28 durchblick 4/2013 V ORGESTELLT B ERND R ABANUS G roß, breitschultrig, dynamisch und mit wachem Blick kommt Bernd Rabanus in die Redaktion des durchblick. Schriftlich, in markanter, kantiger Architektenschrift hat er sein Anliegen vorgelegt: „Wir sind die erste Generation in der Geschichte der Menschheit, die genau den Überblick hat. Deshalb ist das jetzt alles darstellbar.“ Bernd Rabanu's Zielgruppe sind junge Menschen. Ihnen will er das Universum, unsere physikalische Wirklichkeit in Projekten näherbringen. Welcher Siegener kennt, nicht den Planetengarten beim Gasbehälter vor dem Ziegenberg, die Bronzefigur des Sternenguckers neben der Nordschule mit der dahinterliegenden „Himmelsleiter“, oder am Krebs, dem Aussichtspunkt im oberen Schlossgarten, die Städtewappen? Immer sind Schüler und Lehrer bei der Entstehung seiner Projekte einbezogen. Die Mädchen und Jungen wissen, was diese Figuren und Bilder bedeuten. Mit großer Begeisterung arbeiten sie aktiv an der Planung und Entstehung 4/2013 durchblick mit und so wird ihr Wissen über die Zusammenhänge der Welt im astronomischen Sinn erweitert. Er belehrt nicht – Bernd Rabanus nimmt die Kinder mit auf die abenteuerliche Reise zum Verstehen unserer phantastischen und wunderschönen Welt. Denn schon als kleiner Junge war er selber von Planeten und Sternen verzaubert und beschäftigt sich sein Leben lang mit deren Erforschung. Erst jetzt im Alter konnte er seinen Traum wahrmachen und sein Wissen an die nächsten Generationen weitergeben. Vier Mal die Wirklichkeit, was meint Bernd Rabanus mit seiner Kernaussage? Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des Peter-Paul-Rubens-Gymnasiums und Auszubildenden des Aus- und Weiterbildungszentrums Bau der Bauinnungen Siegen-Wittgenstein und Olpe erarbeitete er ab 1999 neben dem Ziegenberg an der Achenbacher Straße den Planetengarten. Der ehemalige Kugelgasbehälter aus Baustahl von 1934/35 (Durchmesser ca. 15,7 m) steht für die Sonne, um die unsere Erde und andere Planeten kreisen. Im Maßstab zur symbolischen Sonne steht ! Collage: Gottfried Klör29 Vorgestellt daneben die Erde als 14,3 cm große Bronzekugel und weitere fünf Planeten, mehrere Kleinplaneten und 14 Monde aus Edelstahl. Es fehlen noch die beiden größten Planeten Saturn und Jupiter. Dann ist alles, was in unserem Sonnensystem mehr als 1.000 km Durchmesser hat, dargestellt. Vom Bau des Siegener Planetenmodells gibt es einen Dokumentationsfilm, den Dieter Kopelke aus Siegen hergestellt hat. Am Wochenende trifft man bei schönem Wetter und mit etwas Glück am Oberen Schloss auf dem Krebs Bernd Rabanus persönlich. Mit Leidenschaft erklärt er Besuchern das Städteprojekt. Es veranschaulicht unsere Position auf dem Erdball, also die Entfernungen von Siegen zu anderen Orten. Die Städtewappen sind genau in der Richtung eingebaut, wo die Stadt hinter dem Horizont liegt. Durch die Globalisierung und das Internet ist uns diese allgegenwärtige Vernetzung sowieso geläufiger als früheren Generationen. Hier am Oberen Schloss lässt sich die Kugelgestalt der Erde real erleben. Auf dem Krebs plant Rabanus und die beteiligten Sprachenschülerinnen und -schüler mit Wappen von 142 Städten, die Entfernungsangaben und somit die symbolischen Verbindungen zu zeigen. 12 Wappen sind bisher an der Mauer eingebaut. Immer verbinden die Projektbeteiligten diese Städtewappen mit realen Kontakten zu der jeweiligen Stadt in Briefen. So wird gleichzeitig die Mehrsprachigkeit der Schüler und Studenten aktiviert. Natürlich geben die Bürgermeister gern ihr o.k. für so eine Initiative von Schülern, die die Sprache lernen, die in ihrer Stadt gesprochen wird. Ushuaia (Feuerland), Granada, Nantes und Genf sind die nächsten Wappen, die hergestellt werden und vielleicht schon im November eingebaut werden. Die Himmelstreppe hinter der Nordschule soll das Sternengeflecht über uns am Himmel veranschaulichen. Uns sind die 12 Tierkreiszeichen (der Astrologie) geläufig. Ich frage ihn, was er von der heute boomenden Astrologie und von Horoskopen hält. „Dazu sage ich nichts“, ist sein eindeutiger Kommentar. „In der Wissenschaft sind 88 Sternbilder international definiert, so wie auch das Klavier 88 Tasten hat“, erklärt Bernd Rabanus. Zufall? Nordschul-Kinder haben zu diesen Sternbildern seit 2007 Entwürfe gemacht – das Projekt ist noch lange nicht abgeschlossen – und Schüler der Fritz-Busch-Musikschule – die nächstes Jahr ihr 60-jähriges Bestehen feiert – interpretieren die 88 Sternbilder in kleinen, eigenen Kompositionen. Geplant ist die Herstellung eines Films gemeinsam mit den Studierenden der Medienwissenschaften an der Universität Siegen und den Musikschülern, die ihr Werk an ihrem Instrument vortragen. Mit viel Kreativität, Leidenschaft und mit allen Sinnen vermittelt Bernd Rabanus sein Wissen und seine „Wirklichkeit“. Er selbst spielt auch verschiedene Instrumente. Spannend ist es, die Schlagzeug-Komposition eines kleinen Jungen zum Sternbild „Drachen“ zu hören. Die Himmelstreppe, der Siegbergweg zwischen Nord- und Marburger Straße, ist – wie auch die Bronzefigur (2011) des Sternenkindes, das eine Weltkugel hält, neben der Schule – auf den Polarstern ausgerichtet. Der Nordstern ist der scheinbar fixe Punkt am Himmel, weil er in der Verlängerung der Drehachse der Erde nach Norden liegt, wo sich doch sonst für uns alles dreht und bewegt. Das vierte Thema ist die Zeit. Rund um das Löhrtor-Gymnasium erarbeitet er mit Schülerinnen und Schülern seit einigen Jahren das Projekt Weltzeit, das sich wissenschaftlich und sehr subjektiv, also mit unseren unterschiedlichen Empfindungen, dem Thema „Zeit“ widmet. Vor der Stadtbühne gestalteten sie „Sonnen-Weltzeit-Uhren“ für die Poller auf der Straße. Wenn bei uns die Sonne scheint, dann kann man im Vorbeigehen am Schatten der Pfosten erkennen, wie die Uhrzeit an anderen Orten auf der Erde ist. Das Projekt wird die Arbeitsgruppe noch länger beschäftigen. Auch die Siegener Weltzeituhr soll musikalisch untermalt werden. Diesmal allerdings mit Kompositionen aus den Ländern, die die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Am Löhrtor für die Zeitzonen der Erde ausgewählt haben. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Auch um die Finanzierung der Projekte kümmert sich Rabanus. Nicht die Stadt öffnet ihre strapazierte Schatulle. Möglichst viele Sponsoren werden eingebunden – vom kleinen Beitrag bis zu großen Summen sammelt Bernd Rabanus bei Bürgern und Unternehmen im Siegener Raum. „Die Ergebnisse sind hier in Siegen nur möglich durch die Zusammenarbeit von ca. 700 bis 1.000 Schülerinnen und Schülern gemeinsam mit ca. 7.000 bis 10.000 Spendern und Sponsoren“, erklärt er. Nicht zu vergessen den Hauptakteur und Initiator: Bernd Rabanus. Erkenntnisse zum Sonnensystem, zur weltweiten Vernetzung, zu den Sternen und zur Zeit möchte Bernd Rabanus der nächsten Generation mitgeben, seine „Vier Wahrheiten“. Geboren 1950 in Siegen, Beruf Architekt. Sein bevorzugtes Gebäude in der Geschichte der Architektur ist übrigens die Berliner Philharmonie von Hans Scharoun, in Siegen ist das Obere Schloss sein Favorit. Tessie Reeh Immer sind Schüler und Lehrer bei der Entstehung seiner Projekte einbezogen 30 durchblick 4/2013