Nestkontrolle mit Kopter

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Vogelschutz
Neue Methode im Wiesenweihenschutz:
Nestkontrolle mit Kopter
Die rasante technische Entwicklung ferngesteuerter Fluggeräte in den letzten Jahren
macht ihren Einsatz auch für den Naturschutz immer interessanter. Die Fluggeräte, sogenannte Kopter, werden Jahr für Jahr einfacher zu handhaben, und die Anschaffungskosten
sinken. Bisher gibt es hierzulande erst wenige Projekte zur Anwendung von Koptern im
Vogelschutz. Ihr Einsatz bietet jedoch zahlreiche Vorteile für die Erfassung und den Schutz
bedrohter heimischer Vogelarten, wozu auch die stark gefährdete Wiesenweihe zählt.
K
onrad Bauer, ehrenamtlich
tätiger Wiesenweihenschützer aus dem Nördlinger Ries,
steht am Rand eines Weizenfeldes.
Irgendwo auf diesem Acker muss sich
– verborgen im dichten Bewuchs –
eine Brut der Wiesenweihe befinden.
Auf meine Frage, ob die Jungen im
Nest schon geschlüpft sind, antwortet
er mit verschmitztem Lächeln: „Ich
flieg’ gleich mal übers Nest, dann
wissen wir Bescheid.“ Was früher der
Traum vieler Vogelschützer war, ist
heute Realität: Der Einsatz kleiner
Fluggeräte macht die Erfassung von
Vogelbruten aus der Luft möglich.
Konrad Bauer packt seinen Kopter
aus, baut Stativ samt kleinem Bildschirm auf und startet die Motoren.
Surrend hebt sich der kleine Hubschrauber in die Lüfte. Mit der Fernsteuerung kann Konrad nicht nur
den Kopter lenken, sondern auch die
Kamera, die unten am Fluggerät auf
einem beweglichen Gestell befestigt ist
und Bilder direkt an den Monitor übermittelt. „Da, siehst du das Nest!?“, ruft
er plötzlich aus. Gebannt blicken wir
auf den Bildschirm. Dort ist ein kleiner Punkt zu sehen. „Die Küken sind
geschlüpft – sie sind jetzt drei oder
vier Tage alt.“ Auf dem Bildschirm
sind sie im grellen Sonnenlicht kaum
auszumachen, doch mit erfahrenem
Blick hat Konrad sie entdeckt.
» Spurlose Kontrolle der Brut
Um die Bruten der Wiesenweihen
erfolgreich zu schützen, ist es notwendig, die Nester rasch zu lokalisieren und aufzusuchen, etwa um zu
bestimmen, ob die Bruten noch vor der
Ernte des Getreides ausfliegen werden
(siehe FALKE 2009, H. 11). Oft sind
die jungen Wiesenweihen zum Ernte-
termin noch nicht flügge, weshalb die
Lage der Nester exakt bestimmt werden muss, damit die Bruten vor den
Erntemaschinen geschützt werden
können. Bei jedem Aufsuchen eines
Nestes legt man jedoch unweigerlich
eine kleine Spur in der Vegetation. So
kann das Risiko steigen, dass die Brut
zum Beispiel durch einen Fuchs, der
der Duftspur folgt, gefressen wird.
Der Einsatz eines Kopters kann helfen, das Prädationsrisiko der Bruten
zu senken, denn eine Nestkontrolle
aus der Luft hinterlässt keine Spuren
am Boden.
Seit vielen Jahren verfolgt Konrad
Bauer die technische Weiterentwicklung der Fluggeräte. Schon früh war
er der Meinung, hierin ein ideales
Mittel gefunden zu haben, um den
Schutz der Wiesenweihenbruten zu
verbessern. Im Jahr 2011 beschloss er,
einen Kopter, genauer gesagt einen
MikroKopter der Firma HiSystems
GmbH, auf eigene Kosten anzuschaffen. Er wollte ausprobieren, ob sich
Konrad Bauer kurz vor dem Start seines Fluggeräts.
Unter dem Kopter hat er eine kleine Kamera befestigt, deren Aufnahmen er live auf dem Bildschirm
verfolgen kann. Er will feststellen, ob die jungen
Wiesenweihen sich noch in der Nestschutzfläche im
Hintergrund befinden.
Foto: C. Pürckhauer/LBV.
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Der Falke 61, 5/2014
das Gerät zur Kontrolle der Wiesenweihennester eigne. Mit Erfolg: Die
Vögel tolerierten den Kopter über
dem Nest; ein Weibchen verließ sogar
nicht einmal das Nest, als das Fluggerät in 15 Meter Höhe über dem Nest
schwebte. Die weitaus meisten Weibchen flogen jedoch wegen des Kopters
vom Nest. Sie kehrten kurz nach der
Kontrolle wieder ins Nest zurück.
Nach dem Schlupf der Jungen wurde
der MikroKopter von einigen wenigen
Wiesenweihenpaaren kurz attackiert,
die Tiere näherten sich ihm aber
maximal bis auf ein paar Meter an,
sodass für sie keine Verletzungsgefahr bestand. Offenbar ließen sich die
Wiesenweihen durch den nur wenige
Minuten dauernden Kopterflug kaum
stören. Dies bedeutet aber nicht, dass
nicht andere Vogelarten, wie etwa der
Große Brachvogel, beträchtlich empfindlicher auf solche Fluggeräte reagieren können. Bislang ist nicht viel
über die Reaktionen anderer Vogelarten dokumentiert.
In dem Moment dieser Aufnahme befindet sich der Kopter fünf bis zehn Meter über dem
Nest. Das Weibchen fliegt auf. Nun kann die Anzahl der Eier bestimmt werden. Das Weibchen kehrte wenige Minuten später wieder ins Nest zurück.
Foto: K. Bauer.
» Begrenzter Einsatz
Obwohl sich der Kopter sehr gut dazu
eignet, Wiesenweihennester zu kontrollieren, taugt er nicht zur Suche.
Um ein Nest der Wiesenweihe in der
dichten Bodenvegetation aufzufinden,
muss man leider – wie bisher – auf
althergebrachte Methoden zurückgreifen: stundenlanges Beobachten
und Warten an möglichen Brutflächen. So geht auch Konrad Bauer vor
und erhält auf diese Weise eine gute
Vorstellung über das Gebiet, in welchem das Nest liegt. Den Mittelpunkt
dieses Bereichs überträgt er dann in
eine digitale Karte und ermittelt am
Notebook die Koordinaten des Punktes. Diese sendet er kurz vor dem Flug
an seinen Kopter, der den Standort
anschließend über ein sogenanntes
„Wegpunkte-Programm“ automatisch
anfliegt. Meist muss Konrad dann
noch einen Moment lang die Umgebung des Punktes aus der Luft absuchen, um das Nest auf dem Bildschirm
identifizieren zu können. Jetzt kann
er die Anzahl der Eier im Nest bzw.
das Alter der Jungen bestimmen.
So faszinierend der Einsatz eines
„fliegenden Auges“ auch erscheinen
mag, darf man die Möglichkeiten,
die ein ferngesteuertes Fluggerät bietet, nicht überschätzen. Eine solche
Zwischen den Getreidehalmen sitzende Jungvögel sind schwer auszumachen, wie der
Jungvogel unten links im Bild. In diesem Entwicklungsstadium kann man daher die Anzahl der Jungen mit dem Kopter nicht mehr zuverlässig bestimmen. Die Trampelspur im
Getreide haben die Jungvögel übrigens selbst geschaffen.
Foto: K. Bauer.
Schwebeplattform zu fliegen, ist nicht
einfach, und man benötigt einen sehr
erfahrenen Piloten oder sehr viel Zeit,
um das Steuern und die Handhabung
des empfindlichen Gerätes zu üben.
Außerdem gilt es, zusätzliche Zeit für
die fortlaufende Wartung und Instandhaltung der Technik einzuplanen.
Leider ist es mit den momentan im
Handel verfügbaren Koptern noch
kaum möglich, ein Wiesenweihennest
zu suchen, es sie denn, die Lage des
Nestes kann bis auf wenige Hundert
Quadratmeter (z. B. 20 x 20 m) eingegrenzt werden. Sogar die Kontrolle
eines bekannten Neststandorts kann
fehlschlagen, etwa wenn sich nach
Starkregen das Getreide rund um das
Nest niedergelegt hat und der Getreidebestand dadurch von oben sehr
unübersichtlich geworden ist. Außer-
dem lassen sich die Jungen schwer
aus der Luft ausmachen, wenn sie
zum Kontrollzeitpunkt aus dem Nest
herausgelaufen sind. Dies ist bei Jungen, die älter als zwei bis drei Wochen
sind, nicht selten der Fall. Um diesen
Hindernissen zu begegnen, plant
Konrad bereits, eine Wärmebildkamera an seinem Kopter zu befestigen.
Ob dies die Erfassungsmöglichkeiten
nochmals verbessern kann, werden
die nächsten Jahre zeigen.
Claudia Pürckhauer
Dipl. Biol. Claudia
Pürckhauer ist Mitarbeiterin des LBV-Referats
Artenschutz und begeisterte Vogelbeobachterin.
Seit 2003 koordiniert sie
unter anderem das Artenhilfsprogramm
Wiesenweihe in Bayern.
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