Gottesdienst am 10. März 2013, Laetare Predigt: Bernd Schwemm Text: Joh. 6, 47 - 51 eingespielt am 10. März 2013 Liebe Gemeinde, heute geht es um Lebensmittel. Das, was mir zum Leben hilft. Oder zum Überleben. Wenn man in der Bäckerei die Verkäuferin mal etwas nerven will, dann kann man ja mal nach dem Brot des Lebens verlangen. Sie bekommen möglicherweise erst mal einen fragenden Blick und dann aufgezählt: Wir haben Dreikorn-, Vierkorn-, Fünfkornbrot, Dinkel-, Gersten-, Hafer-, Mais-, Hirse-, Buchweizen-, Weizenkeim-, Leinsamen-, Soja-, Rosinen- und das Kleiebrot. Ebenso Holzofen-, Steinofen-, Pumpernickel und Knäckebrot. Außerdem Ciabatta, Baguette, Fladen-, Feierabend-, Fitness- und Knödelbrot. Und was wollen Sie? Brot des Lebens? OK, wo ist die versteckte Kamera? Gibts nich. Ham wer nich. Was soll denn das sein? Gehn se mal zum Zoller. Brot des Lebens. Was ist das eigentlich. Schon den Kindern in der Schule ist heute klar, dass nicht jede Nahrung immer auch ein Lebensmittel, ein Mittel zum Leben, also gesund ist. Schon Kinder wissen: Manche Süßigkeiten soll man nicht essen, da ist Farbstoff drin. Hat die Mama gesagt. Und Gummibärle enthalten Gelatine. Das will man seit BSE auch nicht mehr so richtig. Cola, Yoghurt und Ketchup hat ganz viel Zucker. Zwischen 20 und dreißig Stück. Total ungesund. Rund ums Huhn ist das Thema Salmonellen dran. Beim Wein hatten wir schon Glykol. Und nun überrascht uns im Döner und Lasagne ein Gallupi. Pferdefleisch. Bestimmt lecker, wenn man es auch bewusst kaufen wollte. Umettikettiert, verdorben, vergiftet. Und man fragt und diskutiert wieder: Wem kann man denn noch trauen. Und hier sind wir beim Thema: Denn das fragten sich die Leute damals wie heute. Wem können wir eigentlich trauen. Und das fragten sie sich auch konkret bei Jesus. Können wir diesem Zimmermannssohn aus Nazareth trauen? Der vollbringt zwar Wunder, sagt aber auch immer so merkwürdige Sachen. Wie diese Geschichte mit dem Brot des Lebens, wie wir gleich hören:. Ich lese den heutigen Predigttext aus Joh 6, 47 - 51: 47 Amen, 48 Ich 49 ich versichere euch: Wer sich an mich hält, hat das ewige Leben. bin das Brot, das Leben schenkt. Eure Vorfahren aßen das Manna in der Wüste und sind trotzdem gestorben. Hier aber ist das Brot, das vom Himmel herabkommt, damit, wer davon isst, nicht stirbt. 50 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird ewig leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Leib. Ich gebe ihn hin, damit die Menschen zum Leben gelangen können. 51 Liebe Gemeinde, was brauchen wir zum Leben? Nahrung und Kleidung, Zuwendung und Liebe, ein Dach über dem Kopf, eine sinnvolle Tätigkeit und eine Aufgabe im Leben, Arbeit, und natürlich das tägliche Brot, würden wir vielleicht antworten. Oft ist dies sogar nicht genug. Darüber hinaus sind wir immer auch auf der Suche nach dem, was unseren Lebens- und Erlebnishunger stillt. Nach dem, was uns ausfüllt, nach dem „Mehr“, dem „Besonderen“, was sozusagen sättigt im übertragenden Sinn. Wem vertrauen wir uns bei dieser Suche an? Wem vertrauen wir, wem glauben wir heute? 2 In einem Buch von Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer, dem Bruder von dem bekannteren Herbert Grönemeyer fand ich einen interessanten Abschnitt zu dieser Frage: Was brauche ich zum Leben? Gesundheit? Unversehrtheit? Ich hätte auch behindert zur Welt kommen können, mit einem Klumpfuß zum Beispiel. Oder ich hätte, wie mein Vater im Zweiten Weltkrieg, einen Arm verlieren können und damit zurechtkommen müssen. Es wäre mir möglicherweise ergangen wie meinem Vater, der sich mit seiner körperlichen Beeinträchtigung arrangierte und eine gigantische Lebensfreude und Fröhlichkeit an den Tag legte. Als Kinder haben wir nicht einmal gemerkt, dass er nur einen linken Arm hatte. Der Begriff „Behinderung" sollte aus dem deutschen medizinischen Sprachschatz gelöscht werden. Es ist eines der Unworte des letzten Jahrhunderts. In den meisten Fällen kann es durch „körperliche bzw. geistige Funktionseinschränkung" oder „Handicap" ersetzt werden. Oder bin ich kein vollwertiger Mensch, weil ich humple oder vergesslich werde? Ein Mensch, der mir das zeigt und der mich fasziniert, seit ich ihn kürzlich persönlich kennen lernte, ist der südafrikanische Golfprofi und Golflehrer Anthony Netto. Er hat 1995 nach einem unverschuldeten Autounfall eine Genickfraktur erlitten und ist seither an den Rollstuhl gefesselt. Er brachte zahlreiche Operationen und Krankenhausaufenthalte hinter sich. Seine Devise: „Davon stirbt man nicht." Antony Netto ist heute Bundestrainer der deutschen Behindertengolfer, arbeitet mit kranken und eingeschränkten Kindern und verhilft ihnen zu neuer Lebensfreude, zu Spaß und neuem Lebensmut – alles Haltungen, die er selber ausstrahlt. Soweit Dr. Grönemeyer. „Davon stirbt man nicht". Aber woran stirbt man? Wenn keine Vitalität, Lebensfreude, Hoffnung, Halt oder Sinn mehr da ist. Dann hat man keine Kraft mehr zum Arbeiten, zum Leben. Ein Phänomen an dem laut Statistik 1/3 der Deutschen immer wieder mal oder permanent leiden. Und wegen dem jährlich 71 000 Menschen in Frührente gehen. Man kann einfach nicht mehr. Der heutige Predigttext erzählt auf sehr eindrückliche Weise, was wir zum Leben brauchen, was sozusagen einen höheren Nähr-Wert hat. Etwas, wovon man wirklich zehren kann. Einer Kraftnahrung - nicht von dieser Welt. Der Evangelist Johannes stellt zwei Gaben Gottes gegenüber. Da ist auf der einen Seite das Manna - die wunderbare Speise der Israeliten auf ihrem Wüstenzug. Es wurde auch als Himmelsbrot bezeichnet. Gott nährt sein Volk auf seinem Weg ins gelobte Land. Gott steht ihnen in der Wüste bei. Aber das Volk Israel erhält 40 Jahre lang das Manna und doch erreicht die Generation des Auszugs dennoch nicht das gelobte Land. Die Frauen und Männer der ersten Generation sterben. Manna reichte immer nur für einen Tag. Auf der anderen Seite spricht Jesus davon, wer er ist. In dem bekannten „Ich-bin-Wort“ stellt er sich den Juden als „Brot des Lebens“ vor, das gegenüber dem Manna aus der Wüste eine ganz andere Qualität besitzt. Liebe Gemeinde, die Ich-bin-Worte im Johannes-Evangelium, das sind Worte des Lebens. Sie sagen uns nicht nur wer dieser Jesus ist, sondern wonach wir unser Leben ausrichten sollen. Brot des Lebens - was kann das sein? Das ist ein Zuspruch: Ich gebe dir, was du zum Leben brauchst, ich bin für dich da. Das ist Ermutigung: Du kannst mir vertrauen: dein Lebenshunger kann gestillt werden. Das ist ein Angebot: Verlass dich auf mich und mein Wort. Liebe Gemeinde, wieso aber gerade Brot? Weil es ganz selbstverständlich zum Alltag dazugehört. Ich geh mal davon aus, dass Brot in ihrem Leben alltäglich ist. Ich zumindest esse normalerweise jeden Tag Brot. Wie sieht es mit Jesus aus? Ist er in ihrem Leben auch alltäglich? Offensichtlich spielt er am Sonntagmorgen eine gewisse Rolle, sonst wären wir nicht hier. Aber wie 3 sieht es aus am Montag, am Dienstag, am Mittwoch, am Donnerstag, am Freitag und am Samstag? Jesus will Alltag sein. Im Sinne von grundlegend, wichtig, zentral. Wie sieht das nun konkret aus? In einem abstrakten Sinn kann das jeder sagen: „Klar, Gott ist wichtig für mich. Ich glaube an eine höhere Macht. Der Glaube an Jesus spielt eine zentrale Rolle in meinem Leben.“ Aber was heißt das denn? Dass wir irdisches Brot Tag für Tag zu uns nehmen, das können wir uns konkret vorstellen. Das können wir problemlos und ganz wörtlich praktizieren. Aber Jesus ist nun mal kein irdisches Brot, das wir mit Butter bestreichen können und auf das wir unsere Marmelade schmieren können. Jesus sagt von sich: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.“ Jesus betont es hier extra: Er ist kein irdisches Brot, sondern er ist das lebendiges Brot, das vom Himmel gekommen ist. Der Himmel steht in der Bibel für Gott selbst. Er ist von Gott gekommen. Aber wie soll man dieses himmlische Brot essen? Jesus sagt: „Dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.“ Das Himmelsbrot ist sein Fleisch, also sein vergänglicher und irdischer Körper, den er hingibt. Das ist eine klare Anspielung auf seinen Tod am Kreuz. Der ewige Sohn Gottes ist Fleisch geworden, er ist ein vergänglicher Mensch geworden. Er gibt sich selbst hin, damit wir Leben finden. Dieses Brot essen heißt: zu Jesus kommen und darauf vertrauen, dass er wirklich für mich gestorben ist. So wie Jesus es im Abschnitt davor gesagt hat: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wir nimmermehr dürsten.“ Zu ihm kommen. An ihn glauben. Erstaunlich an Johannes 6 ist nun, wie materiell und konkret dieses zu Jesus kommen und an ihn glauben nun beschrieben wird. Es geht nicht nur um einen abstrakten Glauben und um ein Gefühl des Vertrauens, sondern um ganz konkrete Handlungen. Es ist unerträglich konkret und materiell. Jesu Fleisch essen und sein Blut trinken. Das ist natürlich nicht auf der reinen Wortebene zu verstehen: Jesus fordert seine Jünger nicht zum Kannibalismus auf. Aber es ist doch eine Anspielung auf eine ganz konkrete und materielle Handlung: auf das Abendmahl. Christi Leib, für dich gebrochen – und dann essen wir das Brot. Christi Blut, für dich vergossen – und dann nehmen wir den Kelch und trinken den Traubensaft. Warum ist das so wichtig? Warum reicht es nicht, wenn ich nur höre, dass Jesus für mich gestorben ist? Warum reicht es nicht, wenn ich mich im Herzen daran erinnere, dass Jesus für mich ans Kreuz ging? Weil unser Glaube konkrete Formen braucht. Wenn Jesus für mich alltäglich sein soll, dann brauche ich konkrete Handlungen, wie Jesus in meinem irdischen Alltag zugänglich wird. Wenn wir nichts konkretes und handgreifliches haben, dann bleibt Glaube eine abstrakte Weltanschauung oder ein diffuses Gefühl. Jesus ist das Brot des Lebens. Brot gehört in den Alltag. Brot ist nicht dazu da, um darüber zu meditieren, sondern um gegessen zu werden. Deswegen muss der Glaube an dieses Brot der Welt immer konkret etwas mit meinem Alltag zu tun haben. Deswegen brauchen wir konkrete Formen um den Glauben zu leben. Wir brauchen das Abendmahl, wo wir Jesu Tod für uns schmecken und in uns aufnehmen. Wir brauchen den Gottesdienst am Sonntagmorgen, wo wir mit anderen singen, beten und Gottes Wort hören. Wir brauchen die konkrete Gemeinschaft mit anderen Christen, die wir sehen und hören, die wir in den Arm nehmen können, denen wir die Hand reichen können. Wenn Jesus im Alltag eine Rolle spielen soll, dann brauchen wir jeden Tag auch ganz konkret Zeit, um in der Bibel zu lesen, uns Gedanken darüber zu machen und mit Gott zu reden. 4 Wie sieht das aus bei uns? Ist Jesus unser Brot des Lebens? Spielt er eine grundlegende Rolle in unserem Alltag, oder ist er nur ein kleines Extra neben vielen anderen wichtigen Dingen? Nimmt unser Glaube an Jesus im Alltag konkrete Formen an, oder bleibt es ein abstrakter Gedanke und ein nebulöses Gefühl? In dem Lied „Vielleicht“ von den „Söhnen Mannheims“ heißt es „Ich will keine Versprechen, die mir Menschen geben, die sie dann wieder brechen, so sind Menschen eben. Alles, was zählt, ist die Verbindung zu dir. Und es wäre mein Ende, wenn ich diese Verbindung verlier.“ Liebe Gemeinde, wem vertrauen wir? Wo und was sind unsere Quellen, aus denen wir unsere Kraft und Lebensfreude beziehen? "Ich bin das Brot des Lebens. Wer glaubt, der hat das ewige Leben." sagt Jesus Christus. Der Glaube - das sich verlassen auf diesen Jesus Christus - ist der Weg auf den ich zu diesem Brot des Lebens komme. Dann habe ich etwas in meinem Brotkorb, dass ich wirklich für mein Leben brauche, im Gegensatz zu anderen Mannas, Kräckern und Sahneschnittchen die mir tagtäglich angeboten werden. Ich habe eine Beziehung zu meinem Gott, der mich liebt, der mir vergibt, der mir schenkt, was ich brauche. Eine Beziehung, die auch dann noch gültig ist, wenn der Tod meinem Brotkorb leerräumen will. Jesu Auferstehung zeigt es: Am Brot des Lebens hat sich der Teufel die Zähne ausgebissen. Den Bund mit Gott kann er nicht knacken; der Bund geht über unseren Tod hinaus und schenkt uns neues Leben. Jesus Christus, der in Kana Wasser zu Wein verwandelt hat, will uns den Inhalt unserer Lebens-Brotkörbe auch nicht madig machen. Gott selber ist es ja, der uns unsere Hände mit Gutem füllt, mit Schwarzbrot und auch Sahneschnittchen. Aber er fragt eben auch ganz deutlich nach, ob wir nicht das wichtigste Brot vergessen haben. Jesus - das Brot des Lebens. Denn: Alles, was zählt, ist die Verbindung zu dir. Und es wäre mein Ende, wenn ich diese Verbindung verlier.“ Amen.