Geschichte der Tiroler Blasmusik

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GESCHICHTE DER TIROLER BLASMUSIK
Geschichte der Blasmusik in Tirol
verfasst von Hofrat Dr. Erich Egg
Die Blasmusik hat eine lange Geschichte, die in die Frühzeit der Menschheit zurückführt, wenn man an das Tierhorn
oder die Pfeife denkt, die die Hirten geblasen haben. Der Begriff der Blasmusik engt sich aber ein, wenn man davon
ausgeht, dass die Instrumente, ob Holz oder Blech, von Instrumentenmachern hergestellt wurden und die Musikanten
Noten oder notenähnliche Zeichen verwendeten, um Melodien festzuhalten und zu blasen. Wenn wir im Tiroler Raum
bleiben, so war die weltliche Blasmusik im Mittelalter mehr verbreitet als die kirchliche, weil die Kirchenmusik im
allgemeinen nur den Vokalchor und die Orgel kannte.
Die weltliche Musik diente einerseits dem Auftreten der Fürsten und militärischen Zielen und andererseits der
Unterhaltung. Im höchsten Ansehen standen die Trompeter und Pauker der Landesfürsten, die ein eigenes exklusives
Korps bildeten und sich von den anderen Blasmusikern absonderten. Ihre Truppe umfasste die Instrumente Fanfare,
Trompete, Posaune und Pauke. Unter Erzherzog Sigmund dem Münzreichen (1446-1490) hatten sie bereits großes
Ansehen durch das Clarinblasen mit einer hochlagigen Trompete. Sie traten auch zu Pferd auf, begleiteten das
feierliche Auftreten des Fürsten, seinen Einzug in Stadt und Land oder den Empfang anderer Fürstenbesuche. Sie
bildeten durch ihre Stärke von zehn bis zwanzig Mann am ehesten die Vorläufer der heutigen Musikkapellen, wenn auch
die Art ihrer Instrumente beschränkt war.
Hofmusiker Erzherzog Ferdinand II. beim Freischießen in Innsbruck 1569, aus Lienhard Flexels "Lobspruch deß
firstlichen Freischießens in Inßbruck", 1569Kaiser Maximilian I. (1490 - 1519) hat entsprechend seinem großen
Repräsentationsbedürfnis und der seit 1450 aus Burgund kommenden Polyphonie, der Mehrstimmigkeit, einen hohen
Stand der Bläsermusik erreicht und sie durch Uniformierung und die kaiserlichen Wappen an den Trompeten
hervorgehoben. Der schmetternde Klang ihrer Blechinstrumente und der Wirbel der Pauken hob den Rang ihres
Ansehens. Man benützte bereits eine Fülle von Musikstücken, die einem Tusch ähnelten. Die gehobene Stellung der
Trompeter wurde deutlich, als 1451 immer einer von ihnen zum Spielgrafenund König der Spielleute an der Etsch und
im Inntal bestellt wurde. Er stellte den fahrenden Musikanten gegen Gebühr jährlich eine Lizenz zum Aufspielen aus.
Dieses Amt bestand bis 1806, als es die bayrische Okkupationsregierung aufhob. Die Spielleute trafen sich alljährlich
zum Pfeifertag im Inntal in Wilten und in Südtirol in Terlan, wo ein feierliches Hochamt mit voller Musik gehalten wurde.
Das Trompetenkorps wurde erst unter der Kaiserin Maria Theresia mit der anderen Hofkapelle aufgehoben, weil keine
eigenen Landesfürsten oder fürstliche Statthalter mehr in Tirol residierten.
Eine ebenfalls besoldete Position hatten die städtischen Türmer;die nicht nur die Feuerwache auf den Stadttürmen oder
Kirchentürmen besorgten, sondern auch die Festlichkeiten in den Städten musikalisch umrahmten. Sie mußten das
Spiel auf Posaune, Pfeife, Trommel und Pauke beherrschen. Sie bliesen fürstliche und adelige Besucher "an", wofür sie
ein Trinkgeld bekamen, halfen bei der Pfarrmusik mit und spielten als Tanzmusik für die Bürgerschaft im Fasching und
bei Hochzeiten auf. Ihre Stärke überschritt aber nie vier Mann. Um 1650, als die bisher nur aus Chor und Orgel
bestehende Kirchenmusik auch instrumental verstärkt wurde und die Kirchtürme gutgehende Uhrwerke bekamen, ging
die Zeit der musizierenden Türmer zu Ende, ihre Aufgaben übernahm bei Festlichkeiten jetzt die Pfarrmusik.
Eine weitere Gruppe angestellter Musikanten hielten sich im Mittelalter die führenden Adelsgeschlechter. Bereits
1394/1400 werden die Pfeifer der Herren von Schlandersberg, Matsch und Starkenberg genannt. Sie begleiten ihre
Herren und wurden zu Hochzeiten gegenseitig ausgeliehen, um die Tafelmusik zu verstärken. Sie beherrschten neben
den Pfeifen und Trommeln der Feldmusik sicher auch Posaunen, Trompeten und Zinken. Eine ander Gruppe von
Pfeifern und Trommlern stand im Dienste der Landesverteidigung. Seit etwa 1450 und endgültig durch die
Verteidigungsordnung des Landlibells Kaiser Maximilians I. von 1511 wurde in jedem Landgericht ein Fähnlein, später
Kompanie genannt, aufgestellt, das im Kriegsfall zum Schutz der Grenzen ausrücken mußte.
Für sie waren zwei Pfeifer und ein Trommler als "nationale Kriegsmusik" vorgeschrieben. Man hat diese Musik sicher
von den Söldnertruppen und den Landsknechten übernommen. Ihre Aufgaben leisteten meist die Spielleute, die mit
einem Lizenzbrief des Spielgrafen ausgestattet waren und in diesen Bezirken oder Gerichten bei Hochzeiten und im
Fasching aufspielen durften. Sicher haben auch Dilettanten als Pfeifer und Trommler gedient, wenn zu wenig
Berufsmusiker da waren. Sie begleiteten den Marsch der Aufgebote mit einfachen Melodien. Dieses "Spiel" war noch bis
gegen 1850 bei fast allen Schützenkompanien üblich. Bei der letzten Erbhuldigung an Kaiser Ferdinand I. 1838 in
Innsbruck marschierten die Veteranen der Jahre 1796 - 1809 mit Trommeln und Schwegel (wie die Pfeifen bei den
Schützen genannt wurden) als "einzige Feldmusik der Landesverteidigung auf , die mit ihren Doppeltönen durch Mark
und Pein ging". Am Schießstand hatten dises "Spiel" seit alter Zeit die Aufgabe, die Treffer ins Schwarze der Scheibe
musikalisch anzuzeigen.
Schließlich erhielt die Pfarrmusik in den größeren Orten um 1650 im Rahmen der festlichen Barockmusik eine
Begleitung durch Streich- und Blasmusikinstrumente. Das Vorbild war die Hofmusik der Landesfürsten in Innsbruck, die
1665 folgende Blasinstrumente besaß: ein Serpent (gewundenes Baßinstrument), 15 Zinken, zwei Sackpfeifen, 15
Schalmeien, 12 Fagotte, 12 Querpfeifen, fünf Posaunen, eine türkische Trompete, 25 Flöten, 14 Racketts
(Doppelrohrinstrumente) und drei Krummhörner. Dazu kamen 54 Streichinstrumente. Die städtischen Kirchenmusiken
hatten natürlich eine geringere Ausstattung. In Schwaz gab es seit 1680 Posaunen, Trompeten und Pauken. 1710
wurde bereits Unterricht in Trompete und Posaune und 1734 in Waldhorn erteilt. Das feierliche Tedeum am Ende der
Hochämter war ohne Trompeten, Posaunen und Pauken nicht denkbar.
Als die Kaiserin Maria Theresia nach einer Enzyklika Papst Benedikts XIV. den Volksgesang in den Vordergrund stellte
und Posaunen, Flöten, Hörner und Trompeten verbot, weil sie der Kirchenmusik einen "theatralischen Anstrich"
verliehen, und nur noch das Fagott erlaubte, hatte dieses Verbot wenig Wirkung, weil man aus Anlaß der seltenen
kaiserlichen Siege auf das Tedeum bei den Dankgottesdienst nicht verzichten wollte. Noch gegen Ende des 18.
Jahrhunderts blies man am Schwazer Pfarrchor mit A und D-Trompeten, Oboen, Klarinetten und Waldhörnern und
schlug die Pauke. Der Pfarrchor in Bozen trat 1760 bei der Durchreise der Herzogin von Parma, der Braut König Josefs
II., mit neun Streichern, zwei Trompeten, zwei Querflöten, zwei Waldhörnern und zwei Pauken unter einem dirigierenden
Kapellmeister auf. Im Barock war es selbstverständlich geworden, daß die Kirchenmusik auch bei weltlichen Festen
auftrat. Was die Pfeifer bei den Hochzeiten waren, stellte die Hofmusik bei der täglichen Tafel und gelegentlich in
eigenen Konzerten als Kammermusik dar. Sie bestand aus kleinen Gruppen, der "Musica", die nach dem Vorbild der
burgundischen Hofmusik ein vielstimmiges Bläserensemble von fünf Mann mit Posaune, Schalmei und Krummhorn
bildeten. Kaiser Maximilian I. beschäftigte bedeutende Komponisten für die Schaffung neuer Werke der Tafelmusik. Bald
traten dazu auch Steichinstrumente. Unter Erzherzog Ferdinand II. erreichte um 1580 diese Tafelmusik bei Hof ihren
Höhepunkt und trat bei kirchlichen und weltlichen Festen zusammen mit der kirchlichen Hofkapelle "wie ein corpus" auf.
Die Militärmusik als Hintergrund der Blasmusikkapellen
Alle bisher genannten Ensembles und Gruppen der Blasmusik machten noch keine Musikbande oder Musikkapelle aus.
Dieser Anstoß kam von derösterreichischen Armee. Die kaiserlichen Truppen begannen sich nach 1700 infolge der
langen Erbfolge- und Türkenkriege endgültig in stehende Regimentern zu organisieren. Die adeligen Inhaber der
Regimenter stellten um 1720 die ersten Regimentsbanden auf, wie man die militärische Musik damals bezeichnete.
Diese nach den tonangebenden Oboen "Hauboistenbande" genannte Musik bestand im allgemeinen aus acht Mann mit
Trompete, Waldhorn, Oboe oder Klarinette und Fagott (als Baß) und mußte vom Regiments- inhaber und den Offizieren
bezahlt werden. Sie marschierten auch nicht mehr wie die Pfeifer und Trommler in die Schlacht, sondern begleitete den
Marsch der Truppe und gab vor allem Abendkonzerte, auch mit Streichinstrumenten, vor dem Offizierskorps. Sie waren
keine Soldaten, trugen oft phantastische Uniformen und ihr Kapellmeister war zugleich Komponist. Erst 1748 wurden
diese acht Hautboisten in das militärische Reglement übernommen. Noch 1800 umfaßte die Regimentsbande zwei
Oboen. zwei Klarinetten, zwei Hörner und zwei Posaunen. Sie waren der Grundstock der späteren konzertanten
Harmoniermusik.
Die Regimentsinhaber waren mit dieser Lösung aber nicht zufrieden, zumal sie in den Türkenkriegen die
Janitscharenmusik der türkischen Armee kennengelernt hatten, die mit Trommeln, Becken (Tschinellen) und Schalmeien
eine Rhythmusmusik hatten, die den Soldaten in die "Beine" ging. So entstand inÖsterreich als Zusatz zu den
"Hautboisten", die vom Offizierskorps unterhaltene türkische Bande, die oft weitaus beliebter war als die
Harmoniemusik. Joseph Haydnöffnete mit der Miliärsymphonie (Hoboken-Verz. 100) der türkischen Musik die
allgemeine Anerkennung.
Das Jahrbuch der Tonkunst für Wien und Prag stellt 1796 fest: "Die Militärmusik ist entweder die gewöhliche Feldmusik
oder die türkische Musik. Die Feldmusik oder sogenannte Harmonie, welche man auch Bande nennt, besteht aus zwei
Waldhörnern, zwei Fagotten und zwei Oboen. Diese Instrumente kommen auch bei der türkischen Musik vor, wozu aber
noch zwei Klarinetten, eine Trompete, ein Triangel, eine Oktavflöte, eine sehr große Trommel, eine gewöhliche Trommel
und ein Paar Cinellen gehören. Beim Aufziehen der Burgwache und der Hauptwache hört man die Feldmusik. Die
türkische Musik wird abends bei schönem Wetter vor der Kaserne, bisweilen auch vor der Hauptwache gegeben. Das
sämtliche Offizierskorps erhält das zur türkischen Musik gehörige Personale."
Die Feldmusik (Hautboisten) eines Regiments um 1720
Kupferstich von Christof Weigels Witwe, Nürnberg. Heeresgeschichtliches Museum, Wien
Noch war die Regimentsbande in eine dem Soldatenstand angehörende, vom Staat bezahlte Feldmusik für das offizielle
Auftreten und in die vom Offizierskorps bezahlte, außerdienstlich auftretende türkische Musik geteilt. Erst das
Reglement Erzherzog Karls von 1807 anerkennt auch die türkische Musik als festen Bestandteil der Regimentskapelle,
und die bisherigen Hautboisten waren nur noch dadurch gekennzeichnet, daß sie im ersten Glied standen und
prächtigere Uniformen hatten als die übrigen Musikanten. Neu war auch die Einführung des Regimentstambours, der als
militärischer Führer der Musik mit dem Tambourstock das Zeichen zu Anfang und Ende des Musikstückes gab. Der
Kapellmeister war ein bezahlter Zivilist und trat außer bei der Ausbildung der Musiker nur bei Konzerten in Erscheinung.
Ursprünglich führe der Regimentstambour die Hautboisten (Feldmusik) an, während die türkische Musik vom Träger des
Schellenbaumes (chinesischer Glögglhut) kommandiert wurde. Dieses eigenartigste Instrument wurde damals als
chinesischer Glögglhut bezeichnet. Ob sein Name auf eine Herkunft aus dem Fernen Osten weist, ist nicht sicher. Er
galt um 1800 als fester Bestandteil der türkischen Musik und hatte häufig an seiner Spitze einen Halbmond als
Erinnerung an seine türkische Herkunft. Nicht ohnen Einfluß auf das spätere Auftreten ehemaliger Militärmusiker in den
Tiroler Blasmusikkapellen war 1802 die Abschaffung der lebenslangen Dienstzeit und ihre Beschränkung auf zehn
Jahre, die 1845 auf acht Jahre herabgesetzt wurde.
Eine österreichische Regimentskapelle umfaßte 1820:
2 Flöten
1 Contrafagott
1 Baßposaune
2 Oboen
1 Baßhorn
1 kl. Trommel
1 F-Klarinette
1 C-Serpentin
1 große Trommel
2 C-Klarinetten
2 Hörner
1 Paar Tschinellen
2 B-Baßetthörner
2 Trompeten
1 Triangel
2 Fagotte
1 Tenorposaune
Als 1815 der Komponist Johann Baptist Gänsbacher von Sterzing den Auftrag erhielt, eine Kapelle der Tiroler
Jägerregimentes mit 24 Mann aufzubauen, holte er mangels an " hiesigen Individuen" 16 böhmische Musikanten nach
Innsbruck, die alle nach ihrer Dienstzeit in Tirol blieben und zivilen Blasmusik einen Auftrieb gaben.
Eine nicht unbedeutende Rolle spielte auch seit den Kriegen von 1796 die Militärmusik der französischen
Revolutionsarmeen, die mit ihrem aufreizenden Klang der Hörner ein lebhaftes Element in die bisherige
Hautboistenbanden der Militärmusik brachte. Als die Franzosen 1805 in Innsbruck einmarschiert waren, ordnete der
kommandierende Marschall Ney an, daß am 10. Mai die Grenadiere zum Gottesdienst in der Pfarrkirche "mit Tambours
und türkischer Musik marschierten, noch mehr bey der Consecratin, beim Segen und beim Te Deum der Festmesse mit
den Trommeln Lärm geschlagen werde". Die Revolution hatte schon 1792 eine Schule für Militärmusik gegründet und
die Regimenter Napoleons I. hatten Kapellen von 25 bis 40 Mann.
Die Kriegsjahre von 1796 bis 1814 brachten es mit sich, daß die Tiroler viele durchmaschierende Militärkapellen
kennenlernten und im Rahmen der Begeisterung für das bedrängte Vaterland diese neue Musik sich zu eigen machte.
Die kirchenfeindlichen Maßnahmen Kaiser Josefs II. seit 1780 mit dem Verbot der Instrumentalmusik in der Kirche
hatten viele bisherige Musiker brotlos gemacht, die wandernden Spielleute schlossen sich ihnen sicher an und die
allgemeine Schulpflicht, die die Kaiserin Maria Theresia eingeführt hatte, brachte in jedes Dorf einen musikalisch
interessierten Lehrer. Die Lehrer waren schlecht bezahlt und suchten einen Nebenverdienst, ebenso die entlassenen
Kirchenmusiker, so daß der Grundstock für die Errichtung von Musikbanden vorhanden war.
Gemeinden und Mäzene halfen bei der Beschaffung von Instrumenten. So entstanden die türkischen Musikbanden,
während die Harmoniemusik nur in den Städten genug ausgebildete Musiker aufbrachte. Für die türkische Musik
wurden keine großen Notenkenntnisse verlangt, so daß sie viel zahlreicher bei den Festlichkeiten auftrat. Bei der
Aufhebung der Klöster durch Kaiser Josef II. konnten viele Innstrumente billig erworben werden. So kaufte die
Gemeinde Fulpmes 1784 die Instrumente des aufgegobenen Klosters Maria Waldrast bei Matrei. Die türkische Musik
hatte aber durch entsprechende Stücke schon früher in Tirol Eingang gefunden.1764 hat die elf Mann starke
Pfarrmusik in St. Paulus in Eppan bei einem Fest türkische Musik gemacht. 1780 erwiesen die "Stiftmusici" in Wilten
dem Abt am Namenstag ihre Aufwartung mit türkischer Musik und in Hall fand im gleichen Jahr eine Parade des Bergund Salinenpersonals statt, wobei "24 Bergknappen in Uniform mit zwei Offizieren türkische Musik machten und sich bei
der Tafel unausgesetzt hören ließen".
Eine solche Bergknappenmusik ist auf der Rinner Krippe imÖsterreichischen Museum für Volkskunde in Wien mit den
Instrumenten Tschinellen, Tamburin, Flöte, Horn, Oboe und Schalmei dargestellt. Die um 1790 geschaffene RappKrippe in Matrei am Brenner stellt bereits eine uniformiete Musikbande mit Tambourmajor, Schlamei, zwei Trompeten,
vier Klarinetten, zwei Posaunen, zwei Hörner, Tschinellen und großer Trommel dar. Beim feierlichen Empfang der
Kaiserin Maria Luise in Bozen am 6. Mai 1790 trat erstmals eine "bürgerliche" Musikkapelle auf. Sie trug die Tracht der
Bozner Schützen mit hellgrünem Rock, roter Weste, grünem Hut, schwarzer Kniehose und weißen Strümpfen. An der
Spitze marschierte ein Tambourmajor mit dem Stab. Die Kapelle war 20 Mann stark mit Trompeten, Hörnern,
Klarinetten, Fagott, Trommeln und Tschinellen (Becken). Nach dem damaligen Bericht heißt es, daß 500
Bauernschützen und "eine trefflich schöne und stark lautende türckische Musik" vor der Kaiserin vorbeigezogen
seien.
Die in Tirol 1796 beginnende Franzosenkriege förderten im Rahmen zahlreicher patriotischer Feiern den
Aufbau der Musikbanden. Das 1787 in Tirol anwesende Land- und Feldregiment spielte in Stams bei Hochamt und Mahl
mit acht Stabs- und 17 Feldmusikanten auf, was sicher auf die Einheimischen anregend gewirkt hat. Der Komponist
Johann Baptist Gänsbacher aus Sterzing, der später die Kaiserjägerkapelle errichtete, komponierte 1796 für die
Innsbrucker Scharfschützenkompanie aus Adel und Städtern, die eine kleine Harmoniemusik mit zwei Flöten, zwei
Waldhörnern, einer Trompete und einem Fagott aufgestellt hatte, einige Märsche.
Als im Jahr 1800 nach den heftigen Kämpfen der vergangenen vier Jahre etwas Ruhe eintrat, war Gelegenheit für
zahlreiche Paraden. In Schwaz fanden am Geburtstag Kaiser Franz I. ein Hochamt und ein Schützenumzug in
Begleitung von türkischer Musik statt und abends eine Feier mit passender Rede und mit abwechselder Musik.
Innsbruck besaß bereits eine dauernde Stadtschützenkapelle. 1801 paradierte die Alois Holdt`sche Schützenkompanie
am Rennweg zur Medaillenverleihung mit ihrer "gewöhnlichen türkischen Feldmusik", in Stams fand 1803 nach der
Fronleichnamsprozession ein Abendessen mit türkischer Musik statt und in Brixen führten 1801 anläßlich eines
Freischießens Trommler und Pfeifer den Zug an, während die türkische Musik den Schluß bildete.
Aus Anlaß der Erhebung Österreichs zum Kaisertum rückten am 23. September 1804 in Schwaz "die Landmiliz und die
Bergwerksmannschaft mit wehenden Fahnen und klingendem Spiel, teils Harmonie-, teils türkische Musik, aus" Hier
wird wie bei der Militärmusik klar zwischen der ehemaligen Hautboistenbande und der türkischen Bande unterschieden.
In der Harmoniemusik gaben sicher die ehemaligen Pfarrmusiker den Ton an. Daß sich jetzt überall im Lande türkische
Kapellen nach dem Vorbild der Militärmusik bildeten und Instrumente brauchten, bezeugt auch das Angebot der Firma
Max Kuck in Biberach in der Innsbrucker Ordinarizeitung 1800: "Angekommen sind: Trompeten, gewundene Trompeten,
Inventionstrompeten und Waldhörner, ordinari Waldhörner, Posaunen (Diskant, Alt, Tenor, Quint, Quintbaß), weiters
Klarinetten, Oboen, Querflöten, Piccoloflöten und Flageolett aus Eben-, Grenadill- und Buchsholz, Querflöten mit
mehreren Klappen, Fagotte, Oktavfagotte, Serpente, Zinken, Bassett- und Englisch-Hörner, kleine und große türkische
Trommeln und Tamburine".
Die bayrische Okkupation 1806 und die Kämpfe von 1809 brachten den Tirolern andere Sorgen als die Errichtung von
türkischen Musikbanden, die von der Besatzungsmacht sicher als Schützenbegleitung nicht gern gesehen waren. Aber
schon 1813, als Nordtirol noch bayrisch war, aber die Niederlage Napoleons sich deutlich abzeichnete, marschierten in
Innsbruck die Höttinger Schützen mit einer abenteuerlichen Musikbande: erste Violine (der Kapellmeister), zwei Violinen,
eine Viola, eine Flöte, ein Klarinett, zwei Naturhörner, zwei Posaunen und eine Trommel. Später erhielt die Kapelle von
der Schützenkompanie einen erbeuteten französischen Regimentsadler als Tambourstock, der heute noch vorhanden
ist.
Die Kapellmeister mußten schon damals eine entsprechende Ausbildung nachweisen. Als der Lehrer Anton Posch 1804
die Telfer Musikbande übernahm, legte er ein Zeugnis des bekannten Komponisten und Benediktinerpaters von Fiecht
Martin Goller (später Direktor des Musikvereins in Innsbruck) vor, daß er "in Orgel, Violine, Klarinette, Trompete und
Horn sehr Gutes leiste".
Der Aufstieg der Tiroler Blasmusikkapellen 1815- 1850
Die Rückkehr Tirols zu Österreich 1814 war der Anlaß zu vielen Feiern. Das Polizeiregime des Staatskanzlers
Metternich hatte zwar keine Freude mit den Tiroler Schützen und liebte die Erinnerung an die Kämpfe von 1809 nicht, da
Volksbewaffnung, Freiheit und ähnliche Dinge zu sehr an die Französische Revolution erinnerten, die man mit großer
Mühe beseitigt hatte. Dafür gestattete man im kirchlichen Bereich alle Freiheiten, weil man eingesehen hatte, daß mit
den Eingriffen der Aufkärer in die Musik des Volkes nur böses Blut gemacht worden war. Daneben waren patriotische
Erinnerungsfeiern als Bekundung der Treue zum Hause Habsburg für das neue 1804 entstandene Kaisertum Österreich
sehr erwünscht. Da kirchliche und weltliche Feiern ohne Musik nicht viel Glanz hatten und man von den langen Kriegen
her die Militärmusik gut kannte, bildeten sich in Stadt und Land Blasmusikbanden. Die wurden immer noch als türkische
bezeichnet, weil der türkische Teil leichter zu organisieren war als gute Bläser für die Harmonie.
Die führende Rolle bei der Errichtung oder Neuerichtung der Musikbanden übernahmen die Lehrer, die auch für die
Kirchenmusik die Bläser ausbildeten. Die Zeiten des reinen Volksgesanges waren vorbei, die Geistlichkeit war an der
Mitwirkung der Musik bei den feierlichen Gottesdiensten interessiert und häufig übernahmen junge Kooperatoren
Gründung und Leitung der Musikbanden. 1814 kaufte der Pfarrer von Lüsen bei Brixen aus Spenden der Bevölkerung
ein Paar Hörner, zwei Klarinetten und eine kleine Trommel zur Errichtung einer Musikbande, die bereits 1817 beim
Empfang des Bischofs öffentlich auftrat. 1821 bestellte der Pfarrprovisor Johann Brand in Obertilliach neun Instrumente
in Wien und errichtete zusammen mit den in der Kirche vorhandenen Instrumenten eine Kapelle von 16 Mann, die
bereits 1823 vor dem Thronfolger Erzherzog Ferdinand aufspielte. In Kiens gründete der Pfarrer die Musikbande, deren
Kapellmeister noch um 1860 ein geistlicher war. Auch in Sand in Taufers errichtete der Kooperator Josef Reden 1820/21
die erste Kapelle. Die Kapelle von Brixlegg dirigierte ab 1840 der Kooperator Hampel, ein musikalischer Deutschböhme,
der vorzüglich Klarinette spielte. Die Böhmen galten in der Monarchie als die besten Blasmusiker.
Von der Musikkapelle Sautens besitzen wir sogar die Statuten, die 1835 der Lokalkaplan im Einverständnis mit der
Gemeinde aufgestellt hatte.
1. Jedes Mitglied zahlt einen Gulden Eintrittsgeld.
2. Jedes Mitglied hat das ihm übergebene Instrument sorgsam zu pflegen.
3. Schafft ein Mitglied selbst ein Instrument an, so muß dieses außerhalb der Proben abgegeben und darf nicht nach
Hause genommen werden. Tritt ein solcher Musikant aus, so hat er das Instrument der Kapelle zu verkaufen.
4. "Die Kapelle und jedes einzelne Mitglied haben nur der Feier des Gottesdienstes und der Prozessionen zu dienen.
Die Mitwirkung bei Hochzeiten, Komödien, Haustänzen und anderen, dem Willen des Seelsorgers zuwideren Aufzügen
wird wie ein polizeiliches Verbrechen mit Ausschluß bestraft."
6. Entspricht die Gesellschaft nicht dem festgesetzen Zweck, so kann sie der Seelsorger als aufgelöst erklären.
7. Jedes Mitglied zahlt am Cäcilientag, an dem ein feierliches Hochamt für die Patronin der Musik stattfindet, 12 Kreuzer
für mildtätige Zwecke.
10. Um das Erlernte zu behalten und größere Fertigkeit zu erwerben, sind an den abgeschafften Feiertagen Proben
abzuhalten, die aber nicht bis spät in die Nacht dauern dürfen. "Unterschrieben haben diesen Vertrag für eine gar nicht
lustige Musik 19 Musikanten
, darunter vier Hornbläser, drei Trompeter, ein Baßtrompeter, vier Klarinettisten und ein Trommler".
Die Stubaier Musikbande spielt am 9. September 1823 beim Besuch von Erzherzogin Maria Luise am Alpeiner Ferner
auf. Zeichnung von Franz Xaver Schweighofer. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck.
Wie schon erwähnt, waren vor allem die Lehrer die treibende Kraft bei der Errichtung der Musikbanden. Sie hatten die
nötige musikalische Ausbildung und trotz des zusätzlichen Organisten- und Mesnerdienstes eine finanzielle Zubuße zu
ihrem kargen Gehalt notwendig. Der Auftritt als Kapellmeister verschaffte ihnen zusätzlich Ansehen im Ort. In Steinach
gründeten 1827 der Lehrer Peter Zangl und der Gerichtsdiener Franz Fuchs eine zehn Mann starke Kapelle mit einem
Querpfeifer, zwei Klarinetten, zwei Hörner, zwei Trompeten, einem Fagott, einer Zugposaune und einer kleinen
Trommel. 1821 errichtete der Lehrer Ignaz Dietrich die Bande in Gries bei Bozen, die bereits im folgenden Jahr vor den
Käisern Franz I. vonÖsterreich, Alexander von Rußland und König Friedrich Wilhelm von Preußen ein Ständchen
brachten; die Kapelle in Brixlegg errichtete der Lehrer Kohlseisen 1832 mit 14 Mann.
Als 1838 das Eisenhammerwerk "Fürst Lobkowitz" in Kössen eingeweiht wurde, spielte die vom Lehrer Johann
Bergmayr gegründete Kapelle mit 15 Mann. Der große Schilderer Tirols, Ludwig Steub, stellt in seinem Buch "Drei
Sommer in Tirol" 1844 ausdrücklich fest: "Aus den Schützenreihen wehen zwei Fahnen, eine weiß rothe und eine weiß
grüne. Auch führen sie Musik, völlige Militärmusik, mit Trompeten, Posaunen und vier Klarinetten, welche von
Feiertagsschülern geblasen wurden. Neben diesen neuen Einrichtungen, die man den Schullehrern verdankt, stand
aber noch die alte Schwegelmusik."
Eine nicht geringe Rolle spielten auch die entlassenen Militärmusiker. Als es 1838 darum ging, für die große
Schützenparade zur Erbhuldigung an Kaiser Ferdinand I. in Innsbruck die Schützen von Schwaz mit einer Musikbande
zu begleiten, wurde der ehemalige Militärmusiker Josef Dornauer Tambourmajor, der es verstand den hitzigen Köpfen
Respekt einzuflößen. In Mils bei Hall gründete der Militärmusiker Georg Lahartinger um 1815/20 eine türkische Musik
mit 22 Mann mit Klarinetten, Blechinstrumenten und Glögglhut.
Die Gründung zahlreicher Musikbanden ließ ein neues Problem entstehen: die Musikbanden brauchten Musikstücke, vor
allem Märsche, die leicht zu spielen waren. Das 18. Jahrhundert hatte der Blasmusik wenig Achtung geschenkt, wenn
man von Georg Friedrich Händl und Joseph Haydn absieht. Seit 1800 hat die kriegerische Welle eine Reihe von
Märschen entstehen lassen, aber häufig waren die Kapellmeister auf eigene Kompositionen angewiesen oder mußten
Werke mühsam abschreiben und den vorhandenen Instrumenten angleichen. Wir wissen, daß 1853 die Musikkapelle
vom Ritten in Bozen besonderen Beifall errang, weil ihr Kapellmeister, der LehrerÜberbacher, selber komponierte.
Zum Erbhuldigungsfestzug 1838 komponierte der Franziskanerpater J. Kluibenschädl die notwendigen Märsche und
leitete die Proben der neu aufgestellten Musikbande von Schwaz. Er schuf auch schnell einen Trauermarsch, als in Hall
13 Zillertaler Schützen bei einem Deckeneinsturz den Tod fanden. Der musikbegeisterte Freiherr Franz Ferdinand von
Goldegg in Partschins errichtetet 1818 auf eigene Kosten eine Musikkapelle, bezahlte die Instrumente, die Noten, die
Burggräfler Tracht und einen Musiklehrer. Ihr Kapellmeister war 1852 bis 1854 der Komponist Matthäus Nagiller.
In den Städten kamen Kapellmeister und Gründer oft aus der gut installierten Kirchenmusik, da sich die Städte fest
besoldete Chormeister leisten konnten. Als der Chormeister Rupert Rainer den Stadtrat in Hall 1815 um die Anschaffung
einer vollständigen türkischen Musik bat, lehnte dieser ab, weil diese Musik nicht zum Kirchendienst geeignet sei. Nicht
so sparsam war man in Bozen, wo 1853 die 44 Mann starke neue Stadtschützenmusik unter dem Pfarrorganisten und
Komponisten Jakob Schgraffer und dem Kapellmeister Josef Brenner aufmaschierte.
Das erste große Ereignis nach der Rückkehr Tirols zu Österreich war die Erbhuldigung an Kaiser Franz I. 1816 in
Innsbruck. Vom großen Festzug melden die Berichterstatter: "Das unaufhörliche Vivat überstimmt den Donner der
Kanonen, das Geläute der Glocken, die Menge der türkischen Musiken, da in vielen Gemeinden des Inthales Bauern
eine Bande türkischer Musik bildeten" 6000 Schützen mit 27 Musikbanden nahmen am Festzug teil, der der erste große
Auftritt der türkischen Musik war und erstmals den engen Zusammenhang zwischen den Schützenkompanien und den
Kapellen darlegte.
Dies wird besonders bei den Innsbrucker Stadtschützen deutlich. 1816 marschierte die Schützenkapelle in einer Uniform
mit goldbordierten Hüten beim Festzug, 1819 hatten sie eine Besetzung von zwei Es-Klarinetten, zwei B-Klarinetten,
zwei Fagotten, einer Es-Flöte, zwei Es-Hörnern, je einer Es-und F-Trompete, einer großen und kleinen Trommel. Als
sich 1837 die Innsbrucker Schützen zu einer Division mit zwei Kompanien formierten, wurde auch die Musikbande
reorganisiert. Sei erhielt einen grünen Frack mit Goldborten, eine Lyra am Kragen und einen Tschako mit Federbusch,
der Tambourmajor eine Schärpe mit vergoldetem Adler, Lyra und Stadtwappen. Der Kapellmeister Friedrich Hummel
war ein bekannter Klarinettenvirtuose, Musiklehrer und Komponist. Diese Kapelle war jetzt eine ausgesprochene
Harmoniemusik mit einer Stammbesetzung von vier Klarinetten, zwei Piccoloflöten, zwei Oboen, vier Hörnern, drei
Trompeten, drei Fagotten, zwei Posaunen und einem Kontrafagott. Die türkischen Instrumente fehlten.
Dementsprechend trat die Kapelle auch häufig bei Konzerten mit Opernstücken und Tänzen auf.
Während die Innsbrucker Stadtschützenkapelle durch Musiker aus dem Theaterorchester und dem Musikverein
verstärkt wurde, war es in den anderen Städten nicht so leicht, eine Harmoniemusik aufzustellen. In Lienz wurde 1824
nach dem Vorbild anderer Städte eine Bürgergarde errichtet, der sich eine Musikkapelle anschloß. Die Stadt spendete
150 Gulden für die Anschaffung der Uniformen: schwarzer Filztschako mit weiß-roter Korkarde und grünem Federbusch,
blauer Rock mit roten Aufschlägen und weiße Hose. Die Stadtmusiker trugen wie die städtischen Bürgergarden keine
Tracht, sondern eine Uniform. Die Besetzung war großartig: drei B-Klarinetten, acht C-Klarinetten, eine F-Klarinette,
zwei D-Flöten, fünf G-Flöten, ein Fagott, zwei Hörner, eine Baßtrompete, eine Posaune, eine große Trommel,
Tschinellen, ein Glockenspiel, eine Klappentrompete und ein Glögglhut. Die Kapelle war als Verein aufgebaut und löste
sich 1835 wieder auf, wobei die Instrumente zum Verkauf ausgeboten wurden. Im Marktort Sillian schlossen sich 1833
die Kirchenharmonie, die Türkische Bande (gegründet 1826) und die Tanzmusik zu einem Musikverein Sillian
zusammen und bestellen nach städtischem Vorbild einen Direktor und einen Dirigenten. Alle Sonn- und Feiertage wurde
geprobt, viermal in der Woche kostenlos Musikunterricht erteilt. Erstmals wird das Fest der hl. Cäcilia als Patronin der
Musik am folgenden Sonntag mit einem Amt, abendlicher Festtafel und Ball gefeiert.
Die Bekleidung der Musikbanden war recht unterschiedlich. Die 44 Mann starke Bozner Stadtschützenkapelle hatte
blaue Röcke mit grünen Aufschlägen, Messingepauletten, weiße Hosen und grün-weiße Federbuschhüte wie die
Kaiserjäger (1838), die Sterzinger Kapelle der Nationalgardeharmonie trug die Farben hellblau und grün. Die
Musikbanden in den Dörfern blieben bei der kleidsamen Tracht. Die Wiltener Musik trug den für den Innsbrucker Raum
typischen roten Rock und den breiten Wipptaler Hut, wie das Bild des Begräbnisses der Gebeine Andreas Hofers in der
Innsbrucker Hofkirche 1823 zeigt. Die gleiche Tracht trägt heute die junge Musikkapelle Innsbruck-Allerheiligen,
während die Wiltener 1849 den Hut mit dem Zillertaler Hut vertauschten. Sie waren sicher eine der ersten
Trachtenmusikkapellen im Inntal. Die Musikbande vom Ritten hatte 1838 rot eingefaßte braune Röcke und hohe
schwarze Hüte, die Stubaier Schützenkapelle (31 Mann) trug 1838 die heute noch übliche braune Tracht mit kurzem
Rock und den schwarz-grünen Kitzbühler Kegelstumpfhut mit den Birkhahnfedern.
Die Höttinger schufen sich 1828 eine "Nationaltracht" an: kurze Hosen, weiße Strümpfe, schwarze Manchesterjacken,
rotseidenes Halstuch, spitzer Fügener Hut mit grünem Band, Masche und Adlerflaum. 1854 wurde diese Tracht wegen
des Mangels an kurzen Hosen abgeschafft und nur der Hut beibehalten. Die Musikkapelle von Partschins erhielt bei
ihrer Gründung die Burggräfler Tracht, die damals im Burggrafenamt noch allgemein getragen wurde. 1848 hatte die
"herrliche" Steinacher Bande recht altertümliche violette Joppen und Wipptaler Hüte, die auch heute noch üblich sind.
Die Tracht war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch weit verbreitet und die Einkleidung der meist kleinen
Kapellen im Dorf ohne Schwierigkeiten möglich, weil jeder seine Sonntagstracht anzog. In den Städten, wo nicht die
Tracht, sondern die Mode regierte, erhielten die Kapellen meist Nationalgardeuniformen, die aber auch sehr bunt sein
konnten. Außer den schon genannten Kapellen von Lienz, Bozen, Innsbruck und Sterzing hatte die Musikkapelle in Hall
1851 dunkelgrüne Röcke mit roten Aufschlägen, gelbe Epauletten, Hosen mit roten Streifen und Tschako mit weißem
Federbusch. Auch die Imster Kapelle trat 1855 in Nationalgardeuniform auf. Heute trägt nur noch die Schwazer
Sakramentsgarde die Uniform der Nationalgarden.
Eine Sonderstellung hatten die Berg- und Hüttenleute in Tirol, da diese Institutionen seit langer Zeit staatlich waren und
ihre Mitglieder schon aus beruflichen Gründen eine Art Uniform hatten.
Die Haller Salinenmusik wurde 1820 gegründet. Dabei erklärte der Salzbergoffizier und Musikvorsteher Josef Holzmann
in der Eingabe an die Salzbergverwaltung:
"Da sich nicht selten der Fall ereignete, daß theils von der k.k. Bergverwaltung, theils auch von einer Wohllöblichen k. k.
Berg- und Salinen-Direktion selbst, sowohl bey Besuchungen des Salzberges oder auch nur Durchreise hoher und
allerhöchster Herrschaften, als auch bey den Baradierungen an den hohen Namens- und Geburts-Tägen unsers
allergnädigsten Kaisers und Monarchen und anderer derley Feste die Bergmusik aufgerufen, und dabey zu erscheinen
befehligt wurde, welches sich die gesamte Musikgesellschaft allzeit zur Ehre rechnete, und nach aller möglichkeit und
angewendeter Mühe bünktlich Folge zu leisten beflissen war. - Allein ! obschon es gewiß an den Willen der
unterzeichneten nie fehlte, dieser Forderung einiger Massen genüge zu leisten, so konnte doch die möglichkeit nie
erreicht werden eine ordentliche Harmonie herzustellen, indem kein einziges eugenes Instrument vorhanden ist und
selbe allezeit aus mehreren Dörfern zusammengelichen werden mußten, aus welchen leicht zu schlüßen ist wie die
zusammenstimmung ausfallen muß und wie sehr mit solchen meistens verstimmten Instrumenten die Musik verdorben
und erschwärt wird"
Die neue Musikgesellschaft bestand aus 18 Mann, trug die weiße Bergmannsuniform mit den grünen Paspulierungen
und war besetzt mit sechs Klarinetten, vier Hörnern, vier Klappentrompeten, einer großen Trommel und Tschinellen. Bei
der Erbhuldigung 1838 traten bereits zwei Kapellen der Salzbergarbeiter und eine des Pfannenhauses von Hall-Absam
und je eine Kapelle des Bergwerks Pillersee (Fieberbrunn), des Hüttwerks Jenbach und des Messingwerks Achenrain
(Kramsach) auf. 1863 waren beim Festzug in Innsbruck noch die Kapellen der Hüttwerke Jenbach und Kastengstatt
(Kirchbichl), der Salzbergarbeiter von Absam und der Bergknappen von Kitzbühel vertreten. Die Häringer
Berknappenmusik trug bereits 1839 die schwarze Knappentracht, die später auch von allen anderen
Bergmannskapellen übernommen wurde. Heute ist der Bergbau in Tirol bis auf das Hüttwerk Brixlegg, die Zementwerke
und den Magnesitabbau erloschen, aber in Verbindung mit der alten Bergwerkstradition tragen noch einige Kapellen die
schwarze Knappentracht (Hall, Schwaz, Häring u.a.m.)
Das wichtigste Anliegen aller Musikbanden war natürlich die Bestetzung. Die Anlehnung an die Militärmusik hatte dort
ihre Grenzen, wo schwer zu spielende Holzblasinstrumente wie die Oboe eingesetzt waren. Bei den
Holzblasinstrumenten dominierten die melodieführenden Klarinetten, die seit 1800 mit Klappen über den Grifflöchern
ausgestattet waren und daher eine größere Tonbreite erreichten. Neben sie traten nur noch die Querflöten und das
Fagott (als Baßinstrument). Die Blechinstrumente werden durch die Einführung der Klappen (Klappenhorn erfunden
1810, Klappentrompete erfunden 1801) von der reinen und schweren Naturtonreihe befreit, wobei Naturhörner und -
trompeten am Land allerdings noch lange beibehalten wurden, weil die neuen Instrumente teuer waren. Die
Klappeninstrumente wurden durch das Flügelhorn (1818) und die Ophikleide (1817, ein tiefes Baßhorn) vermehrt,
setzten sich aber nichtüberall durch. Die Stubaier Kapelle und die Innsbrucker Stadtschützenbande spielten 1838 beim
Einzug Kaiser Ferdinands I. in Innsbruck eine Ophikleide. Die alten Inventionshörner, die durch das Aufsetzen von
Aufsteckbögen schon im 18. Jahrhundert die Stimmlage erweitert hatten (ein G-Horn in Ges, F, E, Es, D ), blieben
ebenso wie die Invetionstrompete schon aus Kostengründen lange in Gebrauch.
Die Naturton- und Klappeninstrumente in Blech wurden ab 1830 allmählich von den neuen, heute noch üblichen
Ventilinstrumenten verdrängt, die wegen ihres Aussehens am Anfang "Maschininstrumente" hießen. Die Erfindung der
Ventile, mit deren Hilfe die Blechinstrumente, vor allem Trompete und Horn als frühere Naturtoninstrumente, die
vollständige chromatische Skala, die Melodie der Holzblasinstrumente durchspielen und nicht mehr nur die kurze
Naturtonreihe blasen konnten, war das wichtigste Ereignis für die Zukunft der Blasmusik. Zwei Ventile vertiefen die
Tonskala um einen Ganz- und einen Halbton, weil der Luftstrom verlängert wurde. Die Ventile hat 1813 der
Berghautboist Heinrich Stölzel in Schlesien erfunden. Er verkaufte die Erfindung an den Berliner Musiker Friedrich
Blühmel, de sie 1818 patentieren ließ. Auch die alten Holzblasinstrumente wurden durch die Einführung von Klappen
und um 1800 durch deren Vermehrung verbessert, die Klarinette erhielt so um 1800 ihre heutige Form und übernahm
die führende Rolle, während die Oboen, Flöten und Fagotte zurückgedrängt wurden. Eine erste Vorschrift für die
Besetzung der Militärmusik von 1842 zeigt bereits den Einbau der neuen Blechinstrumente bei den zehn Hautboisten:
zwei Oboen, zwei Klarinetten und sechs Ventilinstrumente, und zwar zwei Pistons, zwei Waldhörner (oder Euphonien)
und zwei Baßhörner. Um 1845 wurde die B-Es-Stimmung der Blasmusik für die Regimentskapellen festgelegt und die
Zahl der Musiker erweitert.
Die Marschintrompeten - das wichtige Flügelhorn - waren allerdings sehr teuer, so daß sie am Anfang als
Hauptinstrument nur vom Kapellmeister gespielt wurden. So erwarben 1838 die Stadtmusikkapelle Innsbruck, 1835 die
Kapelle Lienz, 1836 Toblach und Steinach eine solche Maschintrompete als melodieführendes Instrument. Das Fagott
wurde langsam von einem Blechinstrument mit Klappen, der Ophikleide, und schließlich von den Ventilbässen der Tuba
verdrängt. Um 1850 verschwanden Fagott und andere oft abenteuerliche Baßinstrumente , wie das gewundene Serpent,
aber auch der chinesische oder türkische Glögglhut aus den Musikkapellen.
Drei Besetzungen am Ende der Epoche sollen zeigen, daß die Musikkapellen in den größeren Gemeinden bereits gut
ausgestatten waren. Die Musikkapelle in Innichen hatte 1842 zwei C-Klarinetten, zwei D-Klarinetten, eine As Klarinette,
eine Dis-Flöte, eine Dis-Piccoloflöte und ein Fagott aus der berühmten Instrumentenfabrik Uhlmann in Wien, ein
Kontrafagott von Franz Mayr, Instrumentenmacher in Lienz, eine Baßmaschintrompete von Lausmann, eine
chinesischen Glögglhut, zwei Tschinellen und eine große und kleine Trommel.
Im Pfarrarchiv Thaur befindet sich das 1851 aufgenommene Inventar der sicher von der Kirche gegründeten
Musikkapelle: eine D-Piccoloflöte, eine Es-Flöte, ein Flügelhorn, zwei Maschintrompeten, eine Tenorposaune, zwei
Bombardon (Bässe), ein Fagott, eine Wirbeltrommel, eine Takttrommel und ein Paar Tschinellen. Die Innsbrucker
Stadtschützenkapelle hatte als bestbesetze Musikbande 1849 zehn Klarinetten, eine Flöte, eine Piccoloflöte, zwei
Fagotte, ein Kontrafagott, zwei Trompeten, sieben Flügelhörner, drei Hörner, zwei Posaunen, zwei Bombardon, einen
Harmoniebaß, eine große und eine kleine Trommel und ein Paar Tschinellen.
Die endgültige Organisati7on der Tiroler Blasmusikkapellen
Zwei Ereignisse haben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Blasmusikkapellen für die Zukunft geprägt. Die
"Mitteilung für christliche Kunst" (Kirchenfreund) wenden sich im Heft des Jahres 1869 scharf gegen die Blasmusik: "Das
Eindringen der Harmoniebanden in die Landkirchen ist ein wahres Unglück für die Kirchenmusik. Ich weiß wohl, wie
schwer es ist, diese Blecharbeiter wieder hinauszubringen, wenn sie sich einmal im Kirchenchor eingenistet haben.
Desto unentschuldbarer wäre es aber, wenn der Herr Pfarrer oder Curat dort, wo dieses Getöse noch nicht üblich ist,
dessen Einführung dulden oder gar selbst unterstützen würde. Leider geschieht dies mitunter." Während in der 1. Hälfte
des 19. Jahrhunderts meist enges Einvernehmen zwischen der Kirche und den Musikbanden herrschte, die Geistlichkeit
an der Gründung von Musikbanden beteiligt war und viele Harmoniemessen für Blasmusik komponiert wurden, kam mit
der Gründung der Cäcilienvereine im Bistum Brixen eine Welle neuer Vokalmusik. Die Chöre allein sollten den
Gottesdienst gestalten. Im Brixner Diözesanblatt wurde 1870 die Statuten der Cäcilienvereine veröffentlicht: "Bei dieser
Gelegenheit kann das Ordinariat nicht umhin, einige Bemerkungen anzuknüpfen: Mögen der Hochwürdige
Diözesanklerus, die Herrn Chorregenten und Organisten dahin wirken, daß die Harmoniebanden (Blech- und Holzmusik)
niemals in der Kirche selbständig spielen und daß Märsche, Tusche und alle Gattungen Harmoniestücke allmählig aus
dem Gotteshause verschwinden." 1878 verbot der Pfarrer in Burgeis, Othmar Koch, die Musikkapelle als untragbar für
die Pfarr- und Dorfgemeinschaft und sie durfte nur noch ein letzesmal zur Hochzeit ihres Flügelhornisten am 30. April
auftreten. Sie spielten noch am Morgen des 1. Mai, bis der Vater des Klarinettisten als Bürgermeister dem Sohn die
Klarinette wegnahm. Damals hat die hl. Cäcilia, unter deren Namen die ganze Reform der Kirchenmusik lief, den
Musikanten sicher keine Freude gemacht. Auch in Außervillgraten wurde 1863 dem "Gebläse der Harmoniemusik auf
dem Chor ein Ende gesetzt". Dafür aber kamen wieder viele ehemalige Blasmusiker der Kirchenchöre jetzt als
Verstärkung zu den Kapellen. Derübertriebene "Cäcilianismus" der Kirche verschuldete aber auch die Auflösung
einzelner Kapellen (z.B. in Ischgl 1878)
Die Musikkapellen haben sich deshalb seit 1870 mehr dem Konzert zugewandt, für die es jetzt Overtüren der Operetten
und Opern gab und entsprechend gedruckte Auszüge für die Kapellen leicht käuflich waren. Die Militärkapellmeister
Alfons Cibulka, Carl Michael Ziehrer, Franz Dostal, Karl Komzack, Julius Fucik und viele andere schufen genügend
Kompositionen, die auf die Blasmusik zugeschnitten waren. Im kirchlichen Bereich rückte man nur noch bei den
Prozessionen aus, die im 19. Jahrhundert noch ziemlich zahlreich waren, und feierte die Cäcilienmesse in der Kirche.
Das zweite Ereignis war die Auflösung der alten Tiroler Landesverteidigung mit den Schützenkompanien und die
Einführung der allgemeinen zweijährigen Dienstpflicht, ebenfalls 1870. Damit wurden die Schützen zu freiwilligen Gilden,
die den Schießsport übten; aber sie waren nicht mehr Teil des Verteidigungssystems. Als Ersatz entstanden im
dörflichen Leben die Trachtenschützenkompanien, auch "Parade- oder Schönwetterschützen" genannt, die bei
kirchlichen und weltlichen Festen ausrückten, aber nicht an die Armee gebunden waren. Ihnen genügte nicht mehr das
einfache "Spiel" mit zwei Schweglern und einem Trommeler, sie brauchten die Musikkapelle als Marschbegleitung.
Außerdem kamen durch die kurze Dienstzeit viele Militärmusiker wieder in den Zivilberuf zurück und brachten das
Konzertwesen der Musikkapellen bis in die letzten Dörfer hinaus.
1850/52 erfolgte die große Reform der österreichischen Militärmusik durch den Armee-Kapellmeister Andreas Leonhard.
Die neue Regimentskapelle hatte zehn Hautboisten (Dienstgrad vom Gefreiten bis zum Feldwebel), die aber andere
Instrumente spielten, 36 Bandisten (Gemeine), zusammen 48 Mann. Zur Erzielung des Nachwuchses und zu Vertretung
waren weitere 12 Mann erlaubt. Der Regimentstambour führte die Musik beim Marsch. Als Abzeichen der Musik wurde
am Rockkragen 1870 die Lyra eingeführt, die heute auch alle Tiroler Blasmusikkapellen tragen. In dieser Zeit kamen die
letzten Natur- und Klappeninstrumente beim Blech und der Schellenbaum ab, auch Oboen und Fagotte wurden nicht bei
der Parade, sondern nur noch bei Konzerten besetzt. Posaune, Euphonium und Baßinstrumente wurden wegen der
Tonfülle im Freien immer mehr bevorzugt, das Kontrafagott durch das volle Bombardon (eine Baßtuba) ersetzt. Die
Leonhard`sche Reform legte die Stärke und Besetzung der Militärkapellen grundsätzlich für die folgenden Jahrzehnte
und eigentlich bis in die Gegenwart fest.
1860 hatte eine Regimentskapelle 42 Mann:
1 kleine Flöte
1 Tenorhorn
1 große Flöte
1 Euphonium
1 As-Klarinette
6 Trompeten
4 Es-Klarinetten
1 Baßtrompete
9 C-Klarinetten
3 Posaunen
2 Fagotte
1 Bombardon
1 Kontrafagott
2 Baßtuben
4 Waldhörner
2 kleine Trommeln
4 Flügelhörner
1 große Trommel
1 Baßflügelhorn
1 Paar Tschinellen
Die Glanzzeit derösterreichischen Militärmusik von 1866-1914, die durch hervorragende Kapellmeister, die auch
großartige Komponisten waren, hat auf die Tiroler Blasmusikkapellen eingewirkt, und zwar in dreifacher Weise. Einmal
standen jetzt viele gediente Militärmusiker zur Verfügung, die auch in Kapellmeisterpositionen einrückten, die Lehrer
aber doch nur zu einem geringen Teil verdrängen konnten, weil man den freiwilligen Musikanten gut zureden mußte und
sie nicht herumkommandieren durfte. Zum anderen haben die Blasmusikkapellen nach 1860 die Besetzung der
Militärkapellen abgenommen. Auch die wichtige Rolle der Militärmusik in den Konzerten fand bei den Blasmusiken
Nachfolge, indem man nicht mehr nur Märsche, sondern auch Ouvertüren und klassische Musik aufführte.
Wenn man mit dieser Besetzung von 1860 das Inventar der Haller Salinenmusikkapelle von 1890 vergleicht, so zeigt
sich klar, daß die großen Kapellen sich durchaus mit den Militärkapellen messen konnten:
1 Posthorn
3 Posaunen
3 Flügelhörner
2 große Trommeln
4 Maschintrompeten
3 kleine Trommeln
4 Trompeten
1 Paar Tschinellen
7 Maschintrompeten
2 Pistons in B
4 Hörner
1 Bombardino in Hoch C
5 Bombarons
2 Balleton
7 Klarinetten in B und Es
1 Euphonium
1 Baßflügelhorn
1 Helikon - Es
In den Jahren zwischen 1850 und 1914 wurden überall Musikkapellen mit wesentlich mehr Mitglieder als früher
gegründet, weshalb der Name Musikbande ganz verschwand. Die türkischen Instrumente wurden der Harmonie
untergeordnet. Man teilte die Instrumente in Melodieinstrumente (Klarinette, Flöte, Flügelhorn, Euphonium, Trompete,
Piston), Begleitinstrumente (Trompete, Posaune, Bässe, Schlagzeug) und Zwischenpositionen (Hörner) ein. Die golden
glänzenden Blechinstrumente hatten das Holz fast ganz verdrängt und gaben zusammen mit den bunten
Nationaltrachten den Kapellen ein festliches Aussehen. Die Stimmung wurde einheitlich auf C und Es festgelegt.
Eine große Zahl von Kapellen legte die sogenannte Nationaltracht an, eine meist von der Volkskundeforschung nach
alten Votivtafeln und Bildern neugeschaffene einheitliche Kleidung. Nur im Alpbach-, Ziller- und Ötztal in Nordtirol und
Sarntal und Burggrafenamt in Südtirol war die Tracht noch als Festtagskleid üblich, sonst wurde überall eine neue
Tracht zusammengestellt. Wegen der teuren Anschaffung ging dies aber langsam vor sich: Eggental 1872, Sterzing
1879, Rattenberg 1889, Telfs 1900, Pfaffenhofen 1906, Schwaz 1907, Mutters 1909 etc. Imst ließ 1909 vom Maler
Thomas Walch, Dölsach von Franz von Defregger die Musikantentracht entwerfen.
Viele Kapellen in den kleineren Orten trugen aber einfach Zivilkleidung. Ein weiteres Drittel besaß die sogenannte
Standschützenkleidung: lange Hosen und Rock mit grünen Aufschlägen aus grauem Loden, grauer Hut mit grünem
Band, Adlerflaum oder Hahnenfeder. Später kleideten sich einigen Kapellen in das nach 1890 üblich gewordene braune
aber sonst gleiche Schützenkeid. Dieses Schützenkleid trugen die Musikkapellen oft bei weniger festlichen Anlässen,
um die teuere Nationaltracht zu schonen. Einige Kapellen hatten militärähnliche Uniformen, zum Teil mit dem
Federbusch der Kaiserjäger.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen auch die Marketenderinnen mit den "Schnapspanzelen" oder dem
Büffelhorn auf. Eine der ersten Marketenderinnen war Zeni Friedrich bei den Hopfgartner Schützen am großen Festzug
1863 in Innsbruck. Die Marketenderinnen waren ursprünglich bei den Schützenkompanien (Trachtenschützen) eingeteilt,
wurden aber bald auch von den Musikkapellen übernommen. In Südtirol schafften sich viele Kapellen eigene Fahnen
an, die häufig das Bild der hl. Cäcilia erhielten. In Nordtirol sind solche Fahnen selten.
Neben den Trachtenkapellen entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Feuerwehrmusikkapellen oder
soche, die Feuerwehruniformen trugen. Die Gründung der Feuerwehren zu einer Zeit als die Landesverteidigung der
Schützen in der allgemeinen Dienstpflicht unterging, gab den jungen Menschen eine neue Gemeinschaftsaufgabe, die
abseits der politischen Spannungen zwischen den neuen politischen Parteien lag. In diesem Konflikt erklärten sich viele
frühere Schützenkapellen als Feuerwehrmusik, so die Stadtschützenkapelle in Innsbruck 1871, Bozen 1889, Hall 1910,
Sterzing 1879, Gries bei Bozen 1878, Sillian 1877, Zell am Ziller 1877. In Innsbruck wurde eine Postmusik (1904) und in
Wörgl eine Eisenbahnermusik (1901) gegründet.
In Orten mit Industriebetrieben entstanden Werks- oder Betriebskapellen, die nur aus Betriebsangehörigen bestanden
und von den Firmen gefördert wurden. Neben den Bergknappenkapellen wie in Hall und Häring wurde 1899 in Wattens
die Werkskapelle der Glasschleiferei Swarovski errrichtet, die schnell einen guten Ruf bei den Konzerten erlangte, weil
unter der Arbeiterschaft viele musikalische Deutschböhmen waren. Anstelle der Standschützenuniform erhielt sie 1909
die sogenannte Speckbachertracht. Nicht sehr erfreulich war in dieser Epoche die Entwicklung der städtischen
Musikkapellen. Die Innsbrucker Stadtschützenkapelle wurde nach Abschaffung der Nationalgarde 1868 aufgelöst. 1894
wurde sie als Konzertkapelle neu gegründet, und zwar unter dem Patronat der Stadtgemeinde, und 1899 endgültig
alsüberflüssig abgeschafft. Innsbruck hatte unter der nüchternen liberalen Stadtverwaltung keine Stadtmusikkapelle.
Durch die Eiongemeindung von Wilten, Pradl und Mühlau waren wenigstens zwei Trachtenkapellen im Stadtgebiet
beheimatet.
In Schwaz trennten sich 1886 die besten acht Musiker von der Musikkapelle, weil ein eifriger Kooperator sie wegen der
Tanzmusik als "Todsündenschwegler" bezeichnet hatte und ihre Teilnahme an den Prozessionen verbot. Sie bildeten
eine sogenannte "wilde Musik", von denen es damals viele, meist mit den begabtesten Musikanten, gab. Schließlich
wurden als Kuriosität im Zillertal "Holzknittelkapellen" errichtet. Der Zillertaler Instrumentenmacher Franz Dremel (1825 1914) von Schwendberg konstruierte Holzinstrumente als Imitation von Blechblasinstrumenten. Mit dieser exotischen
Kapelle reiste er, zehn Mann stark, um 1880 sogar nach Amerika. Die "reinen Töne und die klangvollen Weisen" dieser
Kapelle wurden in der Presse gerühmt. Nach ihrer Auflösung gründete der Tischler August Knauer (1878 -1907) in
Mayrhofen eine neue Holzknittelkapelle mit selbstgefertigten Instrumenten, die zum Teil heute noch erhalten sind: fünf
E- und Es-Trompeten, zwei Baßflügelhörner mit Ventilen, ein Ventilbaß und ein Klappenhorn. Diese Kapelle unter ihrem
aus Böhmen stammenden Gründer und Kapellmeister trat ebefalls auf Konzertreisen mit zehn Mann auf und trug die
Zillertaler Tracht.
Holzknittelkapelle von August Knauer in Mayrhofen im Zillertal, Photographie um 1900.
Der Aufstieg der Blasmusik ist bei den großen Landesfesten gut zu verfolgen. 1863 (500 Jahre Tirol bei Österreich)
traten beim Landesfestzug in Innsbruck 50 Schützenkompanien und 35 Musikkapellen auf, die durchschnittlich 20-30
Mann stark waren. "In allen Schulhäusern ertönte Musik, denn von den Banden, die zum Fest kommen, wollte keine die
letzte und gar keine die schlechteste sein. "Beim Festzug zum 2. Österreichischen Bundesschießen in Innsbruck
marschierten 15.000 Schützen mit 66 Kapellen auf, beim 100jährigen Jubiläum des Herz-Jesu-Festes in Innsbruck 1896
waren 70 Musikkapellen beteiligt, davon aus dem Pustertal 5, Eisacktal 6, Unteres Etschtal 6, Burggrafenamt 5,
Oberinntal 12, Unterinntal 12, Wipp-und Stubaital 2 und Innsbruck-Umgebung 16. Den Höhepunkt bildete der
Landesfestzug zur Jahrhundertfeier des Tiroler Aufstandes 1809 im Jahr 1909. Das neu gegründete Zillertaler
Schützenregiment hatte eine 100 Mann starke Regimentskapelle die, "durch die nie gehörte dröhnende Kraft und doch
mit herorischem Klang vorgetragenen Stücke mit dem reckenhaften Regimentstambour Franz Haun und drei
Marketenderinnen" auffiel.
Das Schützenbataillon Oberzillertal (man konnte sich nicht einigen) mit Mayrhofen und Hippach hatte eine eigene 50
Mann starke Kapelle. 33.000 Schützen und 158 Musikkapellen nahmen an dem Festzug teil. Die Besetzung der
Kapellen war im Durchschnitt auf 30 bis 40 Mann gestiegen, allerdings hatte man sich für den Festzug an manchen
Orten verstärkt.
Die große Zahl der Kapellen brachte erste Zusammenschlüsse mit sich. So wurde 1903 der Unterinntaler Musikbund mit
zehn Kapellen und 1911 der Oberinntaler Bund gegründet. Der Hintergrund mancher Zusammenschlüsse war das
Gewerbegesetz, das seit 1852 von jeder Kapelle einen Gewerbeschein und ab 1883 einen zweiten für Konzerte
außerhalb der Heimatgemeinde verlangte. Im allgemeinen bestand aber keine große Zusammenarbeit unter den
Kapellen, sondern eher ein Konkurrenzverhältnis. Der Erste Weltkrieg beendete 1914 die erste Blütezeit der
Blasmusikkapellen. Es gab keine Gelegenheit zum Feiern, nur Trauermusik für gefallene Musikanten, die von den Alten
und den ganz Jungen mehr schlecht als recht gemacht wurde.
Die Musikkapellen 1920 - 1945
Die Zerreißung Tirols durch die Abtrennung Südtirols und des Trentino an Italien 1919 versetzte der Blasmusik einen
schweren Schlag. In Südtirol stand wegen des seit 1922 regierenden Faschismus die politische Situation im
Vordergrund. Italien kannte, obwohl ein Land der Musik, das Blasmusikwesen des alten Tirol nicht. Schon beim ersten
Trachtenumzug in Bozen 1921 wurde der Lehrer und Musikant der Kapelle von Marling, Franz Innerhofer, von den
Faschisten ermordet. Trotzdem lebte die Diktatur in einem Dilemma. Einerseits war ihr das Trachtenwesen als Symbol
der tirolischen Gesinnung verhaßt, andererseits konnte sie aber bei den eigenen Propagandafesten nicht ganz auf die
Musikkapellen verzichten. Viele Kapellen legten wegen des Trachtenverbotes wieder die graue Standschützenuniform
an - allerdings ohne die verbotenen Federn am Hut - oder die Feuerwehruniform.
Die Kapellen mußten der faschistischen Freizeitorganisation Dopolavoro angehören, die Kapellmeister Parteimitglieder
werden. Das Konzertprogramm mußte den Behörden vorgelegt und Stücke italienischer Komponisten bevorzugt
werden. Die Kapelle von St. Martin im Passeier hatte den Mut, beim internationalen Trachtenfest in Meran 1935 den
Andreas-Hofer-Marsch zu spielen und wurde deshalb aufgelöst. Mit Dekret vom 2. Juli 1935 wurden alle
Vereinskapellen verboten. Wenigen Kapellen gelang es aber doch, weiter zu existieren. In Kurtatsch wurde der
deutsche Männersangverein aufgelöst. Deshalb gründeten die Sänger eine 36 Mann starke Musikkapelle. "Wenn wir
schon (wegen der deutschen Liedersprache) nicht mehr singen dürfen, dann werden wir musizieren."
Mit der deutschen Umsiedlung oder Option, die die Nationalsozialisten unter Verrat ihres Programmes mit den
Faschisten diktierten, wurden 1939 die letzten Kapellen aufgelöst. Seit dem Abfall Italiens vom Bündnis 1943 wurde
Südtirol von Innsbruck aus verwaltet, 1944 ein deutscher Kulturverband errichtet und in jedem Dorf ein Musiklehrer
bestellt. Aber die Kriegsverhältnisse gestatteten keine Wiederbelebung des Blasmusikwesens bis 1945. Im neuen
Bundesland Tirol (Nord-und Osttirol) hatten sich durch den Streit der Parteien die Verhältnisse auch nicht zugunsten der
Blasmusik verändert. Die Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit und die politischen Feindschaften waren besonders in
den Städten und Industrieorten spürbar. Es entstanden auf seiten der Sozialdemokratie zwar einige
Arbeitermusikkapellen, wie in Schwaz 1927 und Telfs 1928, mit politischem Einschlag, trotzdem war die Blasmusik ein
Hort des Unpolitischen und der Musikfreunde und herrschte in den Kapellen das Musizieren vor dem Debatieren.
Die Arbeitslosigkeit ihrer Mitglieder wurde zu einem Problem der Kapellen. Die Stadtmusikkapelle Hall versuchte es
1923 dadurch zu lösen, daß sie den Antrag stellte, daß arbeitslose Mitglieder bevorzugt bei der Stadtgemeinde
angestellt werden sollten. Die Auftraggeber beschränkten aus finanziellen Gründen ihrerseits bei Einladungen die Zahl
der Musiker, da pro Mann und Stunde bezahlt werden mußte. So konnten an einem Fest in Steinach 1932 von der
Kapelle Wattens nur 26 von 38 Mann teilnehmen. 1937 teilte der Pfarrvorstand in Lechaschau der Musikkapelle mit:
"Betreff Ausrückung am Weißen Sonntag (Erstkommunion der Kinder) diene zur Kenntnis, daß sich sehr viele dagegen
ausgesprochen haben. Bin angewiesen, unter keinen Umständen mehr als 30 bis 35 Schilling in Rechnung zu bringen.
Es wurde als Luxus bezeichnet. Hierfür habe die Pfarrgemeinde kein Geld."
Die Besetzung der im Durchschnitt über 30 Mann starken Kapellen blieb seit mindestens 1900 unverändert und varrierte
je nach Stärke nur bei den Klarinetten, Flügelhörnern und Trompeten. Die Musikkapelle Kundl hatte 1935 folgende
Besetzung: Kapellmeister, Tambourmajor (Musikführer genannt), eine Flöte, eine Es-Klarinette, fünf B-Klarinetten, vier
Flügelhörner, ein Baßflügelhorn, zwei Euphonien, eine Baßtrompete, eine Baßposaune, drei Posaunen, drei Baßtuben,
ein Lyra-Glockenspiel, eine kleine und eine große Trommel, ein Paar Tschinellen und zwei Marketenderinnen.
Das Vorbild war die Militärmusik der Ersten Republik mit einer 35 Mann starken Besetzung:
1 Flöte
4 Hörne
1 Es-Klarinette
3 Ventilposaunen
4 B-Klarinetten
1 Baßtrompete
6 Flügelhörner
4 Bässe
4 Tenorhörner
2 kleine Trommeln
2 B-Trompeten
2 Paar Tschinellen
2 Es-Trompeten
1 große Trommel
Als weiteres Beispiel sei die Musikkapelle in Häring (1928) vorgestellt:
8 B-Klarinetten
2 Tenorhörner
2 Es-Klarinetten
1 Tenorposaune
3 Flügelhörner
1 F-Posaune
1 Genis (Althorn)
1 Es-Baß
5 Waldhörner
2 B-Bässe
1 B-Trompete
1 Baß
4 Es-Trompeten
1 kleine Trommel
4 Euphonien
1 große Trommel
Samt dem Kapellmeister umfaßte sie 39 Mann, von denen elf zwei Instrumente spielen konnten. Die berufliche
Gliederung mit 25 Bergleuten des Kohlebergbaues, sechs anderen Arbeitern, fünf Beamten, zwei Bauern und einem
Wirt zeigt das Übergewicht der Arbeiterschaft im Industrieort Häring.
Die konkurrenzspiele und Wertungsspiele bei Musikfesten dienten der Weckung einer gesunden Konkurrenz zur
Förderung der Qualität. An einem Konkurrenzspiel in Jenbach nahmen 1923 30 Kapellen teil, wobei die Werkskapelle
Wattens mit der Ouvertüre zu "Titus" von Mozart eine 1. Preis errang. Zur Organisation solcher Konkurenzspiele
schlossen sich die Kapellen zu Musikbünden zusammen, von denen der Unterinntaler Musikbund (1903), der
Außerferner (1929), der Oberinntaler und der Musikbund Schwaz-Umgebung (1921 neun Kapellen) erwähnt seien. Das
Außerfern hatte sich 1930 - 1934 sogar dem schwäbischen Musikbund angeschlossen, dem Südbaden, Allgäu und
Vorarlberg angehörten. Eine Landesorganisation gab es nicht, aber die Kapellmeister Andreas Kraus und Alois Fintl von
Hall und Otto Kleissner von Schwaz hielten die ersten Kapellmeisterkurse ab. 1938 gab es 220 Kapellen im Bundesland
Tirol. Um das Buget aufzubessern und die Mitglieder zu erfreuen, wurden größere Reisen meist mit viel Erfolg
durchgeführt. Dadurch war es notwendig, mehr Proben abzuhalten und sich mehr als bisher der Konzertmusik zu
widmen. So reiste die Wattener Werkskapelle (seit 1924 Rettenbacher Musikkapelle) 1924 in die Schweiz, 1933 zum
Katholikentag nach Wien und 1937 zum Sängerfest nach Breslau. Die Schwazer Stadtmusik war 1929 in Ingolstadt und
Landshut und 1933 in Wien, die Haller Stadtmusik 1921 und 1922 in München (1922 ein Festkonzert vor 6000
Zuhörern) und Augsburg, 1924 in Wien und 1925 in Landshut, die Wiltener Musik 1937 bei einem internationalen
Blasmusikfest von 28 Nationen in Cannes. Zum Konzert der Haller in München 1921 berichtete die Presse:"Ihre
Konzerte stehen genau auf der gleichen künstlerischen Höhe wie die der alten österreichischen Militärkapellen und
bringen sowohl populäre als klassische Musik." Auch daheim trat das Konzert gegenüber den Ausrückungen in
Marschmusik viel mehr in den Vordergrund als vor 1914. Die Haller Stadtmusikkapelle gab Konzerte für den
Gesangsverein, die Gewerkschaft, den Radfahrklub, den Arbeiterturnverein, die Feuerwehr, den Alpenverein, die
Heimatwehr und Promenadenkonzerte für den Fremdenverkehr. Sie erbaute 1924 aus eigenen Mitteln den ersten
Musikpavillon. 1925 fanden 35 Ausrückungen und 95 Proben statt.
Bei den seltenen Landesfesten zeigten die Musikkapellen ihre Stärke. So waren bei der Einweihung am Bergisel 1923
70 Musikkapellen und bei der Landesfeier "125 Jahre 1809" im Jahr 1934 in Innsbruck 200 Schützenkompanien und 165
Musikkapellen beteiligt. Neugründungen von Musikkapellen warenin diesen zwei Jahrzehnten trotz der Not nich selten.
Oft handelte es sich ja auch nur um Neugründungen nach früheren Auflösungen: Strass, Pian, Heiterwang, Galtür,
Hägerau, Pflach, Aschau im Zillertal und Tösens. Zur Schonung der alten Standschützenuniformen und weil Uniformen
nach 1918 nicht sehr beliebt waren, wurden unter Beratung durch das Tiroler Volkskunstmuseum viele Kapellen mit der
Nationaltracht des jeweiligen Talgebietes ausgerüstet. Innsbruck erhielt in den "Wiltenern" wieder eine
Stadtmusikkapelle.
Im März 1938 wurde Österreich an das Deutsch Reich angeschlossen. Alle Vereine, auch die Musikkapellen, wurden
aufgelöst. Dafür ein "Standschützenverband" geschaffen, dem alle Schützengilden, Schützenkompanien,
Trachtenvereine und Musikkapellen angehören mußten. Seine Aufgabe war die Erhaltung des Brauchtums und die
Pflege der Wehrhaftigkeit. Die Wiltener Musik wurde zu einem "Gaumusikzug" umgewandelt und in SA-Uniform
gekleidet. Außerhalb der Parteiveranstaltungen durfte sie zwar in der Nationaltracht auftreten, die Beteiligung an den
kirchlichen Prozessionen war aber allen Kapellen und Schützenkompanien streng verboten. Nach dem Krieg nahm dies
der Diözesanbischof seinerseits zum Anlaß, den Kapellen und Schützen die Teilnahme an den Prozessionen eine
Zeitlang zu verbieten. Die Musikkapellen blieben aber auch im Dritten Reich eine Welt, in die man flüchten konnte, ohne
der allgegenwärtigen Politik ausgeliefert zu sein. Trotz allem gab es im Dritten Reich 300 Musikkapellen.
Der Landesverband der Tiroler Blasmusikkapellen im Bundesland Tirol
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine völlige Neuorganisation der Blasmusikkapellen. Die Kapellen der zwanziger
Jahre genügten nicht mehr, um den Standard zu heben und bei Konkurrenzen mit anspruchsvollen Leistungen
aufzuwarten. Radio und später das Fernsehen wurden mit ihren Aufnahmen zu Gradmessern der Qualität. Darum wurde
1947 in Innsbruck der Verband der Tiroler Blasmusikkapellen gegründet, der sich aus zehn Musikbezirken aufbaut und
sich bis in alle Gemeinden hinaus um das Blasmusikwesen kümmert. So stieg die Anzahl der Kapellen von 1947 mit 78
Kapellen auf 288 Kapellen mit 10.158 Musikanten im Jahr 1975, um heute mit 12.600 Musiker und 302 Kapellen einen
Höhepunkt darzustellen. 1958 wurde der Österreichische Blasmusikverband mit 1800 Kapellen und 60.000 Musikern
errichtet, dem auch Tirol angehört.
Die Tätigkeit und Berechtigung des Landesverbandes liegt in der Organisation der Ausbildungsmittel, die allen Kapellen
und Musikanten eine Leistungsverbesserung bietet. So wurden 1949 die Kapellmeisterlehrgänge eingeführt, die jährlich
stattfinden und seit 1976 am Konservatorium in Innsbruck durchgeführt werden. Gleichzeitig begannen die
Bläserinstruktorenkurse, deren Teilnehmer zu Hause in den Kapellen befähigt wurden, den Bläsernachwuchs zu
schulen. Diese Kurse werden seit 1977 am Grillhof bei Innsbruck durchgeführt und haben als Voraussetzung den
Erwerb des silbernen Leistungszeichens. Schließlich gibt es noch Bläserkurse für Jugendliche, die seit dem Ausbau des
Musikschulwesens nicht mehr zentral, sondern am Land durchgeführt werden.
Der großzügige Ausbau des Musikschulwesens seit 1965, der 1977 bereits 36 Schulen erreichte, dient zwar der
allgemeinen Musikausbildung, förderte aber vor allem die Blasmusik, weil diese der Jugend die Tätigkeit in den überall
bestehenden Kapellen ermöglicht. Für diese Blasmusikausbildung stehen sogenannte Drittellehrer als Wanderlehrer zu
Verfügung (1/3 ihres Gehaltes zahlt das Land, 1/3 die Gemeinden und 1/3 die Musikkapelle). So konnten 1977 in zehn
Bezirken in achtmonatigen Ausbildungskursen 1300 jugendliche Bläser ausgebildet werden. 25% aller Musikschüler
(1600) lernen ein Blasinstrument. Die höchste Ausbildung vermittelt seit 1957 das Konservatorium im Innsbruck, wo
Trompete, Posaune, Klarinette, Horn, Saxophon, Föte, Flügelhorn, Oboe und Schlagzeug gelehrt werden.
Alle diese Bemühungen führten zu ener enormen Leistungssteigerung der Musikkapellen und zur Teilnahme an
Wettbewerben. Für die Jugend gibt es das Österreichische Leistungsabzeichen für Jugendblasmusik in Bronze, Silber
und Gold, das große Anforderungen stellt. Für die Kapellen als Gesamtheit gibt es das Wertungsspiel und die
Marschkonkurrenz bei Bezirks- und Landesmusikfesten. Es geht dabei nicht um den ersten oder zweiten Platz, sondern
jede Kapelle wird nach ihrem Können in jener Gruppe, in der sie antritt, bewertet. Beim Landesmusikfest 1967 in
Innsbruck nahmen von 160 Kapellen 26% an Marschkonkurrenz und Wertungsspiel, 13 % nur am Wertungsspiel und 8
% nur an der Marschkonkurrenz teil. Als Besonderheit für gute Musikanten gibt es noch das Spiel in kleinen Gruppen,
von denen Landes- und Bundeswettbewerbe ausgetragen werden. Für diese kleine Gruppen stehen alte und viele neue
Kompositionen zur Verfügung. Der von Prof. Otto Ulf gegründete Bläserkreis an der Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck
veranstaltet seit 1958 gemeinsame Treffen dieser kleinen
Spielgemeinschaften von Nord-und Südtirol.
Schließlich wurde in Innsbruck 192 ein internationaler Blasmusikwettbewerb durchgeführt, wobei die Stadtmusikkapelle
Wilten den 1. Preis errungen hat. Außerdem werden Kompositionswettbewerbe veranstaltet, um das Repertoire an
originaler Blasmusik zu erweitern. 1952 nahmen an einem solchen Landeswettbewerb 105 Komponisten mit 171
Stücken teil. Den Ehrenpreis erhielt die Symphonie in Es-Dur von Eduard Ploner, den 1. Preis die Suite Tyrol von Sepp
Tanzer, den 3. Preis das Potpourri Heimatklänge von Sepp Thaler und die festliche Musik von Alois Fintl.
Die österreichische Stimmung lag einen halben Ton tiefer als die Normalstimmung (Hohes B). In Österreich haben die
Militärkapellen 1891 die Normalstimmung aus Kostengründen abgelehnt. Seit der Normalstimmung werden statt der 1.
und 2- Es-Trompete die B-Trompeten, statt des Helikons die Baßtuba und statt der Ventil- die Zugposaune bevorzugt,
Oboen und Fagott für das Konzert wurden vereinzelt eingeführt.
Eine Musterbesetzung bietet die Stadtmusikkapelle Wilten 1978:
2 Flöten in C
5 B-Trompeten
1 Oboe
3 Es-Trompeten
15 B-Klarinetten
5 Zugposaunen (Tenor)
5 Saxophone 2 Alt, 2 Tenor,
1Bariton
3. I Bässe (Tuba)
8 B-Flügelhörner
4 II. Bässe (Tuba)
4 B-Tenorhörner
2 kleine Trommeln
2 C-Euphonien
1 große Trommel
1 B-Euphonium
2 Paar Tschinellen
6 F-Waldhörner
Für den Erfolg in der Ausbildung der Blasmusikkapellen waren vor allem drei Männer verantwortlich. Der
Landesverbandskapellmeister Professor Sepp Tanzer (+1983), der zehn Jahre Militärmusiker gewesen war, ehe er 1934
die Stadtmusikkapelle Wilten als Kapellemeister übernahm und sie bis 1977 mit großem Erfolg leitete. Es war seit 1947
als Verbandskapellmeister für das Ausbildungswesen in Tirol verantwortlich und leitete zusammen mit Prof. Ulf und dem
Landesverbandskapellmeisterstellvertreter Alois Fintl von der Salinenmusik Hall die Dirigenten- und
Blasmusikinstruktorenkurse. Seine vielseitige Tätigkeit als Blasmusikkomponist war auf die Möglichkeiten der Kapellen
abgestimmt, so daß sich Praxis und Theorie verbinden.
Prof. Otto Ulf begann als Musiklehrer an der Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck 1947 mit der Ausbildung auf
Blasmusikinstrumenten, wodurch die Lehrer, die früher als Kapellmeister am Lande die Musikausbildung getragen
hatten, wieder mit den Kapellen verbunden wurden. Er führte bereits 1954 einen Bläserkurs (Freifach) mit 63 Schülern.
So wie Tanzer gehörte er zu den Leitern der Dirigenten- und Bläserkurse und setzte sich besonders für das Spiel in
kleinen Gruppen innerhalb der Kapellen ein. Das 2. Vatikanische Konzil, das die Instrumentalmusiker aus den
Kirchenchören weitgehend verbannte und auch die Sänger einschränkte, schuf indirekt durch Freiwerden der
Musikanten die Möglichkeit, mit kleinen Gruppen zu musizieren. Daraus entstand 1967 die Arbeitsgemeinschaft Cantare
et sonare der Laienmusikverbände inÖsterreich, Südtirol und Süddeutschland. Die Qualitätssteigerung des Programms
und die Einzelleistung der Musiklehrer in der Blasmusik ist Prof. Ulf besonders zu danken. Auch Prof. Alois Fintl
(+1988), Kapellmeister der Salinenmusikkapelle in Hall und stellvertretender Landeskapellmeister, hat an diesen Kurs
als Lehrer erfolgreich mitgewirkt.
Der Verband der Südtiroler Musikkapellen
Noch beachtlicher als in Nord- und Osttirol ist der Aufstieg der Blasmusik in Südtirol, weil hier mit dem Ende der
faschistischen Zwangsherrschaft nach 27 Jahren bei der Stunde Null begonnen werden mußte. Nur wenige Kapellen
hatten die Zeit zwischen den Kriegen überlebt. Außerdem konnte auch nach 1945 zufolge des langen Kampfes um die
Autonomie der deutschen Volksgruppe die öffentliche Förderung und Anerkennung erst viel später wirksam werden als
nördlich des Brenners. Auch hier begann das Musikleben mit der Gründung des Verbandes der Südtiroler Musikkapellen
am 28. August 1948 und der Errichtung der Musikbezirke Vintschgau, Meran, Bozen, Eisacktal, Sterzing und Pustertal.
Von großem Vorteil war die Herausgabe einer eigenen Zeitschift "Volksmusik" durch den Verband (heute "Südtiroler
Volkskultur").
Landesverbandskapellmeister war von 1948 bis zu seinem Tod 1982 Sepp Thaler, seit 1922 Kapellmeister in Auer, ein
Musikant aus Leidenschaft, der sowohl asl Komponist als auch als Lehrer die Seele der Südtiroler Blasmusik war und
durch Heranziehung von befreundeten Lehrkräften aus Nordtirol und Deutschland die ungeheure Aufbauarbeit auf eine
breite Basis stellte.
Erster Ausgangspunkt für die Organisation war seit 1947 der jährliche Bozner Messefestzug, der die Musikkapellen in
Tracht im großen Rahmen auftreten ließ. Diese Anfänge brachten Hans Nagele auf die Idee, einen Verband zu gründen.
Auch in der Frage der Trachten ging vom Messefestzug der Anstoß aus. Der Verband setzte die Anschaffung der
Trachten systematisch durch, was in Südtirol schwerer war, das viele Trachten in der Zeit zwischen den Kriegen
verloren waren und durch den Faschismus die in Nord-und Osttirol gerade in den Jahren zwischen 1920 und 1938 stark
betriebene Einkleidung in Trachten unterblieben war. Heute gibt es in Südtirol drei Grppen von Trachten: die lebende
Tracht (vor allem im Burggrafenamt), die erneuerte Tracht (nach historischen Unterlagen) und die historische Tracht, wie
sie z.B. die Kapelle Kastelruth mit den weißen Spitzenkrägen seit alter Zeit trägt.
Der Aufstieg der Verbandes wird an der Zunahme der Kapellen deutlich:
1948 - 56 Kapellen, 1958 - 174 Kapellen, und 1990 - 204 Kapellen mit 8300 Musikern.
Die Musikkapelle in Auer, die der Verbandskapellmeister Sepp Thaler leitete, war 1976 besetzt mit:
1 Flöte
5 Baßflügelhörner
15 Klarinetten
3 Hörner
4 Saxophone
4 Posaunen
1 Piston
3 Bässe
5 Flügelhörner
2 Schlagzeuge
Als Beispiel für eine kleine Kapelle, die erst 1948 gegründete Kapelle von Trens bei Sterzing 1974:
1 Es-Klarinett
2 Tenorhörner
7 B-Klarinetten
2 Posaunen
4 Flügelhörner
3 Es-Hörner
3 Es-Trompeten
1 F-Baß
2 Baßflügelhörner
2 B-Bässe
1 Euphonium
3 Schlagzeuge
Auch in Südtirol gilt die Sorge des Verbandes der Ausbildung von mehr Holzbläsern überhaupt und bei größeren
Kapellen der Einführung von Oboe, Fagott und Saxophon, die die rein österreichische Militärmusikbesetzung mit EsTrompete, Baßtrompete und Ventilposaune zurückdrängen sollte, weil sie bei der Konzertmusik zu laut war. Um
einzelne Instrumente entwickelten sich heftige Kontroversen, da in Deutschland tätige Blasmusikfachleute andere
Meinungen vertraten und z.B. das Tenorhorn durch das Euphonium ersetzt sehen wollten. Trotzdem wurde kein starres
Schema befürwortet und eine gewisse Freiheit in der Besetzung beibehalten, weil es sich nicht um Militärkapellen
handelt. Auffallend ist das Piston, das in Südtirol schon immer in den Kapellen vertreten war und im Norden fehlt.
Wie in Nordtirol werden seit 1951 Kapellmeisterkurse und seit 1955 Bläserinstruktorenkurse gehalten, an denen neben
den Südtiroler Lehrern (Sepp Thaler, Emil Hornof, Peter Hölzl u.a.) auch die Professoren Sepp Tanzer und Otto Ulf aus
Innsbruck und Willy Schneider aus Trossingen (BRD) mitgewirkt haben. Bereits 1966 hatten 724 Musikanten die
Kapellmeister- und 903 die Bläserinstruktorenkurse absolviert. Seit 1963 gibt es auch Trommlerkurse, und seit 1958
treffen sich die kleinen Spielgemeinschaften jährlich in Innsbruck mit den Nordtiroler Gruppen. Außerdem werden
Jungbläserwochen durchgeführt. 1969 versuchte man sogar das alte "Spiel", die Schwegler und Trommler, durch eine
Pfeiferwoche in Mühlen bei Bruneck neu zu beleben. Seit 1950 gibt es eine Notengemeinschaft des Verbandes, der
jedes Jahr auch Selbstwahllisten von Musikstücken mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden veröffentlicht. Enen
Besonderheit ist im Burggrafenamt die auf alten Weisen beruhende Musikbegleitung beim Fahnenschwingen. Ebenfalls
wurden Verbandsehrenzeichen in Bronze, Silber, Gold und Großgold für langjährige Zugehörigkeit zur Kapelle und
Verbandsverdienstzeichen in Silber und Gold für besondere Leistungen geschaffen.
Anmerkungen
Die vorliegende Geschichte der Blasmusik in Tirol ist eine Kurzfassung nach dem Buch E.Egg - W.Pfaundler:
Das große Buch der Tiroler Blasmusik
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