Wege der Traumapädagogik - Workshop 6 Moderation: Isabel Finkler, Ina van Ohlen Arbeit mit Kindern psychisch kranker Eltern Transgenerationalität von Bindung → In 70% der Fälle lässt sich eine Übereinstimmung zwischen der Bindungsrepräsentation der Eltern und der Bindungsqualität des Kindes nachweisen (vgl. Brisch) → Unsichere Bindungsrepräsentationen, einhergehend mit „inflexiblen internalen Arbeitsmodellen“ können einen Risikofaktor für die kindliche Entwicklung darstellen Kategorie D: Desorgansierte Bindung „Bindungsdesorganisation hat sich (…) als eine sehr sinnvolle Bindungskategorie bei Kindern wie bei Erwachsenen erwiesen, die sowohl zu einem besseren Verständnis der Bindungsentwicklung beiträgt als auch im klinischen Bereich sinnvolle Anwendung finden kann.“ (Main) Kategorie D: Desorgansierte Bindung Verhaltensweisen, die Hochrisikokinder trotz Anwesenheit der Eltern zeigen, sind: - Erstarren inmitten der Bewegung - Trance – artiger Gesichtsausdruck - Stereotypes Schaukeln auf Händen und Knien - Kopf gegen die Wand lehnen - Schreien nach der Bezugsperson, dann aber stilles Abwenden nach Wiedervereinigung - Zusammenbruch unter heftigem Zucken → „look of fear with no – where to go“ „second generation effect “ • Meist treten desorganisierte Verhaltensweisen nur in Zusammenhang mit einem Elternteil auf • Es muss ein Zusammenhang zwischen der Bindungsrepräsentation des Kindes und den Interaktionsformen des Elternteils geben • AAI ergab bei den jeweiligen Eltern in der Regel folgende Kategorie: „unsicher organisierte innere Repräsentation der Bindung mit ungelöstem Trauma und/ oder Verlust (unresolved trauma of loss)“ „In der frühen Kindheit können psychische Störungen auf prinzipiell drei Wegen entstehen (…) Erstens gibt es Störungen, die bereits angeboren sind (…) Der zweite Mechanismus ist die umschriebene seelische Verletzung – auch Traumatisierung genannt – (…) Der häufigste Mechanismus einer frühkindlichen Beeinträchtigung ist jedoch die Störung der Eltern – Kind – Interaktion in ihrer Feinabstimmung“ Resch (2004) Beeinträchtigungen in der Eltern – Kind - Interaktion • Feinfühligkeit - Wahrnehmung des kindlichen Befindens Richtige Interpretation Prompte Reaktion Angemessenheit der Reaktion • Soziales Biofeedback • Affektspiegelung und –markierung → sind diese Mechanismen beeinträchtigt erfolgt statt eines Containments eine Traumatisierung Beeinträchtigung der Mentalisierungsfähigkeit Eigene Ängste hindern Eltern daran, das Kind in seiner Exploration/ Individuation zu fördern → Rücknahme der explorativen Bedürfnisse → Unbekümmertheit und Neugierde werden eingeschränkt → Fixierung auf Elternteil (Überforderung) → Scheitern in der Entwicklung der kindlichen Autonomie und starke Defizite in der kognitiven Entwicklung → „Falsches Selbst“ , da diese Kinder statt sich selbst lediglich die Mutter finden Konsequenzen für kindliche Entwicklung • Psychische Erkrankung der Eltern muss nicht zu einer pathogenen Entwicklung führen, stellt aber im multifaktoriellen Modell einen starken Risikofaktor dar! → Psychobiologische Konsequenzen (Herzfrequenz, Cortisolausschüttung, Immunsystem) → Frühkindliche Regulationsstörungen → Manifestation in Verhaltensauffälligkeiten Mögliche frühe Regulationsstörungen • • • • • • Frühkindliche Aggression (Trotzen, Toben) Klammern Schreistörungen Schlafstörungen Essstörungen … Mögliche Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter • • • • • • Aggressives Verhalten Schulangst, Leistungsverweigerung Bindungsstörungen Suchtproblematiken Narzisstische Persönlichkeitsstörungen Psychosomatische Erkrankungen (Neurodermitis, Anorexia nervosa, Bulimie, Morbus Crohn) • … Arbeitsfelder • Kinderbetreuung • Hilfen zur Erziehung - Erziehungsberatung, SPFH, TG, Pflegefamilie, Heim • Schnittstelle zur Psychiatrie • Arbeitsagenturen, Erwachsenenbildung • … traumapädagogische Fallarbeit Wo liegen unsere Handlungsmöglichkeiten? Übertragung 1/3 • im Kontext der (institutionellen) Erziehung man spürt „... die destruktive Kraft der frühen Erfahrungen der Jungen und Mädchen, die die Beziehung zu anderen Menschen immer wieder stört. Alte Erlebnisse, die z.B. eigentlich dem Täter (...) gelten, aggressive (...) Gefühle werden übertragen“ Weiß (2008): 186 Übertragung 2/3 Gefühle Verhalten intuitives Verhalten der Betreuungsperson Gefühle Übertragung 3/3 Gefühle Verhalten Gefühle Verhalten der Betreuungsperson im Sinne einer korrigierenden Bindungserfahrung Korrigierende Bindungserfahrung Traumatise rtes Kind Traumatische Beziehungserfahrung, - erwartung und -gestaltung Beziehungsfalle Korrigiere nde Bindungserfahrung Reflexion Versorgung Betreuer In Besondere Herausforderungen • Bindungsabwertende Kommunikation • Bindungsverstrickte Kommunikation • Beziehungsfalle Besondere pädagogische Aufgaben bei der Arbeit mit Kindern psychisch kranker Eltern • Den Kindern neue, korrigierende Beziehungserfahrungen anbieten, die sich durch Respekt, Transparenz und Zuverlässigkeit auszeichnen • Sie in ihrer mentalen Exploration und dem Reden über innere Vorgänge ermutigen • Ihnen helfen eigene Gefühle und Befindlichkeiten besser wahrzunehmen, eigene Interessen fördern • Ihnen helfen das Krankheitsbild der Eltern zu verstehen (siehe Literatur zur Selbstbemächtigung) • Den Eltern wertschätzend entgegentreten • Soziale Kontakte außerhalb der Familie unterstützen • Ihnen helfen Erfolge zu haben • Kinder UND Eltern in helfende Netzwerke einbinden Selbstbemächtigung Sätze, die Kindern psychisch kranker Eltern helfen: • Du bist nicht schuld, an der Erkrankung deiner Mutter/ deines Vaters! • Du darfst wütend sein! • Du darfst ängstlich sein! • Du kannst nicht helfen! • Du bekommst die Krankheit nicht automatisch vererbt! • Deine Eltern bleiben immer deine Eltern! • Es gibt viele Kinder, deren Eltern psychisch krank sind! Risikofaktoren Wirkmechanismen: - Häufung der Belastung Dauer der Belastung Zeitpunkt der Belastung im Alter des Kindes Geschlechtsspezifische Aspekte der Belastung Subjektive Bewertung der Belastung durch das Kind nicht jede Belastung führt zu einer negativen Entwicklung aber welche Faktoren schützen vor Belastung? nach Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse (2011) Resilienz 1/2 Die Fähigkeit des Menschen, Krisen im Leben unter Rückgriff auf persönliche und soziale Ressourcen zu meistern. Wenn sich Personen trotz gravierender Belastungen und widriger Lebensumstände psychisch gesund entwickeln. Resilienz 2/2 - psychologische, - biologische, - soziale Faktoren Multidimensionalität Kohärenz als Ressource • Gefühl, Situationen und Ereignisse zu verstehen • Gefühl, Situationen kontrollieren zu können und ihnen nicht ausgeliefert zu sein • Gefühl, dass Situationen Sinn ergeben Vielen Dank für die Aufmerksamkeit