LAINZER KREIS Tagesthema vom 18. November 2001 Irmgard Amine Akar „Als Moslem/Muslimin in Österreich leben“ Zur Person: Irmgard Amine Akar ist gebürtige Österreicherin und ist als Katholikin vor 4 Jahren zum Islam konvertiert. Sie arbeitet seit 1990 als Sozialarbeiterin, hat regen Kontakt mit Muslimen und ist auch mit einem Moslem verheiratet. Als Gründe für ihre Konversion nennt sie den direkten Kontakt der Muslime mit Gott ohne Vermittler und die Manifestation des Glaubens im Alltag. Das soziale Engagement wird im Islam hoch bewertet und als Pflicht angesehen. Der Islam bietet auch Antwort auf alle Fragen vor allem im Bereich der Ethik Islam = Hingabe an Allah, vollständige Unterwerfung an Gott (Das Wort lässt sich ableiten von den arabischen Worten für „Hingabe“ und „Frieden“.) Das islamische Glaubensbekenntnis umfasst sechs Artikel: 1. Ich glaube an den einen Gott. (Einigkeit und Einzigkeit Gottes. Er ist niemandem ähnlich und niemand ihm. Gott ist nicht Mann und nicht Frau.) 2. Ich glaube an seine Engel. 3. Ich glaube an seine Offenbarungsschriften. (Thora, Psalter, Evangelien - gemeint sind damit Urschriften, die heute nicht mehr vorhanden sind - und Koran. Dieser ist nicht veränderbar und nicht übersetzbar.) 4. Ich glaube an seine Gesandten (Propheten). 5. Ich glaube, an seinen bestimmenden Einfluss auf den Lauf der Welt, nämlich dass alles, ob gut oder böse, in seinem Ratschluss begründet ist. Das Leben der Gläubigen wird von fünf Säulen getragen (Glaubenspflichten aller Muslime): 1. Das Bekenntnis des islamischen Glaubens. 2. Das rituelle Gebet: fünf mal täglich in Richtung Mekka 3. Das Almosengeben - Armensteuer (2,5 %) 4. Das Fasten im Ramadan 5. Die Pilgerfahrt nach Mekka einmal im Leben, wenn es finanziell möglich ist. Die Quellen des Islam sind der Koran (= das oft zu Lesende; die Offenbarung Allahs, das Wort Gottes, das von Mohammed verkündet und danach unverändert weitergegeben wurde) und die Sunna (= Überlieferung; Offenbarungsquelle, die sich auf Leben und Lehre Mohammeds stützt). Was der Koran nicht deutlich erklärt, macht die Sunna verständlich. Sie ist die Handlungsmaxime für alle Muslime. Sharia: Islamisches Recht, aus Koran und Sunna zusammengefasst; ein komplexes Rechtssystem, das in der Gesamtheit zu betrachten ist; einzelne Verse sind oft nur von der Geschichte und der Koranauslegung her zu verstehen. Der Islam ist in Österreich seit 1912 anerkannte Religion, zur Zeit gibt es zwischen 350.000 und 400.000 Muslime in Österreich, 10% davon sind konvertierte Christen. Der Islam besteht in Österreich aus vier verschiedenen Religionsgemeinden. Seite 1 LAINZER KREIS Aus der Diskussion - Djihad (=Bemühung, Anstrengung). Der Krieg ist im Islam nur zu Verteidigungszwecken erlaubt, nicht gegen Zivilpersonen und Zivilbesitz. - Es ist bedauerlich, dass es in Staaten mit islamischer Mehrheit immer noch zu Unterdrückung von Christen kommt. Antwort: Die Einschränkung von Juden und Christen ist nicht dem Islam entsprechend. - Frage: Ist eine Konversion vom Islam zum Christentum möglich? - Der persönliche Glaubensabfall vom Islam ist möglich; verboten ist die Missionierung; sie wird mit dem Tod bestraft. - Frage: Allah ist verantwortlich für alles Gute und alles Böse? - Antwort: Der Einzelne kann sich für Gutes und Böses entscheiden, er ist frei, aber auch verantwortlich für sein Tun. Satan = Verführer, ist aber geringer als Gott. - Zinsverbot im Islam. Der Besitz eines Sparbuches ist eigentlich verboten. Man kann aber die Zinsen für gute Werke verwenden. Muslime können ihren Besitz jedoch in Gold anlegen. - Wenn ein Moslem gegen die fünf Grundpflichten verstößt, kann er in einem Gebet Gott um Verzeihung bitten, ev. versäumte Pflichten nachholen, gesellschaftliche Sanktionen sind nicht vorgesehen. Gott ist der Allerbarmer, der Allverzeihende. - Kleidervorschriften: Frauen müssen den ganzen Körper außer Gesicht und Hände bedeckt halten, Männer den Körper zwischen Knien und Nabel. - Vielehe im Islam: eine Frau darf nur mit einem Mann verheiratet sein, Männer dürfen bis zu vier Frauen haben, wenn alle Frauen gleichgestellt sind und wenn die erste Frau damit einverstanden ist, sonst kann sie sich scheiden lassen. Dieses Gesetz entsprang ursprünglich der Intention, Witwen in einer Ehe zu versorgen. - Die Frauen sind (laut Aussage der Referentin) im Islam rechtlich hochgestellt, die praktischen Rahmenbedingungen schränken aber die theoretischen Rechte der Frauen ein. Die Frau bekommt bei der Heirat einen Brautpreis (Gold), den sie bei einer etwaigen Scheidung zurückbekommt. Ihr Vermögen, das sie vor der Ehe besaß, bleibt ihr. - Der Islam unterstützt und fördert das soziale Engagement, Muslime erwarten keinen Gegenwert dafür. - Eine Muslimin darf keinen Nichtmoslem heiraten. - Gläubig ist, wer die Koransuren glaubt, wer sie leugnet, ist ungläubig. - Im Islam sind Veränderungen nur begrenzt möglich, durch Analogieschlüsse können aber auch moderne Errungenschaften behandelt werden. Ob es im Islam auch eine Säkularisierung geben wird? Erfolgt jetzt schon zum Teil, z. B. in der Türkei. - Der Islam ist (laut Referentin) die Antwort auf alle Fragen des Lebens, das eigene Denken wird zurückgestellt. Die Gleichberechtigung ist ein idealer Wunschtraum. - Auch im Christentum gab es vor 150 Jahren Patriarchalismus und andere Wertvorstellungen als heute. - Das Glaubensleben stimmt nicht immer mit der Glaubenslehre überein. Für das Protokoll: Susi Konvicka Seite 2