Römische Mythologie

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Aeneas
Die Flucht aus Troja
Aeneas kämpft gegen die Harpyien
(Francois Perier, 1646-47)
Troja, die mächtige Stadt am Ufer des Flusses Skamandros, hatte nun 10 Jahre lang allen
Anstürmen der Griechen standgehalten. Odysseus List sollte sie jedoch zu Fall bringen und
nur wenigen Trojanern gelang die Flucht aus der brennenden Stadt. Unter ihnen befand sie
Aeneas, der Sohn des Anchises und der Göttin Venus. Gewarnt durch einen Traum, den seine
Mutter ihm geschickt hatte, wachte er in der Nacht auf und hörte das Kampfgetümmel. Eilig
mahnte er seinen Vater Anchises, seine Frau Kreusa und seinen Sohn Askanios zum
Aufbruch. Doch der Vater weigerte sich, die Stadt zu verlassen. Da züngelte eine Flamme
über dem Haupt seines Enkels ohne diesen zu verletzen. Dieses Omen überzeugte Anchises
und er willigte in die Flucht ein. Da er blind und gelähmt war, nahm ihn Aeneas auf seine
Schultern. Mit seinem Sohn Askanios an der Hand und gefolgt von seiner Frau eilten sie
durch die brennenden Gassen. In dem Gewirr des Kampfgetümmels verlor er jedoch seine
Frau Kreusa und konnte sie nicht mehr wieder finden.
Auf der Flucht schlossen sich ihm weitere Trojaner an und gemeinsam erreichten sie das Ufer
des Meeres. In einer kleinen Hafenstadt zimmerten sich die Flüchtlinge Schiffe und brachen
schließlich gegen Westen auf. Auf der Insel Delos befragten sie im Tempel des Apollon das
Orakel um Rat. Dieses prophezeite ihnen rätselhaft:
Hartes Dardanervolk, ein Land, das vom Stamme der Väter
Euch ursprünglich schon trug, es empfängt euch kehrend nun wieder
In dem lachenden Schoße. Die alte Mutter, nun sucht sie!
(Aeneis 3, 94-96)
Anchises erinnerte sich daran, dass Teukrus, der Ahnherr der trojanischen Könige, aus Kreta
gekommen war und freudig machten sie sich so nach Kreta auf. Doch das Land nahm sie
nicht wohlgesonnen auf, sondern plagte sie mit schweren Heimsuchungen. Verzweifelt
fragten sie Aeneas um Rat, was zu tun sei. Sorgenvoll legte dieser sich zum Schlafen nieder
und war überrascht, als ihm im Traume die heiligen Hausgötter aus seiner Vaterstadt Troja
erschienen, die er aus den Flammen gerettet hatte. Diese erhellten ihm den Orakelspruch. Die
alte Mutter, die sie suchen sollten, sei Italien, den von dort stammt Dardanus, der Gründer
Trojas.
So machte sich Aeneas mit seinen Gefährten erneut auf den Weg. Auf ihrer Fahrt landeten sie
auch auf den Stophaden. Froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, gingen sie an
Land und schlachteten sogleich Rinder und Ziegen. Doch hier hausten auch die schrecklichen
Harpyien, vogelartige weibliche Wesen. Kreischend stürzten sich diese auf das bereitete Mahl
und beschmutzten es mit Unrat. Tapfer kämpften die Helden gegen diese Ungeheuer und
konnten sie schließlich verjagen. Doch eine der Harpyien kündete ihnen fürchterliches: "Das
Land Italien werdet ihr wohl erreichen. Doch nicht eher werdet ihr das Land in Besitz nehmen
können bis der Hunger euch zwingt, an euren eigenen Tischen zu nagen und sie zu
verschlingen."
Entsetzt segelten die Trojaner weiter. Lange nun irrten sie umher und hatten vielerlei
Abenteuer zu bestehen. Viele seiner tapferen Gefährten büßte Aneas bei der schwierigen
Reise ein. So auch seinen geliebten Vater Anchises, den er auf der Insel Sizilien begraben
musste.
Königin Dido
Dido und Aeneas
(Mosaik aus dem 4. Jhd. n. Chr.)
Sie hatten schon die italienische Küste vor Augen als die rachsüchtige Göttin Juno ihnen
einen fürchterlichen Sturm schickte. In ihr tobte nämlich immer noch der Hass darüber, dass
der trojanische Königssohn ihr den Preis der Schönheit versagt hatte. Hilflos trieben die
Schiffe auf den rollenden Wellen des Meeres und drohten alle unterzugehen. Als der
Meeresgott Neptun jedoch gewahr wurde, was seine Schwester in seinem Reich anrichtete,
beendete er sogleich das Toben der Winde.
So landeten Aeneas und seine Gefährten an den Küsten Nordafrikas. Als nun Aeneas die
Gegend erkundeten fand er eine Stadt, die sich im Bau befand. Mit großem Eifer war man am
Werke, mächtige Mauern zu errichten. Hier herrschte die schöne Königin Dido, die einst aus
Tyrus geflohen war als ihr Bruder den Gemahl erschlagen hatte. Herzlich begrüßte sie Aeneas
und seine Gefährten und gewährte ihnen Gastfreundschaft.
Die Göttin Venus sorgte indessen dafür, dass sich Dido unsterblich in ihren Sohn Aeneas
verliebte, um so seine Sicherheit zu gewährleisten. So wurden die beiden ein Liebespaar und
Aeneas vergaß all die Mühsal, der er zuvor durchlitten hatte. Italien und der neue Staat, der
dort gegründet werden sollte, geriet nach und nach in Vergessenheit. Doch der Gott Jupiter
wachte über das Schicksal des Aeneas, das ihm bestimmt war und zur Gründung Roms führen
sollte. Er schickte den Götterboten Merkur zu Aeneas, um ihn an seine Pflichten zu erinnern
und zum Aufbruch zu mahnen.
So aus seiner Leidenschaft zu Dido herausgerissen rüstete er schon bald zum Aufbruch. Mit
schweren Vorwürfen überhäufte die Königin ihn, bettelte und flehte, doch nichts konnte den
Helden von seinem Entschluss mehr abbringen. Als sie von ihrer Festung den Geliebten
fortsegeln sah, entschloss sie sich zum Selbstmord. Sie lies einen Scheiterhaufen errichten,
auf dem sie sich in ihr Schwert stürzte und schließlich in den Flammen verbrannte
Auf Italiens Boden
Die Ankunft des Aeneas in Pallanteum
(Illustration von Claude Lorrain, 1675)
Endlich nun landete Aeneas mit seinen Gefährten an der Westküste Italiens, nahe der
Tibermündung. Hier, im Lande Latium, herrschte der schon sehr alte König Latinus. Aeneas
ließ die Schiffe auf das Land treiben und suchte unter den schattigen Bäumen Erholung nach
der anstrengenden Reise. Hungrig richteten sie sich Speisen her und da sie zu faul waren, ihr
Essgeschirr vom Schiff zu holen, buken sie Weizenfladen, auf denen sie die Speisen legten.
Als ihr kleiner Vorrat verzerrt war, aßen sie auch die Weizenfladen auf. Da sprach der kleine
Askanios lachend: "Wir verzehren ja unsere eigenen Tische." Erregt sprang Aeneas auf und
dankte Jupiter dafür, dass er die einst so schreckliche Prophezeiung der Harpyien so gnädig
gewendet hatte.
Schon bald hielten sie Einzug in die prächtige Stadt des Königs Latinus. Der war beeindruckt
von der herrlichen Gestalt und dem edlen Gemüte des Aeneas. Ein Orakelspruch hatte ihm
verheißen, dass aus der Fremde sein Eidam kommen würde, dessen Nachkommen die Welt
beherrschen sollten. Und so versprach er seine Tochter Lavinia dem Aeneas zur Frau.
Doch dies gefiel der Gattin des Latinus nicht, deren großer Wunsch es war, ihre Tochter mit
Turnus, dem Königssohn der benachbarten Rutuler, zu vermählen. Dieser hatte auch schon
um Lavinias Hand beim König geworben. Daher säte sie Misstrauen zwischen ihrem Gemahl
und Aeneas. Und auch Turnus rüstete zum Krieg, um den frechen Eindringling zu vertreiben.
Schon bald entbrannte ein heftiger Krieg, der erst beendet wurde als Aeneas Turnus im
Zweikampf besiegte. Auch der Zwist mit dem König Latinus konnte beseitigt werden, so dass
Aeneas endlich die schöne Lavinia zur Frau nehmen konnte. Und so wurde Aeneas zum
König in Latium als der alte Latinus starb.
Doch den Rutulern wurmte die Niederlage, die sie erlitten hatten. Und so verbündeten sie sich
mit den Etruskern und griffen die Latiner erneut an. Wild wogte die Schlacht hin und her bis
Trojer und Latiner erneut siegreich waren. Doch hoch war der Preis, den sie bezahlen
mussten. Denn ihr geliebter König Aeneas wurde von den Fluten des Flusses Numikus
mitgerissen und nie wieder gesehen.
Seinen Sohn Askanios, der sich bald darauf nach seiner troischen Heimat Ilos den Namen
Iulus gab, machten sie zum neuen König. Er schaffte es, dass Frieden zwischen den Etruskern
und den Latinern eintreten sollte. So wuchs die Stadt Lavinium stetig bis ihre Mauern die
Bewohner nicht mehr fassen konnten. Da verlies Iulus die Stadt und gründete am Fuße der
Albanerberge Alba Longa, die "lange weiße" Stadt. Von hier aus regierten über dreihundert
Jahre seine Nachkommen über die Landschaft in den Flussniederungen des Tiber.
Romulus und Remus
Die Söhne der Rhea Silvia
Romulus und Remus werden von einer Wölfin gesäugt
(Illustration von Paul Woodroffe, 1920)
Aeneas Sohn Ascanius war der Ahnherr der Erbmonarchie, deren Könige nach seinem Sohn
alle den Beinamen Silvius trugen. Proca hieß der elfte König dieser Dynastie. Dieser hatte
zwei Söhne, Numitor und Amulius. Beiden waren jedoch gänzlich unterschiedlich von ihrer
Art her. Numitor war sanft und gutmütig während sein Bruder ein unbeherrschtes und
aufbrausendes Wesen besaß. Aus Herrschsucht stürzte er seinen Bruder vom Thron und
verbannte ihn. Numitors einzigen Sohn ließ er hinterrücks auf der Jagd töten, um sich den
Thron so zu sichern. Rhea Silvia machte er zur Priesterin der Vesta, die durch strenges
Gelübde zur Jungfräulichkeit gezwungen waren. So wollte er verhindern, dass
männliche Nachkommen seine Herrschaft streitig machen würden.
In einem Heiligen Hain traf Rhea Silvia jedoch auf den Gott Mars, der sie zu seiner Gemahlin
erkor und sie zur Mutter von Zwillingen machte. Amulius war außer sich vor Zorn, als er von
der Geburt der Zwillinge Romulus und Remus erfuhr. Sofort befahl er, die beiden im Tiber zu
ertränken. Doch die Diener führten seinen schrecklichen Auftrag nachlässig aus. Anstatt sie
zu töten, setzten sie sie in einem Korb auf dem Fluss aus. Schließlich trieb der Korb unter
einem alten Feigenbaum ans Ufer. Dort jammerten die Knaben vor Angst und Hunger. Eine
Wölfin, die ihren Durst am Fluss löschen wollte, hörte ihr Klagen. Sie nahm sich der
ausgesetzten Kinder an und säugte sie.
Eines Tages kam der Hirte Faustulus auf der Suche nach seinen Tieren an der Höhle vorbei
und fand die Knaben vor. Er hatte Mitleid mit ihnen und nahm sie zu seiner Frau Larentia mit
nach Hause. Unter der liebevollen Sorge ihrer Pflegeeltern wuchsen sie zu kräftigen und
stattlichen Jünglingen heran. Da zu der Zeit die Hirten von Straßenräubern geplagt waren, die
ihr Vieh stahlen, scharrten die Brüder treue Gesellen um sich, die den frechen Räubern die
Beute wieder abjagten. Die so um ihr Diebesgut betrogenen Räuber sannen auf Rache und
wählten dazu das alljährlich Fest der Luperkalien aus, um einen Hinterhalt zu legen. Heftig
wehrten sich die beiden Brüder, doch es gelang den Räubern, Remus gefangen zu nehmen.
Sie brachten ihn zu Numitor, denn es waren seine Diener, die für diese schändlichen Überfälle
verantwortlich waren, um diesen als angeblichen Räuber hinzustellen und hinrichten zu
lassen. Erstaunt starrte der einstige König auf die herrliche Gestalt von Remus, die ihm so
vertraut vorkam. Als Faustulus und Romulus in den Palast eindrangen und der Hirte erzählte,
unter welchen seltsamen Umständen er die Zwillinge gefunden hatte, war dem König alles
offenbar. Glückselig schloss er seine Enkel in die Arme. Zusammen nun mit allen getreuen
Hirten überfielen sie den Königspalast und töteten den Thronräuber Amulius. So wurde
Numitor als rechtmäßiger Herrscher wiedereingesetzt und er regiert von Alba Longa aus
weise das Land.
Die Gründung Roms
(Das Kolosseums in Rom, Lipot Kerpel, 1846)
Die Stadt Alba Longa und auch das Land Lavinium erblühte unter der weisen Herrschaft des
Königs Numitor und so gab es bald einen Überschuss an Menschen. Da beschlossen Romulus
und Remus an der Stelle, wo sie von der Wölfin so wunderbar gerettet worden waren, eine
neue Stadt zu bauen. Sie sollte herrlicher als Alba Longa und zum Nabel der Welt werden.
Doch wer von beiden sollte über die neue Stadt herrschen? Da sie Zwillinge waren, gab es bei
ihnen nicht das Recht des Erstgeborenen und so sie wandten sie sich an die Götter. Ein Orakel
des Vogelfluges sollte die Entscheidung treffen, welcher der Brüder zum Herrscher werden
sollte. Remus bezog auf der Höhe des Aventius Stellung, während Romulus dies auf dem
Palantinus tat. Bald schon sandten die Götter ihr Zeichen. Zuerst erschienen dem Remus sechs
Geier. Sofort schickte er Boten zu seinem Bruder, die ihm dies berichten sollten. Dann jedoch
zeigten sich dem Romulus zwölf Geier. Da entbrannte ein Streit darüber, ob nun die Anzahl
oder die Zeit den Ausschlag geben sollte.
Romulus, überzeugt davon, dass es ihm bestimmt war, über die neue Stadt zu herrschen, fing
sofort mit dem Bau an. Er steckte den Platz ab und zeichnete mit einem Pflug den Standort
der Mauer. Nur langsam ging der Bau der schützenden Mauer voran. Remus sprang lachend
über die noch niedrige Mauer, um seinen Bruder zu zeigen, wie wenig er von diese Werk
hielt. Da packte den Romulus der Zorn und er streckte ihn mit seinem Spaten nieder. "Jedem
solle in Zukunft das gleiche geschehen", rief er wütend, "der über meine Mauern springt."
Und so wurde er zum alleinigen Herrscher der neuen Stadt, der er den Namen Roma gab.
Aus Reue für seinen Brudermord und um die Götter wieder friedlich zu stimmen, stellte er
einen zweiten Thron neben dem seinen auf, um so zu zeigen, dass er die Herrschaft mit
seinem Bruder teilen wolle.
Der Raub der Sabinerinnen
Die Sabinerinnen stürzen sich zwischen die Fronten (Jacques-Louis David, 1799)
Stetig wuchs die junge Stadt Rom unter den Händen von Romulus. Mächtig waren die
Mauern, die er erbaut hatte. Um sie nun auch mit Menschen zu füllen, errichtete er eine
Freistatt, die jedermann Asyl gewährte und schon bald aus den Nachbarstädten einen Zustrom
von Flüchtlingen anzog. Damit die noch junge Stadt unter diesem Andrang von Menschen
nicht in Gesetzlosigkeit verfiel, gab Romulus ihr eine Verfassung. Aus dem Volke wählte er
einhundert ehrwürdige Männer, die ihm als Ratsherren bei der Regierung der Stadt zur Seite
stehen sollten. Wenn er sich dem Volk als Richter zeigte, so geleiteten ihn zwölf
Gerichtsdiener, die Rutenbündel mit eingeschnürten Beilen als Zeichen der Macht trugen.
Liktoren wurden sie genannt.
Bald jedoch wurde es offenbar, dass es dem noch jungen Staate an Frauen fehlte. Und wie
sollte eine Stadt überleben, denen es an Nachkommen mangelte? So schickte Romulus
Gesandte in die Nachbarstädte mit der Bitte um Bündnis und Eheschließungen zwischen
ihnen. Doch wohin auch die Gesandten kamen, sie wurden unverrichteter Dinge wieder
fortgeschickt, ja teilweise sogar mit Hohn bedeckt, in dem sie den Boten rieten, doch eine
Freistatt für Frauen einzurichten. Denn die Städte ringsumher blickten nicht ohne Furcht auf
das neue Rom.
So verschmäht schmiedete der König einen Plan, um doch noch an sein Ziel zu kommen. Er
ließ ein Fest zu Ehren des Gottes Neptun ausrichten und lud die Nachbarvölker dazu ein.
Begierig, die neue Stadt nun endlich zu Gesichte zu bekommen, strömten die Menschen
herbei. Besonders die Sabiner kamen in großer Zahl mit ihren Familien. Gastfreundlich
wurden sie von den Römern aufgenommen und herumgeführt. Dann begannen die Spiele und
alles drängte sich um den Kampfplatz. Auf ein Zeichen von Romulus bemächtigten sich die
jungen Römer der Jungfrauen, die sie sich zuvor unter den Zuschauern ausgesucht hatten, und
schleppten sie fort. Dies geschah alles so schnell und überraschend, dass niemand Widerstand
leisten konnte.
Respektvoll wurden die Geraubten in den Familien aufgenommen und behandelt. Der König
versicherte ihnen, dass sie ordnungsgemäß verheiratet werden und in den Genuss aller Güter
und Rechte kommen sollten. So besänftigt wich bald die Empörung der Jungfrauen und sie
fügten sich nicht unwillig in ihr Schicksal.
Die Familien der Geraubten waren jedoch voller Zorn und schon bald rüsteten die Sabiner
gegen die Stadt Rom. Durch den Verrat der jungen Römerin Tarpeia gelang es dem König der
Sabiner Titus Tatius, die Burg auf dem Kapitolischen Berg einzunehmen. Im Tal, das sich vor
dem Kapitolischen Berg erstreckte, standen sich schließlich die beiden Heere in erbittertem
Kampfe gegenüber. Plötzlich jedoch hielten die Kämpfenden inne, denn die geraubten
Sabinerinnen hatten sich mutig zwischen ihnen gestürzt, um dem Morden ein Ende zu
bringen. Flehend redeten sie auf beide Parteien ein.
"Wenn die gegenseitige Verwandtschaft, wenn der Ehebund euch zuwider ist, so richtet euer
Wüten gegen uns! Wir ja sind die Ursache für den Krieg, wir der Wunden und des Mordes
Anlass für unsere Männer und Väter! Lieber wollen wir zugrunde gehen als ohne die einen
von euch als Witwen oder Waisen weiterleben!"
(Livius 1,13,3)
Ihr Flehen fand Gehör bei den Römern und Sabinern. Beide Seiten versöhnten sich und
schlossen ein Friedensbündnis. Doch aus dem Bündnis wurde sogar mehr, denn man verband
sich zu einem Volke, dass von den beiden Königen Romulus und Titus Tatius beherrscht
wurde. Der Sabinerkönig sollte jedoch schon bald den Tod finden, denn bei einer Opferfeier
in Lavinium wurde er ermordet.
So regierte Romulus fast vierzig Jahre in Weisheit und Güte. Eines Tages befahl der König
eine Musterung des Heeres auf dem Marsfeld. Als er nun gerade zu seiner Rede ansetzte
erhob sich mit einem Male ein Unwetter und mit lautem Donnern und Getöse hüllte eine
Wolke den König ein. Ein schrecklicher Sturzregen prasselte auf alle nieder, so dass das Volk
floh, um Schutz zu suchen. Nachdem der Sturm vorübergezogen war, kehrte das Volk zurück
und entdeckte, dass ihr König fort war. Niemand zweifelte mehr daran, dass ihr König vom
Gott Mars zu den Unsterblichen entrückt worden war.
Dem angesehenen Bürger Iulius Proculus erschien Romulus im Traum und sprach zu ihm,
dass Rom zur Hauptstadt des Erdkreises werden würde und er als Schutzgott Quirinus über
seinem Volk wachen werde. Nach diesen Worten des Iulius Proculus fiel das Volk auf die
Knie und gelobte, dem neuen Gott Quirinius einen herrlichen Tempel zu bauen.
Der Kampf der Horatier und Curatier
Der Schwur der Horatier
(Jacques-Louis David, 1784)
Nach Romulus herrschte Numa Pompilius in Milde und Weisheit. Sein Ansinnen war es, das
wilde römische Volk zu einer milden Gesinnung zu führen, um so den Frieden zu sichern. Er
sorgte für die Einführung für Recht und Gesetz und unterwies die Bürger in Religion und
guten Sitten.
Nach ihm folgte Tullus Hostilius, der von ganz anderer Art war. Aufbrausend war sein
Charakter und er liebte den Krieg. Sein Ziel war es, den Machtbereich Roms mit Gewalt zu
erweitern. Bei seinen Streifzügen überschritt er auch die Grenze des albanischen Gebietes, das
von der Mutterstadt Roms Alba Longa beherrscht wurde. Dies reizte die Albaner so sehr, dass
sie schon bald im Krieg mit den Römern standen.
Als nun beide Heere aufeinander trafen, scheute jeder den ersten Streich gegen das
Brudervolk zu führen. Schließlich trat Mettius Fufetius, der Feldherr der Albaner, vor und
machte einen Vorschlag, wie die Auseinandersetzung beizulegen sei, ohne viel Blut zu
vergießen. Die Besten ihrer Heere sollten gegeneinander antreten und so die Schlacht
stellvertretend im Zweikampf entscheiden.
Es ergab sich nun, dass auf beiden Seiten Drillingsbrüder dienten, die an Alter und Kräften
etwa gleich waren. Auf der römischen Seite waren es die Horatier, die sich so nach ihrem
Vater Horatius nannten, und auf der albanischen Seite die Curatier nach ihrem Vater Curatius.
Feierlich wurde dies in einem Vertrag beschlossen, der besagte "Wessen Volkes Bürger in
diesem Gefecht die Oberhand behielten, das solle das andere Volk in ehrenhaftem Frieden
beherrschen" (Livius 1, 24,3). Mit der Opferung eines Schweines war so der Vertrag
besiegelt.
Gespannt verfolgten beide Heere wie nun die Brüderpaare das Schlachtfeld betraten. Mutig
stürzten sie aufeinander zu und schon bald war der erste Horatier erschlagen. Nicht lange
danach folgte auch der Zweite, so dass nur noch einer von ihnen den Curatiern entgegenstand.
Doch der Kampf hatte auch Tribut von den Albanern gefordert, die schwer verwundet waren.
Der letzte Horatier erkannte, dass er nicht gegen alle drei gleichzeitig kämpfen konnte, und
griff zu einer List. Scheinbar wandte er sich zur Flucht und hoffte, dass er von ihnen verfolgt
würde. Dies geschah auch so. Und nach der Schwere ihrer Verwundung hatten sie jeweils
einen unterschiedlichen Abstand zu ihm. Da hielt er plötzlich inne, wandte sich um und
erschlug den Curatier, der ihm am nächsten war. Und so besiegte er auch den zweiten Gegner.
Der Dritte kaum nun schwerfällig hinzu, da er am schwersten verwundet war, und konnte mit
leichter Hand von dem Publius Horatius niedergestreckt werden.
Jubelnd schrie da das römische Volk auf und grüßte freudig den Sieger. Die Albaner hielten
sich an den Vertrag und unterwarfen sich der römischen Herrschaft. Die Toten wurden mit
Würde bestattet. Die Rüstungen und Waffen der gefallenen Curatier erhielt der siegreiche
Horatier als Beutestücke und marschierte mit ihnen in Rom ein.
An den Toren der Stadt trat ihm seine Schwester entgegen, die sich mit einem der Curatier
verlobt hatte. Als sie nun sein Gewandt erkannte, dass sie selbst für ihren Verlobten gewebt
hatte, verfiel sie in Wehklagen. In Trauer löste sie ihr Haar und schrie seinen Namen hinaus.
Dies erzürnte ihren Bruder jedoch so sehr, dass er zu seinem Schwert griff und ihr Herz
durchbohrte. "Fahre hin samt deiner unpassenden Liebe zu deinem Verlobten weil du deiner
toten Brüder und des lebenden vergessen, vergessen des Vaterlands! So soll jede Römerin
dahinfahren, die um einen Feind trauern wird!"(1,26,4) So sprach er bei seiner Tat.
Die Jubelschrei erstarben im Angesicht dieses schrecklichen Ereignisses. Dieses Verbrechen
durfte nicht ungesühnt bleiben und so wurde er vor den König geführt. Dieser übertrug die
Entscheidung an einen Zweimännerrat (duumviri), dass Publius Horatius streng nach den
Gesetzen zum Tode verurteilte. Da trat der Vater vor und machte von seinem Einspruchsrecht
Gebrauch. Er wandte sich an das römische Volk und bat um Gnade. Hätte seine Tochter nicht
zu Recht den Tod verdient, so wäre er nach dem Recht seiner väterlichen Gewalt gegen
seinen Sohn vorgegangen. Noch vor wenigen Minuten hätte sein Sohn für Rom gekämpft und
gewonnen. Drei Kinder seien ihm schon durch den Tod entrissen worden nun möge man ihm
doch das letzte noch lassen.
Gerührt von der Rede des gramgebeugten Vaters ließ sich das Volk erweichen. Um jedoch
dem Recht Genüge zu leisten, musste Publius Horatius sinnbildlich die Strafe vollziehen
lassen. Mit verhülltem Haupt schritt er unter einem Querbalken hindurch, der einen Galgen
darstellen sollte. So war das Recht auch gegenüber einem römischen Helden gewahrt
geblieben. Das Joch, unter dem der Horatier geschritten war, lebte als "Schwesternbalken" in
der Erinnerung der Römer fort.
Die Gallier in Rom
Mars und Neptun wachen
über dem ewigen Rom
(Mars und Neptun, Paolo Veronese)
Einst kamen Gesandte aus Clusium nach Rom und baten um Hilfe gegen den Ansturm der
Gallier aus dem Norden. Eine Gesandtschaft wurde sogleich zu Brennus, dem König der
Gallier geschickt. Doch diese traten hochmütig gegenüber Brennus auf und stachelten so
seinen Zorn gegen das römische Volk an. Und schon rüsteten die Gallier zum Krieg gegen die
Stadt am Tiber. Doch die Römer schätzten die Gallier gering ein und waren daher sehr
nachlässig bei der Aufstellung der Truppen. Schwer sollten sie dafür büßen.
An der Allia kaum zehn Meilen vor Rom entfernt prallten die beiden Heere aufeinander.
Furchterregend war der Anblick der gallischen Krieger, die mit flatternden Haaren ungestüm
die Römer niederrannten. Schon bald geriet die Schlachtordnung der Römer ins Wanken und
es setzte eine heillose Flucht ein. Nur tausend Männer konnten sich unter der Führung von
Markus Manlius in das Kapitol, dem Burgberg von Rom, retten. Da sie zu wenige waren, um
die Stadt zu verteidigen, floh die Bevölkerung und suchte Schutz bei den Nachbarvölkern.
So zogen die Gallier plündernd in das leere Rom ein. Auf dem Marktplatz trafen sie auf die
Senatoren Roms, die sich ihnen entgegenstellten. Jeder der alten Würdenträger wurde von den
Galliern niedergemetzelt. Vergeblich versuchte nun Brennus das Kapitol einzunehmen. Doch
keinem der Krieger gelang es, den Mauerrand zu erklimmen.
Derweil schickten die Römer einen Boten zu Camillus, um diesen zum Diktator zu ernennen
und mit der Bitte, so schnell wie möglich Hilfstruppen für Rom auszuheben. Als der Bote
sicher zurückkehrte, entdeckten die Gallier seine Fußspuren und fanden so einen geheimen
Weg zum Kapitol. In der Nacht stieg eine kleine Truppe leise zur steilen Höhe hinauf, ohne
dass ein Posten sie bemerken konnte. Auf dem Kapitol wurden jedoch zu Ehren der Göttin
Juno Gänse gehalten. Diese spürten das Nahen der Fremden und fingen an ängstlich zu
schnattern und weckten damit den Markus Manlius. So gleich eilte dieser zur Burgmauer und
stieß den vordersten Gallier in die Tiefe, der die nachfolgenden mit sich riss.
Hunger und Krankheiten setzten beiden Seiten zu, so dass Brennus zu einem Waffenstillstand
bereit war. Gegen die Zahlung von tausend Pfund Gold würde er die Belagerung gegen Rom
aufgeben. Die Römer akzeptierten die Bedingungen und fingen damit an, ihr Gold zur
Waagschale zu bringen. Da bemerkten die Römer plötzlich, dass die Gallier falsche Gewichte
verwendeten und erhoben Einspruch. Doch der Gallierkönig Brennus hatte nur Hohn und
Spott für sie übrig. Er griff zu seinem Schwert, warf es in die Waagschale und rief dabei aus:
"Wehe den Besiegten!"
Noch mehr Schande blieb den Römern jedoch erspart, den Camillus trat mit seinem
Entsatzheer unter sie. "Mit Eisen, nicht mit Gold pflegen wir Römer zu bezahlen!" rief er dem
Brennus stolz entgegen. Wütend kämpften die Gallier gegen die Römer, doch Camillus errang
für Rom einen herrlichen Sieg und schlug die Gallier blutig in die Flucht. Einen zweiten
Romulus nannte ihn das Volk voller Dankbarkeit.
Nun stand dem Wachsen Roms nichts mehr im Wege und bald sollte sich ihr Schicksal als
Beherrscherin der Welt erfüllen.
Erläuterungen
Die Römer übernahmen die Götter und Göttinnen von den Griechen, die sich um die Bucht
von Neapel niedergelassen hatten, und transformierten sie ins römische. Doch unterscheidet
sich die römische Mythologie gänzlich von der griechischen. Es ist weniger Fiktion, sondern
eine Darstellung der Frühgeschichte des römischen Volkes. Die Götter tauchen dabei stets nur
am Rande auf.
Die frühesten Darstellungen von römischen Schriftstellern stammen um Christi Geburt herum.
Rom war zu dieser Zeit bereits eine hoch entwickelte Gesellschaft, deren kulturelles Leben
und Denken von der griechischen Literatur durchdrungen worden war. Somit basieren deren
Werke auch auf zu damaliger Zeit hoch entwickelter literarischer Qualität.
Mit der Gründung Rom beschäftigte sich Livius (59 v. Chr. - 17 n. Chr). Seine wichtigsten
Werke schildern die Flucht Aeneas aus Troja, die Geburt von Romulus und Remus, die
Gründung Roms und die Errichtung der Republik.
Vergil (70 v. Chr. - 19 n. Chr.) schilderte in seinem Epos Aeneis die Abenteuer des Aeneas.
Ein hervorragendes Erzählertalent bewies Ovid (43 v. Chr. - 18 n. Chr.) in seinen
Metamorphosen. In 50 längeren und 200 kürzeren Erzählungen stellt er auf pointierte und in
lebendiger Weise römische wie griechische Mythen dar.
Dionysios von Halikarnassos verfasste die Antiquitätes Romanae, ein sehr romantisch
gefärbte Geschichte Roms von der Gründung bis zum Beginn des Ersten Punischen Krieges.
Es war dafür gedacht, den Griechen die Größe Roms vor Augen zu führen.
Gegenüberstellung römische und griechische Götter
Römisch
Jupiter
Juno
Mars
Ceres
Apollo
Venus
Beschreibung
Göttervater
Gemahlin von Jupiter/Zeus
Kriegsgott
Fruchtbarkeitsgöttin
Gott der Heilkunst, der Weisheit, der Künste
Göttin der Liebe und Schönheit
Griechisch
Zeus
Hera
Ares
Demeter
Apollon
Aphrodite
Merkur
Diana
Neptun
Vulcanus
Vesta
Göttin des Handwerks und der Medizin,
Schutzgöttin Roms/Athens
Götterbote
Göttin der Jagd und der Wälder, Mondgöttin
Meeresgott
Gott des Feuers und der Schmiede
Göttin des Herdfeuers
Bacchus
Gott des Weines
Minerva
Saturnus
Dis Pater
Janus
Gott des Ackerbaus, mit ihm verband sich
auch die Vorstellung vom goldenen Zeitalter,
in dem die Menschen glücklich und
sorgenfrei leben
Gott der Unterwelt
Gott der Tordurchgänge, des Eingangs und
Ausgangs
Athene
Hermes
Artemis
Poseidon
Hephaistos
Hestia
Dionysos
(auch Bakchos)
Kronos
Hades
keine Entsprechung
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