Vorlesung 03 Präsentation GAV Besonderheiten

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Masterkurs Arbeitsrecht II
Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht
Masterkurs Arbeitsrecht II
Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht
Vorlesung 3: Der GAV im Besonderen
Prof. Dr.iur. Roland Müller, Rechtsanwalt und Notar
Titularprofessor an den Universitäten St.Gallen und Bern
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Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht
Zielsetzungen der 3. Vorlesung
 Repetition des GAV im Allgemeinen
 Klarstellen der Entstehung und Beendigung eines
GAV
 Übersicht verschaffen zum Geltungsbereich
eines GAV unter besonderer Berücksichtigung
der Allgemeinverbindlichkeitserklärung
 Aufzeigen der Bedeutung von Vollzugskosten
und entsprechenden Beiträgen
 Hinweisen auf die Problematik einer möglichen
Konkurrenz von verschiedenen GAV
 Vertiefung der GAV-Kenntnisse anhand von
praktischen Fällen
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Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht
Gliederung der Vorlesung
1. Repetition des GAV im Allgemeinen
2. Entstehung und Beendigung des GAV
3. Geltungsbereich des GAV
4. Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV
5. Vollzugskosten eines GAV
6. GAV-Konkurrenz
7. Praktische Fälle
Wichtig ist das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen
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Kollektives und öffentliches Arbeitsrecht
Repetition GAV im Allgemeinen
 GAV ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen
einzelnen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden
einerseits und Arbeitnehmerverbänden anderseits zur
verbindlichen Regelung der Arbeitsverhältnisse für die
beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer
 "Beteiligte" Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der
GAV anwendbar ist, sind:
- Mitglieder der Vertragsverbände
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich dem GAV
individuell angeschlossen haben (schriftliche
Anschlusserklärung)
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Unterschiedliche Bestimmungen in einem GAV
Normative Bestimmungen:
Bestimmungen zum Abschluss, Inhalt und zur
Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse
Schuldrechtliche Bestimmungen:
Bestimmungen, welche das Verhältnis unter den GAVParteien regeln
Indirekt-schuldrechtliche Bestimmungen:
Bestimmungen, welche das Verhältnis zwischen den
einzelnen Arbeitgebern bzw. Arbeitnehmern und der
Gemeinschaft der GAV-Verbände regeln
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Gültigkeitsbereich normativer Bestimmungen
Arbeitgeberverband
GAV
Mitglieder des
Arbeitgeberverbandes
GAV
gilt
Nichtmitglieder des
Arbeitgeberverbandes
GAV
gilt nicht
Gewerkschaft
Mitglieder der
Gewerkschaft
Nichtmitglieder der
Gewerkschaft
Wirkung einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung
GAV gilt nun auch für die Nichtmitglieder auf beiden Seiten
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Gliederung der Vorlesung
1. Repetition des GAV im Allgemeinen
2. Entstehung und Beendigung des GAV
3. Geltungsbereich des GAV
4. Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV
5. Vollzugskosten eines GAV
6. GAV-Konkurrenz
7. Praktische Fälle
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Entstehung und Beendigung eines GAV
 Schriftform für Abschluss, Änderung und Kündigung
eines GAV nötig (OR 356c I)
 GAV kann auf bestimmte oder unbestimmte Zeit
abgeschlossen werden; wird er auf unbestimmte Zeit
abgeschlossen, gilt ein Kündigungsfrist von 6
Monaten (OR 356c II)
 GAV kann im Hinblick auf die normativen
Bestimmungen nicht gesamthaft wegen
Willensmängeln angefochten werden
 GAV kann fristlos aufgelöst werden, aber nur wenn
alle anderen Mittel versagen; keine Anwendung der
Clausula rebus sic stantibus
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Verhandlungen zum Abschluss eines GAV
Empfohlene Literatur:
- Oliver Fahrni, Heavy Metall, Wie
sich eine Gewerkschaft in der
Industrie neu erfindet, Seismo
Verlag 2014
Zusammenfassung:
- Verhandlungen zur Verlängerung
des "Leit-GAV" der Maschinen-,
Elektro- und Metallindustrie MEM
wurden am 26.4.13 abgebrochen
- Bundesrat Schneider-Ammann
setzte Jean-Luc Nordmann als
Mediator ein
- Am 1.6.2013 wird ein neuer GAV
mit Mindestlöhnen unterschrieben
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Einsatz von tripartiten Kommissionen
Art. 360b OR
Der Bund und jeder Kanton setzen eine tripartite Kommssion
ein, die sich aus einer gleichen Zahl von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern sowie Vertretern des Staates zusammensetzt.
2 Bezüglich der Wahl ihrer Vertreter nach Abs. 1 steht den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden ein Vorschlagsrecht zu.
3 Die Kommissionen beobachten den Arbeitsmarkt. Stellen sie
Missbräuche im Sinne von Art. 360a Abs. 1 fest, so suchen sie in
der Regel eine direkte Verständigung mit den betroffenen Arbeitgebern. Gelingt dies innert zwei Monate nicht, so beantragen sie
der zuständigen Behörde den Erlass eines Normalarbeitsvertrages, der für die betroffenen Branchen oder Berufe Mindestlöhne vorsieht.
4 ...
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 Seit 1.6.2003 gibt es tripartite Kommissionen
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AVE auf Antrag der tripartiten Kommission
Bei Missbräuchen (AVEG 1a)
Stellt die tripartite Kommission nach Artikel 360b OR fest, dass in
einer Branche oder einem Beruf die orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne und Arbeitszeiten wiederholt in missbräuchlicher
Weise unterboten werden, so kann sie mit Zustimmung der
Vertragsparteien die AVE der Bestimmungen über die minimale
Entlöhnung und die ihr entsprechende Arbeitszeit sowie die
paritätischen Kontrollen des für die betreffende Branche
geltenden Gesamtarbeitsvertrags beantragen.
 Bestandteil der flankierenden Massnahmen
- ermöglicht insbesondere Einführung von Mindestlöhnen
- AVE nicht möglich gegen den Willen der Verbände
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Nachwirkungen eines GAV
Übergang des Arbeitsverhältnisses (OR 333 Ibis)
Ist auf das übertragene Arbeitsverhältnis ein GAV
anwendbar, so muss der Erwerber diesen während
eines Jahres einhalten, sofern er nicht vorher abläuft
oder infolge Kündigung endet.
 Wirkungen des GAV hören mit Beendigung auf
- ausser zeitliche Verlängerung für Dauer von
Verhandlungen im Hinblick auf neuen GAV
- während der Dauer des GAV abgeschlossene EAV
gelten weiter, unterliegen nun aber der Möglichkeit zur
Änderungskündigung
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Gliederung der Vorlesung
1. Repetition des GAV im Allgemeinen
2. Entstehung und Beendigung des GAV
3. Geltungsbereich des GAV
4. Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV
5. Vollzugskosten eines GAV
6. GAV-Konkurrenz
7. Praktische Fälle
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Geltungsbereich eines GAV
 GAV gilt grundsätzlich nur für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer,
die Mitglied der vertragsschliessenden Parteien sind, ausser der
GAV werde allgemeinverbindlich erklärt
 GAV kann sowohl privat-rechtlichen als auch öffentlichrechtlichen Geltungsbereich haben (z.B. SBB und Post)
 Ein Anschluss von Nicht-Mitgliedern ist möglich (OR 356b I):
- schriftliche Anschlusserklärung nötig
- schriftliche Zustimmung aller Vertragsparteien nötig
 Anschlussregelungen im GAV sind zulässig (OR 356b II) aber:
- Anschlusszwang nur, wenn kein Verbandszwang
- Solidaritätsbeiträge dürfen nicht übermässig sein
 Anschluss bewirkt nur Beteiligung, aber keine Stellung als
Vertragspartei (OR 356b I)
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Andere Formen der Unterstellung
 Ausdehnende Klauseln: echter Vertrag zu Gunsten
Dritter, da Aussenseiter eigene Rechte erhalten
 Unterstellungserklärung: Aussenseiter übernimmt
Pflichten des GAV, erhält aber nur dann Rechte,
wenn die andere Vertragspartei die Unterstellung
annimmt
 Kombination: Kombination von ausdehnenden
Klauseln und Unterstellungserklärung kann die
gleiche Wirkung haben, wie ein formeller Anschluss
 Einzelvertragliche Abrede: GAV-Bestimmungen
können wie AGB zum Inhalt eines EAV vereinbart
werden
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Gliederung der Vorlesung
1. Repetition des GAV im Allgemeinen
2. Entstehung und Beendigung des GAV
3. Geltungsbereich des GAV
4. Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV
5. Vollzugskosten eines GAV
6. GAV-Konkurrenz
7. Praktische Fälle
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Begriff der Allgemeinverbindlichkeitserklärung
Definition gemäss Art. 1 AVEG (SR 221.215.311)
Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) ist ein
behördlicher Akt mit rechtsetzendem Charakter, durch
welchen der Geltungsbereich eines GAV auf alle
Arbeitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden
Wirtschaftszweiges oder Berufes ausgedehnt wird.
 AVE zulässig für:
- normative Bestimmungen
- indirekt-schuldrechtliche Bestimmungen
 AVE nicht zulässig für:
- schuldrechtliche Bestimmungen
- Wiederholungen von zwingendem Recht
- Regelungen über Schiedsgerichte
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Zuständige Behörde für AVE
Bundesrat:
Bundesrat ist zuständig zur AVE eines GAV, wenn mehrere
Kantone vom Geltungsbereich betroffen sind
Kantonale Regierung:
Kantonale Regierung ist zuständig zur AVE eines GAV,
wenn nur ein Kanton vom Geltungsbereich betroffen ist
Liste der allgemeinverbindlich erklärten GAV:
www.seco.admin.ch
 Arbeit
 Arbeitsrecht
Gesamtarbeitsverträge
Staatssekretariat für Wirtschaft
Secrétariat d‘Etat à l‘économie
Segretariato di Stato dell'economia
State Secretariat for Economic Affairs
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Zahlenmässige Entwicklung der GAV mit AVE
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Jahr
Bund
Kantone
Total
1995
9
5
14
1996
12
9
21
1997
16
19
34
1998
14
19
33
1999
15
14
29
2000
18
17
35
2001
18
16
34
2002
17
22
39
2003
20
21
41
2004
22
19
41
2005
27
23
50
2006
30
34
64
2013
38
33
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• 2014 Bund:
• 2014 Kantone:
• 2014 Total:
41
33
74
71
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Regionale Verteilung der GAV mit AVE
 Auf Bundesebene: nur rund 10% der GAV mit AVE
gelten für das Gebiet der ganzen Schweiz
 Auf kantonaler Ebene: von den restlichen GAV mit AVE
sind 40% in mehreren Kantonen anwendbar und 60% auf
einen einzigen Kanton beschränkt
Folgen dieser Zersplitterung:
• Unterschiedliche Arbeitsbedingungen in
derselben Branche
• Kantonale Strukturen beim GAV-Vollzug
• Komplizierung und Schwerfälligkeit in
Anwendung und Kontrolle
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Voraussetzungen gem. Art. 2 AVEG
1. Notwendigkeit der AVE im Hinblick auf sonst bestehende
Nachteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
2. AVE darf dem Gesamtinteresse nicht zuwiderlaufen und
muss Minderheitsinteressen Rechnung tragen
3. Mehr als die Hälfte aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer im
Geltungsbereich muss beteiligt sein
4. Bei Antrag der tripartiten Kommission müssen die beteil.
Arbeitgeber mind. 50% aller Arbeitnehmer beschäftigen
5. Keine Verletzung der Rechtsgleichheit und kein Verstoss
gegen zwingendes Recht
6. Nicht beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden
muss Beitritt zum GAV offen stehen
7. Einzelne nicht beteiligte Arbeitgeber und Arbeitnehmer
müssen sich Verband oder GAV anschliessen können
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Gliederung der Vorlesung
1. Repetition des GAV im Allgemeinen
2. Entstehung und Beendigung des GAV
3. Geltungsbereich des GAV
4. Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV
5. Vollzugskosten eines GAV
6. GAV-Konkurrenz
7. Praktische Fälle
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Aktuelles Beispiel GAV für Maler und Gipser
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Grundlage Bundesratsbeschluss vom 22.9.2010
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Beschränkter Geltungsbereich des GAV
Nur die Bestimmungen im Anhang sind
allgemeinverbindlich erklärt worden!
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GAV-Klauseln zu Vollzugskostenbeiträgen
Im GAV werden jährliche Vollzugskostenbeiträge
von je CHF 100 für Arbeitgeber und je CHF 72 für
Arbeitnehmer festgelegt (Pflicht zum Lohnabzug)
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GAV-Klauseln zu Vollzugskostenbeiträgen
•
•
•
•
•
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Grundlage Art. 3 lit. b AVEG
Beiträge nicht höher als
Summe der eff. Kosten
AN-Beitrag muss tiefer sein
als Mitgliederbeitrag der
Gewerkschaften
Verwendung der Beiträge
laufend für Vollzug und im
Interesse der Arbeitnehmer
Ausreichende Kontrolle
notwendig
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1. Repetition des GAV im Allgemeinen
2. Entstehung und Beendigung des GAV
3. Geltungsbereich des GAV
4. Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV
5. Vollzugskosten eines GAV
6. GAV-Konkurrenz
7. Praktische Fälle
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Konkurrenz von verschiedenen GAV
Definition
Wenn zwei oder mehrere GAV für das gleiche Einzelarbeitsverhältnis in betrieblicher, zeitlicher, räumlicher,
sachlicher und persönlicher Hinsicht gelten, liegt eine
GAV-Konkurrenz vor.
 Keine GAV-Konkurrenz liegt vor, wenn mehrere GAV
unterschiedlicher Hierarchiestufen vorliegen (Vertragspluralität)
 Am häufigsten ist eine Konkurrenz von Berufs- und
Branchenvertrag
 Nach dem Prinzip der Tarifeinheit kann stets nur ein GAV
zur Anwendung gelangen
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Lösungsansätze bei GAV-Konkurrenz
 Abklärung des räumlichen, zeitlichen, persönlichen und
sachlichen Geltungsbereiches, da in vielen Fällen nur
Scheinkonkurrenz vorliegt
 Willen der Vertragsparteien prüfen, ev. gibt es eine
Subsidiaritätsbestimmung oder Prioritätenregelung
 Ohne gegenteilige Bestimmung geht allgemeinverbindlich
erklärter GAV vor
 Ohne AVE geht Branchenvertrag grundsätzlich dem
Berufsvertrag vor
 Bei Konkurrenz zwischen zwei Branchenverträgen gilt
Spezialitätsprinzip (trägt Eigenart des Betriebes besonders
Rechnung)
 Lassen sich Betriebsteile nicht abgrenzen, gilt das
Günstigkeitsprinzip
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Gliederung der Vorlesung
1. Repetition des GAV im Allgemeinen
2. Entstehung und Beendigung des GAV
3. Geltungsbereich des GAV
4. Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV
5. Vollzugskosten eines GAV
6. GAV-Konkurrenz
7. Praktische Fälle
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Masterprüfung vom 14.1.2012 Aufgabe 1
Sachverhalt
Über die Dubiosa AG ist der Konkurs eröffnet worden. Der Konkursverwalter kündigt allen 50 Arbeitnehmern unter Einhaltung der
vertraglichen Kündigungsfristen, jedoch ohne Berücksichtigung
des Verfahrens zur Massentlassung. Die Profunda AG übernimmt
alle Maschinen und Mitarbeiter der konkursiten Dubiosa AG und
führt den Betrieb weiter. Nun fordert die Gewerkschaft Unia, dass
die Profunda AG den früheren GAV zufolge Betriebsübergangs
weiter einhalte. Zudem hafte die Konkursmasse solidarisch für die
unrechtmässige Massenentlassung.
Fragestellung
Wie ist die Weitergeltung des GAV beim Betriebsübergang zu
beurteilen und haftet die Konkursmasse wirklich solidarisch?
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BGE 4C_350/2000 vom 12. März 2001
Sachverhalt
A. arbeitete seit 1990 bei der Baufirma X. AG, für welche
der Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe gilt. Am
31.10.1997 wurde A. wegen Arbeitsmangels gekündigt. Mit
Schreiben vom 10.3.1999 machte die Gewerkschaft Bau
und Industrie geltend, A. sei zu tief entlöhnt worden. Da er
als Gipser tätig gewesen sei, müsse richtigerweise der
Rahmenvertrag für das Maler- und Gipser-Gewerbe und
nicht der L-GAV Bauhauptgewerbe angewendet werden.
Fragestellung
Kann sich A. tatsächlich auf den für ihn günstigeren GAV
des Maler- und Gipser-Gewerbes stützen, obwohl doch klar
der L-GAV Hauptgewerbe anwendbar ist?
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BGE 139 III 60 GAV-Gleichbehandlungsklausel
Sachverhalt
Die X. AG ist in der Flugzeugreinigung tätig und hat mit dem
Schweiz. Verband des Personals öff. Dienste (VPOD) zwei
GAV geschlossen, einen für Beschäftigte im Monatslohn
und einen für das Hilfspersonal im Stundenlohn. A. ist als
Hilfsputzkraft im Stundenlohn bei der X. AG tätig und trat
per 1.12.2008 dem VPOD bei. Gestützt auf die GAV machte
A. eine Forderung von CHF 80'807 geltend mit der
Begründung, aufgrund der Anzahl Arbeitsstunden einen
Anspruch auf Entschädigung im Monatslohn zu besitzen.
Fragestellung
Kann sich A. für den Zeitraum vor ihrer Mitgliedschaft beim
VPOD auf die GAV berufen?
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