Ein 0zean I eder kennt den Mann in sei. lner dunkelroten Kutte, der lU oft und gerne lacht und der so scheint es - auf alles eine Ant- wort weiß. Seine ,,One-Man- Shows" füllen Stadien. in denen sonst nur Popstars-auftreten oder Tennisprofis ihre Asse aufschlagen. Alles spricht dafüt dass es auch diesmal nicht anders sein wird, wenn der kennt keinen Schöpfergott, und die Institution der Dalai Lamas ist keine Erbmonarchie wie unser Königtum, sondern eine Inkarnationslinie. Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, wurde als neuntes Kind einer Bauernfamilie 1100 Kilometer von Lhasa entfernt geboren und Buddhismus BRUNO BAUMANN- warmherzige, stets Optimismus ausstrahlende Mann zehn Tage lang Österreich besucht und dabei in Wien, Salzburg und Klagenfurt auftritt. Die Rede ist von Tenzin Gyatso, besser bekannt unter seinem mongo- lischen Ehrentitel Dalai Lama, was so viel wie ,,Ozean der Weis- heit" bedeutet. Der Begriff Gott- könig ist eine abendländische Wortschöpfung und genauso falsch wie der von westlichen Sehnsüchten und Proiektionen geschaffene Tibet-Mythos. Der imAlter von zweilahren als Wie- dergeburt seines Vorgängers er- kannt. Heute ist er 77 Jahre alt, lebt im indischen Dharamsala, auch,,Little Lhasa" genannt, einst ein verschlafenes Bergdod das die Dalai-Lama-Mania in einen boomenden Esoterik-Bazar verwandelt hat. der Weisheit Der Dalai Lama, Weltreisender im Dienste der Menschlichkeit. kommt amV. Mai auf einen zehntägigen Besuch nach Österreich. tionaler Machtpolitik. \y'om Großen Vorsitzenden Mao in Peking Auf dem Löwenthron als Gesprächspartner emptangen Was für eine Lebensgeschichte, - da ist er 19 ]ahre alt. Im Alter was für eine Karriere. Mit fünf von 23 fahren zur dramatischen Jahren auf den Löwenthron ge- Flucht über den Himalaya gehievt. mit 15 als weltliches Ober- zwungen. In Indien mit leeren haupt eingesglzlf und mit nahezu unbeschränkter Machtfülle ausgestattet. Im Brennpunkt interna- Hähden als Flüchtling angekommen, zum Propheten der Gewaltlosigkeit aufgestiegen, Friedens- nobelpreisträger. Er ist der perso- nifizierte Gutmensch unserer Zeit, zuständig für die Grundfragen des Menschen wie lebenssinn, Glück, Gerechtigkeit und Frieden. Laut Umfragen ist der Dalai Tama hierzulande populärer als der Papst, eine moralisch glaubwürdige Instanz, von der man sich praktische Lebenshilfe F.'.] tJ erwartet- Diese Erwartungen kein Sammelsurium von Ritua- den Orakelpriester, der mit ei- scheint er bereitwillig zu erfüllen. ,,Ich bin für Sie, was Sie wollen, das ich für Sie bin", erklärte len, aus denen man sich beliebig heraussuchen könne, was einem gerade gefällt. Liberal, tolerant und dialogbereit, so zeigt sich der Dalai Lama gegenüber anderen Glaubensbekenntnissen. Autoritär und dogmatisch geht er zuweilen mit ei- nem 40 Kilo schweren Ornat be- er in einem Interview. Doch manchmal gehen selbst füm, der Inkarnation des Buddha des Mitgefühls, die einfühlsamen Worte aus. Auf die Frage eines Gesprächspartners, wie man denn möglichst schnell zur Erleuchtung komme, antwortete er ohne eine Miene zu verziehen. ..Für die Instant-Erleuchtung brauchen Sie eine Spritze." Glaubens-Hopping |enen, die sich von einer Wellnessversion des tibetischen Buddhismus einfache Lösungen ihrer Lebensprobleme erwarten, rät er. es zunächst einmal mit der Religion des eigenen Kulturkreises, beispielsweise dem Christentum, zu versuchen, anstatt ,,Glaubens-Hopping" zu betrei ben. Religionen seien schließlich genen Glaubensbrüdern um. ,,Nicht jeder, der eine rote Kutte trägt, ist auch ein Mönch", schimpfte er gegen die Verweltlichung des Klerus in manchen Klöstern. Den Kult um die popu- läre Schutzgottheit Dorje Shugden ließ er unter Androhung rigi- der Strafen verbieten. Alle Versuche, der Lichtgestalt des Dalai Lama einen Schlagschatten zu verpassen, sind bisher an seiner Aura abgeperlt. 'Der Glanz des wunscherfüllenden Juwels wird im Westen leuchten", weissagte das Staatsorakel im lahre 1956 und behielt recht. Der Dalai Lama konsultiert kleidet in Trance verschlüsselte Botschaften gibt, bei allen wichti gen Entscheidungen. Für ihn be- deutet es keinen Widerspruch, einerseits einem archaischen Medium zu vertrauen und andererseits mit Harvard-Professoren über Quantenphysik oder mit Hirnforschern über die Wirkung täglicher Meditation zu diskutieren.,,Ichweiß, dass Ihnen das mit dem Orakel befremdlich vorkommt", rechtfertigt sich der Dalai Lama, ,,aber ich habe an Wegkreuzungen meines Lebens immer das Orakel befragt und bin nie enttäuscht worden." Seine Popularität dritter Stelle tibetisches Oberhaupt." Es ist seine Menschlichkeit, die ihm die Herzen zufliegen lässt, seine Präsenz, die jedem einen Moment Wichtigkeit gibt. Oft sind es einfache Weisheiten. die er verkündet, die jeder versteht, aber aus seinem Mund sind sie glaubwürdig, weil er lebt, was er lehrt. Damit ist er eine Art Gegenentwurf zum,,klassischen" Politiker. ,,Alles nur Kalendersprüche für eine esoterisch angehauchte Klientel", behaupten Kritiker und verweisen auf die Massenveranstaltungen mit Zehntausen- den von Besuchern, bunt gemischt aus Gläubigen, TibetSympathisanten und Nur-Neugierigen. In ihren Augen macht er sich der Beliebigkeit schuldig, Die Gründe für seine Popularität hat das Orakel indes nicht enthüllt. Vielleicht liegt der Schlüssel in seinen eigenen Worten. ,,Ich bin zunächst Mensch, dann wenn er den Menschen begegnet, wo sie sich befinden, sie dort abholt. wo sie stehen. buddhistischer Mönch und an Fortsetzung auf Seite 4 Eortsetzungvon Seite 3 /weifellos ist der Dalai Lama I--tder populärste lebende Friedensnobelpreisträger, doch in Bezug auf seine politischenZiele ist er der erfolgloseste. Während andere Friedensnbbelpreisträger wie Nelson Mandela oder fos6 Ramos-Horta, ja selbst Burmas Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, ihre politischen Anliegen zumindest teilweise umsetzen konnten, hat sich die Situati- on in Tibet kontinuierlich verschlechtert.,,Wir sind die Panda- bären der Weltpolitik", klagen Vertreter der tibetischen Exilregierung.,Jeder maguns, aber keiner tut etwas für uns." Die Tibeter stehen heute mit dem Rücken zur Wand, sind Bürger zweiter Klasse im eigenen Land und wer- den wirtschaftlich und kulturell platt gewalzt. Chinas Tibet-Politik, jede Regung der tibetischen Volksseele durch ,,härter zu- . : CIfR DAI-AI LAIIfrA Iru ösT[RfrEIC}t : Seine Heiligkeit, der 14. Dalai Lama, hält sich vom 17 bis : 27.Mai in Österreich auf. Erste Station ist Klagenfurt, wo , er neben offiziellen Terminen am 18. und 19. Mai eine , ,,grdaf i.tische Unterweisung" in der Messehalle abhal, ten wird. In Salzburg hält der Dalai Lama am 21. Mai einen , Vortrag über ,,Weltfrieden und universelle Verantwor, tung", am Nachmittag ist ein ,,lnterreligiöser Dialog" im , Messezentrum anberaumt. Am 25. Mai findet in der Wie: ner Stadthalle ein Vortrag unter dem Titel ,,Jenseits von . Religion" statt, am Nachmittag ist an der Uni Wien ein r Symposium zu Buddhismus und Wissenschaft geplant. , Alle Informationen unter: www.dalailama.at steht voreinemscherbenhaufen. schlagen" zu beantwgrten, hal- i a . : , In Wirklichkeit hat der Dalai Lama längst auf die Forderung nach Unabhängigkeit verzichtet und ist sogar als weltliches Oberhaupt zurückgetreten, um einer . : : : : Verhandlungslösung nicht im Wege zu stehen. Es ist offenkun- : habensichindenletztendreiJah- renselbstverbrannt. -, i Wie immer man einen solchen benJahrhundertRepressionistes Akt der Selbststörung bewerten Auch nach mehr als einem den Machthabern in Peking nicht mag, ethisch und religiös, die Urgelungen, ganz Tibet in eine Da' sachen dafür liegen in der ver- lai-Lama-freie Zone zu verwan- fehltenTibet-PolitikPekings. Allenthalben werden in der Welt deln. Seit 1994 sind Dalai-LamaBilder in Tibet verboten, wird er von der chinesischen Propaganda als Separatist und ,,Wolf im Mönchsgewand" diffamiert.Ietzt hat die Staatsmacht den Druck weiter erhöhl Mönche und Non- Stimmen laut, die einen Dialog mit dem Dalai Lama einmahnen. ,,Wir sind grundsätzlich bereit dazu", signalisiert Peking scheinheilig. Mehrmals reisten Emissäre des Dalai Lama zumJasmintee- nen werden gezwungen, den Da- trinken nach China. Ergebnisse lai Lama öffentlich zu beschimp- gab es keine. ,,Der Dalai Lama fen. Sie eqtziehen sich der äuße- stelle unannehmbare Bedingunren Gewalt durch Gewalt gegen gen", erklärt die chinesische Seisich selbst. Mehrals 30 Tibeter te gebetsmühlenartig. Der Dalai Lama im Interview Set : dig, dass die chinesische Fithrung auf Zeit spielt, sie hofft auf die Biologie. Wenn es diesen Dalai Lama nicht mehr gibt - so das Kalkül - wird es auch kein TibetProblem mehr geben. Die Chance vertan zu haben, mit einem Mann des Dialogs eine friedliche Lösung des Tibet-Problems herbeizufirhren, könnte den Machthabern nochleidtun. Längst fordern iunge Tibeter im Exil eine härtere Gangart gegenüber China, doch die Autorität des Dalai Lama, sein unumstößliches Bekenntnis zur Gewaltfreiheit, hält sie im Zaum - noch. * Bruno Baumann, selbst Weltreisender,lebt als Schriftsteller und Filmemacher in München mit Autor Bruno Baumann ei;enVortrag in Kanada (oben). Seit 1994 sind ioio, uor Dalai Lama in Tibet veiboten, doch die Tibeter halten an ihrer leitfigur fest