TU Darmstadt

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TU Darmstadt
Wintersemester 2005/06
Prof. Durth, Udo Gleim
Oberstufenseminar: „Wettbewerbe I“
DER WETTBEWERB DER CHICAGO TRIBUNE 1922
- Der Tribune Tower: Ein Meilenstein der Architekturgeschichte oder
stilistischer Rückschritt?
Teil I
von Michael Wiederstein
[email protected]
http://www.wiederstein-architekt.de
Teil II
von Thomas Raab
[email protected]
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Inhaltsverzeichnis
Titelseite........................................................................................................................ 1
Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................ 2
I. Historischer Kontext und Vorbereitung des Wettbewerbs
von Michael Wiederstein
1) Einleitung und Zielsetzung ................................................................................. 3
2) kurze Stadtgeschichte Chicagos und des Hochhauses ..................................... 3
3) Die Schule von Chicago und die City-Beautiful-Bewegung................................ 4
4) Der Auslober: Die Chicago Tribune.................................................................... 5
5) Initiierung des Wettbewerbs ............................................................................... 6
II. Ablauf des Wettbewerbs, Analyse und Bewertung
von Thomas Raab
6) Internationaler Wettbewerb oder Schauspiel für Publicity?................................ 7
7) Einbeziehung des Volkes als Zeichen für direkte Demokratie ........................... 7
8) Amerikas Hilfe für Deutschland und der Einsendeschluss................................. 7
9) Verschiedene Beiträge ....................................................................................... 8
10) Kuriose Entwürfe .............................................................................................. 8
11) Die drei Preisträger .......................................................................................... 9
12) Most beautiful Building of the Worl / Resume .................................................. 9
III. Abbildungen ...................................................................................................... 11
IV. Nachweise ......................................................................................................... 13
1) Literaturverzeichnis .......................................................................................... 13
2) Abbildungsverzeichnis...................................................................................... 13
V. Anlagen............................................................................................................... 14
1) Handout zum Referat ....................................................................................... 14
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I. Historischer Kontext und Vorbereitung des Wettbewerbs
von Michael Wiederstein
1 Einleitung und Zielsetzung
Diese Ausarbeitung entstand im Rahmen des Seminars „Wettbewerbe I“ am
Fachbereich Geschichte und Theorie der Architektur der TU-Darmstadt, das die
Darstellung
und
Analyse
diverser
bedeutender
Architekturwettbewerbe
vom
ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart zum Thema hat.
Die vorliegende Arbeit betrachtet den Wettbewerb für das Hochhaus der Chicago
Tribune, 1922.
Der Wettbewerb der Chicago Tribune im Jahr 1922 ist bis heute einer der
bekanntesten
und
einflussreichsten
Wettbewerbe
in
der
Geschichte
des
Hochhausbaus. An der internationalen Konkurrenz beteiligte sich die für damalige
Verhältnisse enorme Anzahl von 183 Büros, unter ihnen die Elite der damaligen
Architektengeneration. Von den zahlreichen europäischen Beiträgen zeigten mehrere
radikale neuartige Entwurfsansätze, die sich jedoch in der Wettbewerbsjury wie auch
in der öffentlichen Meinung nicht gegen die historisierenden Turmentwürfe der
amerikanischen Architekten behaupten konnten.
Schlussendlich baute die Chicago Tribune ein Hochhaus, das ganz der neogotischen
Formensprache verschrieben ist, und die Macher waren der Überzeugung das
„schönste Bürogebäude der Welt“ zu errichten. In Anbetracht der Tatsache, dass - aus
heutiger Sicht - stilistisch wie funktional wesentlich wegweisendere Entwürfe einem
solchen dekorierten Historismus unterlegen waren, suchen wir die Begründung für
dieses erstaunliche Ergebnis in den vielschichtigen Ebenen des Wettbewerbs und dem
historischen Kontext. Zuletzt versucht diese Arbeit Antwort zu finden auf die zentrale
Frage zur Einschätzung des Siegerentwurfes: Ist der Tribune Tower ein Meilenstein
der Architekturgeschichte oder ein stilistischer Rückschritt?
2 Kurze Stadtgeschichte Chicagos und des Hochhauses
Chicago ist bekannt dafür, die Geburtsstadt des Hochhauses zu sein und steht bis
heute in einer stetigen Konkurrenz mit New York um die höchsten Wolkenkratzer der
USA. Seit der Stadtgründung 1837, bei der die Stadt bereits in regelmäßige
Planquadrate eingeteilt wurde, folgte ein andauerndes sprunghaftes Wachstum mit
enormer Bevölkerungszunahme. Chicago wurde schnell zu einem erfolgreichen
Wirtschaftsstandort und konnte seine starke Position bis in die heutige Zeit erhalten
und ausbauen. Heute kann die Metropole bereits auf eine bewegte und einflussreiche
Architekturgeschichte zurückblicken.
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Die eigentliche Schlüsselrolle für die Entwicklung der traditionellen Hochhausstadt
kommt neben den technischen Voraussetzungen für hohe Bauten wie der Einführung
der Eisenskelettkonstruktion und des Sicherheitsfahrstuhls einer Katastrophe zu: Der
große Stadtbrand von 1871 zerstörte fast die gesamte Innenstadt und wirkte so als
Initialzündung für einen Städtebau mit neuer Ausrichtung und ebnete einer neuartigen
Architektur den Weg.
Nicht zuletzt die stetig höher steigenden Grundstückspreise trieben die Bürohäuser
immer weiter in die Höhe. Aufgrund rücksichtsloser Riesen wie dem „Masonic Temple“,
der mit einer Höhe von 92 Metern 1892 das höchste Gebäude der Welt war, die ihre
Umgebung verdunkelten und das Stadtgefüge empfindlich störten, wurden 1917 in
Chicago erstmals restriktive Zoning Laws erlassen, die Rücksprünge sowie schlanke
Turmbauten forderten. Diese Baugesetze, die sich bis heute in angepasster Form
erhalten haben, prägten praktisch zu jeder Zeit die Gestalt der Skyscraper und sollten
auch die Entwürfe zum Wettbewerb der Chicago Tribune deutlich beeinflussen.
3 Die Schule von Chicago und die City-Beautiful-Bewegung
Als nach dem großen Stadtbrand in Chicago die ersten Hochhäuser entstanden, die
damals noch kompakt und eher blockhaft proportioniert waren, schuf William Le Baron
Jenney, der als „Vater des Hochhauses“ gilt, mit dem „Leiter Building“ 1879 einen
ersten Prototypen für die neuartigen Eisenkonstruktionen, indem er weitgehend auf
Dekoration verzichtete und die Konstruktion an der von großen Fensterflächen
dominierten Fassade ablesbar machte. Beispiele wie dieses sollten Schule machen
und bald wurde die Stadt von den revolutionären kompromisslos modernen Gebäuden
der „Schule von Chicago“ geprägt, die sich durch funktionalistische Architektur, die
großen „Chicago Fenster“ und eine elegante technische Ästhetik auszeichneten.
Chicago verfügte zum ausgehenden 19.Jahrhundert über eine der modernsten
Architekturen der Welt.
Als Leitfigur und wichtigster Theoretiker wie auch ausführender Architekt der Schule
von Chicago wird Louis Sullivan angesehen. Schon frühzeitig setzte er sich unter
anderem in seinem Aufsatz „The tall office building artisitically considered“ dafür ein,
eine adäquate Form für die neuartige Bauaufgabe Hochhaus, auch in Bezug zur
Gesamtstadt, zu entwickeln und setzte dabei bis heute gültige Standards für die
Gestaltung von Turmbauten durch: Mit dem Gedanken der Dreiteilung des Baukörpers
in Analogie zur klassischen Säule oder seinem berühmten Satz „Form follows function“
wird er heute in jeder Architekturgeschichte zitiert.
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Aber langfristig konnte sich die zukunftsweisende Architektur der Schule von Chicago
zunächst nicht durchsetzen: Auf der Chicagoer Weltausstellung von 1893 dominierten
bereits historisierende Bauten, die mit ihren neo-romanischen, neo-gotischen oder
neo-klassizistischen Dekorationselementen den nüchternen Stil der Modernisten
schnell verdrängten und scheinbar einstimmig als die passendere Art der Gestaltung
für die immer höher strebenden Hochhaustürme angesehen wurden, die in den
beginnenden 1920er Jahren durchgehend in den Spielarten des Historismus und der
Art Deco entworfen wurden.
Auch im Städtebau zeigte sich ein derartiges Nebeneinander von modernen
Entwurfsfaktoren und einer rückwärtsgewandten Orientierung bei der Gestaltung:
Daniel Burnham präsentierte 1909 seine städtebauliche Vision für Chicago im Sinne
der „City-Beautiful-Bewegung“. Um der Stadt ein attraktiveres Gesicht zu geben,
orientierte er sich dabei stark an europäischen Vorbildern, besonders Paris, und
Anleihen an deren barocken Stadtanlagen. Sein aufwändig illustrierter Masterplan, der
ein System von hierarchischen Achsen durch die Stadt vorsieht und sich ansonsten mit
zentralen Themen wie Verkehr, einem Parksystem und der Stadterweiterung nach
Norden auf die andere Flussseite auseinandersetzt, wurde in mehreren Teilen
umgesetzt. Durch den Neubau der Brücke über den Chicago River und die
Verlängerung der Michigan Avenue als städtische Hauptachse wurde ein bis dahin
wenig entwickelter Stadtteil erschlossen und entwickelt.
Eine Schlüsselrolle bei dieser städtebaulichen Entwicklung des so genannten
„Boulevard Link“ kam den Machern der Chicago Tribune zu, die frühzeitig den Bau der
Brücke unterstützten und zu dieser Zeit bereits in besagtem neu zu entwickelnden
Stadtteil ihren neuen Firmensitz planten, der als Eingangstor in das vergrößerte
Chicago ein Zeichen setzen sollte.
4 Der Auslober: Die Chicago Tribune
Die Chicago Tribune ist eine Chicagoer Tageszeitung, die zum ersten Mal am 10. Juni
1847 erschien. Bis 1922 wurde sie zu einer der meistgelesenen und einflussreichsten
überregionalen Amerikanischen Zeitungen, die auch in 18 Europäischen Ländern
erschien. Die führenden Köpfe der Tribune Company zu dieser Zeit, die neben der
Tageszeitung auch noch mehrere Zeitschriften und einen Radiosender betrieb, waren
Robert Rutherford McCormick und Joseph Medill Patterson, zwei Kriegsveteranen des
Ersten Weltkriegs, die die Tribune zur konservativen und deutlich patriotischen Zeitung
für die aufstrebende Mittelklasse stilisierten. Die Macher der Tribune hatten auch
eindeutige politische Ambitionen innerhalb Chicagos, was sich zu dieser Zeit vor allem
in ihrer starken Unterstützung des City-Beautiful-Plans äußerte.
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Durch regelmäßige Modernisierung der Aufmachung der Zeitung und Anreicherung mit
Werbung, Cartoons und Magazininhalten war die Tribune außerordentlich Erfolgreich
und dominierte mit einem geradezu übersteigerten Selbstbewusstwein den lokalen
Zeitungsmarkt: Auf der Titelseite nannte sich die Tribune selbst „Greatest Newspaper
of the World“, wohingegen sie in Europa eher als „Wildwest-Blatt“ geringschätzt wurde.
Aufgrund der starken Expansion benötigte das Unternehmen zu Beginn der 1920er
Jahre einen neuen Firmensitz, der gemäß dem Selbstverständnis der Tribune nur ein
Hochhaus sein konnte, um der Größe und Bedeutung der Company Rechnung zu
tragen und ein würdiges Monument für die gesamte Stadt zu werden.
5 Initiierung des Wettbewerbs
Der bis Dato höchste und meistbewunderte Wolkenkratzer war der Woolworth-Tower
in New York, von Cass Gilbert im neogotischen Stil errichtet, dem es nachzueifern galt,
den man sogar übertreffen wollte. Da die strengen Bauvorschriften in Chicago das
höchste Gebäude der Welt nicht zuließen, entschied sich die Führung der Tribune für
einen anderen Superlativ: Man wollte das „Schönste Bürogebäude der Welt“ errichten.
Und so stand es auch wörtlich in der Ausschreibung des Wettbewerbs, die anlässlich
des 75. Jahrestages der Gründung der Chicago Tribune am 10. Juni 1922
veröffentlicht wurde. Bemerkenswert war die Tatsache, dass die Konkurrenz - für ein
Bürohaus zu dieser Zeit unüblich - international ausgetragen wurde. Ebenso enorm
das Preisgeld: 100.000 US$. [Abb. 1]
Im Mittelpunkt der ganzseitigen Wettbewerbsausschreibung standen 3 Zielsetzungen,
die die plakativen Absichten der Tribune nur verdeutlichen: 1. Das neue Gebäude
sollte ein Monument zur Verbesserung der Schönheit der Stadt Chicago werden, 2.
Der neue Firmensitz sollte durch seine Anmut Inspiration und Stolz der Tribune und
ihrer Mitarbeiter werden und 3. sollte der Neubau ein würdiger Stammsitz für die
Größte Zeitung der Welt sein. Die Ausschreibung erforderte zwei Grundrisse, Ansicht,
Schnitt und eine Perspektive; weitere Unterlagen waren unerwünscht, sodass sich die
Ausschreibung bereits in der rein ästhetischen Herausforderung erschöpfte. Zur
zentralen Frage des Wettbewerbs wurde die des Stils und der Fassadenarchitektur
erhoben.
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II. Ablauf des Wettbewerbs, Analyse und Bewertung
von Thomas Raab
6 Internationaler Wettbewerb oder Schauspiel für Publicity?
Bei dem eigentlichen Anspruch des Auslobers einen Internationalen Wettbewerb zu
veranstalten, was zu damaliger Zeit etwas höchst Seltenes war, muss man sich die
Frage stellen, ob er diesem Anspruch gerecht wurde. Da unter den ersten zehn
Plätzen außer dem von Eliel Saarinen, der erst nachträglich dazugewählt wurde, kein
Nichtamerikaner war, sollte man sich doch die Frage stellen, ob das „unabhängige“
Preisgericht ausschließlich nach gestalterischen Kriterien urteilte. Immerhin bestand es
ausschließlich aus Chicagoer Architekten und Tribune Mitgliedern und stimmte noch
bevor die ersten europäischen Arbeiten eintrafen für die Preisvergabe ausschließlich
unter den nationalen Einsendern ab.
7 Einbeziehung des Volkes als Zeichen für direkte Demokratie
Wettbewerbsbegleitend
liefen
immer
wieder
Veröffentlichungen
zu
kritischen
Fragestellungen zum Wettbewerb durch die Presse. So wurden trotz der angeblichen
Anonymität
und
Objektivität
des
Wettbewerbsverfahrens
immer
wieder
Leserbefragungen durchgeführt. Dies begründete der Tribune mit seiner Liebe zur
Demokratie und somit der direkten Einbeziehung der Leserschaft in entscheidende
Fragen des Wettbewerbes. Es wurden kuriose Vorbilder gesucht, um eine würdige und
würdevolle Formensprache zu finden. So gingen die veröffentlichten Beispiele von
einer Pyramide über eine Nachbildung des Eiffelturmes bis hin zu einem bewohnbaren
Bein der Sagengestalt Samson. Derartig plumpe Vorschläge der Tribune-Leserschaft
zu einer würdigen Architektur lassen leicht Rückschlüsse auf deren Niveau und
Wertevorstellungen zu.
8 Amerikas Hilfe für Deutschland und der Einsendeschluss
Um einen sicheren Transfer der Entwürfe aus Deutschland in die Vereinigten Staaten
zu gewährleisten, bat man die USA diesen durchzuführen. Trotz der durch den Ersten
Weltkrieg noch immer negativen Stimmung den Deutschen gegenüber sagte man
dieser Übereinkunft zu. Leider kamen von den vielen deutschen Einsendungen jedoch
nur Sechs pünktlich zum Einsendeschluss an.
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9 Verschiedene Beiträge
Die Beiträge, die das größte Aufsehen in Hinblick auf moderne Architektur erregt
haben dürften, sind die von Ludwig Karl Hilberseimer [Abb. 2], Werkstatt für
Massenform [Abb. 3], Max Taut [Abb. 4] und Walter Gropius [Abb. 5].
Hilberseimer brachte mit seiner äußerst rationalen, industriell orientierten, glatten,
kantigen und streng gerasterten Formsprache einen Stil auf Papier, welcher im Prinzip
schon den „Internationalen Stil“ der 1950er Jahre vorwegnimmt. Die Werkstadt für
Massenform war eine Vereinigung von Österreichischen Architekten, die ähnlich dem
Bauhaus einen maximalen Vorfertigungsgrad in der Architektur erreichen wollten. Ihr
Beitrag hat starke Ähnlichkeiten mit Gebäuden von Egon Eiermann aus den 1970er
Jahren. Auch Max Taut war seiner Zeit voraus und entwarf ein Gebäude mit den
immer populärer werdenden Rücksprüngen und einer rein sachlichen, schnörkellosen
Fassade. Der im Design ausgereifteste Entwurf der Europäer ist vielen Kritikern
zufolge jedoch der des deutschen Architekten Walter Gropius Der Entwurf
veranschaulicht sehr schön die durchdachte Rhythmik des von ihm zu einem späteren
Zeitpunkt geprägten Bauhausstils. Um interessante, jedoch sehr reduzierte Spiele in
der Hülle des Bauwerkes zu erzeugen, gliederte er diese durch vorspringende
„Schwerter“, die im Wesentlichen die Ornamentik in seiner streng sachlichen und
funktionalen Architektur darstellen. Selbst bis in die heutige Zeit könnte man sich
ähnliche Gebäude im Stadtbild vorstellen. Leider traf auch sein Vorschlag nicht den
Geschmack des Preisgerichtes.
10 Kuriose Entwürfe
Zu den kuriosesten Entwürfen, die man unter den Einsendungen finden kann, gehören
unter anderem die Beispiele von Adolf Loos [Abb. 6], Phelps Stokes [Abb. 7] und
Heinrich Mossdorf [Abb. 8].
Der Entwurf von Adolf Loos zeigt eine riesige bewohnbare dorische Säule, die in ihrer
Absurdität eher einer der Einsendungen der Leserschaft gleicht, als dass man sie für
ernst gemeinte Architektur halten würde. Dennoch ist die Art der Darstellung so
präzise und im Aufbau klassisch korrekt nach dem Prinzip „form follows function“ (Die
Sockelzone mit neun Stockwerken, den Schaft mit der Hauptnutzfläche und das
Kapitell als strenger Abschluss) aufgebaut, dass man im nachhinein nicht mehr
eindeutig sagen kann, ob Loos sich einen Scherz erlaubt hat oder ernsthaft von seiner
sonst durchaus modernen Haltung abgewichen ist. Nach seiner eigenen Aussage
wollte er ein Wahrzeichen für Chicago schaffen.
Der Entwurf von Phelps Stokes stand dem sich an klassischen Formen bedienenden
Entwurf von Loos in nichts nach. Er zeigt eine fast exakte Kopie der Hagia Sophia auf
der Spitze eines ansonsten sehr schlichten und funktionalen Bürogebäudes.
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Diese und ähnliche Kopien eines klassischen Bauwerkes könnte auf die Vorliebe des
Auslobers für eine gewisse Symbolhaftigkeit und Besinnung auf alte, meist
europäische Kulturen, zurückzuführen sein.
In eine ganz andere und sicherlich karikaturistische Richtung geht der Entwurf von
Heinrich Mossdorf. Er schlug ein Hochhaus vor, auf dessen Spitze ein Indianer mit
erhobenem
Kriegsbeil
als
eine
Art
Antenne
sitzt.
Diese
plumpe
Art
von
Symbolhaftigkeit konnte man nur als Spott dem amerikanischen Volk gegenüber
empfinden, und der Entwurf kam somit natürlich nicht in die engere Auswahl.
11 Die drei Preisträger
Zu den drei endgültigen Preisträgern zählen die Entwürfe von Holabird und Roche
[Abb. 9], Eliel Saarinen [Abb. 10] und der Siegerentwurf von Howells und Hood
[Abb. 11]. Das Design des dritten Platzes von Holabird und Roche und das des Ersten
von Howells und Hood unterscheiden sich nur geringfügig. Beide führen ein NeoGotisches
Design
vor,
welches
aufgrund
der
Höhe
auf
eine
gewöhnliche
Stahlkonstruktion aufgesetzt wurde. Doch egal welchen Wettbewerbsbeitrag man sich
anschaut, alle haben einen fast schnörkellosen, rein mit Funktion versehenen Schaft.
Die Büroraster die zum Einsatz kamen wurden von der Presse liebevoll „Honeycells“
genannt, da sie wie Bienenwaben dicht an dicht gedrängt waren.
Der Entwurf von Saarinen unterschied sich jedoch stark von den beiden Anderen. Er
dachte in eine deutlich modernere, bereits auf die aufkommenden „zoning laws“
angepasstere Richtung. Sein Bauwerk sollte über die Höhenentwicklung verteilte
„Setbacks“ erhalten. Diese Rücksprünge sollten der besseren Belichtung der
Straßenzüge dienen und einen freien Blick in den Himmel gewährleisten. Hugh Ferris,
ein damals sehr bekannter Spezialist für Architektur-Visualisierungen, machte diese
Art der Formsprache in seinen zum Teil sehr düsteren Zukunftsszenarien zu
amerikanischen Großstädten salonfähig. Für viele Architekturkritiker war der Entwurf
Saarinens der eigentliche Siegerentwurf. Seine schnörkellose Ausführung entsprach
vielmehr dem Zeitgeist, der sich in Chicago bereits vor der Weltausstellung von 1893
angebahnt hatte, und der sich erst in den nächsten zwei Jahrzehnten durchsetzten
sollte.
12 Most beautiful building of the world / Resume
Die drei Grundvoraussetzungen für den Wettbewerb waren:
- eine Verbesserung der Schönheit der Stadt
- das schönste Bürogebäude der Welt
- ein würdiger Ort für die größte Zeitung der Welt
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Was man sicherlich sagen kann ist, dass man mit dem Wettbewerb einen mehr als
würdigen Ort für die Tribune fand. Als einer der zwei Eingangstürme zum „Boulevard
Link“ mit einer herausragenden Überhöhung zur Nachbarbebauung ist der Tribune
Tower bis heute eines der großen Wahrzeichen von Chicago. Ob jedoch dieses
Gebäude für die größte Zeitung der Welt gebaut wurde, sei einmal dahingestellt.
Vielmehr bot es die Gelegenheit für die Zeitung, sich stilistisch von der Konkurrenz
abzusetzen und über den eigentlichen Stand der Leserschaft hinwegzutäuschen. Die
Tribune bezeichnete seine Leser als eine „Elite“ oder als „solche die es werden
wollen“. Dabei traf letzteres jedoch eher zu. Auch der Anspruch der verbesserten
Schönheit der Stadt kann nur schwer gemessen werden und muss differenziert
betrachtet werden. Viele Menschen waren und sind der Meinung, dass ein großartiges
Gebäude entstanden ist, welches das Stadtbild bis heute bereichert. Auf der anderen
Seite muss man ganz klar sagen, dass ein Fortschritt im Architektonischen Stil nicht zu
erkennen war. Dies ist für den Auslober wohl auch nie das gewünschte Ziel gewesen.
Man orientierte sich vielmehr an dem großen Woolworth-Building, welches zu
damaliger Zeit Maßstäbe in Höhe und Schönheit setzte. Ein weiterer Grund für den
Rückgriff auf eine neogotische Bauweise war die Beständigkeit und die geschichtliche
Verwurzelung dieses Stils, die der Auslober natürlich gerne mit sich in Verbindung
brachte. Als „militant patriotisch“, wie sich der Tribune selbst beschrieb, kann man
diesen Stil zwar absolut nicht bezeichnen, dennoch drückte er die Stimmung nach der
Weltausstellung 1893 aus, in der man sich aufgrund der Besucherreaktionen aus aller
Welt dem anbrechenden Architekturzeitalter des Art-Deco zunächst verschloss und auf
klassische Baustile zurückgriff.
So bleibt noch die dritte und wichtigste Vorgabe des Tribune zu beleuchten. Wurde
das schönste Gebäude der Welt entworfen? Auch diese Frage lässt sich wohl kaum
mit ja oder nein beantworten. Nur eines kann man mit Sicherheit sagen: Um das
schönste Gebäude der Welt zu errichten, hätte man vielleicht die Welt mehr in die
entscheidende Wettbewerbsphase mit einbeziehen müssen und nicht eine fast rein
Amerikanische Angelegenheit daraus machen dürfen. Der Stil in dem es errichtet
wurde war zu dem damaligen Zeitpunkt auch weder fortschrittlich noch modern. Er war
vielmehr ein Rückgriff. Heute könnte man diesen Boom von Ornamenten aus der Gotik
und Romanik durchaus als Retro-Trend bezeichnen. Dennoch darf man die bauliche
Leistung nicht zu gering schätzen, da man zumindest eine sehr markante Landmark
gesetzt und noch dazu einen Grundstein für ein ganz neues Stadtviertel gelegt hatte.
Aus einer rein industriellen Gegend wurde ein äußerst attraktiver Bezirk. Und seinen
eigentlichen Zweck hat der Wettbewerb auch erfüllen können: Er rückte die Chicago
Tribune in die Öffentlichkeit und verschaffte ihr ein glänzenderes Auftreten.
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III. Abbildungen
Abb. 1: Wettbewerbsausschreibung vom 10.06.1922
Abb. 2: Ludwig K. Hilberseimer
Abb. 3: Werkstadt f. Massenform
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Abb. 4: Max Taut
Abb. 5: Walter Gropius
Abb. 7: Phelps Stokes
Abb. 8: Heinrich Mossdorf
Abb. 10: Eliel Saarinen
Abb. 11: Howells und Hood
Abb. 6: Adolf Loos
Abb. 9: Holabird und Roche
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IV. Nachweise
1 Literaturverzeichnis
Stadtgeschichte Chicago und Schule von Chicago:
Peter Gössel und Gabriele Leuthäuser, Architektur des 20. Jahrhunderts, Band 1,
Taschen Verlag Köln 2005.
Oswald Grube, 100 Jahre Architektur in Chicago: Kontinuität von Struktur und Form.
Die Neue Sammlung, Staatliches Museum für angewandte Kunst München.
[Ausstellungskatalog] Staatliches Museum für angewandte Kunst München 1973
John Zukowsky, Chicago-Architektur: 1872-1922. Die Entstehung der
kosmopolitischen Architektur des 20. Jahrhunderts. Prestel Verlag München 1993.
Wettbewerb der Chicago Tribune
Katherine Solomonson, The Chicago Tribune Tower Competition: Skyscraper Design
and Cultural Change in the 1920s, Cambridge University Press Cambridge 2001
John Zukowsky, Chicago-Architektur: 1872-1922. Die Entstehung der
kosmopolitischen Architektur des 20. Jahrhunderts. Prestel Verlag München 1993.
2 Abbildungsverzeichnis
Alle Abbildungen entnommen aus: Katherine Solomonson, The Chicago Tribune
Tower Competition: Skyscraper Design and Cultural Change in the 1920s, Cambridge
University Press Cambridge 2001.
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