Diskriminierung von psychisch erkrankten Menschen am Arbeitsplatz

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Diskriminierung von psychisch erkrankten Menschen am Arbeitsplatz
Erfahrungen und Konzepte
Symposium „Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Arbeitswelt“
Berlin, 06.10.2009
06.10.2009
BApK Julius
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• Diskriminierung:
von discriminare = trennen, unterscheiden
• Seit dem 16. Jahrhundert verwendet für:
benachteiligen, herabwürdigen, schlecht behandeln
• Später Bedeutungsverschlechterung:
ausgrenzen, aussondern 06.10.2009
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• Diskriminierung durch
– Stereotype
– Vorurteile
– Konkrete Handlungen und Verhaltensweisen
• Benachteiligung und Ausgrenzung – Nicht wegen individueller Leistungs‐Merkmale
– Nur auf Grund der „Gruppenzugehörigkeit“
– Auch durch „Nicht‐ernst‐nehmen“ der Erkrankung 06.10.2009
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• Stigmatisierung führt zu Diskriminierung
– Bei betroffenen Menschen
– Bei deren Angehörigen
– Bei Berufsgruppen, die mit psychisch kranken Menschen zu tun haben
• Stigmatisierung bedeutet
– Stigmatisierung durch die Umwelt
– Selbst‐Stigmatisierung
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Betroffene: Frau K.
–
–
–
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Im Alter von 26 Jahren erkrankt während Studium
Mehrere Klinikaufenthalte und Reha‐Maßnahmen
Dennoch Abschluss des Studiums
Langjährige Tätigkeit als pädagogische Fachkraft in einem Wohnheim für psychisch Kranke
– Suche nach neuer Arbeitsstelle: Absage wegen der psychiatrischen Vorgeschichte
– „… habe ich das jetzt richtig gemacht oder hat mein Verhalten mit meiner Erkrankung zu tun? …“
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Betroffene: Frau B.
– Kaufmännische Ausbildung, 20 Jahre tätig im Außendienst, Entlassung aus betrieblichen Gründen
– Alkoholabhängigkeit, seit einer Therapie trocken
– Eröffnung eines Cafés, nach Unfall Berentung
– Später psychische Erkrankung, mehrjährige Therapie
– Danach Zuverdienstjob
– „… meine Chefin … weiß von meiner Alkoholabhängigkeit. Darüber offen zu sprechen ist einfacher. Wenn man so lange trocken ist, steigt die Achtung der Menschen. Psychische Erkrankungen sind stigmatisiert und viele haben Angst davor …“
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Betroffener: Herr H.
– Langjährige leitende Funktion in KöR
– Schwere Depression
– Aus Angst vor Diskriminierung am Arbeitsplatz „Herzerkrankung“
– Längere Zeit noch „arbeitsfähig“, aber zu Lasten von Ehefrau und 4 Kindern
– Familie musste Geheimnis mittragen
– Nach der Berentung allmähliche Genesung
– „… ich wollte nicht als Schwächling angesehen werden und meinen Job nicht riskieren …“
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Betroffene: Familie W.
– Vater Orthopäde, Mutter Hausfrau, eine Tochter während des Studiums (in anderer Stadt) erkrankt, ältere Tochter Lehrerin, leben in einer Kleinstadt
– Familie hält Erkrankung geheim und suchte Unterstützung in einer 50 km entfernten Selbsthilfegruppe
– „… ich fürchte um meinen Ruf als Arzt und unsere ältere Tochter fürchtet Schwierigkeiten mit den Eltern ihrer Schüler …“
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Betroffene: Psychiater u.a.
– Vorurteile und fehlende Anerkennung treffen auch Menschen und Einrichtungen, die sich mit psychisch Kranken befassen:
• Psychiater
• Mitarbeiter z.B. von Reha‐Einrichtungen
• Psychiatrische Kliniken
• Wohnheime
– „… in der Hierarchie stehen wir ganz unten …“
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Verstärkung von Vorurteilen
• Unscharfe Abgrenzung zwischen Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen
– z.B. Depression
– Im allgemeinen Sprachgebrauch
– Diagnosestellung teilweise schwierig
• Ursachenmodelle kontrovers und wechselnd
– Biologische Ursachen
– Psychosoziale Ursachen
– Bio‐psycho‐soziale Ursachen
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Verstärkung von Vorurteilen
• „Inflation“ von Krankheitsbildern / Diagnosen
relativ neue, teils umstrittene Diagnosen
– BPS (Borderline Persönlichkeitsstörung)
zeitweise unter anderen Störungen subsumiert – ADHS (Aufmerksamkeits Defizit Hyperaktivitäts Störung)
gleichwohl bekannt als „Struwwelpeter‐Syndrom“
– PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung)
gleichwohl beschrieben bereits im alten Ägypten, zeitweilig auch bezeichnet als Schreckneurose, Shell Shock, Kriegsneurose, Überlebenden‐Syndrom, Post‐Vietnam‐Syndrom
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Verstärkung von Vorurteilen
• „Inflation“ der Betroffenenzahlen
– Prof. Klaus Dörner hat die veröffentlichten Zahlen aller Diagnosen addiert; Ergebnis:
Jeder erwachsene Deutsche leidet an 2,1 psychischen Erkrankungen
– Dramatische Zunahme des Psychopharmaka‐Verbrauchs und von Psycho‐Therapien
mitunter auch als Ausdruck des Lifestyles • Solche Zahlen können zu Misstrauen, Nivellierung und Verharmlosung ernster Erkrankungen führen
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Verstärkung von Vorurteilen
• Leugnung der Einordnung psychischer Leiden als Krankheit durch Betroffenengruppen
– Störung wird ausschließlich als Reaktion auf gestörte soziale Beziehungen gesehen, z.B.
•
•
•
•
Mobbing
Repressives Umfeld
Leistungsdruck
u.a. – Im Einzelfall stellt sich die Frage nach Ursache und Folge
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Folgen von Vorurteilen
• Sachlicher Umgang mit Einschränkungen durch psychische Erkrankungen wird erschwert
„discriminare“ im Sinne von „unterscheiden“
• In anderen Indikationsbereichen selbstverständlich:
• Ein blinder Mensch kann nicht Kraftfahrer werden oder bleiben
• Ein Mensch mit bestimmten Allergien z.B. nicht Friseur oder Chemielaborant
• …
– die Akzeptanz von Einschränkungen durch psychische Erkrankungen fällt allen Beteiligten schwer
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• Was hilft gegen Stigmatisierung und Diskriminierung?
– Sachliche Information gegen Ängste und Unsicherheit
– Aufklärung über Krankheitsbilder und Therapie‐
möglichkeiten hilft, Störungen frühzeitiger zu erkennen und zu behandeln und somit schweren Krankheitsverläufen entgegenzuwirken – Geduld und positive Beispiele, denn
Stereotype und Vorurteile haben ein zähes Leben
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Quelle: Postkarte der Initiative HOPES, Hilfe und Orientierung für psychisch erkrankte Studierende und Irre Menschlich e.V., Hamburg
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Quelle: Postkarte der Initiative HOPES, Hilfe und Orientierung für psychisch erkrankte Studierende und Irre Menschlich e.V., Hamburg
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Unser Konzept
• Unser Verband
– Selbsthilfeverband, gegründet 1985
– Interessenvertretung und Lobby für psychisch kranke Menschen und deren Angehörige – Ziele u.a.:
• Entstigmatisierung und gesellschaftliche Gleichstellung psychischer Erkrankungen
• Anpassung der Gesetzgebung an die besonderen Bedürfnisse der erkrankten Personen
• Berufliche und soziale Sicherung der Betroffenen und Angehörigen
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• Unser Projekt „Psychisch krank im Job“
– Kooperationsprojekt mit dem BKK Bundesverband
– Seit 2002
– Ziele:
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Stärkung der Selbsthilfepotenziale
Entstigmatisierung und Enttabuisierung psychischer Erkrankungen
Nutzung gemeinsamer Ressourcen und Erfahrungen
Neue Wege zur Verhinderung beruflicher Ausgrenzung (Prävention)
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• Warum Angehörige psychisch Kranker in Betrieben?
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Nutzung von Expertenwissen
Authentizität
Ähnlichkeit in sozialen Bezügen Gemeinsamkeit in emotionalen Aspekten BApK Julius
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• Module des Projekts
Info Materialien
Seminare
Tagungen und
Präsentationen
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Hotline
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• Die Informationsmaterialien
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• Präsentationen und Schulungen
– Mehr als 40 Vorträge und Präsentationen über das
Projekt
– Halb- oder ganztägige Schulungen in Unternehmen
z.B:
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• Was wollen die Unternehmen?
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Kompetente Führungskräfte in Bezug auf Personalführung
Ungestörte Arbeits‐ und Betriebsabläufe
Kompetenzsicherung (bei eingearbeitetem Fachpersonal)
Handlungs‐ und Entscheidungssicherheit bei Problemfällen
Entwicklung einer eigenen (sozialen) Unternehmenskultur
Soziales Image
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• Stolpersteine
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Höhere Anforderungen an Flexibilität
Steigender Termindruck
Arbeitsplatzunsicherheit
Mangelnde Kommunikation und soziale Unterstützung
Schlechtes Betriebsklima
Geringer Entscheidungsspielraum BApK Julius
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• Seminarinhalte
– Sensibilisierung für die Problematik (ökonomisch / sozial)
– Basisinformationen über Krankheitsbilder, Frühwarnzeichen und Behandlungsmöglichkeiten
– Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit und Arbeitsprozesse
– Handlungsmöglichkeiten im Umgang; das H‐I‐L‐F‐E Konzept
– Handlungsstrategien des Unternehmens
– Externe Unterstützungsmöglichkeiten
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• Das H‐I‐L‐F‐E Konzept
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insehen
I nitiative ergreifen
L
eitungsfunktion wahrnehmen
F
ührungsverantwortung: fordern – fördern
E
xperten hinzuziehen
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• Links und Adressen
– Psychiatrienetz (u.a. BApK)
www.psychiatrie.de
– Kompetenznetz Schizophrenie
schizophrenie.de
www.kompetenznetz-
– Kompetenznetz Depressionen
depression.de
www.kompetenznetz-
– KompetenzPlus
www.kompetenzplus.de
InfoPortal für Betriebe
– KompetenzPlus
www.ebba.kompetenzplus.de
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Fachberatung
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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