Bahnmotor - HTW Dresden

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Bahnmotor
Version 2013-12
1.
Versuchsziel
Mit diesem Prüffeldversuch sollen Sie das Betriebsverhalten von WechselstromKommutatormaschinen großer Leistung kennenlernen. Solche elektrische Maschinen werden als Einphasen-Reihenschlussmotoren bzw. Bahnmotoren bezeichnet.
Üblicherweise erfolgt ihre Speisung mit Wechselstrom von 162/3 Hz, in Ausnahmefällen direkt mit 50 Hz. Durch Zwischenschalten eines Gleichrichters kann man das Betriebsverhalten solcher Motore im Bahnbetrieb bei beiden Speisefrequenzen verbessern (Mischstrommotoren).
Im Versuch sollen Sie die typischen Kennlinien bei den verschiedenen Speisearten
ermitteln und begründen. Außerdem ist das unterschiedliche Verhalten dieser Maschinen bezüglich der Stromwendung (Einfluss der transformatorischen Spannung)
herauszuarbeiten.
2.
2.1.
Grundlagen
Allgemeines
Der zu untersuchende „Bahnmotor“ ist kein echter Antriebsmotor. Er wird durch eine
elektrisch gleichartig aufgebaute Hilfsmaschine (Kompressormotor) einer 162/3-Hz2
Ellok simuliert. Er erhält seine Spannung einerseits aus einem 50-Hz/16 /3-HzUmformer und andererseits direkt aus dem 50-Hz-Netz. Mittels Stufentrafo ist die
Motorklemmenspannung in beiden Fällen stellbar.
Bei 162/3-Hz-Speisung besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Spannung mit dem
Feldsteller des Einphasensynchrongenerators des Umformersatzes zu verändern.
Durch Zwischenschalten eines Gleichrichters in Brückenschaltung (B2U) kann die
Wechselspannung gleichgerichtet werden.
Der Bahnmotor ist mit einem fremderregten Gleichstromgenerator gekuppelt, der als
Belastungsmaschine dient. Mit dieser vorgegebenen Prüfanordnung lassen sich alle
Betriebsfälle eines Bahnmotors bis zur Schwerlastanfahrt nachbilden.
Unfallschutz:
Der Stufentrafo ist ein Spartrafo. Vorsicht bei Speisung aus dem 50-Hz-Netz!
Da Reihenschlussmotoren im Leerlauf unzulässig hohe Drehzahlen annehmen, ist
unbedingt darauf zu achten, dass der Bremsgenerator stets eine Belastung darstellt
(stets Erregerstrom größer Null). Außerdem ist ein Überschreiten der zulässigen
Höchstdrehzahl durch eine von den Bedienenden unabhängige Überwachung der
Motordrehzahl zu garantieren (Fliehkraftschalter).
2.2
Schwerpunkte
Für die Versuchsdurchführung und das Kolloquium sind Kenntnisse in folgenden
Teilgebieten erforderlich:
- Vergleich zwischen Reihenschluss- und Nebenschlussmotor
- Aufbau und Wirkungsweise von Reihenschlussmotoren,
● bei Speisung mit Gleichstrom
● bei Speisung mit Einphasen-Wechselstrom,
- die Stromwendung bei Gleich- und Wechselstromspeisung,
- konstruktive Unterschiede von Gleichstrom-, Wechselstrom- und MischstromBahnmotoren.
- prinzipieller Verlauf charakteristischer Kennlinien elektrischer Triebfahrzeuge.
3
3.1
Aufgaben
Vorbereitung
Aus den Bemessungsdaten (Nenndaten) der zu untersuchenden Maschine sind folgende Werte zu berechnen:
1. Nennscheinleistung
2. Nennwirkleistung
3. Nenndrehmoment
4. Nennwirkungsgrad
Die Leistungsschildangaben dazu sind:
E-Mot 200 V; 58 A; cos φ 0,82; 6,8 kW; 750 min-1
3.2
Widerstandsbestimmung
Zu jedem Prüffeldversuch gehört eine Widerstandsmessung der Maschinenwicklungen. Diese Widerstandsbestimmung der Anker- und Feldwicklungen erfolgt mittels
Strom-Spannungsmessung bei Raumtemperatur (im kalten Zustand).
Da beim Bahnmotorversuch wegen des umfangreichen Versuchsaufbaus die Schaltung immer fest verkabelt bleibt, wurden vorher folgende Werte bei θ = 20 °C ermittelt:
a) Bahnmotor
- Anker- und Wendepolwicklung
- Reihenschlusswicklung
RA1,B2 U = 1,225 V;
RD1,D2 U = 1,19 V;
b) Bremsgenerator
- Ankerwicklung
- Erregerwicklung, fremderregt
RA1,A2 U = 1,35 V; I = 7,5 A
RF1,F2 U = 2,08 V; I = 12,3 mA
I = 2,12 A
I = 3,08 A
Die ermittelten Widerstände sind auf betriebswarmen Zustand (75 °C) gemäß DIN
VDE 0530 umzurechnen. Die Wicklungen beider Maschinen sind in Isolierstoffklasse
B (siehe DIN VDE 0530 Teil 1) ausgeführt.
3.3
Aufnahme der Betriebskennlinien des Bahnmotors bei verschiedenen
Speisungsarten
Für Speisung mit 162/3 Hz direkt und für Speisung mit 162/3 Hz gleichgerichtet sind
zu ermitteln, als Diagramme darzustellen und zu diskutieren:
- Drehmoment - Drehzahl - Kennlinie
- Drehmoment - Strom - Kennlinie
- Leistungsfaktor - Drehzahl - Kennlinie
- Wirkungsgrad - Drehzahl - Kennlinie
M = f (n)
M = f (I)
cos φ = f (n)
η
= f (n)
Für die Kennlinienaufnahme bei beiden Speisungsarten werden folgende Parameter
vorgegeben.
U = 120 V = konst. und
U = 80 V = konst.
Das Drehmoment ist dabei indirekt aus der Drehzahl und der abgegebenen mechanischen Leistung Pab des Motors zu ermitteln.
Die Bestimmung dieser abgegebenen Motorleistung erfolgt aus der aufgenommenen
mechanischen Leistung des Belastungsgenerators nach folgender Beziehung:
Pab = UGen· IGen + I²Gen· RA + PVleer
Die Kurve der Leerverluste Pvleer = f (n) des Generators liegt am Versuchsplatz aus.
3.4
Aufnahme der transformatorischen Spannung bei verschiedenen Speisungsarten
Bei diesem Versuchsteil wird nur die Reihenschluss-Erregerwicklung des Bahnmotors gespeist. Die transformatorische Spannung wird mittels einer Hilfsbürste zwischen zwei benachbarten Kommutatorlamellen des stillstehenden Läufers gemessen.
Die transformatorische Spannung Utr ist in Abhängigkeit vom Strom I in der Reihenschlusswicklung für folgende Speisearten zu ermitteln:
162/3-Hz-Speisung
162/3-Hz-Gleichrichterspeisung
50-Hz-Speisung
50-Hz-Gleichrichterspeisung
Alle vier Kurven sind in ein Diagramm zu zeichnen und zu diskutieren.
4
Kontrollfragen
4.1
Welche Motorarten werden in elektrischen Triebfahrzeugen eingesetzt? Welche Motorart ist für den elektrischen Bahnbetrieb an besten geeignet? Begründung!
4.2
Welche Polpaarzahlen sind für Einphasen-Reihenschluss-Bahnmotoren und
Gleichstrommotoren charakteristisch? Aus welchem Grund ist das so?
4.3
Welche Aufgabe hat der Wendepolparallelwiderstand bei EinphasenReihenschlussmotoren? Erläutern Sie seine Funktion anhand des Zeigerdiagramms!
4.4
Welche Feldkomponente ist für das Entstehen der transformatorischen Spannung verantwortlich? Welche nachteiligen Wirkungen hat diese Spannung?
4.5
Durch welche technischen Maßnahmen kann die schädliche Wirkung der
transformatorischen Spannung begrenzt werden?
5
Literatur
Fischer, R.:
Elektrische Maschinen. Carl Hanser Verlag München Wien
Budig, K.-P.:
Elektrische Traktionsmotoren. VEB Verlag Technik Berlin
Bäzold, D.; Fiebig, G.: Ellok-Archiv. VEB Verlag transpress Berlin
Die Lokomotivbaureihe E 905 der Deutschen Reichsbahn –
Spender des Bahnmotors
Die KPEV bestellte 1912 zehn Doppellokomotiven der Achsfolge C+C für den Reiseund Güterzugdienst auf der Strecke Lauban-Königszelt (Schlesien). BBC lieferte die
elektrische Ausrüstung und nach deren Entwurf fertigten die Fahrzeugteile Humboldt
(7), LHB (2) und Beuchelt (1). Der 1. Weltkrieg unterbrach den Bau, der erst 1918
fortgesetzt wurde. Die Lokomotiven wurden mit den Betriebsnummern EG 551/552569/570 in Dienst gestellt. Die DRG zeichnete sie später in E 90 51 bis 60 um, wobei
die Lokomotivhälften mit den Kleinbuchstaben a und b unterschieden wurden.
Die Lokomotiven waren stets auf den schlesischen Gebirgsstrecken eingesetzt und
befriedigten. Wegen der geringen Höchstgeschwindigkeit von nur 50 km/h wurden
sie später nur noch im Güterzugdienst verwendet. Die Werkstatt lobte den geringen
Unterhaltungsaufwand der gewählten Schlittensteuerung, während der erforderliche
hohe Kraftaufwand bei der Betätigung bei den Lokführern auf Ablehnung stieß. Die E
90 51, 52, 54, 56 und 58 erhielten später Schneepflüge. Allen Lokomotiven wurde
dann der Hauptrahmen vorgeschuht, um an der Stirnseite einen Luftkühler für den
Kompressor unterbringen zu können.
Ausgemustert wurden die E 90 51 und 53 (1942), 54 (1944), 56 (1942), 59 (1936)
und 60 (1943). Der Verbleib der E 90 55 ist nicht bekannt. Durch die DR wurden die
zu ihrem Schadlokpark gehörenden E 90 52. 57 und 58 etwa 1956 ausgemustert.
Dabei wurde ein 16 2/3-Hz-Hilfsbetriebemotor an die Hochschule für Verkehrswesen
„Friedrich List“ Dresden, Institut Elektrische Bahnen, als Versuchsobjekt für das
Praktikum übergeben. Nach Schließung der HfV im Jahre 1992 ging der Versuch
Bahnmotor an die Fakultät Elektrotechnik der HTW Dresden über und wird seit 1995
im Laborgebäude Schnorrstraße betrieben.
Elektrischer Teil
D a c h a u s r ü s t u n g: Je Lokomotivhälfte ein Stromabnehmer mit Druckluftantrieb über Dachleitung mit flexibler Litze verbunden. Eine Dämpfungsdrossel. Zwei
Hauptschalter.
H a u p t t r a n s f o r m a t o r: Zwei fremdbelüftete Trockentransformatoren in Kernbauart und mit getrennten Primär- und Sekundärwicklungen, sekundärseitig 14 Anzapfungen für Fahrmotorenstromkreis. 3 Anzapfungen für Zugheizung mit 160,195
und 290 V; später totgelegt.
S t e u e r u n g: Schlittenschaltwerk. Betätigt von Hand über Spindel, durch die Kontaktbürsten auf zwei parallelen Kontaktbahnen bewegt wurden, 14 Dauerfahrstufen.
Kettenantrieb und Kardanwellen kuppelten Schaltwerke und Lastschalter beider Lokomotivhälften. Elektropneumatische Fahrtwendeschalter.
F a h r m o t o r: Je Hälfte ein Doppelmotor aus zwei Wechselstrom-Reihenschlussmotoren mit Widerstandsverbindungen in gemeinsamen Gehäuse.
Fahrzeugteil
L a u f w e r k: Je Lokomotivhälfte drei gekuppelte Achsen, die mittlere jeweils ± 20
mm seitenverschiebbar.
A n t r i e b: Federnd gelagerter, in der Mitte sich auf Blindwelle abstützender Doppelmotor. Schrägverzahntes Vorgelege mit Blindwelle, Kuppelstangen. Wegen des
Außenrahmens Achsen und Blindwelle mit Hallschen Kurbeln ausgerüstet. Eine Lokomotive gefederte Großzahnräder.
H a u p t r a h m e n: Beide Rahmen Außenrahmen, versteift durch Pufferbohlen und
Stahlblechstreben. Abstützung über Blattfederbunde und Ausgleichhebel. Zwischen
beiden Rahmen Kurzkupplung und vorgespannte Stoßpuffer.
L o k o m o t i v k a s t e n: Zwei durch Faltenbalg verbundene Kästen. Am Kurzkuppelende Gepäckraum mit einer Schiebetür je Seite, verschiedene Schalteinrichtungen enthaltend, z. B. für elektrische Zugheizung. Daran anschließend je
ein Führerstand mit jeweils im oberen Teil eingezogenen Vorbau. Gepäckräume und
Führerstände aus blechverkleidetem Holz, Vorbauten aus Stahlblech.
D r u c k I u f t e i n r i c h t u n g: Druckluftbremse Kzbr. Zwischen Kompressor und
Hauptluftbehälter angeordneter Luftkühler später an Stirnseiten der Lokomotiven
montiert. Signalpfeifen und -glocken. Sandstreueinrichtungen. Druckluftbremse wirkte auf 1., 3., 4. und 6. Achse doppelseitig, beide Spindelhandbremsen nur auf Achsen der jeweiligen Lokomotivhälfte. Sicherheitsfahrschaltung.
H i I f s e i n r i c h t u n g e n: Lüfter für Haupttransformatoren und Fahrmotoren.
5
Technische Daten der Lokomotivbaureihe E 90 der DR
Baureihe
Stromsystem
Höchstgeschwindigkeit
Treibraddurchmesser
Achsfolge
Gesamtachsstand
Länge über Puffer
Stundenleistung bei
Geschwindigkeit
Dauerleistung bei
Geschwindigkeit
Anfahrzugkraft
Stundenzugkraft
Dauerzugkraft
Dienstmasse
Reibungslast
Spezifische Leistung
Haupttransformator /
Typenleistung
Steuerung / Dauerfahrstufen
Fahrmotor / Anzahl
Drehzahl bei
Höchstgeschwindigkeit
Größte Motorspannung
Antrieb
Übersetzung
Indienststellung (erste Lok)
Ausmusterung (letzte Lok)
Literatur
Bemerkungen
KPEV
DR
km∙h-1
mm
mm
mm
mm
kW / km∙h-1
EG 551/52-69/70
E 90 51-60
1AC 15 kV 162/3 Hz
50
1 250
C+C
11 430
15 950 1)
1 530 / 35
kW / km∙h-1
910 / 30
kp / kN
kp / kN
kp / kN
t
t
kW∙t-1
- / kVA
min-1
V
20 000 / 196,2
16 000 / 157,0
11 150 / 109,4
98,2 2)
98,2 2)
15,6 3)
Trockentransformator mit Fremdbelüftung / 2 x 640
Schlittenschaltwerk / 14
Wechselstrom-Reihenschlussmotor
mit Widerstandverbindungen / 2 x 2
1 070
870
Vorgelege-Kuppelstangen-Antrieb
87:18
1919
1956
BBC-Mitteilungen 1920/3
Glasers Annalen 1917/26
1
) ohne Schneepflug
2
) mit Schneepflug: 101,6
3
) mit Schneepflug: 15,0
1AC 230 V 16,7 Hz
DC 0 … 400 V
1AC 400 V 50 Hz
1L +
2L1
3L1
1L -
2L2
3L2
10 17
16
12
18
11
Umschalter
16,7 Hz – 50 Hz
6
5
4
L2
50
Hz
L1 16,7 Hz L1
Stufentransformator
Schützensteuerung
4L1
4L2
k
Gleichrichter
B6U
L1
K
A
A
100 A
5A
AC
l
V
DC
L
15
9
14
8
L2
L3
L
+
13
L-
7
Umschalter
AC - DC
A
1
2
3
A
W
Belastungswiderstände
V
A
V
F1
F2
A1
A1
A2
A2
B1
B2
D1
D2
R1
R2
M
1~
G
=
Wendepolparallelwiderstand
Belastungsgenerator
Bahnmotor
3
Messung der
transformatorischen Spannung
A1
2
A2
B1
B2
D1
D2
R1
R2
UTr
HTW Dresden
Fakultät Elektrotechnik
Labor Elektrische Maschinen
Versuch
Bahnmotor
Messschaltung
bearbeitet: Schütze 2013-12-19
gezeichnet: Hofmann 2011-04-15
geprüft:
Hofmann 2011-10-28
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