Novelle zur Suchtgiftverordnung BGBl. II Nr. 264/2010 (Erläuterungen)

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Vorblatt
Problem:
Hinsichtlich „Levo-(R(-)) Methadon (Polamidon)“, einem Enantiomer des in der Substitutionsbehandlung
eingesetzten „Methadon“-Racemats, fehlt bislang die explizite Klassifizierung als Suchtgift.
Das zur Gruppe der synthetischen Cathinon-Derivate gehörende „4-Methylmethcathinon“ (Szenenamen
u.a. „Mephedron“, „4MMC“, „Magic“, „Charge“ etc.) wird in Österreich und im übrigen Bereich der EU
über das Internet zunehmend als legale Alternative zu Ecstasy, Amphetaminen oder Kokain gehandelt.
Die einschlägige Informationslage weist darauf hin, dass mit dem Konsum dieser Substanz einerseits
starke psychoaktive Wirkungen einhergehen können, andererseits aber auch kardio-vaskuläre
Nebenwirkungen nicht auszuschließen sind.
Ziel, Inhalt und Problemlösung:
Durch explizite Nennung von „Levo-(R(-)) Methadon (Polamidon)“ in Anhang I.1.b. der
Suchtgiftverordnung soll Klarheit hinsichtlich dessen suchtmittelrechtlicher Qualifizierung geschaffen
werden.
In Anbetracht der mit dem Missbrauch von „4-Methylmethcathinon“ verbundenen gesundheitlichen und
sozialen Risiken soll die Substanz durch Aufnahme in den Anhang V.2. der Suchtgiftverordnung dem
österreichischen Suchtmittelregime unterstellt werden, um so dem Missbrauch zu begegnen und den
Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren zu verbessern.
Hinweis: Die erforderliche Festlegung von Grenzmengen für diese Substanzen erfolgt im Rahmen des
parallel dem Begutachtungsverfahren zugeleiteten Entwurfs einer Novelle zur die SuchtgiftGrenzmengenverordnung.
Alternativen:
Beibehaltung der als unbefriedigend zu bezeichnenden geltenden Rechtslage.
Auswirkungen des Regelungsvorhabens:
- Finanzielle Auswirkungen:
Mit der Novellierung der Suchtgiftverordnung werden weder nennenswerte Einsparungen noch
Mehrkosten für die Länder verbunden sein. Für den Bund kann im Bereich der Verfolgung künftig
illegaler Vorgänge insbesondere im Zusammenhang mit „4-Methylmethcathinon“ bei den Sicherheitsund Justizbehörden ein gewisser Mehraufwand entstehen, der sich im Vorhinein nicht genau absehen
lässt. Aufgrund vermehrten Anfalls bei den zu untersuchenden Proben kann es v.a. im Bereich der
Kriminaltechnik zu einem Mehraufwand kommen, der aber vorerst ebenfalls nicht bezifferbar ist.
-- Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:
Keine.
-- Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen:
Es werden keine wesentlichen Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen verursacht.
- Auswirkungen in umweltpolitischer, konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:
Keine.
- Geschlechtsspezifische Auswirkungen:
Keine.
Verhältnis der Rechtsvorschriften zur Europäischen Union:
Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen
Union.
Besonderheiten des Normsetzungsverfahrens:
Keine.
Erläuterungen
Allgemeiner Teil
„Levomethadon“ - Racemat-Bestandteil von „Methadon“ - wird in Deutschland bereits seit Jahren in der
Substitutionsbehandlung eingesetzt, die Substanz ist allerdings in Österreich bislang nicht explizit in der
Suchtgiftverordnung angeführt, was zu Unklarheiten führt (auch eine wegen der gegenüber Methadon (als
Racemat) stärkeren Wirkung erforderliche gesonderte Grenzmenge fehlt). Daher soll die Substanz in die
Suchtgiftverordnung aufgenommen werden.
„4-Methylmethcathinon“ spielt in der Pharmaindustrie bzw. in der Wirtschaft insgesamt bisher keine
Rolle. Die Unterstellung der Substanzen unter das Suchtmittelrecht wird nach derzeitigem Kenntnisstand
für die Unternehmen keine Verwaltungskosten nach sich ziehen. Selbst ein allfällig künftiger Einsatz als
Arzneimittel würde lediglich marginale Verwaltungskosten nach sich ziehen.
Die Unterstellung von Substanzen unter das Suchtmittelrecht hat u.a. zur Folge, dass der allfällig legale
Verkehr und die diesbezügliche Gebarung mit den Substanzen genehmigungspflichtig wird (§§ 6 ff des
Suchtmittelgesetzes) und mit einer solchen Genehmigung nach der Suchtgiftverordnung auch
Dokumentationspflichten einhergehen. Da Levomethadon in Österreich keine nennenswerte Rolle spielt
bzw. es keine zugelassene Spezialität gibt, und auch 4-Methylmethcathinonandererseits keine legale
wirtschaftliche Rolle spielt, ist nicht von mit der Novelle einher gehenden Verwaltungslasten für
Unternehmen auszugehen.
Aus demselben Grund wird die Unterstellung beider Substanzen unter das Suchtmittelrecht auch für das
Bundesministerium für Gesundheit nicht mit einem Mehraufwand verbunden sein. Im Bereich der
Verfolgung künftig illegaler Vorgänge insbesondere im Zusammenhang mit „4-Methylmethcathinon“
kann den Sicherheits- und Justizbehörden u.U. ein gewisser Mehraufwand entstehen, der sich aber nicht
genau absehen lässt, weil sich die allenfalls verursachten Änderungen im Aufwand und tatsächlichen
Auswirkungen als Reflex auf das Verhalten Dritter, nämlich auf angezeigtes deliktisches Verhalten
einerseits, aber auch auf die Intensität der Ermittlungstätigkeit der Sicherheitsbehörden darstellen. Soweit
es hier zu erhöhten Aufwänden kommt, werden diese im Budget des Innen- bzw. Justizressorts Deckung
finden. In welchem Maß im Bereich der Kriminaltechnik mit einem Mehraufwand aufgrund des
Anstieges der zu untersuchenden Proben zu rechnen ist, kann derzeit nicht eingeschätzt werden, sondern
wird vom Bundesministerium für Inneres im Rahmen des Begutachtungsverfahrens einzuschätzen sein.
Eine explizite Nennung von Levomethadon als Substitutionsmittel ist in der Suchtgiftverordnung
entbehrlich, da die Substanz als Racemat-Bestandteil von Methadon von diesem begrifflich miterfasst
wird.
Besonderer Teil
Zu Z 1 (Levomethadon):
„Methadon“, in seiner chemischen Bezeichnung „(R,S)-6-Dimethylamino-4,4-diphenylheptan-3-on“, ist
ein vollsynthetisch hergestelltes Opioid, das über die Kolbe-Nitrilsynthese aus Diphenylacetonitril
synthetisiert werden kann. Das Methadon-Molekül besitzt an der Diphenyl-„Brücke“ ein asymmetrisches
C-Atom, weshalb es in zwei spiegelbildlichen - nicht deckungsgleichen - Formen (optischen Isomeren)
vorkommt. Bei der Standard-Synthese entstehen beide Formen als Mischung in gleicher Menge (sog.
Racemat), nämlich aus der (optisch) linksdrehenden Form „Levomethadon (L-Methadon, R(-)-Form)“
und der rechtsdrehenden Form „Dextromethadon (D-Methadon, S(+)-Form)“.
In der Medizin kann neben dem Methadon-Racemat auch die enantiomere Form „Levo-(R(-)) Methadon
(Polamidon)“ zum Einsatz gelangen. Im Gegensatz zu Ersterem, welches unter der Bezeichnung
„Methadon“ im Anhang I.1.b. der Suchtgiftverordnung gelistet ist, findet „Levo-(R(-)) Methadon
(Polamidon)“ bislang in der Suchtgiftverordnung keine explizite Erwähnung. Um diesbezüglich
bestehenden Unklarheiten hinsichtlich der suchtgiftrechtlichen Qualifizierung von „Levo-(R(-))
Methadon (Polamidon)“ entgegenzutreten, soll dieses ebenfalls im Anhang I.1.b. der Suchtgiftverordnung
explizit Erwähnung finden.
Zu Z 2 (Mephedron):
Die Substanz (chemische Bezeichnung = 4-Methyl-Methcathinon; Systematischer IUPAC Name = (RS)2-methylamino-1-(4-methylphenyl) propan-1-one) zählt zur Gruppe der synthetischen Cathinon-Derivate,
sie findet (derzeit) keine therapeutische Verwendung in der Human- oder Veterinärmedizin und hat auch
sonst kaum wirtschaftliche Bedeutung. In kleinem Umfang wird es als sog. „Feinchemikalie“ für
Forschungszwecke verwendet. In der Drogenszene wird es wegen seines psychoaktiven
Wirkungspotentials unter verschiedenen Szenenamen, wie insbesondere „Mephedron“ (aber auch
„Meph“, 4MMC“, „Magic“, „Charge“ etc.) zunehmend als (noch) legale Alternative zu Ecstasy,
Amphetaminen oder Kokain gehandelt. Die Produktion findet durch pharmazeutisch-technische Labors in
Asien - (meist) ohne dokumentierte Qualitätskontrolle. - statt. Mephedron wird meist als HydrochloridSalz (HCl-Salz) als feines weißes oder leicht gelbliches Pulver verkauft. In der „Eventszene" wird es auch
in Pillen verpresst und (als 'Ecstasy') verkauft.
Es ist eine starke pharmakologische Wirkung auf das Noradrenalin-Transportersystem beobachtet
worden. Dadurch lässt sich die starke sympathomimetische Wirkung dieser Verbindungen auf periphere
Organe (wie Herz und Gefäßsystem) erklären. Pharmakologische Daten wurden zu Mephedron bislang
kaum publiziert, es kann auf ähnliche Wirkungen wie bei den besser untersuchten Cathinonen daher nur
geschlossen werden. Cathinon und Methcathinon bewirken generell amphetamin-ähnliches
stimulatorisches Verhalten.
Über die Wirkung von Mephedron ist man im Moment nur auf (anekdotische) Berichte von Konsumenten
und Konsumentinnen angewiesen. Bei durchschnittlicher Dosis von ca. 200 mg bewirkt die Substanz
demnach gehobene Stimmung, Euphorie, generelle Stimulation mit Gefühl von mehr Energie
(Aktivierung), verstärktes Musikerleben, Unterdrückung von Feindseligkeit und gering-gradige sexuelle
Stimulation. Nach ca. 45 Minuten lässt die Wirkung plötzlich nach, es besteht jedoch ein starker Drang,
weiter zu konsumieren. Es wird berichtet, dass nach wiederholtem Mephedron-Konsum eine Tendenz
besteht so lange weiter zu konsumieren, bis die verfügbare Menge aufgebraucht ist. Dieser Umstand führt
zu einem erhöhten Risiko von Überdosierungen und zur Möglichkeit von vermehrten kardio-vaskulären
Problemen. Die toxikologischen Nebenwirkungen (Erhöhung der Herzfrequenz, des Blutdrucks,
Herzrasen und unregelmäßiger Herzschlag) können bei Co-Konsum anderer Drogen noch weiter verstärkt
werden. Über Langzeit-Toxizität von Mephedron sind infolge der vergleichsweise erst kurzen
Verbreitung in der Drogen-Konsumszene kaum Berichte dokumentiert.
Bei Konsum dieser Substanz zeigen sich starke psychoaktive Wirkungen, die entaktogen wie MDMA,
gleichzeitig aber auch antriebssteigernd wie nach dem Konsum von Kokain sind. Die psychoaktive
Wirkung hält (je nach Konsumform) relativ kurz an, was häufig zu einer unmittelbaren Wiederholung des
Konsums („Bingeing“) führt. Mit einer gleichzeitigen Toleranzentwicklung kommt es in der Folge rasch
zu einer Dosissteigerung. Neben der psychoaktiven Wirkung können starke kardio-vaskuläre
Nebenwirkungen (Blutdrucksteigerung, Herzrasen, Erhöhung der Köpertemperatur etc.) auftreten, deren
Verstärkung durch den Beikonsum von Alkohol und/oder anderen Drogen anzunehmen ist. Das
psychische Abhängigkeitspotential von „4-Methylmethcathinon“ ist nicht bekannt; jedoch dürften
Konsumenten nach längerem, regelmäßigem Konsum ein „Craving“ entwickeln. Analog den
Amphetaminen dürfte ein längerfristiger Konsum zu einem Zyklus von zwanghaftem raschem Konsum
und nachfolgenden depressiven Stimmungsschwankungen führen. Nach Absetzen reagierten diese
Personen mit transienten Psychosen, Stimmungsschwankungen und Hypomanie als Entzugssymptomatik.
Es wurden (international) aber noch keine Fälle von stationärer Behandlung von MephedronAbhängigkeit in Behandlungseinrichtungen berichtet.
Seitdem sich „4-Methylmethcathinon“ europaweit im Freizeit-Drogenkonsum etabliert, ist eine Reihe von
Todesfällen bekannt geworden (nicht in Österreich), bei denen die Substanz möglicherweise eine Rolle
gespielt hat. Im Bereich der Europäischen Union ist „Mephedron“ suchtmittelrechtlich derzeit in
Deutschland, Dänemark, Estland, Irland, Rumänien, Schweden und im Vereinigten Königreich,
arzneimittelrechtlich in den Niederlanden und Finnland kontrolliert. Frankreich, Italien und Polen haben
eine suchtmittelrechtliche Erfassung der Substanz bereits avisiert. Auf EU-Ebene ist gegenwärtig ein
Risikobewertungsverfahren gemäß der im Beschluss 2005/387/JI des Rates diesbezüglich vorgesehenen
Bestimmungen anhängig, auf Grundlage dessen Ergebnisse vom Rat die Einführung EU-weiter
Kontrollmaßnahmen analog den einschlägigen UN-Übereinkommen beschlossen werden kann. Eine
entsprechende Beschlussfassung auf EU-Ebene gilt als nicht unwahrscheinlich.
Auf die Erläuterungen zum parallel dem Begutachtungsverfahren zugeleiteten Entwurf einer Novelle zur
die Suchtgift-Grenzmengenverordnung wird hingewiesen. In Anbetracht der Ausbreitung und der mit
dem Missbrauch von „4-Methylmethcathinon“ verbundenen gesundheitlichen und sozialen Risiken soll
die Substanz auch in Österreich durch Aufnahme in den Anhang V.2. der Suchtgiftverordnung der
Suchtmittelkontrolle unterstellt werden, um so dem Missbrauch zu begegnen und den Schutz der
Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren zu verbessern.
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