daraufhin folgt das Wiederkäuen. Bei lang anhaltender Rumination kann es zu einer Unterernährung kommen. Bei bis zu 25 Prozent der an dieser Essstörung Erkrankten kann dies tödlich sein. Bei 75 Prozent verschwindet die Störung spontan wieder. Gelegentlich ist Rumination auch bei Bulimikern zu beobachten. EDNOS EDNOS ist die Abkürzung für „Eating Disorder Not Otherwise Specified“. Unter diesem Krankheitsbild werden Essstörungen zusammengefasst, die entweder eine Mischform aus Anorexie, Bulimie und Adipositas darstellen oder nicht eindeutig einer dieser Störungen zuzuordnen sind. Dazu gehören beispielsweise Frauen, die die Kriterien von Anorexie erfüllen, aber noch regelmäßige Menstruationsblutungen haben. Personen, die große Mengen von Nahrung kauen und danach ausspucken und nicht schlucken, werden ebenso zu EDNOS­Kranken gezählt. Binge Eating Disorder „Binge“ heißt übersetzt „Gelage“. Man bezeichnet mit Binge Eating – kurz BED – eine Essstörung, für die Essanfälle kennzeichnend sind. Bei solchen Anfällen stellt sich Heißhunger ein, wobei in kürzester Zeit ungewöhnlich große Mengen an Nahrungsmitteln aufgenommen werden. Eine Kontrolle über die gegessene Menge gibt es nicht. Es wird gegessen, ohne dass die betroffene Person Hunger verspürt. Es wird besonders schnell und vor allem alleine gegessen. Nahrung wird so lange zu sich genommen, bis ein unangenehmes Gefühl einsetzt. Nach dem Ess­Anfall treten Gefühle von Ekel, Scham oder Depressionen auf. Die auf recht kurze Zeitspannen beschränkten Essattacken unterscheiden BED von Adipositas, bei der derartige Essattacken regelmäßig auftreten. Orthorexia nervosa Orthorexia nervosa bedeutet, dass man vom gesunden Essen besessen ist. Es handelt sich bei Orthorexie um eine Essstörung, bei der sich die Gedanken des Erkrankten ständig um die Gesundheit und um gesunde Ernährung drehen. Nahrung erhält einen hohen Stellenwert und beherrscht den Alltag. Bei Orthorexia nervosa werden die Nahrungsmittel in die Kategorien „gut“ und „böse“ eingeteilt. Es wird zwischen gesunden und ungesunden Speisen differenziert. Oft beginnt diese Störung mit dem Wunsch, den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern und chronische Krankheiten zu bekämpfen. Zusätzlich können diverse strenge Diätvorschriften, die in unserer Industriegesellschaft vielfach propagiert werden, der Auslöser für dieses essgestörte Verhalten sein. Eine Person, die an Orthorexie erkrankt ist, ist regelrecht besessen von dem Gedanken, sich ausschließlich gesund zu ernähren. Genuss wird nicht mehr zugelassen. Vorwiegend werden Obst und Gemüse gegessen, Süßes oder Fettes wird vermieden. Der Verzehr von Süßem stellt für Orthorexie­Kranke eine Sünde dar und verursacht ein schlechtes Gewissen. Orthorexia nervosa macht aber nicht beim Speiseplan Halt. Auch soziale Kontakte leiden unter dieser Besessenheit, da die von dieser Essstörung betroffenen Personen versuchen, andere von ihrer Art der Ernährung zu überzeugen; sie wollen anderen ihre Ernährungsweise geradezu aufzwingen. Dadurch kommt es nach und nach zur Isolierung. Diese Isolierung ist aber ebenso eine Folge der Empfindung, dass andere, die sich „nicht gesund“ ernähren, stinken oder ekelhaft schwitzen. Die Gedanken von Orthorexie­Kranken drehen sich den ganzen Tag um Nahrung und das Erstellen eines gesunden Speiseplans. Der gesundheitliche Wert der Speisen ist dabei wichtiger als die Lust am Essen. Die Auswahl an Nahrungsmitteln wird zunehmend eingegrenzt, da immer weniger als gesund und von Schadstoffen unbelastet wahrgenommen wird. Oft beschränken sich Personen mit dieser Essstörung auf Obst und Gemüse. Meistens wird im Voraus geplant, was am nächsten Tag gegessen wird. Stundenlanges Beschäftigen mit Nährwerttabellen und Vitaminlisten sowie mit Lebensmittelangaben ist bei dieser Essstörung üblich. Die gesundheitlichen Auswirkungen der Orthorexia nervosa sind zwar nicht so gravierend wie beispielsweise bei der Magersucht, jedoch sind sie auch nicht zu unterschätzen. So kann es etwa durch die einseitige Ernährung zu Mangelfolgen kommen. Ebenso ist die psychische Komponente nicht außer Acht zu lassen. Durch die gesellschaftliche Isolation der Betroffenen können sich depressive Verstimmungen und Ähnliches einstellen. Magersucht Magersucht ist auch unter dem Namen Anorexia nervosa oder Anorexie bekannt. Die zentralen Anzeichen einer Magersucht sind starke Gewichtsabnahme mit Mangelernährung. Die Nahrungsaufnahme wird stark reduziert, wobei manche Anorexie­ Patienten auf Appetitzügler oder wassertreibenden Mittel zurückgreifen. Magersüchtige leiden unter einer ständigen Angst, zu viel zu wiegen und ständig zuzunehmen, selbst wenn sie weniger essen. Diesen Umstand nennt man Gewichtsphobie. Sie haben eine gestörte Körperwahrnehmung, was bedeutet, dass sie sich verzerrt und zu dick sehen und fühlen. Oft treiben sie zur zusätzlichen Gewichtsreduktion Sport, teilweise sogar in extremen Ausmaßen. Jemand, der an Anorexie leidet, beschäftigt sich ungewöhnlich viel mit Ernährung. Das Denken kreist den ganzen Tag um Gewicht und Essen. Der eigene Speiseplan wird stark eingeschränkt und die Lebensmittel werden in „erlaubt“ und „verboten“ eingeteilt. Meist wird auf Lightprodukte zurückgegriffen. Magersüchtige vermeiden es, in der Öffentlichkeit zu essen. Als Folge der Krankheit stellen sich Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen, niedriger Blutdruck, niedrige Körpertemperatur und Herzbeschwerden ein. Ebenso kann es zu vermehrter Behaarung an gewissen Körperstellen kommen, was man Lanugo (eigentlich die bei Babys auftretende Flaumbehaarung) nennt. Zudem wird die Hormonproduktion auf Sparflamme gestellt, wodurch es zu einem Ausbleiben der Regelblutung kommt (Amenorrhoe). Weiters können sich Organbeschwerden (etwa im Magen­Darmbereich) bemerkbar machen, die ernst zu nehmen sind. Die Magersucht kann zu schweren körperlichen Schäden führen und im schlimmsten Fall tödlich enden. Bei der Magersucht sind zwei Typen zu unterscheiden: der restriktive und der bulimische Typ. Beim restriktiven Typ wird das Gewicht ausschließlich durch Fasten und Hungern reduziert. Der bulimische Typ fastet und hungert ebenso, hat allerdings auch Phasen, in denen Heißhungeranfälle mit Essattacken auftreten, wonach erbrochen wird. Allen magersüchtigen Menschen ist großer Ehrgeiz sowie Leistungsstreben verbunden mit Versagensängsten gemeinsam. Diagnosekriterien für eine Magersucht sind neben den eben genannten typischen Anzeichen ein BMI von unter 17,5 sowie Verleugnen des Hungers, psychische Symptome wie Depressionen und Stimmungsschwankungen und sozialer Rückzug. Die meisten Magersüchtigen entwickeln zudem aufgrund eines Kalziummangels eine Osteoporose. Ess­Brechsucht Ess­Brechsucht ist auch unter dem Begriff Bulimia nervosa bzw. Bulimie bekannt. Die Hauptmerkmale der Ess­Brechsucht sind immer wiederkehrende Essattacken, bei denen enorme Mengen an kalorien­ und fettreichen Nahrungsmitteln verschlungen werden. Anschließend werden Maßnahmen gesetzt, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Wie bei Essstörungen üblich beschäftigen sich Personen, die an Bulimie leiden, ständig mit Ernährung und dem eigenen Körper und Gewicht. Essen wird in „erlaubte“ und „unerlaubte“ Lebensmittel eingeteilt. „Erlaubte“ Lebensmittel werden im Alltag gegessen, „unerlaubte“ hingegen werden während einer Essattacke verschlungen. Meistens essen Menschen, die Bulimie haben, nicht in der Öffentlichkeit. Das Selbstwertgefühl wird stark von der Figur, die oftmals verzerrt wahrgenommen wird, abhängig gemacht. Auch Bulimiker haben wie Magersüchtige eine Gewichtsphobie. Im Gegensatz zur Anorexie kommt es bei Bulimia nervosa aber kaum zu einer beträchtlichen Gewichtsabnahme. Die meisten Betroffenen sind normalgewichtig, weshalb die Erkrankung meistens erst spät entdeckt wird. Grundsätzlich werden bei der Bulimie zwei Typen unterschieden: der Purging­Typ und der Nicht­Purging­Typ. Das Wort „purging“ stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „reinigen“ oder „entschlacken“. Beim Purging­Typ zeigen sich regelmäßig Essattacken, wobei meistens kalorien­ und fettreiche Nahrung verschlungen wird. Anschließend wird willentlich erbrochen oder abgeführt, was mithilfe von Abführmitteln oder Klistierspritzen erfolgt. Manche Bulimiker erbrechen automatisch, das heißt, sie müssen es nicht absichtlich herbeiführen. Der Nicht­Purging­Typ „gleicht“ die Essattacken auf eine andere Art aus. Um nicht zuzunehmen, wird nach einer Essattacke gefastet, gehungert oder extrem viel Sport betrieben. Der Nicht­Purging­Typ erbricht nicht regelmäßig. Die Essattacken erfolgen in aller Heimlichkeit, meistens am späten Abend oder in der Nacht. Dabei werden durchschnittlich bis zu 5000 Kilokalorien verzehrt. Nach derartigen Anfällen fühlen sich Bulimiker schlecht, sie fühlen sich wortwörtlich zum „Kotzen“. Ein Problem, das die Ess­Brechsucht mit sich führt, ist, dass sich der Magen durch die Essattacken erweitert, weshalb die Sättigungsgrenze ständig nach oben hin verschoben wird. Daher benötigt ein Bulimiker/eine Bulimikerin beim nächsten Anfall noch mehr Nahrung, um sich satt zu fühlen. Zudem führt das Erbrechen auf die Dauer zu starken gesundheitlichen Problemen. Schmerzen und Entzündungen in Speiseröhre sowie Rachen­ und Mundbereich sind nur ein Teil der möglichen Konsequenzen bulimischen Verhaltens. Diabulimie Eine Essstörung, bei der es sich meist um einen Sonderfall der Bulimie handelt, ist die Diabulimie (Diabetiker­Bulimie). Diabulimie bezeichnet das Verhalten von Diabetikern und Diabetikerinnen der Diabetes mellitus (Typ 1), sich selbst bewusst niedrig dosierte Insulingaben zu verabreichen, um das Gewicht besser halten zu können. Bis zu ein Drittel der jungen Mädchen, die an Diabetes leiden, lässt Insulin­Injektionen aus, um dünn zu bleiben. Ausgangspunkt für dieses Verhalten ist in der Regel eine bereits bestehende Bulimie. Insulin ist im Körper dafür verantwortlich, Glukose (Zucker) vom Blut in die Zellen zu transportieren. Ohne Insulin verhungern die Zellen im wahrsten Sinne des Wortes, während der Organismus vom hohen Glukosegehalt des Blutes belastet wird. Die körperlichen Folgen von Diabulimie sind deshalb äußerst bedrohlich. Sehr häufig treten schwere und irreversible Folgeschäden an Augen, Nieren oder anderen Organen auf. Warnzeichen für Diabulimie sind Gewichtsabnahme trotz normaler oder zunehmender Ernährung bei Energiemangel, hoher Blutzuckerspiegel und/oder häufiger Drang zu urinieren, da bei hohem Blutzuckerspiegel die Nieren auf Hochtouren arbeiten müssen, um die überschüssige Glukose aus dem Blut zu filtern. Fettsucht Fettsucht wird auch Adipositas genannt. Adipositas ist im Allgemeinen durch die übermäßige Anhäufung von Fett im Körper charakterisiert. Ab einem BMI von 30 spricht man von Fettsucht. Extreme Adipositas beginnt bei einem BMI von 40. Übermäßiges Körpergewicht ist die Folge von zu viel und vor allem zu kalorien­ und fetthaltiger Nahrung. Zudem fehlt es oft an genügend Bewegung. Adipöse Personen essen häufiger, mehr und schneller als normalgewichtige Menschen. Sie lassen sich auch öfter durch äußere Reize zum Essen verleiten. So kann zum Beispiel der Geruch von Speisen starken Appetit auslösen, dem Adipöse nicht widerstehen können. Essen kann aber auch dazu dienen, Gefühle zu kompensieren, Stress zu bewältigen oder sich einfach abzulenken. Überforderung und Überlastung führen bei Fettsüchtigen häufig zum Verlust der Kontrolle über das Essen. Aber auch Unterforderung und Langeweile können zu vermehrter Nahrungsaufnahme führen. In solchen Situationen kommt es zu Heißhungerattacken. Die Folge sind wahre Fressorgien, wobei große Nahrungsmengen verschlungen werden. Rauschartig werden große Mengen an zucker­ und fettreichen Speisen und Getränken verzehrt. Oft stellt sich währenddessen ein unangenehmes Völlegefühl ein, dennoch wird weitergegessen. Hunger spielt bei diesem gestörten Essverhalten keine Rolle. Betroffene haben im Laufe dieser Anfälle nur eine geringe bzw. gar keine Kontrolle über ihr Verhalten. Diese Essattacken finden in der Regel nicht in der Öffentlichkeit statt. Fettsüchtige essen meistens aus Scham alleine. Zu den Essanfällen kommt es besonders abends oder nachts. Nach derartigen Anfällen fühlen sich Adipöse ekelhaft und schuldig. Oft sind Depressionen zu beobachten. Betroffene leiden stark unter ihren Heißhungerattacken, fühlen sich aber ausgeliefert und ohnmächtig. Menschen mit Fettsucht setzen nach einem Essanfall keine kompensatorischen Maßnahmen, das bedeutet, dass sie nicht – wie Bulimiker – anschließend erbrechen, abführen, fasten oder übermäßig Sport treiben. Aufgrund des Ekels vor sich selbst und der sich oftmals einstellenden Depressionen ziehen sich Fettsüchtige von der Gesellschaft zurück. Wie bei allen Essstörungen machen auch Fettsüchtige ihr Selbstwertgefühl stark von ihrem Gewicht abhängig. Sie fühlen sich ständig schlecht und haben wenig Selbstbewusstsein. Die meisten Fettsüchtigen versuchen immer wieder mittels diverser Diäten, abzunehmen. Stellt sich allerdings kein (rascher) Erfolg ein oder „halten sie nicht durch“, resignieren sie. Sie meinen dann, dass ohnehin schon alles gleichgültig ist und essen in der Folge noch mehr als zuvor, wodurch sie wieder zunehmen. Es handelt sich um einen wahren Teufelskreis, der nicht nur psychische Auswirkungen hat, sondern vor allem körperliche. Adipöse Menschen leiden häufig wegen des starken Übergewichts an Herzproblemen, entwickeln Diabetes, bekommen Gelenkserkrankungen etc. Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind massiv und führen oft zu einem frühzeitigen Tod. Essstörungen bei Männern Essstörungen werden nach wie vor fast nur Frauen zugeschrieben, obwohl Störungen wie Anorexie und Bulimie in erschreckendem Masse auch bei immer mehr Männern auftreten. Auch die Annahme, dass es sich bei Männern mit Essstörungen ausschließlich um homosexuell orientierte Männer handelt, ist falsch. Jeder zehnte an Essstörungen erkrankte Mensch ist heutzutage ein Mann. Mögliche Auslöser für eine Essstörung bei Männern sind Training für Leistungssport, Ängste bezüglich der Sexualität, Probleme mit dem Erwachsenwerden, aber auch die Orientierung an übertriebenen Schönheitsidealen, die das eigene Erscheinungsbild als unakzeptabel erscheinen lassen. Hieraus entsteht auch bei Männern der Wunsch nach einem perfekten Körper. Die Ausgangssituation der Männer und Frauen am Anfang der Essstörung jedoch ist sehr verschieden. Wohingegen Mädchen zum Beginn der Pubertät weibliche Formen bekommen und meinen, dass sie dick werden, bekommen männliche Pubertierende das Gefühl, zu schmächtig und schwach zu sein. Dementsprechend versuchen junge Männer eher Muskeln aufzubauen und junge Frauen ihre weiblichen Rundungen loszuwerden. Bei Männern wird die Empfindung, zu schmächtig zu sein, als Adonis­Komplex bezeichnet, was für ein ständiges zwanghaftes Streben nach dem Idealkörper steht. Männer reagieren mit übertriebenem Sport auf ihr als mangelhaft wahrgenommenes Aussehen und helfen diesem auch mit gefährlichen Praktiken wie Entwässern oder Einnahme von Steroide nach. Ein weiterer Grund für den Wunsch, eine „perfekte“ Figur zu haben, ist dass der berufliche Erfolg meist auch am Aussehen gemessen wird, denn schlanke Menschen gelten als dynamisch und leistungsstark. Ein großes Problem für betroffene Männer ist, dass sie kaum Hilfe suchen bzw. noch seltener annehmen als Frauen. Männer sind es oftmals nicht gewohnt, ihre Schwächen zu thematisieren und haben noch eher als weibliche Essgestörte das Gefühl, ein Versager zu sein. Medizinische Komplikationen Menschen mit Essstörungen sind sich lange Zeit nicht bewusst, dass ihre Erkrankung zu körperlichen Schäden oder gar zum Tod führen kann. Der Gedanke an Lebensgefahr erscheint einer essgestörten Person absurd. Tatsächlich stellen sich aber gesundheitliche Komplikationen ein. Diese beschränken sich nicht nur auf das Körperliche, sondern beziehen sich ebenso auf die Psyche. Bei Anorexia nervosa etwa spielen Mangel­ und Unterernährung die wichtigste Rolle. Da viele Magersüchtige auch zu wenig trinken, kommt es zu entsprechenden Folgen. Bei Bulimia nervosa stellt sich durch das häufige Erbrechen ein Flüssigkeitsverlust ein. Zudem können schwerwiegende Folgen durch die Magensäure entstehen, die beim Erbrechen in die Mundhöhle gelangt. Verätzungen an Speiseröhre oder Schäden an Zähnen sind häufig. Betroffene von Magersucht und Ess­Brechsucht leiden sehr häufig an Kaliummangel. Dieser entsteht zum einen durch Unterernährung, zum anderen aber auch durch Entwässerungsmittel. Ein schwerer Kaliummangel kann Herzprobleme verursachen, aber auch die Funktion von Nieren, Magen und Darm beeinträchtigen. Menschen, die an Adipositas leiden, entwickeln meist Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte sowie Diabetes. Ebenso kann es durch die Gewichtsbelastung zu schweren Schäden im Gelenks­, Muskel­ und Knochenbereich kommen. Für alle Essgestörten erhöht sich die Gefahr, an Osteoporose (Knochenschwund) zu erkranken. Jede Essstörung bringt die Gefahr mit sich, an einer Herzrhythmusstörung zu erkranken. Es kann ebenso zu Hormonstörungen und Problemen im Magen­Darmbereich kommen. Weiters kommt es nicht selten zu Hautirritationen, Leber­ und/oder Nierenproblemen sowie Störungen des Nervensystems. Letztere zeigen sich zum Beispiel in Form von Nervenlähmungen, Konzentrationsstörungen sowie Depressionen. Die Auflistung ist unvollständig, da die Bandbreite der medizinischen Folgen, die sich durch eine Essstörung einstellen können, enorm ist. Leider bilden sich nicht alle Störungen nach einer Gewichtsnormalisierung wieder vollständig zurück. Festzuhalten ist dennoch, dass je eher eine Therapie Erfolge zeigt bzw. je eher die essgestörte Person etwas gegen ihre Krankheit unternimmt, desto größer sind die Chancen, die medizinischen Folgen zu beseitigen oder zumindest in ihrem Ausmaß zu lindern. Wege aus der Krankheit – Therapien und Selbsthilfe Am Anfang jeder Therapie steht die Diagnosestellung. Dazu bedient man sich gewisser Diagnosekriterien, also Anzeichen, die bereits bei den jeweiligen Essstörungsarten angeführt wurden. Zur Diagnosestellung gehört eine Blutuntersuchung, um etwaige gesundheitliche Folgen festzustellen. Es ist wichtig, einen essgestörten Menschen ganzheitlich zu behandeln. Das heißt, dass sowohl Körper als auch Seele betreut werden sollten. Weiters ist es wichtig, die Ziele der Therapie zu formulieren. In erster Linie sollte das Wahrnehmen und Kennenlernen der eigenen Person im Mittelpunkt stehen, da sich Menschen mit Essstörungen von sich selbst entfremdet haben. Sie müssen lernen, wie sie von ihrer Umwelt wahrgenommen werden und sollen gleichzeitig adäquat beurteilen lernen, wie die Reaktion der Mitmenschen auf sie tatsächlich ist. Wichtig ist dabei die Unterscheidung des wirklichen Ich vom essgestörten Ich. Der Patient/die Patientin muss zudem ein Verständnis für die eigene Krankheit und deren medizinische Folgen aufbringen lernen. Ebenso sollte viel wert auf das Erproben von Fähigkeiten und den Aufbau von Problemlösungsstrategien gelegt werden. Da Essgestörte ihre Krankheit stets als Ventil benützen, ist das Trainieren von Ressourcen und Strategien zu Stress­ und Problembewältigung von großer Bedeutung. Auch soll es zu einem Annehmen von Hilfe kommen. Eine essgestörte Person muss erst lernen, dass sie durch die Akzeptanz von Hilfe nicht ihre Autonomie verliert, sondern durch Hilfe gewinnt (etwa an Erfahrung, Lebensqualität, Leichtigkeit). All dies muss in einer Therapie so weit in den Patienten/die Patientin integriert werden, dass die Umsetzung im Alltag selbstverständlich wird. Ferner ist es wichtig, dass die essgestörte Person Ziele im Leben formuliert und diese auch tatsächlich anstreben möchte. Dabei soll jedoch keine Überforderung stattfinden. Die Ziele dürfen nicht utopisch sein, sondern sollen erreichbar erscheinen. Das Anstreben eines Ziels und das Erreichen desselben können das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl enorm steigern. Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl sind bei Essstörungen auf jeden Fall zu fördern, da sich essgestörte Menschen in der Regel als minderwertig und überflüssig empfinden. Neben der Formulierung von Zielen ist das Ansprechen der Bedingungen, die die Essstörung verursacht und begünstigt haben, relevant. Es gibt unzählige Ursachen für eine Essstörung; Beispiele sind unter anderem Traumata wie sexueller Missbrauch, schulische Probleme, Überforderung und Verlust sowie Trennungsschmerz. Therapieformen Eine Therapie kann Anstöße geben, aber den Weg zur Heilung muss jeder Betroffene selbst gehen. Dabei ist vor allem wichtig, Möglichkeiten zu finden, Spannungen abzubauen, ohne zu den bekannten Strategien (Kompensation auf das Essverhalten) zurückzugreifen. Neben der Erkenntnis, dass die essgestörte Person selbst wesentlich an ihrer Heilung beteiligt ist, ist auch die Wahl der Therapie von Bedeutung. Die Wahl der Therapieform hängt individuell von dem Patienten/der Patientin ab. Dabei kommt es auf die Essstörungsart, die Ursachen, die jeweilige Person etc. an. Im Folgenden werden einige Formen der Therapie genannt. · Ambulante Therapie: Die Arten der Therapien sind vielfältig. Ambulant bedeutet, dass keine Aufnahme in ein Krankenhaus erfolgt. Das heißt, dass der Patient/die Patientin das gewohnte Umfeld nicht verlassen muss. In der Regel dauert eine Therapiesitzung eine Stunde und erfolgt im Abstand von ein bis zwei Wochen. Bei jeder Form der Therapie ist das Vertrauen zum Therapeuten/zur Therapeutin von Belang. Es können nämlich Gefühle hochkommen, die man sich jahrelang nicht eingestanden hat bzw. die einem noch nicht bewusst waren. Der Blick ins eigene Innere kann unter Umständen sehr belastend sein. Ambulant können herkömmliche Gesprächstherapien, Verhaltenstherapie, Hypnosetherapie sowie Gruppen­ oder Familientherapien und dergleichen mehr besucht werden. Es gibt zahlreiche therapeutische Angebote. Dabei ist die Wahl der Therapieform von jedem Patienten/jeder Patientin individuell abhängig. · Stationäre Therapie: Psychosomatische Kliniken bzw. Krankenhäuser mit Schwerpunkt Essstörungen bieten ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten. Meist wird die Vorgangsweise je nach Bedürfnissen zugeschnitten. In der Regel steht die Erreichung eines „gesunden“ Gewichts im Vordergrund. Empfehlenswert ist eine stationäre Aufnahme bei schweren, gesundheitlichen Auswirkungen, Lebensgefahr und bei Menschen, die meinen, dass sie ohne professionelle Hilfe nicht mehr gesund werden können. · Ernährungsberatung: Ziel einer Ernährungsberatung ist eine gesunde, ausgewogene Ernährung und das Anstreben eines „gesunden“ Gewichts. Durch eine Ernährungsberatung sollen Folgeschäden, die sich durch falsche Essgewohnheiten eingestellt haben, gemindert bzw. aufgehoben werden. · Medikamentöse Therapie: Diese Art der Therapie spielt bei Essstörungen eine nicht so große Rolle. Manchmal werden bei psychischen Auswirkungen wie Depressionen Antidepressiva eingesetzt. Bei Adipositas kann mithilfe von Arzneimitteln die Fettverdauung angeregt werden, um eine Gewichtsabnahme zu fördern. Dabei kann eine Abnahme von bis zu 10 Prozent erreicht werden. Die Wirksamkeit ist allerdings stark von kalorienreduzierte Kost und Bewegung abhängig. · Chirurgische Therapie bei Adipositas: Ein chirurgischer Eingriff ist nur bei extremer Adipositas und nach einem Scheitern konservativer Therapien angebracht. Es gibt verschiedene Arten der chirurgischen Therapie bei Esssucht. So kann der Magen verkleinert werden, der Mageneingang mittels Magenband verkleinert werden oder der Darm für eine veränderte Nährstoffaufnahme operiert werden. Diese Eingriffe sind jedoch keine einfachen und schnellen Lösungen und sollten nur die letzte Möglichkeit darstellen. · Entspannungstherapie: Als besonders wirkungsvoll erweisen sich vor allem Entspannungstherapien wie autogenes Training und Progressive Muskelentspannung. Beim autogenen Training handelt es sich um bewusste Selbstentspannung, wodurch innere Ruhe erreicht werden soll. Progressive Muskelentspannung zielt darauf ab, Spannungen abzubauen; sowohl körperliche als auch seelische. Gleichzeitig wird der Körper bei dieser Technik durch bewusstes Anspannen und anschließendes Entspannen von Muskelpartien intensiver wahrgenommen. · Gestalttherapie: Zur Gestalttherapie zählen Mal­, Ton­ sowie Musiktherapie. Diese Form der Therapie ist vor allem für diejenigen empfehlenswert, die Probleme schwer in Worte fassen können oder die sich der Ursache ihrer Essstörung noch nicht bewusst sind. Es geht hier in erster Linie um die Bearbeitung aktueller Prozesse. Die Erfahrung im Jetzt wird gefördert. Dabei wird der Patient angeleitet, Erfahrungen etwa als Melodie zu spielen und so zu intensivieren. Im Optimalfall stellen sich Erkenntnis und Verständnis für die eigene Situation ein. Was kann die essgestörte Person selbst zur Gesundung beitragen? Der erste Schritt ist immer, sich selbst einzugestehen, dass man an einer Essstörung leidet! Der feste Wille, die Essstörung aufzugeben, ist ausschlaggebend für die Bewältigung der Krankheit. Die wichtigste Voraussetzung ist, sich vom Gedanken zu verabschieden, dass die Figur für Lebensglück bzw. Misserfolge verantwortlich ist. Gleichzeitig muss das Denken in Kategorien „zu viel“, „zu wenig“, „zu dick“, „zu dünn“ aufgegeben werden. Das Bewusstsein, dass es wichtigere Dinge als Figur und Gewicht gibt, muss gefördert werden. Dazu sollte auch eine Befreiung von der Waage erfolgen. Gefühle sollten nicht vom Gewicht abhängig gemacht werden! Von Relevanz ist auch das Erlernen von Alternativen für Stress­ und Angstbewältigung. So können Entspannungstechniken (autogenes Training, Yoga, Meditation etc.) in schwierigen Situationen eine große Hilfe sein. Im Bereich der Ernährung spielt das objektive Beobachten der eigenen Essgewohnheiten eine große Rolle. Gesunde, ausgewogene Ernährung, feste Essenszeiten, bewusstes Essen in gemütlicher Atmosphäre können die Bewältigung der Essstörung günstig beeinflussen. Hier ist eine Ernährungsberatung als unterstützende Maßnahme angeraten. Wenn sich vor, während oder nach dem Essen ein negatives Gefühl einschleicht, sollte man innerlich „Stopp“ rufen und seine Gedanken in eine positive Richtung lenken. Bei Rückfällen – wenn ein Esssüchtiger etwa eine Essattacke hatte – ist es wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen. Rückfälle sind Signale, die zeigen, dass etwas nicht stimmt. Dabei sollte den Ursachen auf den Grund gegangen werden. Sich selbst wegen des Rückfalls schlecht zu machen oder gar als Versager zu fühlen wäre nur dekonstruktiv. Aus einer Essstörung gelangt man nicht von heute auf morgen. Es handelt sich dabei um einen (langen) Lernprozess. Alte Muster müssen Schritt für Schritt abgelegt werden. Neues wie Entspannungstechniken oder Genießen und bewusstes Aufnehmen von Nahrung muss erst eingeübt werden, da all dies im Laufe der Suchterkrankung verlernt wurde. Von zentraler Bedeutung ist das soziale Umfeld. Der Kontakt zu Mitmenschen kann sich positiv auf das Befinden auswirken. Zudem benötigt man eine Vertrauensperson, mit der man offen über Gefühle reden kann, denn nichts sollte mehr hinuntergeschluckt werden. Selbst an einem Problem zu tragen kann sich nämlich wiederum negativ auf die Heilung auswirken. Prognosen Die Prognosen in Bezug auf Essstörungen sind von vielen Faktoren abhängig. Dabei spielen das Alter, in dem die Essstörung erstmals auftritt, ebenso eine Rolle wie das soziale Umfeld, die Ursache für die Erkrankung, die Therapie etc. Die beste Aussicht auf Heilung besteht laut Studienergebnissen, wenn zwischen Patient und Therapeut eine gute Zusammenarbeit besteht. Dies ist in der Regel sogar wichtiger als die Art der Therapie, da das Vertrauen im Falle von Essstörungen und im Allgemeinen in einer Therapie von äußerster Wichtigkeit ist. Nicht immer kommt es zu einer vollkommenen Gesundung bei Essstörungen. Bei Essstörungen bleibt oftmals die verzerrte Einstellung zu Gewicht und Körper trotz Gewichtsnormalisierung bestehen. So sehen sich zum Beispiel Magersüchtige weiterhin zu dick, das heißt die Körperbildstörung hält an. Es kann auch bei Esssüchtigen der Fall sein, dass sie trotz Gewichtsabnahme weiterhin das Gefühl haben, zu dick zu sein. Dass die Körperwahrnehmung gestört bleibt, ist demnach häufig der Fall bei Betroffenen von Essstörungen. Nach der Besserung einer Essstörung kann es auch sein, dass Betroffene später unter anderen psychischen Problemen wie Depressionen, Zwangsstörungen oder Alkohol­ bzw. Drogensucht leiden. · Magersucht: Bei Magersucht kann es sich um ein dramatisch verlaufendes Krankheitsbild verbunden mit einer hohen Sterberate handeln. Bei nur etwa 30 Prozent der an Anorexie Erkrankten zeigt sich nach einer Therapie eine vollständige Besserung. Von Besserung spricht man, wenn zumindest annähernd Normalgewicht erreicht wird und die Menstruation regelmäßig erfolgt. Es kann aber durchaus zu Rückfällen kommen, etwa in schweren Krisensituationen. Bei ungefähr 25 Prozent der Magersüchtigen bleibt die Krankheit ein Leben lang bestehen. Rund 10 Prozent der Magersüchtigen sterben infolge von Unterernährung oder Selbstmord. Äußerst ungünstig sind die Prognosen, wenn die Krankheit jahrelang unbehandelt bleibt, wenn jegliche Kankheitseinsicht fehlt und wenn die Erkrankung nach dem 18. bzw. vor dem 11. Lebensjahr erstmals auftritt. · Ess­Brechsucht: Von den behandelten Erkrankten wird ungefähr die Hälfte gesund. Jede fünfte Person, die Bulimie hat, kann sich nicht aus der Sucht befreien. Zudem besteht eine Rückfallquote von 30 Prozent bei den zunächst erfolgreich Therapierten. Generell gilt, dass die Heilungsaussichten günstiger sind, je früher die Bulimie beginnt und je kürzer sie dauert. Insgesamt ist der Krankheitsverlauf bei Bulimie günstiger als bei Anorexie, zumindest in Bezug auf die Sterblichkeit. Die Prognosen sind allerdings ungünstig, wenn neben der Bulimie ein Medikamentenmissbrauch stattfindet. · Esssucht: Das Sterblichkeitsrisiko bei Adipositas ist besonders bei einem BMI über 40 sehr groß. Aber auch bei einem BMI von über 35 ist die Gefahr, an der Esssucht zu sterben groß, wenn zudem Folgeerkrankungen wie Diabetes auftreten. Die Rückfallquote bei Betroffenen ist relativ hoch. Oftmals kommt es zu dem so genannten Jojo­Effekt, was bedeutet, dass nach einer gelungenen Diät eine stärkere Gewichtszunahme erfolgt. Besonders bei starkem Übergewicht erweist sich die Behandlung als schwierig. Rückschläge oder ausbleibender Erfolg führen häufig zu Resignation. Erfolgreich sind bei Adipositas daher nur langfristige Behandlungskonzepte mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Flüssigkeitszufuhr und regelmäßiger Bewegung. Der Erfolg einer Therapie hängt bei dieser Essstörung stark von der Motivation ab. Tipps für Angehörige Menschen mit Essstörungen sind für Menschen ohne Essstörungen nicht leicht zu verstehen. Für Personen aus dem nahen Umfeld ist es oft sehr schwer, mit der Situation umzugehen. Viele Angehörige von Essgestörten fühlen sich überfordert, ohnmächtig und machen sich große Sorgen oder reagieren gar mit Wut. Es ist nicht einfach, sich adäquat einem Essgestörten gegenüber zu verhalten. Aber auch der bloße Verdacht auf eine Essstörung kann bereits eine große Belastung für das Umfeld darstellen. Im Folgenden werden einige Tipps für Verwandte, Freunde und Bekannte von Essgestörten angeführt. Ebenso wird erwähnt, wie man bei Verdacht auf Anorexie, Bulimie, Esssucht und so weiter reagieren kann. Was tun bei Verdacht? · Den Betroffenen/die Betroffene vorsichtig ansprechen. Dabei muss in erster Linie Vertrauen aufgebaut werden. Nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen! Der Betroffene/die Betroffene soll nicht das Gefühl haben, dass es sich um ein Verhör handelt oder dass er/sie etwas Falsches tut. · Es ist wichtig, ehrlich zu sein. Sorgen dürfen gezeigt werden. · Bestätigt sich der Verdacht, können Informationen gegeben werden (diverse Broschüren, Telefonnummern bzw. Adressen von spezialisierten Einrichtungen und Therapeuten etc.). Auch ein Hinweisen auf Folgeerscheinungen einer Essstörung ist angebracht. Dazu sollte man sich aber vorab gut mit der Materie auseinandersetzen, um gezielt und richtig zu informieren. · Wenn der Betroffene/die Betroffene den Wunsch äußert, in Ruhe gelassen zu werden, sollte dies akzeptiert werden, da es sonst zu einem Rückzug kommt. Dadurch kann sich vieles verschlimmern. Ein Aufdrängen der eigenen Meinung ist nicht angebracht. Verständnis und Geduld sind gefragt. · Zeigt der Betroffene/die Betroffene, dass er/sie Hilfe annehmen möchte, dann sollte diese auch angeboten werden. Und ganz wichtig ist, zuzuhören und nicht bagatellisieren. Die Gefühle von Essgestörten sind leicht verletzbar. Der Umgang mit Essgestörten · Es ist wichtig, sich über die jeweilige Essstörung gut zu informieren, um entsprechend auf den Betroffenen/die Betroffene einzugehen. Angehörige haben die Möglichkeit, sich bei Ärzten und/oder Therapeuten Ratschläge zu holen. · Der betroffenen Person sollte immer wieder Hilfe angeboten werden. Dabei ist auf das richtige Maß zu achten. Hilfe anbieten, nicht aufdrängen, lautet die Devise! · Der essgestörten Person sollte gezeigt werden, dass sie liebenswert und besonders ist, unabhängig von Figur oder Ernährung. · Ehrlichkeit ist von großer Bedeutung! Angehörige haben das Recht, ihre Sorgen zu zeigen. · Motivieren ist äußerst relevant. Der betroffenen Person sollte klargemacht werden, dass sie selbst die Kraft und die Möglichkeit hat, etwas gegen die Krankheit zu tun. Dabei darf sie aber gerne Hilfe annehmen. Das zeugt nicht von Schwäche, sondern von Stärke, da ein Eingestehen der Krankheit nicht leicht ist, also viel Kraft braucht. · Wenn der Betroffene/die Betroffene den Wunsch äußert, in Ruhe gelassen zu werden, sollte dies akzeptiert werden, da es sonst zu einem Rückzug kommt. Dadurch kann sich vieles verschlimmern. Ein Aufdrängen der eigenen Meinung ist nicht angebracht. Verständnis und Geduld sind gefragt. Essgestörte leiden selbst am meisten unter ihrer Situation. · Ganz wichtig ist, dass sich Angehörige bewusst machen, dass Menschen mit Essstörungen nicht absichtlich krank sind. Mit deren Verhalten wollen sie niemandem das Leben schwer machen oder gar jemanden ärgern. Essgestörte haben nur im Moment keine Alternative zur Konfliktbewältigung. · Mit Essgestörten sollte nicht ständig über Ernährung, Kalorien und Figur gesprochen werden. Damit beschäftigen sie sich aufgrund ihrer Sucht ohnehin die ganze Zeit. Andere Themen sollten aufgezeigt werden, damit der Betroffene/die Betroffene lernt, dass es noch etwas anderes als die Sucht gibt. Daher gilt auch, dass nicht dauernd nach der Ernährungsweise der Erkrankten gefragt werden sollte. Und ein Beobachten eines Essgestörten/einer Essgestörten beim Essen ist selbstredend tabu! Essenseinladungen sollten vermieden werden. Angehörige sollten den Betroffenen/die Betroffene nicht mit Essenssituationen belasten. Es gibt genügend andere Aktivitäten, bei denen sich Essgestörte wohler fühlen. · Sätze wie „Du hast aber ganz schön zugenommen“ oder „Jetzt siehst du gut/besser aus“ sind zu vermeiden! Diese Sätze verursachen bei Betroffenen ein noch schlechteres Gewissen und können sich negativ auswirken. · Vergleiche sind ebenso zu meiden. Sie sind nicht hilfreich. Jeder ist einzigartig! Genau das sollte der Betroffene/die Betroffene auch lernen. Er/sie ist etwas Besonderes, weil er/sie ist, wer er/sie ist. · Zeigt der Betroffene/die Betroffene, dass er/sie Hilfe annehmen möchte, dann sollte diese auch angeboten werden. Und ganz wichtig ist, zuzuhören und nicht bagatellisieren. Die Gefühle von Essgestörten sind leicht verletzbar. · Informationen können gegeben werden (diverse Broschüren, Telefonnummern bzw. Adressen von spezialisierten Einrichtungen und Therapeuten etc.). Auch ein Hinweisen auf Folgeerscheinungen einer Essstörung ist angebracht. Dazu sollte man sich aber vorab gut mit der Materie auseinandersetzen, um gezielt und richtig zu informieren. Angehörige müssen Geduld zeigen, zuhören und ehrlich sein! Und vor allem gilt: Das Problem nicht anzusprechen, ist keine Lösung! Die Gefühlswelt einer Magersüchtigen Franziska K. berichtet von ihrer Situation Ich habe noch nicht einmal meine Augen geöffnet und „weiß“ bereits – ohne mich ansehen zu müssen –, dass ich zu dick bin. Nicht nur dick, nein, richtig fett! Ich „weiß“ das, weil es mir diese Stimme sagt. Sie sagt es mir laut und deutlich. Die Stimme der Magersucht spricht nun schon seit über 10 Jahren zu mir und versichert mir tagtäglich, dass ich unförmig, fett, widerlich bin. Egal, wie viel ich abnehme, sie garantiert mir, dass ich absolut zu viel wiege. Sie garantiert mir, dass ich „gut aussehe“ – also mehr als gut genährt bin, überernährt bin, fett bin wie ein Mastschwein kurz vor der Schlachtung. Tatsächlich ist es aber so, dass ich unterernährt bin, nicht gut aussehe, keineswegs zu fett bin. Das sagen Ärzte, Freunde, Verwandte, MEINE innere Stimme. Sie alle aber sind im Gegensatz zur Magersucht zu leise. Ich kann sie kaum hören, ich verstehe nicht, was sie sagen, und wenn ich ihre Ängste und Sorgen um mich wahrnehme, dann nur so lange, bis die Magersucht ihnen das Wort im Mund umdreht. Darin ist sie eine wahre Meisterin. Sie schafft es, aus einem harmlosen Satz, der sich auf mich und meinen Körper bezieht, eine Katastrophe zu machen. Sie schafft es aber auch, aus etwas nicht Gesagtem eine Katastrophe zu machen. Höre ich einen Tag lang nichts über meinen besorgniserregenden Zustand, dann versichert mir die Magersucht, dass ich mindestens 5 Kilo dicker aussehe als Tags zuvor. Sie ist eine wahre Meisterin der Illusion. Jeder Magier kann sich vor ihr verstecken. Die Magersucht hat unglaubliche, destruktive Fähigkeiten. Sie kann mir weismachen, dass ich innerhalb von einigen Stunden um etliche Kilo schwerer wirke, dass ich nach einem Bissen Nahrung einen aufgequollenen Bauch habe, dass ich nach einem Schluck Wasser einen „Wasserbauch“ habe, dass ich dicke Finger habe, obwohl mir nicht einmal Kinderringe passen. Und das Schlimmste ist, dass die Magersucht nicht nur meine visuelle Wahrnehmung beeinflusst, sondern jeden meiner Sinne. Sie gibt mir das Gefühl, zu riechen wie ein übergewichtiger, verschwitzter Mensch im Hochsommer, der sich noch dazu angemacht hat. Sie gibt mir das Gefühl, ständig ranziges Öl gegessen zu haben, denn diesen Geschmack habe ich oftmals im Mund. Und sie beeinflusst meinen Tastsinn. Denn wenn ich mich berühre, was ich inzwischen so gut wie möglich vermeide, spüre ich statt Knochen Fett. Ich nehme Fettpolster wahr, wo keine sind. Ich nehme einen fetten Hintern wahr, obwohl mir meine Mutter sagt, dass ich gar kein Sitzfleisch mehr habe und obwohl ich Gesäßschmerzen habe, weil ich direkt auf den Knochen sitze. Mein Leben ist paradox, seit sich die Magersucht in mich eingenistet hat wie ein Parasit. Ich „weiß“, dass ich zu fett bin und unbedingt abnehmen muss, andererseits weiß ich, dass ich zu dünn bin und zunehmen sollte. Seit über 10 Jahren quält mich diese Zerrissenheit. Seit über 10 Jahren stecke ich zwischen Leben und Nicht­Existieren fest. Seit über 10 Jahren kann ich mich weder für Leben noch für den Tod entscheiden. Seit über 10 Jahren drehen sich alle meine Tage um Essen und Nicht­ Essen, zu dick und zu dünn, abnehmen und zunehmen, Figur, Körper, Ekel, Selbsthass, HUNGER! In diesen 10 Jahren habe ich mich aber nicht einfach der Magersucht ergeben. Nein, ich habe immer wieder versucht, gegen sie anzukämpfen. Mit dem Ergebnis, dass ich durch meinen Kampf gegen sie stetig müder und schwächer geworden bin. Meine Waffen gegen meine erbitterte Feindin – die Magersucht – waren neben rationalem Denken Gesprächstherapien, Hypnosetherapie, Musiktherapie, alternative Heilmethoden wie Kinesiologie, Schamanismus und sogar Rückführung. Nichts habe ich unversucht lassen. Selbst zwei stationäre Aufnahmen in psychiatrischen Anstalten, die über mehrere Wochen gingen, brachten keinen positiven Effekt. Im Gegenteil: Nach dem zweiten stationären Aufenthalt kam ich mit weniger Gewicht und mit schlimmeren Depressionen nach Hause. Bei diesem Krankenhausaufenthalt erlebte ich mitunter etwas ganz Schreckliches. Mir wurde zwei Mal eine Magensonde zur künstlichen Ernährung gesetzt. Nicht die rasche Gewichtszunahme dabei war das Schlimme, sondern die Art der Sondenlegung. Dabei wird ein dünner Schlauch durch die Nase über den Rachenraum hinunter in den Magen geleitet. Ein grauenvolles Gefühl. Diesen Schlauch muss man mindestens eine Woche, wenn nicht länger (ist von der Gewichtszunahme abhängig) ertragen. Über diesen wird dann 24 Stunden am Tag, also immerzu, die ganze Zeit, hochkaloröse Flüssigkeit in einen gepumpt. Der Magen wird dabei schnell gedehnt, was ebenso Schmerzen verursacht wie die tägliche Reinigung des Schlauchs. Dazu wird mittels Spritze viel – wenn man an eine boshafte Krankenschwester gerät kaltes – Wasser durch den Schlauch geleitet. Das rapide „Durchspülen“ des Sondenschlauchs spürt man deutlich. Das Wasser prallt nahezu gegen die Mageninnenwand und verursacht für kurze Zeit ein panikartiges Gefühl. Abgesehen von diesen unangenehmen körperlichen Zuständen ist die Magensonde auch eine psychische Belastung. Gar nicht davon zu sprechen wie grauenvoll so ein Schlauch in der Nase ist, wenn man duschen geht, Schnupfen bekommt und sich pausenlos schnäuzen muss etc. Selbst jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, treibt mir die Erinnerung Tränen in die Augen. Ein beklemmendes Gefühl legt sich auf meine Brust und mein Herz rast. Diese Erinnerung kann mir leider niemand mehr nehmen. Genauso wenig wie mir niemand die Erinnerung an den Grund für die Magersucht nehmen kann. Ja, ich kenne den Grund für meine Essstörung. Ich kenne den Ausgangspunkt für diesen Parasiten in mir. Doch das Wissen um die Ursache bewirkt keine Heilung. Leider. Das musste ich feststellen, das mussten meine bisherigen Ärzte und Therapeuten feststellen. Es ist beinahe so, als ob die Qual, welche die Magersucht begründet hat, sich in ihr fortsetzt. Denn um nichts besser ist die Magersucht – ein täglicher Albtraum, aus dem es kein Aufwachen gibt. So wie ich jetzt diesem Martyrium nicht entrinnen kann, konnte ich dem verursachenden Martyrium lange (mehr als 10 Jahre – so lange habe ich auch schon die Magersucht – Zufall?) nicht entkommen. Mehr als 10 Jahre lang hat mich mein Vater sexuell missbraucht. Und ich habe geschwiegen. Anfangs, weil ich dachte, das wäre normal in einer Vater­Tochter­Beziehung; später, weil ich die Familie nicht zerstören wollte. Denn darin war mein Vater Meister (so wie die Magersucht Meisterin in ihrem Metier ist): Er schaffte es, mir Schuldgefühle zu machen, er sagte, ich dürfe niemandem etwas sagen, ich würde die Familie zerstören, bitte, bitte, ich solle nichts sagen. Sein Bitten und seine dabei flehenden Augen ließen in mir eine Schuld wachsen. Ich war Schuld, dass er mich missbrauchte, ich wäre Schuld, wenn die Familie zerstört werden würde. Und von da an war ich auch in allen anderen Lebensbereichen schuldig. Ich fühlte mich immer verantwortlich, ich hatte stets das Gefühl, Fehler zu machen, nicht perfekt genug zu sein, schmutzig zu sein, einfach schlecht zu sein. Und als dann in der Pubertät meine Regelblutung einsetzte, war ich 100 %­ig davon überzeugt, widerwärtig zu sein. Und ab da begann der Selbsthass enorm zu wachsen, was ich schließlich auf meine Figur kompensierte. Mit jedem neuen Tag „wuchs“ mein Bauch, mit jedem neuen Tag wurde ich „dicker“. Dazu ist zu sagen, dass ich damals ca. 167 cm groß und 48 Kilo schwer/leicht war. Ich war nie übergewichtig, wenn man es objektiv betrachtet. Aber in mir war bereits die Magersucht und die zeigte und sagte mir etwas anderes. Und so begann ich, weniger zu essen. Mein Vater unterstützte mich noch dazu bei meinen Bemühungen, abzunehmen, was mich überzeugte, dass einige Kilos weniger nicht schaden könnten. Im Nu war ich abgemagert (das zumindest wurde mir gesagt; ich selbst sah das nicht so) und ich war nicht mehr fähig, in die Schule zu gehen. Ich fühlte mich sehr schwach und konnte nur mehr im Bett liegen. Meine Mutter war inzwischen nicht mehr nur besorgt, sondern stand Todesängste um mich aus, bis sie mich überredete, ins Krankenhaus zu gehen. Es folgte meine erste stationäre Aufnahme zur Behandlung der Magersucht. Bei diesem Spitalsaufenthalt vertraute ich mich einer Mitpatientin, die an Bulimie litt, an und erzählte ihr von dem sexuellen Missbrauch. Ich bat sie, niemandem etwas zu sagen, doch glücklicherweise entschied sie sich, meiner Bitte nicht Folge zu leisten. Und so wurde der Missbrauch aufgedeckt. Meine Mutter fiel aus allen Wolken, als sie von diesem Verbrechen erfuhr. Noch heute blutet mir das Herz, wenn ich an ihren leeren Gesichtsausdruck zurückdenke, den sie in diesem Moment hatte. Doch schnell hatte sie sich gefasst und daraufhin brachte sie ungeahnte Kräfte auf, ein neues Leben für uns aufzubauen. Mein Vater wurde verhaftet und musste 6 Jahre ins Gefängnis. Inzwischen ist er frei. Ich bin es nicht, denn seinen Platz und den Platz des sexuellen Missbrauchs haben die Magersucht und ihre quälende Stimme eingenommen. Die Magersucht erfüllt den Part meines Vaters ganz hervorragend. Ich bin ihr hörig, so wie ich ihm hörig war. Und ich bin ebenso machtlos ihr gegenüber, wie ich es ihm gegenüber war. Ich gehorche ihr, auch wenn ich weiß, dass ich mich wehren sollte. Auch den sexuellen Wünschen meines Vaters bin ich selbst dann noch nachgekommen, als ich bereits wusste, dass er ein Verbrechen begeht und etwas ganz Schlimmes von mir – seiner Tochter – verlangt. Ich war von ihm quasi abhängig, so wie ich es von der Magersucht bin. Dabei spielt es keine Rolle, was ich will und was nicht. Oft habe ich das Gefühl, ich habe keine Wahl. Ich hatte auch keine Wahl, als ich noch meinem Vater ausgeliefert war. Dieses Gefühl trügt aber. Wahr ist: Gegen meinen Vater konnte ich nicht aufbegehren, denn die Konsequenzen hätten fatal sein können (er war äußerst aggressiv, schlug meine Mutter, wäre sicherlich zu Mord oder Entführung fähig gewesen). Doch wahr ist auch: Gegen die Magersucht kann ich mich wehren! Eine ganz leise Stimme in meinem Herzen sagt mir das. Ich habe die Möglichkeit, gegen die Anorexie zu kämpfen. Ich muss nur die nötige Energie aufbringen, was zwar schwierig ist nach über 10 Jahren Abhängigkeit von dieser Krankheit, doch aussichtslos ist es nicht. Wenn ich nur wirklich WILL und wenn ich nicht aufgebe; wenn ich vor allem mich selbst nicht aufgebe und an mich glaube. Doch das mit dem Glauben ist schwer. Anorexie zu haben erscheint mir so irreal. Irgendwie fehlt mir nach wie vor die Krankheitseinsicht. Das liegt daran, dass ich mich sehe, wie ich mich sehe und wie die Magersucht mir zeigt, dass ich aussehe (fett und widerlich). Aber ein kleines bisschen verstehe ich doch auch, dass ich schwer krank bin, weil ich mich fühle, wie ich mich fühle (schwach und krank und die Folgeerscheinungen machen sich stetig bemerkbar). Eine eigenartige Situation. Unvorstellbar eigentlich. Ich lebe in einer paradoxen Welt, in der Körper und Geist vollkommen auseinanderdriften… Während ich nun diese Zeilen hier schreibe, weiß ich selbst nicht, wie es weitergehen soll. Allerdings… Doch, ich weiß es schon: Ich muss kämpfen, GEGEN die Magersucht, FÜR das Leben. Das bin ich – wenn nicht schon mir – meiner Mutter schuldig. Nach allem, was sie für mich getan hat, bin nun ich an der Reihe, etwas für sie zu tun. Ich muss ihr die Angst um mich nehmen. Das ist auch ihre tägliche Bitte an mich. Sie will mich nicht verlieren. Und ich will sie nicht alleine auf dieser Welt zurücklassen. Ich darf nicht verhungern, ich muss kämpfen. Ich muss mich endlich entscheiden. Besser ausgedrückt: Ich DARF mich endlich entscheiden; für das Leben. Und letztlich kann ich – wenn ich mich nun gegen die Magersucht wehre – erneut meiner Mutter dankbar sein. Denn indem ich für SIE kämpfe, rettet sie MIR indirekt das Leben. Meine leise Stimme in meinem Herzen sagt mir: „Also, Franziska, kämpfe wie eine Löwin! Die Kraft steckt in dir, irgendwo ist diese Kraft! Suche sie und nutze sie! Auch wenn du Angst hast – Angst davor, wer du eigentlich ohne Magersucht bist, Angst, zuzunehmen, Angst, dich in den Spiegel zu schauen, Angst, Verantwortung zu tragen, Angst, richtig zu leben und nicht nur dahinzuvegetieren wie ein Zombie. Kämpfe, Franziska! Denn das Leben ist es wert!“