auf dem Weg zum Pluto - Spektrum der Wissenschaft

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BLICK IN DIE FORSCHUNG

REX
PEPSSI
Hauptantenne
äußeren Sonnensystems erkundeten. Die
Gesamtkosten für NEW HORIZONS, einschließlich der Startrakete und des Betriebs bis zum Erreichen von Pluto, liegen
bei 700 Millionen US-Dollar. Für eine Planetensonde ins äußere Sonnensystem ist
das ein geringer Betrag.
NEW HORIZONS kann sowohl drei-Achsen-stabilisiert als auch um ihre Zentralachse rotierend betrieben werden.
Während der langen Reise zu Pluto wird
die Sonde mit etwa fünf Umdrehungen
pro Minute rotieren, damit sie stabil auf
die Erde ausgerichtet bleibt. In dieser Betriebsart benötigt sie nur sehr wenig
Treibstoff für die Lagekontrolle. Während der Vorbeiflüge an Jupiter und Pluto
ist die Sonde hingegen drei-Achsen-stabilisiert, damit die Instrumente mit hoher
Präzision auf ihre Zielobjekte ausgerichtet werden können.
Zur Ausrichtung der Sonde und für
Bahnkorrekturen ist NEW HORIZONS mit
16 Hydrazin-Raketenmotoren ausgerüstet. Vier dieser Düsen entwickeln einen
Schub von 4.4 Newton oder 430 Gramm,
die zwölf weiteren nur 0.8 Newton (78
Gramm). Die stärkeren Motoren dienen
Bahnänderungen, die kleineren Schubdüsen der Lagekontrolle, weil NEW HORIZONS nicht über Steuerkreisel verfügt.
Da NEW HORIZONS weit in die Tiefen
des äußeren Sonnensystems eindringt,
kann die Sonde ihre Energie nicht über
Solarzellen beziehen. In der Entfernung
von Pluto während der Zeit des Vorbeiflugs im Juli 2015 steht nur etwa 1/900
der Sonnenenergie in Erdentfernung zur
Verfügung. Daher wurde die Sonde mit
einem thermoelektrischen Radioisotopen-Generator (RTG) ausgerüstet. Der
RTG nutzt die beim Zerfall des radioaktiven Plutoniumisotops 238Pu entstehende Wärme und wandelt sie mit Hilfe von
Thermoelementen direkt in elektrischen
Strom um (s. SuW 3/1998, S. 220 ff.). Zur
Zeit des Starts produziert der RTG eine
Leistung von etwa 240 Watt, in zehn Jahren wird der Energieausstoß auf rund 200
Watt gesunken sein.
Die Raumsonde
Die Instrumente
SWAP
LORRI
RadioisotopenGenerator RTG
ALICE
Steuerdüse
Sternsensoren
RALPH
Steuerdüse
SDC
NEW HORIZONS
auf dem Weg zum Pluto
Am 19. Januar 2006 machte sich die Raumsonde NEW HORIZONS auf
ihren fünf Milliarden Kilometer langen Weg zum wohl bekanntesten
Mitglied des Kuiper-Gürtels: Pluto. Bereits im Februar 2007 wird die
Sonde den Planeten Jupiter passieren und nach einem fast zehn
Jahre dauernden Flug am 14. Juli 2015 den fernen Eisbrocken und
seine Monde aus der Nähe untersuchen.
Der Start von NEW HORIZONS bedeutet den
vorläufigen krönenden Abschluss einer
über 20-jährigen Vorbereitung auf dieses
Projekt. Seit Mitte der 1980er Jahre versuchten amerikanische Planetenforscher,
die US-Raumfahrtbehörde NASA von der
Notwendigkeit einer Plutosonde zu überzeugen. Allerdings wurden viele Anläufe
schon in der Planungsphase beendet.
Die Planungen für die nun gestartete Raumsonde NEW HORIZONS begannen
Ende 2001, nachdem im Jahr zuvor der
damalige Administrator der NASA, Dan
Goldin, das Vorgängerprojekt »PlutoKuiper Express (PKE)« wegen ausufernder Kosten endgültig beendet hatte. Die
Gruppe um den Projektwissenschaftler
Alan S. Stern von der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland, die NEW
HORIZONS vorschlug, achtete von Anfang
an sehr auf das Budget. Dennoch gelang
es, eine Raumsonde zu konzipieren, deren wissenschaftliche Instrumentierung
leistungsfähiger ist, als diejenige der berühmten Raumsonden VOYAGER I und II,
die von 1979 bis 1989 alle Planeten des
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STERNE UND WELTRAUM
März 2006
Computergraphik der Raumsonde
NEW HORIZONS mit den wichtigsten
Instrumenten. (Bild: NASA)
NEW HORIZONS ist ausgesprochen kompakt. Instrumentenausleger oder ausklappbare Antennen fehlen. Der Zentralkörper der Sonde ist ein dreiseitiges
Prisma mit abgestumpften Ecken und erinnert in Form und Größe an einen Konzertflügel. NEW HORIZONS ist maximal 2.7
Meter lang, 2.1 Meter breit und 0.7 Meter
hoch. Oben auf der Raumsonde befindet sich die 2.1 Meter große parabolische
Hauptantenne für die Kommunikation
und Datenübertragung zur Erde. Das
Gesamtgewicht der Raumsonde beträgt
beim Start 478 Kilogramm, wobei 77
Kilogramm auf Treibstoff und 30 Kilogramm auf die wissenschaftliche Nutzlast entfallen.
NEW HORIZONS ist mit sieben wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet,
die insgesamt 30 Kilogramm wiegen und
zusammen nur 30 Watt an elektrischer
Leistung benötigen.
ALICE ist ein abbildendes Ultraviolettspektrometer und soll vor allem die dünne Pluto-Atmosphäre untersuchen. Das
Instrument deckt einen Spektralbereich
von 52 bis 180 Nanometer (nm) ab.
RALPH ist eine Kombination aus einer Farbkamera und einem abbildenden
Spektrometer. Beide Instrumente verwenden ein gemeinsames 7.5-cm-Teleskop
und dienen vor allem der hochauflösenden Erkundung der Oberflächen von Pluto und Charon. Die Kamera verfügt über
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Kallisto
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Ganymed
Io
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Europa
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Die Flugbahn von NEW HORIZONS
führt an Jupiter vorbei zum Reiseziel Pluto.
sich die Massen von Pluto und Charon
mit hoher Genauigkeit ermitteln. Auch
wenn die Erde von NEW HORIZONS aus gesehen von Pluto und später Charon bedeckt wird, werden so genannte Okkultationsmessungen durchgeführt. Hiervon erhoffen sich die Forscher Aufschluss
über die Zusammensetzung, Dichte und
Struktur von Plutos Atmosphäre.
Der Flugverlauf
Die Raumsonde wurde am 19. Januar
2006 um 20:00 MEZ mit einer Trägerrakete des Typs ATLAS-CENTAUR-V ins
All befördert. Diese sehr leistungsstarke Rakete konnte NEW HORIZONS bereits
nach etwa 45 Minuten in eine direkte
Flugbahn zum Jupiter beschleunigen.
Die Sonde verließ das Erde-Mond-System bereits nach neun Stunden mit einer
Geschwindigkeit von 16 Kilometern pro
Sekunde. Damit ist sie die schnellste jemals gestartete Raumsonde. Nach nur 13
Monaten Flug trifft sie im Februar 2007
im Jupiter-System ein und passiert den
Gasriesen in einem Abstand von 2.27
Millionen Kilometern. Sie kommt dabei
nahe an die Umlaufbahn des äußersten
Galileischen Mondes, Kallisto, heran. Ab
etwa drei Monaten vor bis drei Monate
nach dem Jupiter-Vorbeiflug werden die
Instrumente Bilder und Messdaten vom
größten Planeten des Sonnensystems
und seiner Monde übermitteln. Durch
den Vorbeiflug wird NEW HORIZONS um
weitere vier Kilometer pro Sekunde beschleunigt, so dass sich die Flugzeit zu
Pluto um fünf Jahre verkürzt.
Kurze Zeit später wird die Sonde für
den größten Teil der achtjährigen Flugzeit zum Pluto in eine Art Winterschlaf
versetzt. Dies bedeutet, dass alle für das
»Überleben« nicht zwingend notwendigen Geräte einschließlich der wissenschaftlichen Instrumente abgeschaltet
und nur einmal pro Jahr für Testzwecke
aktiviert werden.

vier Farbkanäle und deckt einen Bereich
von 450 nm (blaues Licht) bis 1000 nm
(nahes Infrarot) ab. Das Spektrometer arbeitet im Infraroten im Bereich von 1250
nm bis 2500 nm. Die Instrumente ALICE und RALPH erhielten ihre Namen nach
zwei Hauptfiguren einer US-Fernsehserie
aus den fünfziger Jahren. Es handelt sich
also nicht um Akronyme.
LORRI (»Long Range Reconnaissance
Imager«) dient, wie sein englischer Name
schon andeutet, der Erkundung der Zielobjekte aus großer Entfernung. LORRI besteht aus einem 20.8-cm-Spiegelteleskop
und arbeitet im Spektralbereich von 350
nm (nahes Ultraviolett) bis 850 nm (nahes Infrarot). Das Instrument wird die
schärfsten Bilder von Pluto, Charon und
den zwei weiteren Monden liefern, allerdings nur in Schwarzweiß.
PEPSSI (»Pluto Energetic Particle Spectrometer Science Investigation«) erkundet das nähere Umfeld von Pluto und
Charon im Hinblick auf die Zusammensetzung von Atmosphäre und Ionosphäre. Es handelt sich um ein Massenspektrometer, welches die Konzentrationen von
Elektronen, Protonen und von geladenen
Atomen und Molekülen (Ionen) misst.
SWAP (»Solar Wind around Pluto«) erkundet die Wechselwirkungen des Sonnenwinds mit Plutos Atmosphäre und Ionosphäre.
SDC, der »Student Dust Counter«,
misst Anzahl und Größe von Staubpartikeln im Umfeld von Jupiter, Pluto
und Charon. Das Gerät wurde von Studenten amerikanischer Hochschulen gebaut, die das Instrument auch während
des Flugs betreuen.
REX, das »Radio Experiment«, verwendet den Bordempfänger für seine Messungen. Während der Passagen an Jupiter,
Pluto und Charon wird von der Erde aus
ein starker Radiosender mit einer reinen
Trägerwelle auf die Sonde gerichtet. Aufgrund der Bewegung der Sonde in den
Schwerefeldern der Zielkörper kommt es
zu charakteristischen Frequenzverschiebungen durch den Doppler-Effekt, die
REX registriert. Aus diesen Daten lassen

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Die Bahn von NEW HORIZONS durch
das Jupitersystem. Der Abstand
der Striche beträgt 10 Stunden.
Die Ankunft bei Pluto
Anfang 2015 erwacht die Raumsonde
endgültig aus ihrem Winterschlaf, die
»Observatoriumsphase« beginnt. Die Kamerasysteme nehmen erste Bilder von
Pluto und seinen Monden auf. Diese sind
zwar schlechter aufgelöst als die Bilder
des Weltraumteleskops HUBBLE, können
aber für die Navigation der Sonde verwendet werden. 75 Tage vor dem Vorbeiflug übertreffen die Bilder von LORRI alle
Aufnahmen erdgebundener Teleskope.
Die nun immer besser werdenden Bilder
dienen zur Planung des Vorbeiflugs und
zur Auswahl der Beobachtungsobjekte.
Die wichtigsten Messungen der Mission erfolgen in den wenigen Stunden des
Vorbeiflugs an Pluto und Charon am 14.
Juli 2015. Da die Raumsonde wegen der
großen Entfernung zur Erde die Messdaten nur sehr langsam mit 768 Bit pro Sekunde senden kann, werden alle Daten
und Bilder in zwei 8-GByte-Festspeichern
abgelegt, deren Inhalt dann während der
folgenden neun Monate zur Erde übermittelt wird. Falls NEW HORIZONS nach
dem Vorbeiflug an Pluto noch in gutem
Zustand sein sollte, so ist geplant, die
Sonde noch zu ein bis zwei weiteren Objekten des Kuiper-Gürtels mit Durchmessern über 50 Kilometer zu schicken. Diese würden frühestens in den Jahren 2018
bis 2020 erreicht.
TILMANN ALTHAUS
Literaturhinweise
Tilmann Althaus: CASSINI und die
Nuklearenergie. SuW 3/1998, S.
220.
Alan Stern, Jacqueline Mitton: Pluto and Charon – Ice Worlds on the
Ragged Edge of the Solar System.
2. Auflage 2005. Wiley-VCH. ISBN
3-527-40556-9. Siehe Rezension
auf S. 89 in diesem Heft.
STERNE UND WELTRAUM
März 2006
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