Jahresheft 2000 - Fisch und Umwelt Mecklenburg

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Das Wiedereinbürgerungs- und Besatzprogramm des Ostseeschnäpels Coregonus lavaretus balticus
(Thienemann) in der vorpommerschen Boddenlandschaft, Rückblick und Ausblick
N. Schulz
1. Einleitung
Mit Beginn der 90er Jahre, bedingt durch die Umstrukturierung des Fischereisektors, erlangten die
Süßwasserfischen wie Zander Stizostedion lucioperca (L.), Flussbarsch Perca fluviatilis L., Aal Anguilla
anguilla (L.), und Hecht Esox lucius L. einen noch größeren Stellenwert für die Erlössituation der Fischereien
der inneren Küstengewässer in Mecklenburg-Vorpommern.
Der Ostseeschnäpel Coregonus lavaretus balticus (Thienemann 1934) erreichte mit Maximalfängen von 39 t im
Jahre 1970 und 32 t im Jahre 1980 gleichfalls eine gewisse ökonomische Bedeutung für die ortsansässigen
Fischereien. Schon 1988 sanken die Fänge jedoch auf 6 t ab. Diese Tendenz setzte sich in den 90er Jahren fort,
so dass die Gefahr des Aussterbens der Art nicht von der Hand zu weisen war. Im Jahre 1995 war der negative
Höhepunkt mit nur noch 2,7 t Fang zu verzeichnen.
Daher wurde in den Jahre 1992 und 1993 im Rahmen eines ABM Projektes mit dem Titel „ Erhaltung einer vom
Aussterben bedrohten Nutzfischart in den Küstengewässern von Mecklenburg-Vorpommern -Ostseeschnäpeldurch Erzeugung von geeigneten Jungfischen und Aussetzen derselben in bestandsgefährdeten
Boddengewässern“ durch Fisch und Umwelt M-V e.V. der Versuch unternommen, durch künstlichen Besatz zur
Stabilisierung des Bestandes beizutragen. In den Jahren 1994 bis 1996 wurden im Rahmen einer
Leistungsvereinbarung mit der Landesanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern,
Institut für Fischerei Rostock diese Arbeiten kontinuierlich fortgesetzt. Eine erneute Fortsetzung fanden diese
Arbeiten in den Jahren 1997 bis 1999 in einem durch die Fischereiabgabe des Landes MecklenburgVorpommern geförderten Projektes. Im Jahre 2000 wurden im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung des
Landes vorerst letztmalig Ostseeschnäpellarven und -jungfische künstlich aufgezogen und in die vorpommersche
Boddenlandschaft ausgesetzt. Somit wurde an dieser Thematik über einen Zeitraum von neun Jahren
kontinuierlich gearbeitet.
Der Ostseeschnäpel ist ein anadromer Wanderfisch, der im November / Dezember zum Laichen aus den äußeren
Küstengewässern der Pommerschen Bucht in die ausgesüßten Brackwassergebiete des Peenestroms,
Achterwassers und des Stettiner Haffs einwandert. Die abgelaichten Tiere ziehen im Frühjahr wieder in die
äußeren Küstengewässer ab. Ihnen folgen die Jungfische wahrscheinlich erst ein Jahr später, also als einjährige
Fische.
Besatzmaßnahmen mit Schnäpel fanden in der Vergangenheit nur sporadisch statt. Der Deutsche FischereiVerein informierte in der Zeitschrift für Fischerei und deren Hilfswissenschaften, III Jahrgang von 1895, Druck
und Verlag von Adolf Gertz, Charlottenburg über die Aufzucht von 150.000 Schnäpel. Diese wurden in die
oberen Flussläufe und die Haffe der mecklenburgisch - vorpommerschen Küstenregion ausgesetzt. Etwa 1887
sind in den Dassower Binnensee 30.000 Schnäpel ausgesetzt worden, wovon nach 2 Jahren auch einige wieder
gefangen wurden. Nach dem Geschäftsbericht des Mecklenburger Fischereivereins von 1906 sind im Zeitraum
1889-1896 an der Mecklenburger Küste vom Saaler Bodden über den Breitling bis zum Dassower Binnensee 1,5
Mio. angebrütete Eier und Larven des Ostseeschnäpels (Coregonus lavaretus balticus) und des
Nordseeschnäpels (C. oxyrhynchus) ausgebracht worden. Die Wiederfänge waren gering, es wurden nur
Einzelexemplare gefangen. Nach Ansicht der damalig Verantwortlichen war der Salzgehalt zu hoch, um eine
Eigenreproduktion zu ermöglichen. Dies sind bis in die 70er Jahre die einzigen auffindbaren Hinweise auf
Besatzmaßnahmen mit Coregoniden an der mecklenburgisch-vorpommerschen Küste. In der Darss-ZingsterBoddenkette sind nach uns zugänglichen Informationen 1968: 430 kg Schn1 (ca. 90.000 Stück einsömmrige
Schnäpel von etwa 5g Gewicht) sowie 1974 und 1975 je 95.000 Stück Schn1 ausgesetzt worden. Danach erfolgte
kein Besatz mehr, da die Schnäpelerbrütung 1978 in Rankwitz eingestellt wurde.
2. Biologie und Taxonomie
Die taxonomische Einordnung des Ostseeschnäpels ist je nach Autor unterschiedlich. Nach Ladiges und Voigt,
1979 gehört der Ostseeschnäpel zur Familie der Coregonidae (Renken). In dieser Familie gibt es 2 Gattungen, 8
Arten sowie zahllose Unterarten und Modifikationen. Die beiden Gattungen sind Coregonus und Stenodus. Es
gibt sowohl Wanderfische als auch stationäre Formen, wobei der Ostseeschnäpel zu den Wanderfischen zu
rechnen ist. Während Müller,1983 in der Ordnung der Clupeiformes Heringsartige sowohl eine Familie der
Salmonidae -Lachse- als auch eine Familie der Coregonidae -Maränen- unterscheidet sind bei L.S.Berg, 1958
die Maränen eine Gattung der Familie Salmonidae.
In der vorpommerschen Boddenlandschaft lassen sich zwei Phänotypen unterscheiden, die sog. Normalform und
die Buckelform.
In Abhängigkeit von der Wassertemperatur erstreckt sich die Laichzeit über die Monate November und
Dezember. Die Abgabe der Laichprodukte (Rogen und Milch) wird jedoch erst bei Wassertemperaturen um 5 bis
6 Grad Celsius eingeleitet.
Das Laichen findet über hartem Grund, d.h. im Peenestrom und im Stettiner Haff auf und an den DreissenaBänken statt. Die Larven schlüpfen etwa 250 Tagesgrade nach der Befruchtung, Anfang bis Mitte März, wobei
die Temperaturen an der Sediment-Wassergrenze von entscheidender Bedeutung sind.
Etwa 30 Parasiten sind bei Coregoniden und Salmoniden bekannt u.a. Myxosporidia, Monogena, Cestoda,
Trematoda, Nematoda, Acanthocephala, Copepoda und weitere Protozoenparasiten, wie Apiosoma sp.
Trichodina sp. und Myxidium rhodei.
2. Geographische Verbreitung
In der vorpommerschen Boddenlandschaft beschränkt sich das natürliche Verbreitungsgebiet der Art auf den
Peenestrom, das Achterwasser, das Stettiner Haff, den Greifswalder Bodden und die Pommersche Bucht. Durch
die Ansiedlungsprogramme in den 90er Jahren ist die Art auch in der Darß-Zingster Boddenkette heimisch
geworden.
e
tse
s
O
Abbildung 1. Hauptverbreitungsgebiete des Ostseeschnäpels
3. Fangentwicklung
Die Fangentwicklung des Ostseeschnäpels wird in hohem Maße durch die Marktsituation und durch
Schonmaßnahmen wie Schonzeiten und Mindestmaße bestimmt. Da es nach wie vor Absatzschwierigkeiten gibt,
widerspiegeln die gemeldeten Fänge nicht in jedem Falle auch die Bestandssituation.
Die Fangentwicklung der letzten zwanzig Jahre ist durch unterschiedliche Rahmenbedingungen gekennzeichnet.
Während es bis 1993 keine Beschränkungen der Fangmöglichkeiten gab, ist ab 1994 durch die Einführung einer
Laichschonzeit vom 1. Oktober bis 30. November der Fang in diesen Monaten nicht möglich. Da aber die
Fangmöglichkeiten in dieser Zeit aufgrund der Vorlaich- und Laichkonzentrationen besonders gut sind, lassen
sich die Erfolge der Besatzmaßnahmen erst ab diesem Zeitpunkt bewerten.
Der Gesamtfang an Ostseeschnäpel entwickelte sich von 1974 bis 2000 wie nachfolgend dargestellt.
Gesamtfang Ostseeschnäpel M V
t
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
1974
1978
1982
1986
1990
1994
1998
Jahr
Abbildung 2. Gesamtfang Ostseeschnäpel Innere Küstengewässer und Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommern
1974 bis 2000
Nach Einführung der Laichschonzeit gingen die Fänge in den Jahren 1994 und 1995 stark zurück. Die ersten
Besatzaktivitäten begannen 1993 und in deren Folge stiegen die Fänge ab 1996 kontinuierlich an und erreichten
im Jahre 2000 mit über 46 t Gesamtfang den höchsten Wert in der jüngeren Geschichte.
Der Zusammenhang zwischen Besatz und Erträge ist aus unserer Sicht eindeutig. Das die Laichschonzeit nicht
den prioritären Effekt bei der Fangsteigerung bedeutet kann aus der Tatsache gefolgert werden, dass ab dem
Jahre 1994 für das Besatzprogramm gleichfalls Ostseeschnäpel in der Laichzeit gefangen wurden.
Gesamtfang und Anteil Laichfischfang
t
Gesamtfang
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
Laichfischfang
1990
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Jahr
Abbildung 3. Gesamtfang und Anteil der in der Laichschonzeit für Laich-gewinnung zu Besatzzwecken
gefangenen Ostseeschnäpel, 1990 bis 2000
Die monatliche Verteilung der Ostseeschnäpelfänge im Hauptfangebiet Peenestrom/Achterwasser belegt diese
These. In der Periode 1990 bis 1993, vor Einführung der Schonzeit, waren die Fänge in den Monaten November
und Dezember am höchsten. Ab Einführung der Laichschonzeit im Jahre 1994 gingen die Fänge der
kommerziellen Fischerei in den Monaten Oktober und November (Schonzeit) drastisch zurück. Im Rahmen des
Besatzprojektes wurden im November 1994 bis 2000 im Peenestrom/Achterwasser aber auch Fänge von einigen
ausgewählten Fischern in Höhe von durchschnittlich 2,3 t entnommen. Demgegenüber stehen für die Periode
1990 bis 1993 im November Durchschnittsfänge von allen kommerziellen Fischern von durchschnittlich 3,3 t. Es
wurden also in der Schonzeit durch die Forschungsfänge kaum weniger Fische dem Bestand entnommen als im
Zeitraum 1990 bis 1993, trotzdem stieg der Durchschnittsfang danach kontinuierlich an. Daraus lässt sich der
Besatzeinfluss auf die Steigerung der Fänge aus unserer Sicht eindeutig belegen.
Durchschnittsfang Ostseeschnäpel
t
4
3,5
D 90-93
3
D 94-00
2,5
DL 94-00
2
1,5
1
0,5
0
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
Monate
XII
Abbildung 4. Peenestrom/ Achterwasser, Durchschnittsfang 1990 bis 1993 (D 90-93), 1994 bis 2000 (D 94-00)
und durchschnittlicher Laichfischfang (DL 94-00) Ostseeschnäpel
4. Aufzucht
Bei der Aufzucht von Fischlarven in beleuchteten Netzgehegen nutzt man das Verhalten vieler
Zooplanktonorganismen, bei Dunkelheit auf eine Lichtquelle zuzuschwimmen. Dieses Zooplankton bildet die
Nahrungsgrundlage für die aufzuziehenden Fischlarven. Der unschätzbare Vorteil der Methode ist , dass ein
zusätzlicher Eintrag von Nährstoffen ins Gewässer in Form von künstlichem Futter vermieden wird, dass ganz
im Gegenteil die überschüssige Planktonbiomasse eutropher Seen in wertvolle Fischbiomasse verwandelt wird.
Neben Großen und Kleinen Maränen, Ostseeschnäpeln , Hechten und Zandern können auch einige
Cyprinidenarten wie z.B. Barben und Aland sowie Bachforellen aufgezogen werden.
Die Freiwasseraufzucht von Maränen und Ostseeschnäpeln in beleuchteten Netzkäfigen ist die favorisierte
Methode um Larven zu einer Größe heranzuziehen, die ihnen eine gute Überlebenschance im Freiwasser bietet.
Im nachfolgenden sind die wichtigsten Abschnitte des Aufbaus der Gehegeträgerkonstruktion beschrieben.
Der Versuchsträger in der Demonstrations- und Forschungsanlage Damerow am Jabeler See besteht aus 3
Aluminium- Schwimmpontons mit einer Gesamtlänge von insgesamt 30 m. Mit einer eingebauten
Rahmenkonstruktion werden die Netzgehege an einem Galgen aufgehängt und können mit Hilfe eines
Flaschenzuges und Seilwinden auf- und abbewegt werden.
Die Gehege bestehen aus einem rundumvernähten Gazewürfel, der zwischen zwei Metallrahmen aufgehängt ist.
Die Gazekäfige haben eine Kantenlänge von 2 x 2 x 2 m, also 8 m³ Rauminhalt und bestehen aus Polyestergaze
mit eingebauten Reissverschlüssen.
Von einem Schaltkasten für Unterwasserbeleuchtung werden je eine 100 W Glühlampe durch eine 40 cm große,
verschließbare Öffnung in der Oberkante eines jeden Geheges eingehängt und die Kabel an die Querstangen des
Oberrahmens gebunden. Die Unterwasserlampen sollten genau in der Mitte der Gehege hängen. Durch eine
Trafostation wurde die Spannung unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften (VDI) von 220 V auf 24 V
transformiert.
Die Anlage ist prinzipiell unbegrenzt erweiterbar.
Abbildung 5. Ansicht der Käfiganlage Damerow
Für die Aufzucht geeignet sind eutrophe nährstoffreiche Seen, in denen reichlich Zooplankton vorhanden ist. Die
Größe und Tiefe des Gewässers beeinflussen den Aufzuchterfolg in starkem Maße. Kleine und relativ flache
Seen eignen sich besonders, da sie sich im Frühjahr schneller erwärmen und somit die für die erste
Aufzuchtphase entscheidende Zooplanktonbiomasse eher bereitsteht, als in großen und sehr tiefen Gewässern.
Die Wassertemperaturen sollten nicht mehr als maximal 25 ° C betragen, der Sauerstoffgehalt mindestens 6 ml/l
und der ph Wert nicht über 9 liegen. An der Netzkäfiganlage sollte eine Wassertiefe von mindestens 7 m
vorhanden sein.
Für die Aufzucht von Coregonen, wie Ostseeschnäpel und Kleinen und Großen Maränen ist entsprechend der
klimatischen und ernährungsbedingten Gegebenheiten in Seen des Landes Mecklenburg-Vorpommern ein zweioder dreigliedriges Verfahren am geeignetsten, das durch die Verwendung von Gazekäfigen mit 2 bzw. 3
verschiedenen Maschenweiten und unterschiedlichen Besatzdichten gekennzeichnet ist. Die Aufhängetiefe der
Käfige hängt von der Sichttiefe am Standort der Anlage ab.
1.Phase:
Maschenweite 0,9 mm, Besatzdichte 50.000 Larven unmittelbar nach Schlupf der Larven, Mitte bis Ende März,
Dauer ca. 6 Wochen. Die Reinigung der Käfige von Algenbewuchs erfolgt entsprechend den örtlichen
Gegebenheiten (Stärke der Algenblüten). Auf alle Fälle muß eine übermäßige Beanspruchung der Fische
vermieden werden. Die Käfige können mit einer Hochdruchreinigungsanlage von innen nach außen gereinigt
werden. Unmittelbar nach dem Besatz müssen die Käfige für ca.3-4 Tage zu ¼ an der Oberfläche bleiben, damit
die Larven zur Füllung ihrer Schwimmblase eine Gasblase an der Oberfläche schlucken können. Nach 4 Tagen
können die Käfige ca. 1-2 m unter die Wasseroberfläche gehängt werden. In jedem Fall müssen sie ca. 1 m über
dem Gewässerboden bleiben, damit keine Kiemenschwellungen durch Sedimentaufwirbelungen entstehen. Je
tiefer die Netze hängen, um so geringer ist der Reinigungsaufwand, da die Algenproduktion mit verminderter
Lichtintensität nachläßt. Auf keinen Fall sollen die Netze tiefer als die 2-fache Secchitiefe hängen, da das
Nahrungsangebot und möglicherweise auch der Sauerstoffgehalt des Wassers dort zu gering sind. Die
Secchitiefe ist die Tiefe, in der eine, im Durchmesser 30 cm große, weiße Scheibe mit bloßem Auge gerade noch
gesehen werden kann. Die Gehege müssen immer oberhalb der Temperatur-und Sauerstoffsprungschicht
aufgehängt werden. Die Sprungschicht liegt in der Tiefe, wo die Temperatur im 1 m Abstand um mehrere Grad
Celsius, bzw. der gelöste Sauerstoff um mehrere mg/l abfällt.
2.Phase:
Maschenweite: 2,0 mm, Besatzstärke: 25.000 Larven mit einer Länge von 2,5-3,0 cm, Besatzbeginn: Anfang
Mai. Da die Sterblichkeit in der ersten Aufzuchtphase weniger als 30 % beträgt müssen bei gleicher Anzahl
vorhandener Netzkäfige überzählige Jungfische in die Gewässer ausgesetzt werden. Nach weiteren 6 bis 8
Wochen (Mitte bis Ende Juni) haben die Jungfische eine Länge von 5-6 cm, und entsprechend der
Besatzstrategien können für den sog. Sommerbesatz bereits Jungfische in geeignete Küstengewässer und Seen
ausgesetzt werden.
3.Phase:
Diese sollte nur bei Vorhandensein optimaler Bedingungen und Nachfrage nach einsömmrigen Maränen
angewendet werden.
Maschenweite: 3-4 cm, Besatzstärke: 5.000 bis 10.000 Jungfische (entspr. Nahrungsangebot), die Mitte bis Ende
Juni umgesetzten Fische wachsen bis September auf eine Länge von 12 bis 14 cm heran und finden für den sog.
"Herbstbesatz" Verwendung.
Bei der Aufzucht können bei nicht optimalen Bedingungen Krankheiten auftreten. Sollte dies der Fall sein sind
die Fische umgehend zu therapieren.
Bei den Maränen muß in den ersten Lebenswochen auf Hautparasiten wie Trichodina geachtet werden. Ab Juni
können auch bakterielle Erkrankungen auftreten, deren Behandlung in einer Freiwasseranlage schwierig ist, da
Chemotherapeutika wie Oxytetracyclin (OTC) immer oral mit dem Futter verabreicht werden sollten.
Vor einer Behandlung sollte immer ein Verträglichkeitstest der Therapeutikakonzentration und der Dauer der
Behandlung mit wenigen erkrankten Tieren durchgeführt werden.
Gegen den Ektoparasit Trichodina kann ein Formaldehydbad (250 ml 35 % Formalin pro m3 Wasser für 30 min)
genutzt werden. Gegen andere Hautparasiten, wie die Karpfenlaus Argulus spec. kann mit Masoten 5g/ m3
Wasser, 30 min behandelt werden. Gegen Kiemenkrebse Ergasilus spec. kann in gleicher Weise vorgegangen
werden.
Bei bakteriellen Kiemenschwellungen, abgespreizte Kiemendeckel, erhöhte Atemfrequenz, haben sich Bäder mit
Chloramin T, 5 g/m3 bis zu 60 min zweimal im Abstand von einer Woche bewährt.
Das Baden der Fische sollte in einem Plastebehälter erfolgen, der um die zu 2/3 aus dem Wasser gezogenen
Käfige gelegt wird.
Bei unbekannten, unklaren Krankheitserscheinungen müssen einige erkrankte, aber noch lebende Fische an die
Gesundheitsbehörden geschickt werden.
5. Besatz
Die Erzeugung einer für eine Bestandsstützung oder Bestandsvergrößerung bzw. im Falle der Darss-Zingster
Boddenkette für die Einführung bzw. Wiedereinbürgerung der Art adäquaten Anzahl Larven und Jungfische war
das Primärziel der verschiedenen Projekphasen.
Der Besatz mit Larven fand im Monat März statt. Sommerjuvenile wurden im Mai/Juni besetzt und
Herbstjuvenile im September/Oktober.
In der nachfolgenden Tabelle sind alle Besatzaktionen von 1993 bis 2000 mit den Besatzorten sowie den Längen
und Gewichten der Larven und Juvenilen aufgelistet.
Tabelle 1. Besatz der inneren Küstengewässer mit autochthonem Ostseeschnäpel (Coregonus lavaretus balticus)
seit 1992
A: Darß-Zingster Boddenkette
Jahr
Gebiet
Anzahl
Entw.stadium
1992
Saaler Bodden
41.000 Sommerjuv.
Saaler Bodden
2.000 Herbstjuv.
Länge
(cm)
Mittl.
Gewicht (g)
6-7
1,5-2,0
13-14
14,0-16,0
2-3
0,2
700.000 Larven
1,3
0,01
1995
Grabow
73.000 Juvenile
1996
Bodstedt. Bodd.
1997
Saaler Bodden
2.400.000 Larven
1,1
0,01
1998
Saaler Bodden
700.000 Larven
1,1-1,3
0,01
1999
Saaler Bodden /
Koppelstrom
800.000 Larven
1,1-1,3
0,01
2000
Saaler Bodden /
Koppelstrom
1.200.000 Larven
1,1-1,2
0,01
B: Peenstrom/Achterwasser
Jahr
Gebiet
1993
Peenestrom
Anzahl
Entw.stadium
Länge
(cm)
46.000 Sommerjuv.
Mittl.
Gewicht (g)
5
1,0
1994 wegen Eis im November/Dezember 1993 keine Laichgewinnung möglich,
daher kein Besatz
1995
Peenestrom
330.000 Juvenile
2-4
0,3
weiter Peenstrom/Achterwasser
Jahr
Gebiet
1996
Peenestrom
Peenestrom
1997
Peenestrom
Peenestrom
1998
Peenestrom
Peenestrom
1999
Peenestrom
(Rankwitz, Krienke,
Warthe)
Peenestrom
(Krienke)
2000
Peenestrom/Achterwasser (Krienke,
Warthe)
Peenestrom
(Rankwitz)
Anzahl
Entw.stadium
1.150.000 Larven
250.000 Juvenile
1.020.000 Larven
260.000 Juvenile
1.300.000 Larven
400.000 Juvenile
1.000.000 Larven
400.000 Juvenile
1.400.000 Larven
300.000 Juvenile
Länge
(cm)
Mittl.
Gewicht (g)
1,3
0,01
3-6
0,3
1,2
0,01
3-5
0,3-1,0
1,2
0,01
2-6
0,2-1,5
1,0 -1,2
0,01
2-6
0,2-1,5
1,0 -1,2
0,01
3-5
0,2- 1,0
C: Stettiner Haff
Jahr
1993
Gebiet
Anzahl
Entw.stadium
Kleines Haff
23.000 Sommerjuv.
Kleines Haff
10.600 Herbstjuv.
Länge
Mittl.
Gewicht (g)
(cm)
5
1,0
9,9
6,5
weiter Stettiner Haff
Jahr
Gebiet
1997
Kleines Haff
1998
Kleines Haff
1999
2000
Anzahl
Entw.stadium
50.000 Juvenile
Länge
(cm)
Mittl.
Gewicht (g)
4,5-5,5
1,0-1,2
250.000 Larven
1,6
0,02
Kleines Haff
100.000 Juvenile
3-5
0,3-1,0
Kleines Haff
100.000 Larven
1,0 -1,2
0,01
Kleines Haff
100.000 Juvenile
2-4
0,2-0,5
Kleines Haff
(Uekermünde)
300.000 Juvenile
2-4
0,2-0,4
6. Wertung des Besatzes
Der Erfolg der Besatzmaßnahmen ist in erster Linie an der Steigerung der Fangmengen abzulesen. In der
nachfolgenden Abbildung sind die Besatzzahlen sowie die Entwicklung der Fänge im Kleinen Haff (Stettiner
Haff) seit 1993 dargestellt.
Fang und Besatz Kl. Haff
Stück (´000)
kg
14000
12000
10000
8000
Fang (kg)
Besatz (´000)
6000
4000
2000
0
400
350
300
250
200
150
100
50
0
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Abbildung 6. Fangergebnisse (kg) und Besatz (´000 Stück), Ostseeschnäpel, Kleines Haff, 1993 bis 2000
Etwa drei Jahre nach dem intensiveren Besatz im Jahre 1997 begannen die Fänge deutlich zu steigen. Dies trifft
mit dem Alter des Eintritts in den Fang überein. Im Alter von drei Jahren erreichen die Ostseeschnäpel ein Länge
von ca. 40 cm und können somit angelandet werden (Mindestanlandegröße laut KÜFI Ordnung: 40 cm).
Vergleichbare Resultate sind auch im Großen Haff erzielt worden. Durch polnische Kollegen wurden seit 1995
Ostseeschnäpellarven besetzt (pers. Mitteilung Dr. Kuzminski). Auch in diesem Fall wurden drei Jahre später die
ersten Fänge erzielt.
Polnische Fänge Gr.Haff
Stück (´000)
kg
8000
1600
7000
Fang (kg)
1400
6000
Besatz (´000)
1200
5000
1000
4000
3000
800
600
2000
400
1000
200
0
0
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Abbildung 7. Fangergebnisse (kg) und Besatz (´000 Stück), Ostseeschnäpel, Großes Haff, (Polen), 1990 bis
2000
Das Gebiet Peenestrom/Achterwasser wurde seit 1996 intensiv besetzt. Daher traten die erhöhten Fänge bereits
im Jahre 1999 ein. Die im Vergleich zu den polnischen Besatzzahlen höheren Fangzahlen sind auf den
verstärkten Besatz mit Ostseeschnäpel Sommerjuvenilen zurückzuführen. Diese Jungfische mit einer Länge von
2 bis 6 cm haben gegenüber den Larven (Körperlänge 1 bis 1,2 cm) eine deutlich höhere Überlebensrate. Daher
ist ein Besatz sowohl mit Larven als auch mit vorgestreckten Ostseeschnäpeln (Sommerjuvenilen) einem
ausschließlichen Besatz mit Larven in jedem Fall vorzuziehen.
Die Netzkäfiganlage in Damerow am Jabler See bietet hierfür ideale Voraussetzungen. Die Aufzucht und der
Besatz mit Herbstjuvenilen ist aufgrund der hohen Verluste in den Sommermonaten nicht sinnvoll.
Wenn diese Zusammenhänge sich weiter bestätigen ist in den kommenden Jahren gleichfalls mit hohen Erträgen
an Ostseeschnäpel im Peenestrom /Achterwasser und im Stettiner Haff zu rechnen.
Fang und Besatz Peenestrom/Achterwasser
Stück (`000)
kg
30000
25000
Fang (kg)
Besatz (´000)
20000
15000
10000
5000
0
1800
1600
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Abbildung 8. Fangergebnisse (kg) und Besatz (´000 Stück), Ostseeschnäpel, Peenestrom/Achterwasser, 1993
bis 2000
Voraussetzung hierfür ist jedoch ein weiterer kontinuierlicher Besatz, zumindest in den nächsten drei Jahren.
Danach ist eine Reduzierung der Dauer der Laichschonzeit möglich. Die jetzige Laichschonzeit vom 1. Oktober
bis 30. November sollte danach auf den Zeitraum 01. bis 30. November verlegt werden, um eine optimale
Bewirtschaftung der Bestände zu ermöglichen.
Literatur
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a. Report of the third session of the Working Party on Stocking, Thonon,
France, 15-19 November, 1993. EIFAC Occassional Paper 28, 47 pp.
Anon. 1994. European Inland Fisheries Advisory Committee (EIFAC) 1994.
b. Guidelines for stocking coregonids. EIFAC Occassional Paper
31, 18 pp.
Berg L.S. 1958. System der rezenten und fossilen Fischarten und Fische.
Berlin: VEB deutscher Verlag der Wissenschaften.
Fricke R., Berghahn R., Rechlin O., Neudecker Th., Winkler H., Bast H.D. und
E. Hahlbeck 1998. Rote Liste der in Küstengewässern lebenden Rundmäuler und Fische (Cyclostomata
& Pisces).
Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz,
Bonn-Bad Godesberg 1998, H. 55, S. 060-064.
Heese T. 1987. Morphology of two plastic forms of whitefish (Coregonus lavaretus
(L.) occuring in the Pommeranian bay and Szczecin Lagoon.
Acta Ichthyologica et Piscatoria. Vol. XVII Fasc.1.
Jäger T., Scheffel H-J. und A. Hahn 1999. Der Nordsee-Schnäpel
Fisch des Jahres 1999.
Verband deutscher Sportfischer e.V., Siemensstraße 11-13, 63071 Offenbach.
Ladiges W. und D. Vogt 1979. Die Süßwasserfische Europas,
Paul Parey, Hamburg und Berlin, 1979, 2. Auflage.
Müller H. 1983. Fische Europas (1. Auflage),
Neumann Verlag, Leipzig, Radebeul, 1983.
Schulz N. 1999. Abschlussbericht Projekt Ostseeschnäpel. Ministerium für
Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei M V.
Thienemann A. 1937. Die Schlei und ihre Fischereiwirtschaft. Der Schleischnäpel
Coregonus lavaretus balticus"
Schr. Naturw. Ver. Schleswig-Holstein BD. XII:1, 189-208.
Winkler H., Hamann, N. und A. Waterstraat 1991.Rote Liste der gefährdeten
Rundmäuler, Süßwasser- und Wanderfischarten MecklenburgVorpommerns.
Umweltministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
(1. Fassung von 1991).
Abbildung 1. Ansicht der gefahrenen Profile am Beispiel des Pütter Sees
Pütter See
Gewässername:
Gewässernummer: 0169
Gewässerfläche (ha): 52.19
3.16
Uferlinie (km):
6.9
Maximaltiefe (m):
Volumen (Mio. m³): 1.19
Hypol. Fläche (ha): 5.64
13,0
Tiefenbezug (HN):
14.09.1999
Tiefenaufnahme:
1 : 8000
Maßstab:
2001
Kartenausgabe:
Kartenerstellung:
Fisch und Umwelt M-V e.V.
N
0
200
400
Maßstab 1 : 8000
600 Meter
Meßpunkte
Pütter See
Abbildung 2. Ansicht des Kartenlayouts am Beispiel des Pütter Sees
Gewässername:
Pütter See
Gewässernummer: 0169
Gewässerfläche (ha): 52.19
Uferlinie (km):
3.16
Maximaltiefe (m):
6.9
Volumen (Mio. m³): 1.19
Hypol. Fläche (ha): 5.64
Tiefenbezug (HN): 13,0
Tiefenaufnahme:
14.09.1999
Maßstab:
1 : 8000
Kartenausgabe:
2001
Kartenerstellung:
Fisch und Umwelt M-V e.V.
N
0
200
400
Maßstab 1 : 8000
600 Meter
Insel
0-1
1-2
2-3
3-4
4-5
5-6
6-7
Tiefenbereiche [m]
Tiefenkarte
Pütter See
Künstliche Unterwasserstrukturen in den Küstengewässern MecklenburgVorpommerns
T. Mohr und N. Schulz
Bisherige Arbeiten:
1995:
1996-1997:
1997-1998:
1998-2000:
Studie „Grenzen und Möglichkeiten künstlicher Riffe hinsichtlich
ihrer Auswirkungen auf die Fischerei in den Küstengewässern des Landes
Mecklenburg-Vorpommerns.“
Projekt „Planung und vorbereitende Untersuchungen für die
Errichtung eines künstlichen Riffs in den Küstengewässern
Mecklenburg-Vorpommerns.“
Erweiterung des Projektes „Künstliches Riff.“
Einsatz eines Telemetriemastes.
Einleitung:
Grundlegendes Ziel der Arbeiten ist, unter Berücksichtigung des Küsten- und Artenschutzes,
die fischereiliche Aufwertung von Gewässerabschnitten in Mecklenburg-Vorpommern. Mit
der Errichtung von künstlichen Strukturen sollen sich selbst regulierende Ökosysteme
geschaffen werden, die mit der Habitatverbesserung eine Erhöhung der Quantität und eine
stärkere Konzentration ökonomisch relevanter Fischarten nach sich ziehen.
Die fischereilichen Ressourcen der Ostsee zeigen trotz vieler fischereilicher
Managementmaßnahmen eine abnehmende Tendenz. Die Projekte zur künstlichen
Reproduktion der Dorschbestände, die insbesondere von Dänemark, Schweden aber auch der
Bundesrepublik Deutschland in den 90ger Jahren durchgeführt wurden, sind wegen
technologischer Unzulänglichkeiten aber auch aus Kostengründen eingestellt worden. Es ist
daher angeraten nach alternativen Möglichkeiten zur Stabilisierung der wichtigsten
Wirtschaftsfischbestände (z.B. Dorsch) zu suchen. Eine der in Frage kommenden Methoden
besteht in der Schaffung künstlicher Unterwasserhabitate (AAHT = Artificial Aquatic Habitat
Technology).
Durch die in der Studie angedachten und im Projekt bis Anfang 1997 durchgeführten
Aufbauarbeiten sowie den entsprechenden Untersuchungen und den letztendlich daraus
gezogenen Schlussfolgerungen kam es zu einer Konzentration der Arbeiten in Nienhagen.
Hier sollten, durch eine schrittweise Erweiterung der vorhandenen Strukturen in deren
unmittelbarer Umgebung, die Auswirkungen auf das Ökosystem beobachtet werden, um
nachfolgend eine Aussage über die fischereilichen Effekte in Abhängigkeit zur räumlichen
Ausdehnung dieser künstlichen Habitate treffen zu können.
Das Institut für Maritime Systeme und Strömungstechnik der Universität Rostock konnte für
die Realisierung einiger Teilaufgaben als Partner gewonnen werden. Ein dort bearbeitetes
Projekt befasste sich mit der Langzeit-Unterwasser-Videobeobachtung mittels
Datenfernübertragung. Die Basisstation (Neigungsmast) mit Telemetrietechnik konnte
einerseits ungestörte Langzeitaufnahmen von den künstlichen Strukturen liefern und
andererseits als Träger der Energiequellen für einen Elektrolyseversuch dienen.
Bewuchsuntersuchungen an den verschiedensten Substraten und Materialien sowie ein
fischereiliches Monitoring (Einsatz von Reusen gleicher Größe und Maschenweite) an den
künstlichen Strukturen, und in größerer Entfernung davon, dienten der Beurteilung der
Effizienz derartiger Strukturen.
Durchgeführte Arbeiten:
Das Fischereischutzgebiet vor Nienhagen wurde bereits ab 1987 für Untersuchungen zur
Forellen- und Miesmuschelzucht durch das damalige Institut für Hochseefischerei und
Fischverarbeitung Rostock genutzt.
Für
die
Muschelzucht
wurden
unterschiedliche
Konstruktionen
und
Verankerungssysteme eingesetzt. Durch die Verwendung von Grundgestellen (6 x 4 x
3,5m) mit eingebundenen Kollektoren sowie Langleinensystemen unter und an der
Wasseroberfläche mit 3 und 8 m langen Kollektoren wurde unbewußt an Vorstufen
künstlicher Riffe gearbeitet. Die exponierte Lage, starke Strömungen und ein sehr
fester Meeresboden (Mergel mit Geröllfeldern) erzwangen den Einsatz von Totankern.
Reste dieser Anlage konnten für das Versuchsriff genutzt werden.
Am 04.09.1996 erfolgte die Errichtung der ersten Riffsektion aus Betonelementen im
Fischereischutzgebiet vor Nienhagen. Die 20 Stück 1 m langen Betonröhren mit einem
Durchmesser von 40 cm und einer Wandstärke von 3,5 cm wurden in Reihen von 6, 5, 4,
3 und 2 Röhren übereinander gestapelt. Die erste Riffsektion wurde am 12. und
14.08.1997 durch drei weitere Sektionen aus insgesamt 43 Röhren gleicher Größe und 3
Sektionen aus ca. 70 Tonröhren mit einem Durchmesser von 20 cm erweitert. Acht
künstliche Seegraswiesen, die aus Polypropylenleine eingeknotet in einen mit Netztuch
bespannten Stahlrohrring mit 2 m Durchmesser bestehen, ergänzen die
Betonstrukturen. Die Polypropylenleinen (Schwimmleine) sind zum Teil aufgedreht, um
größere Flächen zu schaffen. Der Stahlrohrring hat drei 60 cm lange Standbeine und
bietet somit als Boden der Seegraswiese gleichzeitig einen großflächigen Unterstand.
Nach Abschluß dieser Arbeiten nahm das künstliche Riff bereits eine Fläche von rund
400 m2 ein.
Reede
10
20
6
F4
F3
Fischereischutzgebiet
F1
künstliches
Riff
F2
Stoltera
Elmenhorst
Nienhagen
10
Warnemünde
Breitling
Werft
Groß Klein
Überseehafen
6
Heiligendamm
Conventer
See
Rethwisch
Lichtenhagen
Abbildung 1. Ortslage des Fischereischutzgebiet vor Nienhagen mit künstlichem Riff
Im Februar 1998 waren die durch das Wasser- und Schiffahrtsamt Stralsund in Auftrag
gegebenen Arbeiten zur Beräumung der Mittelmole Rostock/Warnemünde soweit
vorangeschritten, daß die Zusage zum Ausbringen einer natürlichen Steinschüttung realisiert
werden konnte. Vom 23. bis zum 25.02.1998 wurden 5 Einsätze mit dem Steinstürzer
„Berghaus“ gefahren. Dabei wurden ca. 2000 t Baggergut bestehend aus einem geschätzten
Anteil von 80% Gesteinsmaterial und 20% Aushub verklappt. Der Aushub wiederum setzte
sich aus Sand, Mergel und einem verschwindend geringen Anteil an Bruchbeton mit
Bewehrung zusammen. Dank der präzisen Arbeit der Besatzung der „Berghaus“ wurde eine
kompakte Schüttung mit einer Erhöhung von 1,5 m über dem Meeresboden ausgebracht, was
bei einer späteren Vermessung bestätigt und kartiert wurde.
Am 24.03.1998 wurde erstmals mit Hilfe des Tonnenlegers „Bug“ der Neigungsmast des
Instituts für Maritime Systeme und Strömungstechnik südlich der natürlichen Steinschüttung
und westlich der Strukturen aus Beton und Seegraswiesen, in unmittelbarer Nähe des
künstlichen Riffes, gesetzt. Der GFK Mast ist ca. 16 m lang, hat einen Durchmesser von ca.
50 cm und ist über ein Kreuzgelenk mit einem 3 t Sauganker aus Stahlguß verbunden. Am
etwa 4 m über der Wasseroberfläche liegenden Mastende befindet sich eine Arbeitsbühne mit
den notwendigen Seezeichen und Beschriftungen. Zum Juli waren alle für dieses Projekt
notwendigen Installationen am Mast abgeschlossen. Das heißt, neben der Richtantenne, der
Unterwasserkamera und der dazugehörigen Energiequelle wurden vier Solarzellen mit einer
maximalen Gesamtleistung von 120 W und ein Windgenerator mit einer Maximalleistung von
450 W montiert.
Mit dem Ausbringen einer Großalgenimitation, bestehend aus ca. 3 bis 4 m über den
Meeresboden aufragenden Kollektoren aus Leinenmaterial, wurde am 17.08. die
Rifferweiterung für 1998 abgeschlossen. Alle diese Materialien bilden ein lockeres Ensemble
künstlicher Unterwasserstrukturen von ca. 1 ha Größe. Die räumliche Anordnung ist in Abb. 2
dargestellt.
Natürliche Gesteinsschüttung
Telemetriemast
künstliche
Großalgen
Ankerstein
Vergleichsmodule
künstliche
Seegraswiese
Elektrolysemodule
Festmacher
kleine
Tonröhren
20 m
große
Betonröhren
N
Abbildung 2. Schematische Darstellung der Anordnung der künstlichen Strukturen vor Nienhagen
Mitte 1999 hat Fisch und Umwelt M-V e.V. beim Ministerium für Ernährung ,
Landwirtschaft, Forsten und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern ein Antrag zur Gewährung
von Zuschüssen für das Großprojekt „Unterwasserhabitate Nienhagen“ mit einer 3jährigen
Mindestlaufzeit gestellt. Da bis zum heutigen Zeitpunkt noch keine Entscheidung getroffen
wurde, ist der Mast in den Jahren 1999 und 2000 auf Eigeninitiative des Instituts für Maritime
Systeme und Strömungstechnik und des Vereins Fisch und Umwelt MecklenburgVorpommern eingesetzt worden.
Monitoring und Bewuchsuntersuchungen:
Mit den seit 1996 vorliegenden Videoaufnahmen des Fischereischutzgebietes vor Nienhagen
und der dazugehörigen graphischen Schnittdarstellung war es bereits möglich sich einen
Gesamtüberblick über die Unterwasserlandschaft des Gebietes zu verschaffen. Die
Installation der stationären Kamera an den künstlichen Strukturen erbrachte eine neue Qualität
der Untersuchungen, vor allem in Hinsicht auf die Einschätzung der fischereilichen
Wertigkeit der Habitate. Ohne die störenden Einflüsse durch Schiffsgeräusche und
Tauchereinsätze wurden über längere Zeiträume am Riff patrouillierende Dorschschwärme
bildlich festgehalten. Bei den Tauchgängen konnten bis dato nur vereinzelte kleinere
Exemplare beobachtet werden.
Alle Videobänder sind bei der Universität Rostock archiviert.
Aus Gründen des Natur- und Küstenschutz sowie materiell-technischen Gegebenheiten ist bei
der Auswahl der Materialien auf Hartsubstrate wie Beton, Kalkstrukturen (Elektrolyse),
Naturstein (Granit), Stahl und Ton sowie Leinen und Netztuch aus Polyamid oder
Polypropylen zurückgegriffen worden. Dabei mußte auch eine mögliche Beräumung des
Gebietes mit Ende der Maßnahme bedacht werden. Ein gesondert laufendes ElektrolyseVersuchprojekt unter der Leitung von Kooperationspartnern konnte nicht erfolgreich
abgeschlossen werden. Das in dieses Projekt eingebundene Monitoringsprogramm beinhaltete
die Untersuchung der Ansiedlung von Zoo- und Phytobenthos und von Großalgen an den o.g.
Materialien. Bildlich festgehalten wurden die Resultate durch Video- und Photoaufnahmen.
Der Versuch zur Ansiedlung von Algenkulturen war ebenfalls nicht erfolgreich. Dazu wurden
aus anderen Gebieten stammende Rot- und Braunalgen mit Draht auf Hartstrukturen befestigt.
Nach einem Monat fehlten die Rotalgen und die Gesamtzahl der Algen nahm bis zur
Beendigung des Monitoring-Programmes langsam ab, wobei der Zustand der Verbliebenen
mit „schlecht“ einzuschätzen war.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die am Standort Nienhagen/Ostsee zu
erwartende Bewuchsgemeinschaft, mit der Miesmuschel als dominierende Art, einstellte. Die
Abfolge der Besiedlung hängt wesentlich vom Larvenangebot und damit vom Zeitpunkt der
Auslagerung der Vergleichssubstrate ab. Beton, Ton (glasiert oder unglasiert) und Stein
werden offensichtlich schlechter und damit später als Siedlungsplatz angenommen als netzbzw. gitterartige Strukturen.
Fischereiliche Untersuchungen:
Bei den fischereilichen Untersuchungen wurden Aalketten, Aalkörbe, Jungfischreusen, und
Stellnetze eingesetzt. Die Jungfischreusen bestehen aus zwei 8 m langen sechskehligen
Seitenkörben, die durch ein 6 m langes Leitwehr miteinander verbunden sind. Die Bügelhöhe
und -breite der Seitenkorböffnungen beträgt 1 m. Für vergleichende Untersuchungen wurde
eine Reuse in unmittelbarer Nähe der Betonröhren (Nah) und eine Reuse etwa 100 m entfernt
(Fern) plaziert. Die Reusen wurden im Abstand von einer Woche besehen. Die
Untersuchungen erstreckten sich über den Zeitraum vom 14.09.1998 bis zum 05.10.1998, in
dessen Verlauf die Reusen drei mal kontrolliert wurden.
Die fischereiliche Wertigkeit dieses Unterwasserhabitates kann nach dem Auftreten der
Wirtschaftsfische eingeschätzt werden. Die geringe Anzahl der Fangtage, nur jeweils eine
Reuse wurde eingesetzt, läßt keine statistisch abgesicherten Aussagen zu den Abundanzen zu.
Es scheint jedoch so, dass der riffnahe Standort höhere Einheitsfänge aufweist, als der
riffferne.
Tabelle 1. Artenzusammensetzung bei den Reusenfängen
Nah
Fern
Dorsch Gadus morhua
Europäischer Aal Anguilla anguilla
Schwimmgrundel Gobius flavescens
Sandgrundel Pomatoschistus minutus
Dorsch Gadus morhua
Europäischer Aal Anguilla anguilla
Schwimmgrundel Gobius flavescens
Sandgrundel Pomatoschistus minutus
Kliesche Limanda limanda
Vierbärtelige
Seequappe
cimbrius
Schwarzgrundel Gobius niger
Scholle Pleuronectes platessa
Kliesche Limanda limanda
Onos
Seeskorpion Myxocephalus scorpius
Klippenbarsch Ctenolabrus rupestris
Froschdorsch Raniceps raninus
Ostseegarnele Palaemon squilla (L.)
Strandkrabbe Carcinus maenas
Gemeiner Seestern Asterias rubens
Strandkrabbe Carcinus maenas
Idothea spec. (Isopoda, Asseln)
Gemeiner Seestern Asterias rubens
Miesmuschel Mytilus edulis
Gemeiner
rubrum
Horntang
Ceramium Gemeiner
rubrum
Horntang
Ceramium
Von den Wirtschaftsfischen wurden gefangen: Dorsch Gadus morhua, Europäischer Aal
Anguilla anguilla, Scholle Pleuronectes platessa und Kliesche Limanda limanda.
Überraschend ist die hohe Zahl der Aale und der Gobiiden in den Reusen am Standort Riff
Nienhagen. Die Schwimmgrundel ist die häufigste Grundelart am Riff. Gobiiden sind eine
bevorzugte Nahrungsart der Dorsche. Bis zu 15 % der Nahrungsorganismen der Dorsche bis
34 cm sind Gobiiden (Schulz, 1989). Damit ist die Nahrungsgrundlage für Jungdorsche am
Riff vorhanden. In den Tabellen 2 und 3 sind die Längenbereiche der beiden Hauptfischarten
Dorsch und Aal dargestellt. Die zwei Fänge des Froschdorsches Raniceps raninus (L.), dessen
östlichste Verbreitungsgrenze die Beltsee darstellt, weisen auf die hohe ökologische
Akzeptanz der Habitate hin.
Tabelle 2. Längenbereiche der Fischart Dorsch
Fischart
Datum
Dorsch
Riff-Nah
Länge (cm)
21.09.98
28.09.98
05.10.98
Gesamt
19-60
11-44
16-40
11-60
Stückzahl
(n)
13
3
11
27
Riff-Fern
Länge (cm)
7-45
11-47
11-49
7-49
Stückzahl
(n)
10
8
7
25
Tabelle 3. Längenbereiche der Fischart Aal
Fischart
Datum
Aal
Riff-Nah
Länge (cm)
21.09.98
28.09.98
05.10.98
Gesamt
33-58
26-55
36-50
26-58
Stückzahl
(n)
10
6
5
21
Riff-Fern
Länge (cm)
33-63
32-34
32-63
Stückzahl
(n)
12
0
2
14
Nutzungsmöglichkeiten künstlicher Unterwasserhabitate und ihre ökologi-schen Effekte
auf die marine Umwelt:
1.Fischereiliche Nutzung und Wertigkeit
• Konzentration von Wirtschaftsfischen zum Zweck einer gezielten und effektiven
Bewirtschaftung
• Schutz vor invasiven insbesondere die Benthostiergemeinschaften schädigenden
Fischereitechniken
• Erhöhung der Artenvielfalt durch das Angebot eines attraktiven Habitats
• Schaffung künstlicher Laich- und Nahrungsplätze für Wirtschaftsfische
• Bereitstellung von Unterschlupfräumen für juvenile Fische als Schutz vor Räubern
• Erprobung und Nutzung spezifischer auf Riffstandorte abgestimmte Fischereitechniken mit
der Möglichkeit des Einsatzes einer räumlich eingegrenzten kontrollierten Fischerei mit
passiven Fangmethoden
• Untersuchung inter- und intraspezifischer Beziehungen der Fischbestände
• Modifizierung von methodischen Ansätzen zum Bestandsassessment
• Untersuchung bzw. Minderung des Einflusses von Aquakulturanlagen auf die marine
Umwelt
2. Touristische Nutzung und Wertigkeit
• Gezielte Entwicklung eines attraktiven aber kontrollierten Angeltourismus in diesem
Gebiet
• Nutzung eines Teils solcher Riffe zur Entwicklung eines „Unterwassergartens“ für
tauchtouristische Aktivitäten
3. Allgemeiner Nutzen und Kooperation mit anderen Wissenschaftsbereichen
• Reparatur einer defekten natürlichen Umwelt durch Bereitstellung künstlicher Substrate
zur Wiederbesiedlung durch sessile Organismen wie Muscheln, Seepocken etc.
• Durchführung angewandter ökologischer Experimente zur Untersuchung inter- und
intraspezifischer Beziehungen mariner Organismen in Kooperation mit anderen
Forschungseinrichtungen
• Untersuchung von Bioerosionseffekten an Hartsubstraten (auch CaCO3) durch bohrende
und faulende Organismen
• Verbesserung der Wasserqualität durch Ansiedlung von filtrierenden Organismen auf den
Hartsubstraten eines „künstlichen Riffes“ (Stichworte: Biofiltration und Biosedimentation)
• Erhöhung der Artenvielfalt mariner Organismen durch Schaffung adäquater Lebensräume
Erfordernisse für Konstruktion und Einbringung:
•
•
Verwendung von inerten Materialien, die eine Verschmutzung des Wassers durch Abgabe
von gefährlichen Inhaltsstoffen infolge physikalischer oder chemischer Verwitterung
ausschließen lassen
Keine Verwendung von Material, dessen Beseitigung im Meer verboten ist
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Alle Materialien müssen an Land gefertigt werden (kein Gießen von Betonteilen im Meer)
Das Material muss den zu erwartenden physikalischen Beanspruchungen standhalten
Eine Verdriftung der eingebrachten Materialien muss ausgeschlossen werden können
Eine spätere Entnahme der Strukturen muss im Bedarfsfall gewährleistet sein
Die räumliche Ausdehnung muss in vernünftiger Relation zu den erwarteten Vorteilen
stehen (keine unnötige Nutzung von Naturräumen)
Die Ortswahl hat so zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der Schifffahrt ausgeschlossen
werden können
Alle durch ein solches Projekt betroffenen Organisationen sollten vorab von den Zielen
und Zwecken eines solchen Bauwerkes unterrichtet werden
Gebiete von wissenschaftlicher oder biologischer Bedeutung, z. B. geschützte Gebiete
nach Council Directive 92/43/EEC und 79/409/EEC sollten nicht genutzt werden
Notwendig sind Kurz- Mittel- und Langzeit Monitoringprogramme, sowie begleitende
wissenschaftliche Untersuchungen
Materialien und Strukturen:
Seegraswiese
Telemetriemast
Netz (vertikal)
Großalgen
Tetrapodenatoll 6t
Tetrapodenschüttung 2t
Netz (horizontal)
Tetrapode 6t
Reefball
Abbildung 3. Darstellung der Strukturen eines künftigen Großriffes vor Nienhagen
Tabelle 4. Übersicht über die verwendeten bzw. neue Riffbaumaterialien
Naturstein
Bei der Errichtung der Steinschüttungen in Lohme
wurden
ausschließlich
Granitsteine
mit
unterschiedlicher Größe verwendet. Dabei musste
festgestellt werden, dass die Schüttung mit gröberem
Granit eindeutig mehr Unterschupfmöglichkeiten für
marine Organismen und auch Kleinfische bot. Die
Schüttung mit feinerem Material war für unsere
Zwecke zu kompakt. Insgesamt wies der Granitstein
am dortigen Standort einen geringen Bewuchs auf.
Die Natursteinschüttung vor Nienhagen war nach
einem Jahr bezüglich ihres Bewuchses nicht mehr
von der Umgebung zu unterscheiden.
Stahl
Beton
Ton
Stahl dient lediglich als Rahmenkonstruktion für die
künstlichen
Seegraswiesen
und
ist
mit
Rostschutzfarbe behandelt. Die Erfahrungen mit
Miesmuschelgrundgestellen aus den 80er Jahren
lassen eine Einsatzdauer von ca. 3 Jahren zu, was
auch nachgewiesen werden konnte.
Die vor Nienhagen verwendeten Betonrohre sind
unbehandelt ausgebracht worden. Es handelt sich
hierbei um Rohre, die für Abwasser- und
Meliorationsleitungen in der ehemaligen DDR
verwendet wurden. Die Rohre kamen nie zu ihrem
ursprünglichen Einsatz und sind somit mindestens 6
Jahre vor ihrer jetzigen Verwendung hergestellt und
im Freien gelagert worden. Der Beton wurde
seinerzeit
nicht
auf
seine
chemische
Zusammensetzung untersucht. Um bestmögliche
Voraussetzungen für den Bewuchs zu schaffen,
sollten Hartsubstrate einen neutralen bis leicht
basischen pH-Wert (7,0 bis 8,5) aufweisen. Die im
Frühjahr 1996 ausgebrachten Rohre der ersten
Riffsektion wiesen bis zum Jahresende ’96 einen
bedeutend höheren Besiedlungsgrad als die im
Sommer ’97 ausgebrachten Rohre auf. Über die
gesamte Einsatzzeit konnte aber festgestellt werden,
dass sich der Bewuchs mit seiner Intensität in einer
jährlichen Folge wiederholt und nach längerem
Einsatz keine Unterschiede zwischen den zu
unterschiedlichen
Jahreszeiten
und
Jahren
ausgebrachten Elementen besteht.
Die Tonrohre sind im Herbst 1997 ausgebracht
worden. Sie waren ebenfalls für den Einsatz als
Abwasser- und Meliorationsleitungen in der
ehemaligen DDR bestimmt. Sie haben eine härtere
und glattere Oberfläche als die Betonrohre und sind
zum Teil mit einer Glasur überzogen. Es war eine
geringere Besiedlung als bei den zur gleichen Zeit
ausgebrachten Betonelementen zu verzeichnen,
wobei die Tonröhren hauptsächlich von Seepocken
besiedelt wurden.
Netztuch
Für den Bau der künstlichen Seegraswiesen wurde
Netztuch aus Polyamid und Leinenmaterial aus
und Leinen
Polypropylen verwendet. Beide Materialien wurden
vor allem durch die Miesmuschel besiedelt. Die
durch ihren Auftrieb ursprünglich stehenden
Leinenenden legten sich durch die Muschelmasse
auf das Netztuch oder hingen am Rahmen herunter
und schufen somit
größere Höhlen. Zum Teil richteten sich die Leinen,
nachdem sie durch Seesterne von ihrer
Miesmuschellast befreit worden waren, wieder auf.
Zusammenfassung:
Die Errichtung künstlicher Habitate im Küstenabschnitt vor Nienhagen in MecklenburgVorpommern brachte folgende Ergebnisse:
1. Die künstlichen Habitate haben eine deutliche Abundanzerhöhung an Organismen zur
Folge.
2. Für Fische ist die Materialwahl nicht unbedingt entscheidend. Wichtiger ist die Schaffung
von abrupt über den Meeresboden aufragenden Strukturen, die Strömungsschattenzonen,
Unterstände und Schutzräume vor Räubern schaffen.
3. Für ein biologisches Gleichgewicht ist die Besiedlung entscheidend. Dabei wurde
festgestellt, daß sich die Miesmuschel als dominierende Art bevorzugt auf Netztuch
ansiedelt. Offensichtlich hat der Seestern als natürlicher Hauptfeind der Miesmuschel auf
dem Netztuch oder Leinenmaterial schlechtere Angriffspunkte als auf großflächigem
Untergrund wie z.B. auf den Betonröhren. Der Beton wiederum wird durch die rauhere
Oberfläche besser besiedelt als Ton (glasiert oder unglasiert) und Naturstein.
4. Die Natursteinschüttung mit 20% Aushub gestaltet sich als sanfte Erhebung, die nur an
großen Einzelexemplaren oder vereinzelten zufällig beieinander liegenden Steinen als
Schutzräume durch Fische und Evertebraten angenommen wurde. Durch den schleppenden
Oberflächenbewuchs
auf
Naturstein
und
der
sich
erst
entwickelnden
Benthostiergemeinschaft fehlt in der Anfangszeit die erhöhte Nahrungsgrundlage für
Fische.
5. Mit der Absicht der Verbesserung der
fischereilichen Wertigkeit eines
Gewässerabschnittes ist die Erhöhung der Attraktivität dieses Gebietes für die touristische
Nutzung (Angel- und Tauchsport) eng verbunden. Die künstlichen Strukturen locken
bereits jetzt zu Tauch- und Fischgängen was eine Vielzahl von Angelgeschirr (Blinker)
und Stellnetzen belegen. Es ist notwendig massive und stabile Strukturen mit einer
möglichst hohen Lebensdauer zu errichten. Darum werden Betonstrukturen als
Hauptgestaltungselemente gekoppelt mit flexiblen Strukturen aus Kunstfasern favorisiert.
6. Mittels
Unterwasservideokameras
und
Auswerteprogrammen
könnte
eine
Größenklassifizierung, Stückzahlermittlung und Alterstruktur der Bestände der
Wirtschaftsfische, wie insbesondere des Dorsches, am Riff ermöglicht werden. Über
Zeitreihen
von
mindestens
fünf
Jahren
kann
die
Veränderung
der
Bestandszusammensetzung in Größe und Abundanz zur Ermittlung von Indizes für die
tatsächliche Bestandszusammensetzung im Seegebiet herangezogen werden.
Möglicherweise lassen sich so kosten- und zeitintensive Jungfischsurveys minimieren. Die
fischereilichen Vergleiche mit den Jungfischreusen sollten durch Untersuchungen zur
Fängigkeit von passiven Fanggeräten erweitert werden.
7. Mit Langzeituntersuchungen an künstlichen Strukturen können Aussagen für gezielte
fischereiliche Ausgleichsmaßnahmen in der Ostsee (z.B. für die Wiederbesiedlung von
Baggerschüttstellen) getätigt werden.
Literatur:
Fisch und Umwelt M-V e.V. 1998. Abschlußbericht zum Thema: Planung und
vorbereitende Untersuchungen für die Errichtung eines künstlichen Riffes
in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns
Bioplan GmbH und Fisch und Umwelt M-V e.V. 1998. Bericht zum technischbiologischen Monitoring, Versuche zum elektrolytischen Aufbau
künstlicher Riffstrukturen vor Nienhagen
Schulz N. 1989. Untersuchungen zur täglichen Nahrungsaufnahme (Tagesration)
des Dorsches der westlichen Ostsee.
Fischerei-Forschung, Rostock 27 (1989) 2
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