Aufgeweckte Kunst-Geschichte 18. März 2016 zu Bernard Emile (Nemo), Après-midi à Saint-Briac, 1887 Emile Bernard (Nemo), Après-midi à Saint-Briac, 1887 Öl auf Leinwand 46.5 x 55.5 cm Aargauer Kunsthaus Aarau / Legat Dr. Max Fretz Wochenende am Neuenburgersee Das ist ein schöner See. Aber auf mich wirkt das Bild düster. Der See ist zwar hell, aber es ist kein strahlendes Hell. Es wirkt nicht auffrischend. Das Frische und das Helle fehlt. Und das zieht sich durch das ganze Bild durch. Es fehlt etwas, es ist leer. Es hat wenig zu zeigen. Da ist eine Person. Sie trägt ein zweiteiliges Kleid. Auf der rechten Seite ist es weiss, mit etwas grau und blau. Und die Haare sind auch nicht schön. Vielleicht bekommt die Frau zu wenig zu essen, sie ist so dünn. Sie hat eine schmale Taille. Und es stört, dass sie so schräg dasteht. Sie könnte eine Angestellte von einem grösseren Haushalt sein, eine Köchin oder ein Küchenmädchen. Sie könnte zum Beispiel gerade Kartoffeln schälen. Es könnte aber auch eine Prinzessin sein. Sie steht da und winkt den Leuten zu, die sie sehen. Ihr Gesicht sieht man auch nicht recht. Eigentlich überhaupt nicht, es wird von den Haaren verdeckt. Ich denke an den Samichlaus, wenn ich die Frau sehe. Das ist ein Samichlaus. Das Wasser spiegelt nicht, die Haare spiegeln sich nicht darin und das Kleid spiegelt sich auch nicht. Aber man sieht noch ein „Hüpi“ oder „Bürzi“ auf dem Kopf der Frau. Das ist eine seltsame Frisur. Anhand der Kleider und der Frisur wirkt die Frau eher jung. Und sie ist schön schlank. Der See könnte in Italien sein. Es sieht aber eher aus wie eine Flussbiegung und gar nicht wie ein See. Wahrscheinlich ist das Wasser zurückgegangen, man sieht Sand und Steine. Da, wo die Frau steht, das könnte auf einem Gutsbesitz sein, auf einer Art Insel. Es könnte auch in der Schweiz sein. Wir haben so viele Seen zum Aussuchen, es könnte zum Beispiel auch im Welschland sein, beim Neuenburgersee. Da rechts sind auch noch Schweizerhäuschen. Mit einem italienischen Touch. Die sind etwas hell, die Italiener bauen nicht dunkel. Man sieht links nochmals drei Häuschen. Und das vorne sieht aus wie ein viereckiger Kamin, wo man Wasser holen kann. In den Häuschen leben Gemüsebauern oder Rebbauern. Es sieht aber eher so aus, als ob Gemüse angepflanzt wird. Die Frau gehört nicht zu den Bauern dazu. Sie ist elegant angezogen. Die gehört in die Küche, oder sie ist eine Empfangsdame. Die Frau könnte Frau Blunschli heissen. Oder Frau Blocher. Frau Häfeli ist auch nicht schlecht. Aber Frau Blunschli gefällt mir doch besser. Wir bleiben bei Frau Blunschli. Frau Blunschli wirkt etwas eingesperrt. Weil die Wiese eingezäunt ist. Da muss man rundherum laufen oder über den Zaun steigen. Frau Blunschli muss sich am Zaun festhalten. Aber sie ist nicht eingesperrt, der Zaun ist nur zur Sicherheit. Man könnte sich vorstellen, dass das ein Garten ist, der zu einem grossen Haus gehört. Man hat ein bisschen eine Barriere gebaut, wegen dem Strand. Damit man nicht einfach zum Strand gehen kann. Es können ja nicht alle Leute schwimmen. Aber die Frau geht auch nicht schwimmen. Sie winkt ja den Leuten zu, die sie kennt. Vielleicht sieht sie einen schönen Mann. Oder sie winkt dem weissen Schiffchen zu. Vielleicht ist auf dem Schiffchen ein schöner Mann. Das könnte sein. Aber Frau Blunschli kann den schönen Mann nur schnell mal anblinzeln, mehr geht nicht, sie hat viel zu viel zu tun. Das ist eine heimliche Liebesgeschichte. Und ich finde, das Bild ist jetzt viel heller geworden, während dem Erzählen. Titelvorschläge: • Die Fischerin am Bodensee (ich würde sie nicht Fischerin nennen, sie hat ja keine Angelrute) • Wochenende am Neuenburgersee • Wochenende (in diesem Titel ist alles dabei- inklusive… Niemand weiss, ob sich die Fische küssen. Oberhalb des Wassers tun sie’s nicht. Unterhalb des Wassers sieht man’s nicht) Moderation: Simone Flüeler, Protokoll: Lisa Engi