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Kinder psychisch kranker Eltern – ein Thema für die Schule?!
Der blinde Fleck der Psychiatrie
1996 erster Kongress zum Thema
In Fachkreisen Probleme Kinder psychisch Kranker kaum präsent
"Wenn überhaupt, hat sich die Wissenschaft bis dahin vorrangig für das Erkrankungsrisiko dieser Gruppe
interessiert, nicht für ihre Alltagsprobleme"
Aktualität und Relevanz der Thematik
pro Jahr sind etwa 1.6 Millionen Erwachsene in psychiatrischer Behandlung
ca. 500.000 minderjährige Kinder und Jugendliche haben mindestens ein psychisch krankes Elternteil
2.000.000 Kinder leben bei suchtkranken Eltern
Von jährlich 6000 Sorgerechtsentzügen in Deutschland sind 1/3 wegen psychischer Erkrankung der Eltern
Eine elterliche psychische Erkrankung spielt bei 50 % der Inobhutnahmen durch das Jugendamt eine Rolle
(Klein, 2009)
Medienberichte über gravierende Kindeswohlverletzungen seitens psychisch kranker Eltern
(Vernachlässigung, Misshandlung,
Kinder psychisch kranker Eltern
Ein Drittel-Regel:
1/3 keine, 1/3 vorübergehende, 1/3 persistierende Auffälligkeiten
Risiko eine Störung zu entwickeln: 2 bis 3-fach erhöht
Erkrankungsrisiko der Kinder
Lebenszeitrisiko für Schizophrenie (allg.) 1 %
Kinder mit einem schizophrenen Elternteil 10%
beide Eltern schizophren 46%
Kinder von Angstpatienten siebenfach erhöhtes Risiko, an einer Angststörung zu erkranken
Wiederholungsrisiko von Kindern affektiv erkrankter Eltern (mono-oder bipolar) liegt bei ca. 20%
Vulnerabilitätsforschung
(Gegenteil der Resilienzforschung)
Menschen unterscheiden sich in Bezug auf ein Erkrankungsrisiko
Biologische oder genetische Faktoren liegen vor, die durch aktuelle Belastungen u.U. zum Auslösen der
Krankheit führen können
Verletzbarkeit des Kindes gegenüber äußeren ungünstigen Einflüssen
Fehlende Möglichkeiten der Gegenregulation
Ein Großteil der Vulnerabilitätsstudien befassen sich mit der Auswirkung psychischer Auffälligkeit von Vater
oder Mutter auf die frühe Entwicklung
Resilienzforschung
Positive, gesunde Entwicklung trotz andauerndem, hohen Risiko-Status z.B. Armut/niedriger
sozioökonomischer Status, elterliche Psychopathologie, sehr junge Elternschaft (auch sog. Multi-ProblemMilieus)
Beständige Kompetenz unter akuten Stressbedingungen, z.B. elterlicher Trennung/Scheidung,
Wiederheirat eines Elternteils, Verlust eines Geschwisters (sogen. Kritische Lebensereignisse)
Positive bzw. schnelle Erholung von traumatischen Erlebnissen wie Tod eines Elternteils, sexueller
Missbrauch oder Kriegserlebnisse
Resilienz
Resilienz meint eine psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber biologischen,
psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken
Resilienz umfasst somit ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Merkmalen des Kindes und seiner
Lebensumwelt
Die Wurzeln für die Entwicklung von Resilienz liegen in risikomindernden Faktoren innerhalb und außerhalb
des Kindes
Aufgrund dieser Ressourcen unterscheiden sich Menschn in ihrer Fähigkeit zur Belastungsregulation
Resilienzfaktoren
Problemlösefähigkeiten
Selbstwirksamkeitsüberzeugung
Selbstvertrauen
Selbstwertgefüh
Sicheres Bindungsverhalten
Soziale Kompetenz
Zuversichtliche Lebenseinstellung
Kreativität
Besondere Schutzfaktoren
Aktives kontaktfreudiges Temperament
(Lenz, 2005) d.h.
Diese Kinder trauen sich etwas zu
Gehen auf andere zu, um sich Hilfe zu holen
Sind flexibel und anpassungsfähig
Haben ein immanentes Gefühl von Zuversicht
Sind nicht so stressanfällig wie andere
Frühe Autonomieanforderung
Frühes Erwachsenwerden
Übernahme von elterlichen Aufgaben
Versuchen nach Außen den Schein zu wahren
Übersehen eigener Bedürfnisse
Hauptsächliche Konflikte
Schuldgefühle
Scham
Hilflosigkeit
Angst vor Gewalt oder Selbstmord des Elternteils
Verunsicherung und Desorientierung
Vermindertes Selbstwertgefühl
Soziale Isolation
Stigmatisierung
Regression
Angst vor Vererbung/Ansteckung
Mitgefühl und Traurigkeit
Verantwortungsgefühl für die Familie
Gefühl des Verlusts eines Identifikationsobjekts
Wut auf den erkrankten Elternteil
Verhaltens- und Entwicklungsstörungen im
Sozialen Bereich (erhöhte Aggression, soziales Rückzugsverhalten)
Kognitiven Bereich (Beeinträchtigungen im schulischen und beruflichen Bereich)
Emotionalen Bereich (instabiles Verhalten wie Überempfindlichkeit, leichte Erregbarkeit, Ängstlichkeit,
geringe Frustrationstoleranz)
Weitere Symptome
Nägelbeissen
Einnässen
Aggressives Verhalten
Sozialer Rückzug
Überangepasstheit
Auffälliges Fürsorgeverhalten
Internalisierende Störungen
Externalisierende Störungen
Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern
Ziele der Interventionen
Förderung situationsangemessener Bewältigungsstrategien
Stärkung personaler, familiärer und sozialer Schutzfaktoren (Lenz, 2008)
Grundlage aller Unterstützungsmaßnahmen ist eine effektive und qualifizierte
Behandlung der elterlichen Erkrankung.
Psychoedukative Interventionen
Prof. Dr. Albert Lenz, Dipl.-Psychologe
Wissen über die Krankheit erhöht die Widerstandsfähigkeit der Kinder gegenüber Belastungen
vermittelt Hoffnung und positive Zukunftserwartungen und
befähigt ein Gefühl der Kontrolle und Selbstwirksamkeit zu entwickeln
Informationsbedürfnisse der Kinder
Mögliche Veränderungen im Familienleben: Wird sich mein Leben ändern und wenn ja, wie? Wer wird für
mich sorgen?
Krankheitsursachen und Verlauf der Krankheit: Gefahren der Verschlechterung.
Umgang im familiären Alltag: Wie soll ich mich dem kranken Elternteil gegenüber verhalten? Wie kann ich
Vater oder Mutter in gesunden Phasen und akuten Krankheitsphasen unterstützen?
Unterschiede zwischen psychischer Krankheit und körperlicher Krankheit.
Behandlungsverlauf: Heilungsmöglichkeiten und Medikamente.
Erbeinflüsse: Angst vor einer möglichen eigenen Erkrankung.
Kinder haben ein Recht, die Wahrheit über die Krankheit zu erfahren
sie müssen nicht alle Details erfahren (insbesondere jüngere Kinder wären damit emotional und kognitiv
überfordert)
sie müssen aber über alle wesentlichen Veränderungen informiert werden sowie über alle Angelegenheiten,
die sie betreffen
sie brauchen auch die Sicherheit, die Wahrheit erfahren zu haben
Krankheitsinformationen für Kinder vom 4. bis zum 12. Lebensjahr
Das Kind sollte erfahren:
Mutter oder Vater ist krank.
Die Krankheit heißt…
Mutter oder Vater ist in Behandlung/ ist in die Klinik gekommen, damit die Ärzte besser helfen können.
Für mich werden sich momentan diese oder jene Veränderungen ergeben.
Fragen zum Wissensstand der Jugendlichen
Weißt du schon etwas über die Erkrankung deiner Mutter oder deines Vaters?
Was weißt du darüber?
Woher weißt du das? (Internet, Freunde o.a.)
Gibt es etwas, was du noch fragen möchtest?
Mit wem kannst oder konntest du denn schon darüber sprechen?
Materialien für die Psychoedukation mit Kindern und Jugendlichen
z.B.:
Informationsbroschüren für 8- bis 12jährige Kinder,
„Jetzt bin ich dran ….“ und „ It`s my turn“ für Jugendliche
Herausgeber: BApK e.V. + BKK, Stand 2010
Internet: www. bapk.de + www. bkk.de
Info-Karten für Bezugspersonen von Kindern psychisch kranker Eltern (Trepte, 2008)
Kinderfachbuch „ Annikas andere Welt“ ( Eder, u.a. 2011)
Kinderfachbuch „Sonnige Traurigtage“ (Homeier, 2006)
Mamas Monster. Was ist nur mit Mama los? (von Mosch, 2008)
Psychoedukative Materialien für Jugendliche
z.B.:
BApK / Familienselbsthilfe (2007). Mit psychisch Kranken leben. Rat und Hilfe für Angehörige. Bonn:
Psychiatrie Verlag
Beitler, H. u. H. (2006). Zusammen wachsen. Psychose, Partnerschaft und Familie. Bonn: Psychiatrie
Verlag
Wolfersdorf, M. (2008). Depression. Die Krankheit bewältigen. Bonn: Psychiatrie Verlag
Rahn, E. (2007). Borderline. Verstehen und bewältigen. Bonn: Psychiatrie Verlag
Informationen für psychisch kranke Eltern
„Nicht von schlechten Eltern“; Herausgeber: BApK e. V. + BKK
Belletristische Literatur
z.B.:
Kirsten Boie (2005). Mit Kindern redet ja keiner. Fischer Verlag
Endre Lund Erikson (2004). Beste Freunde, kapiert! Cecile Dressler Verlag
Brigitte Minne (2004). Eichhörnchenzeit oder der Zoo in Mamas Kopf. Sauerländer Verlag
Gwyneth Rees (2004). Erde an Pluto oder als Mum abhob. Ravensburger Buchverlag
Vera Eggermann, LinaJanggen(2004). Fufu und der grüne Mantel, AstraZeneka GmbH
Jacqueline Wilson (2002). Tattoo Mum. Sauerländer Verlag
Informationsbroschüren:
Beeck, K.: Kinder psychisch kranker Eltern, 2004
Beeck, K. (Hg.): Ohne Netz und Boden, 2004
www.netz-und-boden.de
http:\\wuerzburger-projekt.de/index.php
Fachliteratur
Fritz Mattejat & Beate Lisofsky (Hrsg.) (2008): Nicht von schlechten Eltern. Kinder psychisch kranker
Eltern. Bonn: Psychiatrie Verlag
Albert Lenz (2005): Kinder psychisch kranker Eltern. Göttingen: Hogrefe Verlag
Albert Lenz (2008): Interventionen bei Kindern psychisch kranker Eltern. Göttingen: Hogrefe Verlag
Albert Lenz & Johannes Jungbauer (Hrsg.) (2008):Kinder und Partner psychisch kranker Menschen.
Tübingen: dgvt-Verlag
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