histrionische Persönlichkeitsstörung Die histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS) (von englisch histrionic „schauspielerisch; theatralisch, affektiert" zu lateinisch histrio „Schauspieler") ist gekennzeichnet durch egozentrisches und theatralisches Verhalten. Als Bezeichnung für eine Persönlichkeitsstörung ist die HPS aus dem nur noch von der psychoanalytischen Schule verwendeten Begriff Hysterie herausgelöst worden und von der Konversionsstörung abgetrennt worden. Diese neue Begrifflichkeit hat sich wegen der sehr abwertenden volkstümlichen Konnotation des Begriffes "Hysterie" in Verbindung mit einer Bedeutungsverschiebung im Vergleich zur fachlichen Bedeutungsbelegung als notwendig erwiesen. ? Beschreibung Charakteristisch für Histrioniker ist der Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen. Betroffene sind meistens extravertiert, sozial ungezwungen und kontaktfreudig, haben aber nicht selten auch einen Hang zu Provokationen (Sachse) und zur Aggressivität. In ihrem Sozialverhalten neigen sie oft dazu, verschiedene Personen mit und ohne deren Wissen gegeneinander auszuspielen, was auch in der therapeutischen Interaktion von Belang werden kann. In von den Betroffenen selbst subjektiv als unangenehm erlebten Situationen reagieren sie oft mit Schuldabwehr im Sinne u.g. Bewältigungsstrategien wie auch Selbstbemitleidung, aber auch mit einem dem Anlass nicht angemessenen aggressiven Verhalten. Nicht selten suchen sie in derartigen Situationen zudem nach Selbstbestätigung und zeigen deutlich ein Bedürfnis nach sozialer Unterstützung. Als Abwehrmechanismus (als unbewusstes Gegenstück zur bewussten Bewältigungsstrategie) beobachtet man oft die Verschiebung, Verdrängung und Verleugnung sowie Projektion, aber auch weitere Mechanismen wie Ungeschehenmachen (König). Ihr Verhalten und ihre Denkweisen sind infantil, zu logischem Denken haben sie keinen Bezug. Belohnungsaufschub wird nicht toleriert, ihr ganzes Handeln ist auf sofortigen Erfolg ausgerichtet, ihre Bedürfnisse, die sich stimmungsabhängig ändern können und den Interaktionspartnern oft nicht mitgeteilt werden, müssen sofort erfüllt werden. Die Betroffenen sind angeblich sehr leicht zu hypnotisieren und fallen gelegentlich auch allein in Trance. Kindheitserinnerungen setzen vielfach erst sehr spät ein, und zwar so spät wie bei keiner anderen Störung zu beobachten. Das Selbstwertgefühl und das Persönlichkeitsprofil ist eher schwach ausgeprägt, was dem sozialen Umfeld und auch Therapeuten oftmals dank einer guten Fassade nicht auffällt dank des oben beschriebenen Verhaltens. Umgekehrt kann aber auch das schwache Selbstwertgefühl von Betroffenen instrumentalisiert werden im Sinne der Erzielung von Aufmerksamkeit. Sie können die eigene Bedeutung bei nur gering ausgeprägter Introspektionsfähigkeit und -motivation nur schlecht einschätzen, haben dafür aber ein sehr ausgeprägtes Gespür, wie sie durch ihr Auftreten andere manipulieren können. Zu dem Gefühlsleben ihrer Mitmenschen und den psychosozialen Auswirkungen ihres Agierens haben sie oft wenig Zugang. Entsprechend wichtig ist für Histrioniker die Bestätigung durch das Umfeld. Um diese Bestätigung zu erreichen, neigen sie zur exzessiven, oft theatralischen Selbstdarstellung, aber auch Affektualisierungen sind häufig. Im Gespräch fallen sie oftmals durch Wechselhaftigkeit, Ambivalenz und Mehrdeutigkeit in ihren Aussagen und Ansichten auf. Ihr Sprachstil ist dabei oberflächlich, detailarm, zuweilen impressionistisch und bedient sich auch sehr geschickt eingefügter Lautmalereien, ihre Wortwahl beschreibt den Sachverhalt oft sehr unspezifisch und allgemein. Dabei können für den Gesprächspartner Doppelbindungssituationen ("Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass", "ich hasse dich, aber verlasse mich nicht" double bind) entstehen, die aber auch bei anderen Störungsbildern beobachtet werden. Betroffene sind extrem suggestibel und somit leicht durch andere beeinflussbar. Sie suchen meist nach Übereinstimmung und übernehmen vielfach Positionen des Gegenüber bzw. der Mehrheit, es kann aber auch das genaue Gegenteil geschehen, wenn dieses geeignet zur Selbstinszenierung ist. Gleichermaßen findet eine Anpassung an das jeweilige Umfeld statt, wobei sich die Persönlichkeit deutlich ändern kann. Sie suchen ständig nach Neuem und nach Stimulation. Dadurch können sie sich leicht in gefährliche Situationen begeben, wozu dann auch der schädliche Gebrauch von Suchtmitteln zählen kann, was häufig zum schleichenden Übergang in eine echte Abhängigkeit führt. Sie können schnell enthusiastisch Interesse an etwas gewinnen und es ebenso schnell wieder verlieren. Mit ihrem Enthusiasmus können sie dabei anfangs oft sehr mitreißend und motivierend auch auf Mitmenschen wirken und diese dabei auch gefährden oder zu gefährlichen Handlungen verleiten. Dies geschieht dann oft auch subtil im Rahmen sogenannter Projektiver Identifikation. Hinsichtlich ihres Arbeitsverhaltens fallen sie sowohl dienstlich wie privat oft dadurch auf, dass sie für Arbeitsleistungen, die manchmal nicht einmal Entwurfqualität haben, grenzenlose Bewunderung und Dankbarkeit ihres Umfeldes erwarten und ihnen die Notwendigkeit der Nachbesserung der Arbeit dabei nicht zu verdeutlichen ist. Viele sind offen für oft wechselnde sexuelle Beziehungen, innerhalb derer sie sogar in körperlicher Hinsicht treu sein können, aber sich destruktiv verhalten. Die Kontaktaufnahme zu neuen Partnern fällt ihnen leicht, da sie sich in Szene zu setzen wissen und viel Zeit und Geld in körperliche Attraktivität investieren. Typischerweise besteht ein ausgeprägter innerer Drang, zu flirten und sich (sexuell) verführerisch zu verhalten, was sich auch in einer sehr eleganten Motorik ausdrücken kann. Sie sind sich dabei ihrer Wirkung auf das andere Geschlecht und den eigenen Partner oft nicht bewusst. Dabei ist die umfassende Liebe der Zielperson das Motiv, weniger die sexuelle Befriedigung. Innerhalb einer sexuellen Beziehung weicht anfängliche, überschwängliche Begeisterung oft gar nicht viel später der Enttäuschung, wobei die jeweiligen Partner nicht viel mehr als Objekte der emotionalen Manipulation sind und keinen Einfluss auf den Gefühlsumschwung haben. Es sollte aber beachtet werden, dass viele Histrioniker in monogamen Beziehungen oder ganz ohne Partner leben; Promiskuität ist daher kein sicheres Symptom. Innerhalb der Partnerbeziehungen werden immer wieder Liebesbeweise gefordert, was in extremen Fällen zu Spannungen führt und die Partner auch in gefährliche Situationen bringen kann. Je nach sonstiger Auslenkung der Persönlichkeit des Betroffenen können Beziehungen mit Histrionikern unabhängig davon, ob es sich um eine Partnerschaft oder eine sonstige Beziehung handelt, für den Partner sehr angenehm sein, wenn die Betroffenen sich anpassen und eher zur Grundgutmütigkeit neigen und/oder sogar die Persönlichkeit, Werte und Ziele des Partners unbesehen übernehmen. Die Beziehung kann aber auch destruktiv sein, insbesondere, wenn noch eine narzisstische Auslenkung (Narzissmus) hinzukommt. Hinsichtlich Partnerschaftsverhaltens fällt bei weiblichen Betroffenen auf, dass sie in verschiedener Funktion mehrere Partner haben können. Der Sexualpartner ist dabei derjenige, auf den am ehesten verzichtet wird und der austauschbar ist. Weiterhin haben sie oft einen väterlichen Freund, der oftmals über jeden Zweifel erhaben ist, sowie einen Freund, der als Ansprechpartner in allen Notlagen dient, die Rolle eines großen Bruder hat, dabei aber nie als Sexualpartner herangezogen wird. Diese beiden letztgenannten Beziehungstypen zerbrechen häufig auch sofort, wenn Sexualkontakte hinzukommen. Suizidversuche, deren Motiv ebenfalls die Beachtung unabhängig von der Gefühlsbewertung durch das soziale Umfeld ist, sind je nach Komorbidität und begleitenden Lebensumständen unterschiedlich zu werten. Trotz ihres meist apellativen Charakters sollten sie ernst genommen werden, sind aber oftmals einer paradoxen Intervention zugänglich, wobei diese Therapieform nur diagnostisch geschultem Personal zu überlassen ist. Da es sich um Impulshandlungen im Rahmen der gestörten Persönlichkeit handelt, ist die Vermeidung weiterer Versuche schwierig, die akzidentell oder beabsichtigt tödlich enden können. Die statistische Lebenserwartung bei der HPS ist dadurch verkürzt. Die Diagnose dieser Störung hängt im Gegensatz zu anderen weniger von der Dispositionierung als von der Kultur ab. So fallen Histrioniker seltener auf, wenn ihr Gemütsbereich und sexuelle Freiheit als normal angesehen wird, wie heutzutage im Westen. Das theatralische Auftreten wird in verschiedenen Kulturen unterschiedlich akzeptiert. Es wird von zwei bis drei Prozent Betroffenen ausgegangen, der Anteil an der Gesamtbevölkerung kann aber höher sein, da viele Histrioniker sozial angepasst leben und daher nicht auffallen oder andere psychiatrische Komorbidität führt bzw. auffälliger ist. Die Störung wird bei Frauen sehr viel häufiger diagnostiziert als bei Männern, was aber nichts über die wahre Verteilung aussagt und wobei von geschlechtsunspezifisch gleicher Verteilung ausgegangen werden darf. Da antisoziale und histrionische Persönlichkeiten gehäuft innerhalb ein und derselben Familie vorkommen, kann man davon ausgehen, dass eine gemeinsame genetische Disposition für diese beiden Persönlichkeitsstörungen vorliegt. Der Erbgang wird als autosomal-dominant angenommen. Bei Zwillingsstudien liegt die Konkordanz bei etwa 65 Prozent. Häufig wird in der Literatur über frühkindliche Erfahrungen mit einer gestörten innerfamiliären Interaktion bei den Betroffenen berichtet, wobei Gewalt und Missbrauch vorgekommen sein können. Dabei können auch andere Mitglieder der Familie psychopathisch gewesen sein. In vielen Fällen liegt eine Konstellation einer gestörten elterlichen Kommunikation zugrunde, die überzufällig häufig zu einem Verlassen der Familie durch den Vater führt. Anamnestische Angaben Betroffener zu Mißbrauchserfahrung sind jedoch immer zu hinterfragen, da wie oben beschrieben definitionsgemäß bei der HPS der Drang besteht, sich in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen, weiterhin sie oftmals den Suggestionen des verbleibenden sozialen Umfeldes oder sogar ihrer Therapeuten erlegen sind bzw. diese zu manipulieren versuchen und zudem auch wie oben beschrieben die Kindheitserinnerungen sehr spät einsetzen. Darüber hinaus kann die gestörte intrafamiliäre Interaktion auch in einer übermäßigen Verwöhnung bestanden haben. In der Literatur und im Volksmärchen werden oftmals histrionische Frauen und Männer dargestellt, so sind "Scarlett" in "Vom Winde verweht" und "Don Juan" sowie "Carmen" in der Oper Beispiele für Histrioniker, aber auch das Märchen "Vom Fischer un sine Fru" stellt eine HPS literarisch dar. Auch die Ziege in "Tischlein deck dich" ist eine volkstümliche Darstellung einer HPS. ? Klassifizierung nach ICD und DSM ICD-10 Nach ICD-10 müssen mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen vorliegen: dramatische Selbstdarstellung, theatralisches Auftreten oder übertriebener Ausdruck von Gefühlen; Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch andere oder durch Ereignisse (Umstände); oberflächliche, labile Affekte; ständige Suche nach aufregenden Erlebnissen und Aktivitäten, in denen die Betreffenden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen; unangemessen verführerisches Erscheinen oder Verhalten; https://www.suchtundselbsthilfe.de/forum/lexicon/index.php/Entry/36-histrionischePers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung/?s=ff38ba439fb96ddf3736b1bd7ee4a1347864a065 2 übermäßige Beschäftigung damit, äußerlich attraktiv zu erscheinen. Egozentrik, Selbstbezogenheit, dauerndes Verlangen nach Anerkennung, fehlende Bezugnahme auf andere, leichte Verletzbarkeit der Gefühle und andauerndes manipulatives Verhalten vervollständigen das klinische Bild, sind aber für die Diagnose nicht erforderlich. ? DSM-IV Nach DSM-IV ist die HPS charakterisiert durch ein tiefgreifendes Muster übermäßiger Emotionalität oder Strebens nach Aufmerksamkeit. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und die Störung zeigt sich in verschiedensten Situationen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein: fühlt sich unwohl in Situationen, in denen er/sie nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, die Interaktion mit anderen ist oft durch ein unangemessen sexuell-verführerisches oder provokantes Verhalten charakterisiert, zeigt rasch wechselnden und oberflächlichen Gefühlsausdruck, setzt regelmäßig seine körperliche Erscheinung ein, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, hat einen übertrieben impressionistischen, wenig detaillierten Sprachstil, zeigt Selbstdramatisierung, Theatralik und übertriebenen Gefühlsausdruck, ist suggestibel, das heißt leicht beeinflussbar durch andere Personen oder Umstände, fasst Beziehungen enger auf, als sie tatsächlich sind. Diffentialdiagnose und Behandlung Hilfe wird im Allgemeinen nicht wegen HPS, sondern wegen Depressionenoder dissoziativer Störungen (s. auch als Konversionsstörung bezeichnet), die Organbeschwerden ähnlich sein können, die bis zu Blindheit oder Lähmungen reichen können, aufgesucht. Da die Beschwerden subjektiv sind, sollte man sich vor Fehldiagnosen hüten. Dabei ist in der diagnostischen und therapeutischen Interaktion zu berücksichtigen, dass es sich bei dissoziativen Störungen nicht um Simulation oder bewusstes Agieren handelt. Auch psychosomatische Beschwerden, die persönlichkeits- und störungsunabhängig auftreten können und Reaktionen auf verschiedenste innerpsychische Konflikte sein können, sind hiervon zu trennen. Depressive Beschwerden werden wiederum im Rahmen des histrionischen Erlebens mit dem Ziel sekundären Krankheitsgewinns verarbeitet, so dass sie sich oft als die für das soziale Umfeld und die Therapeuten sehr belastende Jammerdepression äußern. Es sei noch darauf hingewiesen, dass Histrioniker im Rahmen ihres manipulativen bzw. provokanten Verhaltens, aber auch Narzissten oder bei narzisstischer Auslenkung/Komorbidität der HPS wegen ihrer oft zu beobachtenden eingeschränkten Fähigkeit bzw. auch fehlenden Willens, ihren Mitmenschen zuzuhören (s.u.) und/oder erlernte Inhalte zu behalten, aber auch bei dissoziativen Bewußtseinsstörungen (dissoziatives Vergessen, dissoziative Schwerhörigkeit)als ADHS/ADS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, Aufmerksamkeitsdefizitssyndrom) fehldiagnostiziert werden, was oftmals eine kontraindizierte Behandlung mit Ritalin zur Folge hat. Da auch Kinder häufig schon im Schulalter deutliche histionische Auslenkungen zeigen können, sollte man sich vor besagter sehr häufiger Fehldiagnose hüten. Histrioniker sind schwer zu behandeln, da sie ihr Verhalten nur langsam und schwer ändern können und ihnen oftmals die nötige Einsicht fehlt. Sie können manipulierend auf ihren Therapeuten sein und somit die Behandlung in eine falsche Richtung lenken. Er sollte dem Patienten die psychische Ursache seiner Beschwerden verdeutlichen und dynamisch und unterstützend auf ihn einwirken. Hierbei ist eine klare Begrenzung des Patienten hinsichtlich seines Agierens bzw. seiner manipulativen Verhaltensweisen sinnvoll, auch dem Betroffenen sein Verhalten zu spiegeln kann helfen. Bei apellativen Suizidankündigungen und/oder parasuizidalen Handlungen kann paradox interveniert (paradoxe Intervention) werden, was aber dem in der Diagnostik und Behandlung suizidaler Störungen erfahrenen Therapeuten vorbehalten bleiben sollte. Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Histrionische Persönlichkeitsstörung aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU Free Documentation License und Creative Commons CCBY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). 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