Predigt zu Lukas 17, 11-19 Liebe Gemeinde, was würdet ihr von

Werbung
Predigt zu Lukas 17, 11-19
Liebe Gemeinde, was würdet ihr von jemand erwarten, der nach einem Heilungsgebet im
Namen Jesu wie durch ein Wunder geheilt wird? Als wir uns die „Heilungsräume“ in Itzehoe
anschauten, fragten wir natürlich, ob dort in den Räumen auch Heilung geschieht. Sicher hat
Heilung verschiedene Facetten. Doch ich wollte gerne wissen, ob tatsächlich auch unheilbar
kranke Menschen körperlich wieder gesund geworden sind. Die Antwort auf diese Frage war
interessant: Ja, es käme schon vor, dass einzelne Besucher der „Heilungsräume“ auf ein Gebet
hin körperlich geheilt worden seien – so der verantwortliche Leiter des Projekts Burckhard
Zander. Doch man könne nicht genau sagen, wie viele Menschen Heilung erfahren haben. Es sei
vorgekommen, dass man zufällig über Dritte von einem Heilungswunder gehört habe. Ein
Besucher der „Heilungsräume“ sei demnach von seinem Krebsleiden geheilt worden. Natürlich
freuten sich die Mitarbeiter über diese Nachricht. „Man dürfe allerdings nicht erwarten, dass
sich die Leute zurückmelden, wenn es ihnen besser geht“, so die ernüchternde Erkenntnis nach
1
zweieinhalb Jahren dieses Gebetsdienstes in Itzehoe. Als ich das hörte, war ich etwas
desillusioniert – eine heilsame Erkenntnis für mich. Sofort dachte ich daran, dass Jesus selbst es
nicht anders erlebt hat. Da werden zehn Menschen körperlich geheilt und was geschieht?
Lukas 17, 11-19
Diese Begebenheit, die allein im Lukasevangelium überliefert worden ist, dürfte uns bekannt
vorkommen. „Undank ist der Welten Lohn“ – so die Moral von dieser Geschicht´. Wir wissen,
dass nur einer von den insgesamt zehn Aussätzigen zurück kam und wir haben uns damit
abgefunden. Es könnte sogar tröstlich für uns sein, dass es Jesus nicht viel anders ergangen ist,
als wir es erleben?! „Wenn sich nur einer bekehrt, dann hat sich unsere Arbeit schon gelohnt“
argumentieren wir gerne. Doch lasst uns diese Erzählung mit den zehn Aussätzigen etwas
genauer anschauen. Inspiriert von dem Projekt „Heilungsräume“ in Itzehoe hat diese
altbekannte Geschichte eine Frage wieder neu aufgeworfen:
2
Wo erleben wir Heilung?
Normalerweise begeben wir uns in ärztliche Behandlung, wenn irgendwelche „Irritationen“
auftreten, wie mein Arzt zu sagen pflegt. Modernste medizinische Geräte ermöglichen meist
innerhalb von wenigen Tagen eine Diagnose. Für alles gibt es Medikamente – auch gegen alles.
Wenn es sein muss, lässt man sich eben operieren und alles wird gut. Das ist unsere
Lebenswirklichkeit. Entsprechend kommen selbst viele Christen kaum noch auf die Idee, unter
Handauflegung für sich beten zu lassen. Ja, körperliche Heilung erleben wir eher außerhalb von
Kirchenmauern! Was ja auch nachvollziehbar ist. Nehmen wir nur einmal die Krankheit Lepra.
Zurzeit Jesu hielt man diese hässliche Infektionskrankheit für unheilbar und man wusste nicht,
dass es lediglich aufgrund einer Tröpfcheninfektion zu einer Ansteckung kommen kann. Daher
waren die sogenannten Aussätzigen nicht nur von ihrer furchtbaren Krankheit gezeichnet,
sondern auch gesellschaftlich sowie religiös ausgegrenzt. Gott sei Dank leben wir in einem Land,
in dem Lepra aufgrund einer hochentwickelten Gesundheitsversorgung nahezu ausgerottet ist.
3
Trotz alledem sind die Götter in weiß nicht allmächtig. Unheilbare Krankheiten wird es immer
geben. Den zehn Aussätzigen damals konnte niemand helfen. Niemand – außer vielleicht Jesus.
Er war ihre letzte Hoffnung, als sie aus der Entfernung riefen: „Jesus, Meister, erbarme dich
unser“. > Das entspricht der Erfahrung, die die Beter in Itzehoe gemacht haben. Meist kommen
diejenigen, die alle medizinischen Möglichkeiten ausgereizt haben und sich einfach nicht mehr
anders zu helfen wissen. Selbst ungläubige Menschen greifen in solch ausweglosen Situationen
nach dem letzten Strohhalm. Letztendlich ist den meisten Leuten jede kosmische Kraft recht –
Hauptsache es hilft. Das müssen wir als Christen auch sehen und uns deutlich abgrenzen
gegenüber allen anderen Mächten, die im esoterischen Bereich wirksam sind. Was nicht dazu
führen darf, dass wir anderen das Feld überlassen und gar nicht mehr damit rechnen, dass wir
im Namen Jesu die Vollmacht haben, um Heilung zu bitten. Ich wünsche mir, dass wir nicht
zuletzt auch hier im Raum von Gemeinde Heilung erleben.
4
Übrigens, erst als Jesus das Rufen der Aussätzigen hörte, wurde er auf sie aufmerksam.
Jedenfalls ist Jesus in diesem Dorf irgendwo im Grenzgebiet zwischen Samaria und Galiläa nicht
gezielt zu den Kranken gegangen. Oft war es so, dass die Kranken zu Jesus kamen. Wir dürfen
nicht denken, dass Jesus sich immer zuerst um die Kranken gekümmert hätte. Denn Jesus
wollte nicht als Wunderheiler angesehen werden. Seine Vollmacht nutzte er lediglich, um zu
demonstrieren, wie gnädig und barmherzig der Gott ist, der ihn gesandt hat. > Wenn wir
Heilungen erleben wollen, dann müssen wir uns frei machen von dem Gedanken, dass jedes
Gebet Wunder wirkt und wir die ganze Welt retten könnten. Was mich in Itzehoe wirklich
begeistert hat, war diese heilsame Gelassenheit, die ich dort gespürt habe. Auf der Homepage
ist zu lesen: „Wir glauben an einen Gott, der auch heute noch heilt. Wir sind einfache
Werkzeuge, die sich wünschen, dass Gottes Kraft wirksam wird.“ Was wir brauchen ist
Erbarmen – und zwar ein Erbarmen, das andere auch zu spüren bekommen. Warum nicht
einfach mal fragen: „Darf ich für dich beten?“, wenn jemand von seinen Sorgen erzählt?!
5
Wichtig ist, dass Menschen, die von anderen ausgegrenzt werden, das Gefühl haben, dass sie
sich uns anvertrauen können, weil wir gläubige Menschen sind.
Nun geschieht die Heilung in dieser Geschichte mit den zehn Aussätzigen ja auf eine etwas
ungewöhnliche Art und Weise. Für Heilung gibt es einfach kein Patentrezept. Hier befiehlt Jesus
den Aussätzigen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern“. Was Jesus hier fordert, entsprach
der Vorschrift des alttestamentlichen Gesetzes (vgl. 3. Mo 13,49ff). In Israel amtierten die
Priester gewissermaßen als oberste Gesundheitsbehörde. Die Aussätzigen sollten also so unrein
und krank, wie sie waren, einfach losgehen – im Vertrauen darauf, dass auf dem Weg ein
Wunder geschieht. Sie mussten glauben ohne zu sehen. Sie mussten die sichere Entfernung zu
den gesunden Menschen aufgeben. Was für eine Selbstüberwindung, die Jesus da fordert. Die
Kranken mussten gewissermaßen aus sich selbst herauskommen. > Wer krank ist, darf nicht in
Selbstmitleid verharren. Es gibt ja auch kranke Menschen, die ihre Krankheit unbewusst
benötigen, um somit Mitgefühl und Anerkennung zu erhalten…! Erstaunlich, dass alle zehn
6
Aussätzigen soviel Willenskraft und auch Glauben aufbringen, um diesen Schritt zu wagen –
auch auf die Gefahr hin, dass nichts passiert. Was ist, wenn Heilung ausbleibt? Doch sie
konnten alle inneren und äußeren Widerstände überwinden und wurden tatsächlich auf dem
Weg geheilt, so dass sie von den Priestern als gereinigt befunden wurden. Heilung geschieht
hier auf dem Weg. > Heilung geschieht meistens in einem längeren Prozess. Wichtig ist, dass wir
Menschen auf dem Weg der Besserung begleiten und vor allem barmherzig sind, wenn der
Wille Gottes anders aussieht, als wir das gerne sehen würden.
Das eigentlich Unglaubliche an dieser Geschichte ist nun nicht, dass Heilung geschieht, sondern
dass neun von zehn es nicht einmal für nötig hielten, Jesus zu danken. Nur einer kam zurück –
und das war ausgerechnet ein Samariter. Samarien ist eine Bergregion zwischen dem nördlicher
gelegenen Galiläa und dem südlicheren Judäa – die Region entspricht heute dem nördlichen
Teil des Westjordanlandes. Da die Samariter dafür bekannt waren, den exklusiven Tempelkult
in Jerusalem abzulehnen und stattdessen eigene Opferstätten bevorzugten, wurden sie von den
7
Israeliten besonders geringschätzig betrachtet. Wir wissen nicht, ob noch mehr Samariter zu
der Gruppe der Aussätzigen gehörten. Sicher ist aber, dass Jesus keinen Unterschied zwischen
Samaritern und Galiläern machte. Jesus sieht den Menschen und er stellt keine
Vorbedingungen, bevor er sich über jemanden erbarmt. Das werden besonders die Samariter
als wohltuend empfunden haben. Darum überrascht es mich nicht, dass ein Samariter
zurückkam. > Wenn wir Heilung erleben möchten, dann tun wir gut daran, auch für Menschen
zu beten, die wir in irgendeiner Weise für unrein halten…!
Nun ist selbst Jesus etwas verwundert darüber, dass nicht noch die Anderen zurückkamen. Was
war mit den frommen Galiläern? Warum kehrten sie nicht zurück, um Gott die Ehre zu geben?
Auf diese Fragen bekommen wir keine Antwort. > Auch in der Gemeinde muss man sich
manchmal wundern. Warum kommen diejenigen, die hier eine heilsame Erfahrung gemacht
haben, nicht wieder, um im Gottesdienst Gott zu danken und anzubeten? In Itzehoe sind in den
vergangenen zweieinhalb Jahren immerhin drei Menschen, die die Heilungsräume besucht
8
hatten, zur Gemeinde hinzugekommen – drei von vielleicht dreißig, die Heilung erfahren
haben?! Wenn ich das so sage, wird mir eine große Gefahr bewusst. Oftmals soll der Zweck die
Mittel heiligen! Die Bitte um Heilung wird zum Mittel mit dem Zweck, dass Menschen zum
Glauben an Jesus Christus kommen. Dieser Zweck ist sicherlich gut und heilig, aber er heiligt
nicht unbedingt jedes Mittel. Wenn jemand von den alleinerziehenden Müttern nach dieser
Erholungswoche zum Glauben kommen sollte, dann wäre das ein echtes Wunder. Wir
wünschen uns, dass hier ein Mutter-Kind-Treff entsteht und auch diese Mütter mit ihren
Kindern hier in der Gemeinde Anschluss finden. Doch wir dürfen nicht enttäuscht sein, wenn
sich die Mütter nicht wieder melden und auch nicht einladen lassen…! Wir sind nicht
verantwortlich dafür, dass Menschen zum Glauben kommen und gerettet werden. Damit aber
Heilung geschehen kann, sind wir gefragt, zu segnen, zu helfen, zu beten, einzuladen…!
Jesus sagt schließlich zu dem einen Samariter, der zurückkam: „Dein Glaube hat dich gerettet“.
Mit dieser Aussage wird unmissverständlich klar, dass körperliche Heilung nicht alles ist.
9
Wunder sind wunderschön und ich würde mich gerne öfter über Gottes barmherziges Wirken
wundern. Doch kein Wunder dieser Welt kann darüber hinwegtäuschen, dass wir alle einmal
sterben müssen. Es kommt also darauf an, die verloren gegangene Beziehung zu Gott wieder
herzustellen. Wahrscheinlich war diese Erfahrung, dass nur Einer zurückkam, selbst für Jesus
heilsam. Denn er reiste ja nach Jerusalem und er wusste, dass es keinen Weg am Kreuz vorbei
geben kann. Jesus möchte, dass wir im Angesicht Gottes mit einem reinen Gewissen leben und
Schuld bereinigen, damit seelische Wunden heilen. Darum nahm er unsere Schuld und unsere
Krankheit auf sich (vgl. Jes. 53,4f). Das ist die tiefer gehende Heilung. Sie geschieht auch meist
über einen längeren Prozess. > Wir können sie erleben, wenn wir uns über Menschen
erbarmen, die krank, bedürftig, ausgegrenzt sind. Vorausgesetzt, wir nehmen die Vollmacht in
Anspruch, die uns unser Herr, Jesus Christus, verheißen hat. Dann werden wir erleben, dass
Menschen heil werden – körperlich, aber vor allem seelisch in der Beziehung zu einem Gott, der
unendlich gnädig und barmherzig ist.
AMEN
10
Bei dieser Krankheit aus dem Bereich der Neurologie sterben die Nerven ab, und die Gefäße der
Arterien und Venen verstopfen durch eine Verdickung des Blutes. Die Betroffenen verlieren meist das
Gefühl für Kälte, Wärme und auch Schmerz. Daher rührt auch die noch immer verbreitete falsche
Vorstellung, dass Lepra zu einem „Abfallen“ von Armen, Händen oder Ohren führt. Da die Erkrankten
keine Schmerzen spüren, werden Wunden oft unbehandelt gelassen, und durch Entzündungen können
diese Körperbereiche absterben. Aufgrund der Behandlungsmöglichkeiten mit Antibiotika ist Lepra
inzwischen in Ländern mit entwickelter Gesundheitsversorgung nahezu ausgerottet. In vielen
Entwicklungsländern hingegen stellt die Krankheit noch ein ernst zu nehmendes Problem dar. Ein
Großteil der Erkrankten lebt in Indien. Auch in Afrika gibt es viele Lepra-Kranke.
11
Herunterladen