1 Gemeinsam vor Gott 29.11. 1 29.11.2005, 15:03 Uhr 2 Gemeinsam vor Gott 29.11. 2 29.11.2005, 15:03 Uhr Herausgegeben von Martin Bauschke Walter Homolka Rabeya Müller Gemeinsam vor Gott Gebete aus Judentum, Christentum und Islam Gütersloher Verlagshaus 3 Gemeinsam vor Gott 29.11. 3 29.11.2005, 15:03 Uhr Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar. Die Schreibung der Texte richtet sich nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung, soweit dem nicht künstlerische Gründe und Wünsche der Verfasser bzw. Rechtsinhaber entgegenstanden. Bei den islamischen Gebeten wurde die Großschreibung der Gottesanrede und der Gottespronomina beibehalten. 2. Auflage, 2006 Copyright © 2004 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Init GmbH, Bielefeld Satz: Katja Rediske, Landesbergen Druck und Bindung: Těšínská Tiskárna AG, Český Těšín Printed in Czech Republic ISBN-13: 978-3-579-05543-5 ISBN-10: 3-579-05543-7 www.gtvh.de 4 Gemeinsam vor Gott 29.11. 4 29.11.2005, 15:03 Uhr Inhalt Vorwort ............................................................................. Einleitung ......................................................................... 6 9 Gebete Lobpreis und Dank ............................................................ Bitte und Fürbitte .............................................................. Mahlgemeinschaft ............................................................. Durch den Tag und das Jahr ................................................ Schöpfung ......................................................................... Freundschaft und Liebe ..................................................... Kinder und Schule ............................................................. Frieden und Versöhnung .................................................... Schuld und Vergebung ....................................................... In Not und Gefahr .............................................................. Krankheit, Klage, Trauer und Tod ........................................ Auf allen Wegen ................................................................. 22 43 59 64 76 85 88 93 115 126 136 146 Quellennachweis ............................................................... 154 Literaturverzeichnis .......................................................... 158 5 Gemeinsam vor Gott 29.11. 5 29.11.2005, 15:03 Uhr Vorwort Für Juden, Christen und Muslime sind der Glaube an den einen Gott und das Gebet zu Gott gleichermaßen von herausragender Bedeutung. Die immer zahlreicheren und vielfältigeren trilateralen Begegnungen wecken verstärkt die Sehnsucht, im Rahmen gemeinsamer gottesdienstlicher Feiern auch miteinander zu beten. Für derlei Anlässe bietet das vorliegende Gebetbuch denen, die sich im Dialog gerade dieser drei Religionen engagieren, eine breite Auswahl von Texten. Es eignet sich besonders für Gruppen, die gemeinsame Gebetsfeiern vorbereiten und veranstalten möchten. Das Buch möchte allen Formen gegenwärtiger Begegnung im Gebet dienen: dem »Nebeneinander-Beten«, dem »Miteinander-Beten« und der Kombination beider Formen. Es enthält also sowohl solche Gebete aus dem jüdischen, christlichen und muslimischen Gebetsschatz, die eher für getrenntes Beten geeignet scheinen, als auch Vorschläge für Gebete, die nach der Einschätzung der Herausgeber von Angehörigen aus allen drei Religionen gemeinsam gesprochen werden können. Dieses Buch enthält als reine Gebetssammlung weder Vorschläge für den liturgischen Verlauf von Gebetsfeiern noch solche Gebete, die primär auf exklusive liturgische Anlässe der jeweiligen Religion bezogen sind (z.B. Gebete zur Feier des Schabbat, des Abendmahls oder des Geburtstages Muhammads). Es enthält auch keine Auswahl von Texten aus der Bibel und dem Koran für Schriftlesungen. Ebensowenig bietet es eine Dokumentation von Texten gegenseitiger Wertschätzung der drei Religionen aus ihrer jeweiligen theologischen Tradition. Vielmehr beschränkt sich diese Ausgabe darauf, ein spirituelles Buch zu sein, eine Quelle gleichsam, aus der geschöpft werden kann für das gemeinsame Beten von Juden, Christen und Muslimen in welcher Form auch immer. Das Bereitstellen dieser Gebete geschieht nicht in dokumentarischer oder religions6 Gemeinsam vor Gott 29.11. 6 29.11.2005, 15:03 Uhr vergleichender Absicht. Die Sammlung möchte unmittelbar zum gemeinsamen Beten einladen. Sie ist also in ihrer Auswahl grundsätzlich so angelegt, dass die Angehörigen der jeweils anderen beiden Religionen mitbeten können, sofern sie das möchten. In dieser Form und Intention ist die vorliegende Sammlung etwas Neues. Die Auswahl der Gebete ist sowohl thematisch als auch religionsspezifisch angelegt. Es ist eine Grunderfahrung, die Juden, Christen und Muslime teilen: der eine, ihnen gemeinsame Gott ist in jeder Lage des Lebens und auch noch angesichts des Todes ansprechbar: durch Lobpreis und Dank, Bitte und Fürbitte, in Zeiten der Klage, Krankheit und Trauer oder auch in Augenblicken höchster Not. Zentrale Themen sind weiterhin: die Schöpfung, der Frieden und die Versöhnung der Völker und Religionen, die Zeiten des Tages und der Jahreswechsel. Auch spezifische Gebete für Liebende, für Kinder und Schule, Soldaten und für die Tischgemeinschaft wurden aufgenommen. Die Auswahl der jüdischen Gebete stützt sich auf die Jüdische Liturgie als Pflichtgebet. So gibt es im Judentum wenig frei formulierte liturgische Texte. Dennoch sind im reichen Schatz der jüdischen Tradition viele Gebete zu finden, die von allen Menschen gesprochen werden können, die an den einen Gott glauben. Bei der Auswahl wurden deutliche und direkte Bezüge auf das Volk Israel und die Erzväter und Erzmütter vermieden, um der Universalität das Vorrecht zu geben. Der Auswahl liegt »Das jüdische Gebetbuch« zugrunde, herausgegeben von J. Magonet und W. Homolka, das der Übertragung von Annette M. Böckler ins Deutsche sehr viel verdankt. Ihr Sprachgefühl hat wesentlichen Anteil am Ausdruck der jüdischen Textteile dieses Bandes. Bei der Auswahl der christlichen Gebete war maßgebend, im Geist der Ökumene vor allem die beiden großen kirchlichen Konfessionen dieses Landes zu berücksichtigen; sowohl etablierte Texte aus offiziellen Publikationen der Kirchen (wie die üblichen Gesangbücher) wie auch individuelle Gebete von Christen, gewissermaßen des »Kirchenvolkes«, auszuwählen; sowohl ältere als auch zeitgenössi7 Gemeinsam vor Gott 29.11. 7 29.11.2005, 15:03 Uhr sche Gebete, Letztere zum Teil auch aus dem Internet (z.B. Amenonline), zu berücksichtigen; schließlich darauf zu achten, dass auch Gebete von Frauen dabei sind. Da möglichst alle Gebete für die abrahamischen Schwestern und Brüder mitbetbar sein sollten, wurde auf trinitarisch strukturierte Gebete (an Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist) ebenso verzichtet wie auf Gebete an (den Herrn) Jesus. Es wurden lediglich solche Gebete ausgewählt, die im Geiste und nach dem Vorbild des Vaterunsers Jesu unmissverständlich für alle Beteiligten an den einen Gott gerichtet sind. Christliches Beten ist historisch älter und empirisch vielfältiger als trinitarisches Beten. Die Auswahl der muslimischen Gebete ist gleichfalls um Ausgewogenheit bemüht. Die wichtigsten Quellen sind der Koran und die islamische Tradition, wobei auch schiitische und mystische Beter und Beterinnen zu Wort kommen. Die deutsche Übersetzung stammt, wenn nicht anders angegeben, von Frau Rabeya Müller. Verdienstvoll ist bei dieser Auswahl insbesondere, dass sie als Mitherausgeberin auch etliche eigene Gebete beigesteuert hat. Damit wird auf eine persönliche Art dokumentiert, dass muslimisches Beten mehr ist als allein das ritualisierte tägliche Pflichtgebet. Innovativ ist die vorliegende Sammlung vor allen Dingen insofern, als wir eine große Anzahl solcher Gebete aufgenommen haben, die sich nach unserer Einschätzung besonders für das gemeinsame oder gleichzeitige Beten von Juden, Christen und Muslimen eignen. Diese Gebete sind mit den Symbolen aller drei Religionen gekennzeichnet. Dabei handelt es sich sowohl um Texte, die in interreligiösen Gebetsfeiern bereits erprobt wurden (für Quellenangaben und Nachweise verweisen wir auf den Anhang), als auch um Gebete, die wir genau für diesen Zweck ausgewählt oder zum Teil auch selber verfasst haben. Wir hoffen, dass durch diese Gebetssammlung die vielfachen Begegnungen von Juden, Christen und Muslimen bereichert und vertieft werden. Berlin/Köln, im Juni 2004 Die Herausgeber 8 Gemeinsam vor Gott 29.11. 8 29.11.2005, 15:03 Uhr Einleitung Ein »abrahamisches Gebetbuch« als gemeinsame Sammlung von Gebetstexten für Juden, Christen und Muslime zu veröffentlichen bedeutet, spirituelles Neuland zu betreten. Bedeutet, in einer besonderen und in dieser Weise bisher einmaligen Form einem in den letzten Jahren immer stärker gewordenen Bedürfnis von Männern und Frauen aus diesen drei Religionen nach Gemeinsamkeit vor Gott im Gebet Rechnung zu tragen. Für manche Zeitgenossen mag diese Sehnsucht nach Gemeinsamkeit vor Gott im Gebet gerade von Juden, Christen und Muslimen überraschend sein. Die Anhänger dieser drei Religionen machen auf den ersten Blick – blickt man in die täglichen Fernsehund Zeitungsberichte – vielfach in fanatisierter Erscheinungsform von sich reden und bestätigen das bei vielen tief verwurzelte Gefühl, dass Religionen alles andere seien als Quellen des Friedens oder der Eintracht. Im Gegenteil hätten gerade Judentum, Christentum und Islam als die sog. »prophetischen« bzw. »monotheistischen Religionen« eine besondere Neigung zur Unduldsamkeit und zu allein seligmachenden Absolutheitsansprüchen an den Tag gelegt. Immer ist es jedoch ratsam, einen zweiten Blick zu riskieren. Dann vermag erkennbar zu werden, nicht nur, dass jede Religion zwei Gesichter hat, sondern auch, dass Religionen sich als lern- und entwicklungsfähig erweisen. In jeder Religion gibt es zu allen Zeiten auch solche Menschen, die Andersglaubenden gegenüber offen und tolerant begegnen. Nach 1945 wurde eine interreligiöse Begegnungskultur langsam, aber nachhaltig auch in Deutschland heimisch. Dies geschah weitgehend in Gestalt von bilateralen Beziehungen. In den ersten Jahrzehnten war dies vor allem der jüdischchristliche Dialog, der zur Bildung von 80 lokalen »Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit« und der alljährlich im 9 Gemeinsam vor Gott 29.11. 9 29.11.2005, 15:03 Uhr März stattfindenden sog. »Woche der Brüderlichkeit« geführt hat. Seit den 80er Jahren etablierte sich parallel dazu ein bilateraler christlich-muslimischer Dialog, der zur Gründung von »ChristlichIslamischen Gesellschaften« geführt hat und weiterhin führt.1 Ein diesen Entwicklungen gegenüber relativ neues Phänomen ist die Ergänzung – nicht Ersetzung! – dieser bilateralen Beziehungen durch den sog. »Trialog« seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit dem weithin eingebürgerten Begriff des »Trialogs« ist in verkürzter Ausdrucksweise der trilaterale Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen auf den verschiedensten Ebenen und in den unterschiedlichsten Formen gemeint. Längst hat auch der Trialog begonnen, sich zu institutionalisieren. Eine Vielzahl von Einrichtungen, eine Fülle einzelner spontaner wie auch regelmäßiger Aktivitäten ist nunmehr auf diesem Gebiet zu beobachten.2 Dieser praktizierte Trialog hierzulande bildet gleichsam den Nährboden wie den konkreten »Sitz im Leben« auch für gemeinsame Gebetsfeiern. Deshalb sollen an dieser Stelle zunächst einige exemplarische Initiativen und Entwicklungen des trilateralen Dialogs in Deutschland beschrieben werden, ehe im engeren Sinne der Frage nach dem gemeinsamen Beten von Juden, Christen und Muslimen nachgegangen wird. Eine trilaterale Kultur der Begegnung breitet sich immer weiter aus. Kaum übersehbar ist die Zahl der Einrichtungen, die damit ex1. Theologisch reflektiert wurden diese bilateralen Begegnungskulturen auf Seiten der Ev. Kirche v.a. in den drei Studien der EKD »Christen und Juden« (1975, 1991, 2000) und in der Handreichung der EKD »Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland« (2000) sowie auf Seiten der Kath. Kirche (abgesehen von den Konzilsäußerungen) v.a. in der »Erklärung über das Verhältnis der Kirche zum Judentum« (1980) der Deutschen Bischofskonferenz sowie in deren beiden Arbeitshilfen »Christen und Muslime in Deutschland« (1993, 2003). 2. Die einzige Recherche, die es bislang auf diesem Gebiet gibt, dokumentiert Aktivitäten und Adressen in Deutschland sowie in vierzehn weiteren Ländern: Bauschke, Internationale Recherche von Institutionen zum trilateralen Dialog von Juden, Christen und Muslimen, Berlin 2001. Vgl. auch Ders., Der jüdischchristlich-islamische Trialog, in: Handbuch der Religionen, hg. von M. Klöcker/U. Tworuschka, München, Ergänzungslieferung 2004. 10 Gemeinsam vor Gott 29.11. 10 29.11.2005, 15:03 Uhr perimentieren. Doch auch bereits bewährte, kontinuierliche Tagungstraditionen lassen sich beobachten. Die diesbezügliche Pionierstellung hat die »Ständige Konferenz von Juden, Christen und Muslimen in Europa« inne, die im Frühjahr 2003 in Bendorf bereits die 30. alljährliche Konferenz veranstaltet hat. Die drei Träger (LeoBaeck-College, London; Hedwig-Dransfeld-Haus, Bendorf; Deutsche Muslim-Liga, Bonn) sind dafür 2003 mit der Hermann-MaasMedaille öffentlich geehrt worden. Diese einwöchigen Konferenzen gehören zu den größten und wichtigsten Trialogveranstaltungen in Deutschland und Europa überhaupt und sind Vorbild für viele andere Tagungen.3 Besonders die kirchlichen Akademien haben sich seit den späten 90er Jahren um den Aufbau einer mehr oder minder kontinuierlichen trialogischen Tagungskultur bemüht. Beispielsweise werden an der Ev. Akademie Loccum seit 1997 alle zwei Jahre einwöchige »Sommeruniversitäten« für Juden, Christen und Muslime angeboten.4 Doch es kann auch weit weniger akademisch bei jüdisch-christlich-muslimischen Begegnungen zugehen, zum Beispiel in Gestalt von gemeinsamen Festen. Die Initiative zur Etablierung einer abrahamischen Festkultur geht häufig von muslimischer Seite aus. Äußerer Anlass ist oft der Tag der Offenen Moschee (3. Oktober) oder der Ramadan: Muslime laden dann Juden und Christen zum »Iftar-Essen« beim abendlichen Fastenbrechen ein. Auch »Abrahamsfeste« sind bereits mit Erfolg erprobt worden, erstmals von der Christlich-Islamischen Gesellschaft Stuttgart in Kooperation mit der Stiftung Weltethos im Oktober 2000 im Kongresszentrum FILharmonie in Filderstadt. Das Programm reichte von Vorträgen über Musik und Mahlzeiten bis hin zur Aufführung eines Theater3. Da der christliche Träger – das Hedwig-Dransfeld-Haus – im Herbst 2003 seinen Tagungsbetrieb eingestellt hat, finden die Trialog-Konferenzen seit 2004 anderswo im Rheinland statt. 4. Die Treffen sind alle ausführlich in den »Loccumer Protokollen« dokumentiert und können bei der Akademie bestellt werden. Weitere Informationen bietet: www.loccum.de. 11 Gemeinsam vor Gott 29.11. 11 29.11.2005, 15:03 Uhr stücks (»Abraham heute«).5 2001 fand in Marl das erste Abrahamsfest statt, veranstaltet von der Christlich-Islamischen Arbeitsgemeinschaft Marl in Zusammenarbeit mit den Kirchen und Moscheen vor Ort, dem Ausländerbeirat und der Stadt Marl sowie dem Ev. Erwachsenenbildungswerk. Seither werden dort mit großer öffentlicher Resonanz alljährlich Feste mit verschiedenen Abrahamswegen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gefeiert. Das dritte Abrahamsfest unter dem Motto »Blicke ins Weite« umfasste Veranstaltungen vom Herbst 2003 bis ins Frühjahr 2004. Eine weitere, viel schwierigere Form des Trialogs in Deutschland ist der Aufbau abrahamischer Foren und Teams. Es gibt regionale Foren bislang etwa in Wiesbaden und in Leipzig. Auf bundesweiter Ebene hat der »Interkulturelle Rat in Deutschland« gemeinsam mit der Groeben-Stiftung und weiteren Kooperationspartnern 2001 ein »Abrahamisches Forum« auf den Weg gebracht. Zu dessen wichtigsten Aufgaben gehört es, neben regelmäßigen Zusammenkünften der Forumsmitglieder, abrahamische Feste und Feiern sowie Tagungen für Rabbiner, Pfarrer und Imame zu veranstalten, vor allem jedoch »Abrahamische Teams« aufzubauen. Qualifizierte Gesprächspartner aus allen drei Religionen gehen gemeinsam auf Veranstaltungen, besonders häufig in Schulen, um in Klassen oder bei Podiumsdiskussionen über ihre Religionen und deren Miteinander zu sprechen.6 Um ein letztes Beispiel zu nennen: zur Kultur der konstruktiven Begegnung von Juden, Christen und Muslimen zählen auch und künftig ganz entscheidend sog. »Abrahamische Häuser«. Denn die Gastfreundschaft ist ein gemeinsamer, wichtiger Wert aller drei Religionen. In den Heiligen Schriften wird Abraham übereinstimmend mit dem Ehrentitel »Freund Gottes« bezeichnet (Jesaja 41,8; 5. Weitere Informationen bietet: www.cig-stuttgart.de. 6. Rund 50 Personen an elf Orten sind derzeit beim Interkulturellen Rat abrufbar. Vgl. Micksch, Abrahamische und Interreligiöse Teams (2003) sowie: www.interkultureller-rat.de. 12 Gemeinsam vor Gott 29.11. 12 29.11.2005, 15:03 Uhr Jakobus 2,23; Sure 4,125). Ohne Freundschaft gibt es wohl kaum Gastfreundschaft. Diese fragt zunehmend nach neuen Räumlichkeiten. In Belgien (Genk) gibt es seit 1995 ein »Abrahamhuis«. Hierzulande plant die Christlich-Islamische Gesellschaft Stuttgart ein Haus der Begegnung und des Gesprächs, in dem Juden, Christen und Muslime einander kennen lernen. 2001 startete die C.I.G. mit einem Architekturwettbewerb das Projekt. Ein Jahr später wurde das Siegermodell der Öffentlichkeit präsentiert. Derzeit wird die Gründung einer Stiftung für den Hausbau vorbereitet. Im palästinensischen Beit Jala (bei Bethlehem) hat sich 1998 eine ev. Kirchengemeinde ebenfalls zum Bau einer »Abrahams Herberge« entschlossen, ein Unternehmen, das ohne finanzielle Unterstützung vonseiten deutscher Kirchengemeinden nicht zu realisieren gewesen wäre. Die Herberge soll zu einem Ort werden, an dem Menschen konkret erleben und erproben können, wie Juden, Christen und Muslime miteinander reden, leben und wohnen können. Ende Oktober 2003 ist Abrahams Herberge eröffnet worden mit 700 Gästen aus aller Welt. Das neue Gästehaus steht Besuchergruppen aus aller Welt offen, besonders Jugendlichen aus Israel, Palästina und den Nachbarländern.7 Wo Religionen eine Kultur der Begegnung und freundschaftlicher Kontakte pflegen, entsteht früher oder später auch das Bedürfnis nach gemeinsamen spirituellen Feiern. Von daher ist es kein Zufall, dass die Katholische Kirche nach der demonstrativen theologischen Neubewertung anderer Religionen auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) – besonders hinsichtlich des Judentums und des Islams8 – und 1964 der Einrichtung eines »Sekretariats für die Nichtchristen« (1988 umbenannt in »Päpstlicher Rat für den In- 7. Weitere Informationen gibt es in der Zeitschrift »Im Lande der Bibel«, 48. Jg., Nr. 3/2003, S. 4ff und auf der Homepage: www.beitjalaev.de. 8. Vgl. die berühmte Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen »Nostra aetate«, Nr. 3 (Islam) und Nr. 4 (Judentum). 13 Gemeinsam vor Gott 29.11. 13 29.11.2005, 15:03 Uhr terreligiösen Dialog«) nicht allein den Dialog mit den anderen Religionen offiziell eröffnet hat, sondern auch die Initiative für gemeinsame Gebetsfeiern ergriff. Am bekanntesten ist wohl der Weltgebetstag für den Frieden 1986 und erneut 2002 in Assisi, zu dem Papst Johannes Paul II. eingeladen hatte. Die internationale Laiengemeinschaft »Sant’ Egidio« hat diese Tradition aufgenommen und nach 1986 alljährliche interreligiöse Folgetreffen, die stets auch mit Gebetsfeiern verbunden waren, »im Geiste von Assisi« durchgeführt – einmal bisher auch in Deutschland (September 2003 in Aachen).9 Dieselbe Zusammengehörigkeit von interreligiösem Dialog und gemeinsamen Gebetsfeiern ist auch bei vielen anderen Institutionen, die dem Dialog verpflichtet sind, zu beobachten, etwa bei der »Weltkonferenz der Religionen für den Frieden« (1970 gegründet in Kyoto) oder bei den riesigen Versammlungen des »Weltparlaments der Religionen« (erstmals 1893 in Chicago, zuletzt 2004 in Barcelona).10 Nichts anders ist die Entwicklung speziell auf der Ebene der jüdisch-christlich-muslimischen Begegnungen verlaufen. Auch hier ist die Gleichzeitigkeit der trilateralen Aktivitäten und das Auftreten von Gebetsfeiern dieser drei Religionen zu beobachten, wobei mitunter die trilaterale Agenda sogar ihren spontanen Ausgangspunkt in dem Bedürfnis findet, miteinander zu beten – vor allen Dingen im Kontext des Engagements für den Frieden. In Deutschland kam es zuletzt dazu nach den Terror-Attentaten vom 11. September 2001 und vor dem Irak-Krieg 2003. Abrahamische Feiern sind also häufig Friedensgebete. Auch die kalendarische Überschneidung von Chanukka, Advent und Ramadan in den vergangenen Jahren hat an vielen Orten zu gemeinsamen Gebetsveranstaltungen geführt und sogar ganz neue, multikulturelle Umgebungen – beispielsweise seit 2001 alljährlich auf dem Frankfurter Flughafen – dafür erschlossen. Auch die zunehmenden Begegnungen von Juden, Christen und Mus9. Weitere Informationen: www.santegidio.org/de. 10. Weitere Informationen zu WCRP: www.wcrp.org und zum Weltparlament der Religionen: www.cpwr.org. 14 Gemeinsam vor Gott 29.11. 14 29.11.2005, 15:03 Uhr limen in Wohn-, Arbeits- und Ehegemeinschaften wecken in vielen die Sehnsucht, miteinander zu beten. Der »Sitz im Leben« von abrahamischen Gebetsfeiern ist mithin so vielfältig wie die konkreten Orte des Trialogs selbst. Sie finden statt in Tagungshäusern, Rathäusern und Krankenhäusern, in Flughäfen und Gefängnissen, auf Straßenfesten und Friedhöfen. Und natürlich direkt in den Räumlichkeiten der jeweils gastgebenden Religionen: in Synagogen, Kirchen und Moscheen. Ebenso unterschiedlich sind faktisch die liturgischen Formen, in denen solche Gebetsfeiern landauf landab durchgeführt werden. Drei Hauptformen sind zu beobachten: • Juden, Christen und Muslime beten nebeneinander, also sprechen nacheinander ausschließlich je ihre eigenen Gebete. Die erwähnten Friedensgebete von Assisi sind ein bekanntes Beispiel für dieses sog. »multireligiöse Beten«. Die zweite liturgische Möglichkeit: • Juden, Christen und Muslime beten miteinander, indem sie entweder dieselben, gemeinsam formulierten Gebete sprechen oder indem sich die Angehörigen zweier Religionen am Gebet und Gottesdienst der sie einladenden dritten Religion beteiligen, also Gebete einer anderen Religion mitbeten. Dieses sog. »interreligiöse Beten« wird in dieser oder jener Art schon lange alltäglich im Kontext von Schulen, Krankenhäusern, Gefängnissen und Trauerfeiern sowie bei immer mehr Trialog-Tagungen praktiziert. Oder aber besteht drittens die Möglichkeit: • Juden, Christen und Muslime verbinden beide genannten Formen. Meist wird das in den Gebetsfeiern so gehandhabt, dass zunächst nacheinander die eigenen Gebete gesprochen werden und dann am Schluss der Feier auch ein gemeinsames Gebet vorgetragen wird. Diese dritte Form macht aus dem Entweder-Oder der ersten beiden Formen ein Sowohl-Als-Auch. Man könnte diese Form ihres inklusivischen Charakters wegen »abrahamisches Beten« nennen: es berücksichtigt sowohl das je Eigene als auch das allen Gemeinsame. 15 Gemeinsam vor Gott 29.11. 15 29.11.2005, 15:03 Uhr Die ebenfalls bereits erwähnten Trialog-Konferenzen von Bendorf beispielsweise praktizieren seit Jahrzehnten diese Form des Betens im Sinne einer abrahamischen Ökumene. Ebenso verfährt etwa das »Interreligiöse Gebet Dortmund«. Seit 1996 erarbeiten dort Juden, Christen und Muslime – zusammen mit den Bahais – alljährlich eine gemeinsame gottesdienstliche Feier in dem Glauben »an den einen Gott, den wir in verschiedenen Weisen bekennen«.11 Was aber legitimiert überhaupt zu gemeinsamem Beten und welche Form ist die richtige? Die Einleitung zu einem Gebetbuch ist nicht der geeignete Ort, darüber eine theologische Debatte zu führen und das Pro und Contra aufzuzählen und abzuwägen. Es sei hier nur soviel gesagt. Was die Frage nach der richtigen oder falschen Form angeht – eine Frage, die aus dogmatischen Gründen hauptsächlich die beiden großen christlichen Kirchen beschäftigt –, so möchte die vorliegende Sammlung von Gebetstexten allen empirisch anzutreffenden Formen von Gebetsfeiern Rechnung tragen, ohne Partei zu ergreifen für oder gegen eine bestimmte Form. Sowohl für das multireligiöse wie auch für das interreligiöse und abrahamische Beten sind in diesem Gebetbuch geeignete Texte zu finden. Es gibt wohl kaum die ein für alle Mal gültige und richtige Form einer gemeinsamen Gebetsfeier. Diese ergibt sich vielmehr ganz aus dem jeweiligen Kontext und äußeren Anlass und muss von den daran beteiligten Personen und Gruppen selbst verantwortet werden.12 11. Die Feiern sind auf Video und in Textform dokumentiert. Kontakt: Interreligiöses Gebet Dortmund, Ludger Rickert, Probsteihof 10, 44137 Dortmund, Tel.: 0231/18 48 248, Fax: 0231/18 48 254. 12. Es versteht sich fast von selbst, dass es gleichermaßen in Judentum, Christentum und Islam jeweils 1. die fundamentalistischen Strömungen sind, welche das gemeinsame Beten mit Angehörigen anderer Religionen in welcher Form auch immer grundsätzlich verdammen; dass 2. die konservativen Kreise höchstens das multireligiöse Beten gestatten; und dass 3. die liberalen sowie mystischen Gruppen, die sich faktisch auch am meisten für den Dialog engagieren, dem interreligiösen Beten gegenüber am aufgeschlossensten sind. 16 Gemeinsam vor Gott 29.11. 16 29.11.2005, 15:03 Uhr Was die Frage nach der theologischen Berechtigung zu gemeinsamem Beten betrifft, so kann auch hierüber an diesem Ort nicht lange diskutiert werden.13 Freilich wird allein schon in der Tatsache, dass ein gemeinsames Gebetbuch für die Angehörigen dieser drei Religionen vorgelegt wird, ein theologischer Standpunkt deutlich. Dieses Gebetbuch lädt Juden, Christen und Muslime dazu ein, gemeinsame Erfahrungen mit ihrem gemeinsamen Gott zu machen. Das ist die Grundüberzeugung, von der dieses Gebetbuch und seine drei Herausgeber getragen sind. »Gemeinsam vor Gott« zu stehen, wie der Titel lautet, meint: neben- und miteinander vor dem einen Gott zu stehen, der uns als Juden, Christen und Muslimen gemeinsam ist und uns deshalb auch zu gemeinsamem Beten einlädt. Das wird und das soll auch nicht die (Pflicht-) Gebete der je eigenen Tradition ersetzen, bietet aber Anregungen für ein gemeinschaftliches und geschwisterliches Reden mit Gott. Im bilateralen jüdisch-christlichen und jüdisch-islamischen Dialog ist die Frage nach dem einen, gemeinsamen Gott niemals ernsthaft strittig gewesen.14 Umso mehr hingegen in der Begegnung von Christen und Muslimen, vor allem von christlicher Seite. Muslime verweisen auf die eindeutige Auffassung des Korans: »Unser Gott und euer Gott ist einer« (Sure 29,46; vgl. 2,139; 3,64; 42,15). Die meisten Christen jedoch taten sich die längste Zeit ihrer Geschichte recht schwer mit dieser Auffassung. Ihnen galt »Allah« vielfach nur als Götze und ketzerisches Zerrbild des wahren biblischen Gottes. Zur Gemeinsamkeit des einen Gottes auch mit den Muslimen hat sich offiziell erst das Zweite Vatikanische Konzil 1964 13. Streng genommen ist diese Frage gar nicht zulässig. Denn Beten ist ein Ausdruck der Souveränität des Einzelnen, sich in einer beliebigen Situation an den von ihm oder ihr geglaubten Gott zu wenden und insofern die Inanspruchnahme seiner bzw. ihrer positiven Religionsfreiheit, die nicht beeinträchtigt oder reglementiert werden darf. Dieses Grundrecht ist auch theologisch ernst zu nehmen. 14. Vgl. Albert Friedlander, Beten Juden und Muslime zu demselben Gott?, in: Zeitschrift für Mission 21, 1995, 15-23; Pinchas Lapide/Raimon Panikkar, Meinen wir denselben Gott? Ein Streitgespräch, München 1994. 17 Gemeinsam vor Gott 29.11. 17 29.11.2005, 15:03 Uhr bekannt in den berühmten Sätzen (Lumen gentium, 16): »Die Heilsabsicht (sc. Gottes) umfasst aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Festhalten am Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einzigen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird.« Wenige Jahre später folgte der Ökumenische Rat der Kirchen. Im Schlussdokument des ersten Dialogtreffens mit Vertretern des Islams 1969 in Cartigny steht programmatisch: »Judentum, Christentum und Islam gehören nicht nur historisch zusammen; sie sprechen von demselben Gott, Schöpfer, Offenbarer und Richter.«15 Natürlich ist zu differenzieren zwischen Gott als dem gemeinsamen Gegenüber, derselben Gottheit, der die Verehrung und Anbetung von Juden, Christen und Muslimen gilt, und den unterschiedlichen Gottesbildern und Gotteserfahrungen – eine Differenz, die es freilich schon innerhalb der drei Religionen gibt und nicht nur zwischen ihnen. Es ist mit anderen Worten derselbe eine Gott, an den Juden, Christen und Muslime glauben. Der Gott der Erzväter und Erzmütter, der Gott Moses und der Psalmisten ist zugleich der Gott Jesu und Muhammads. Doch ist es nicht in jeder Hinsicht der gleiche Gott, sind es also nicht die gleichen Erfahrungen mit und Vorstellungen von »ihm« (oder »ihr«), die sie ins Gespräch einbringen.16 Der Bezug auf den gemeinsamen einen Gott, wie der Titel des Gebetbuches zum Ausdruck bringt, bedeutet keineswegs zu 15. World Council of Churches (Ed.), Meeting in Faith. Twenty Years of ChristianMuslim Conversations, compiled by Stuart E. Brown, Genf 1989, 4. Natürlich kann man auch hier wieder differenzieren wie oben bei der Frage nach der Form des Betens: insbesondere sehr konservative und fundamentalistische Strömungen in allen drei Religionen lehnen jede Rede von demselben einen Gott der Juden, Christen und Muslime ab. 16. Vgl. John Hick, Juden, Christen und Muslime: Verehren wir alle denselben Gott?, in: Religionen im Gespräch 4, Balve 1996, 189-207; Martin Stöhr, Das Bekenntnis zu dem einen Gott in der Vielfalt der Gottesbilder bei Juden, Christen und Muslimen, in: R. Weth (Hg.), Bekenntnis zu dem einen Gott?, Neukirchen/Vluyn 2000, 90-97. 18 Gemeinsam vor Gott 29.11. 18 29.11.2005, 15:03 Uhr verschweigen, dass es im Gottesverständnis Unterschiede gibt oder geben kann, was sich in den unterschiedlichen Gebeten dann auch niederschlägt. Doch gerade diese Titelwahl macht deutlich, dass bei allen Unterschieden die Betonung auf dem Gemeinsamen liegen soll. Der eine Gott verbindet und vereint uns Juden, Christen und Muslime unbeschadet unserer unterschiedlichen Glaubensauffassungen oder Gebetsstile. Doch es geht bei einem gemeinsamen Gebetbuch um mehr als um diese akademisch-theologische Frage. Wo immer Juden, Christen und Muslime sich zu Gebetsfeiern zusammenfinden, möchten sie nicht über Gott debattieren, sondern gemeinsam zu Gott sprechen. Somit lädt dieses Buch zu spiritueller Gastfreundschaft ein. Was ist damit gemeint? Gastfreundschaft – zum Beispiel im Falle gemeinsamer Mahlzeiten – heißt normalerweise nicht, unter einem Dach an verschiedenen Tischen, sondern an einer gemeinsamen Tafel zu sitzen; heißt üblicherweise nicht, völlig verschiedene Speisen, sondern bestimmte gemeinsame Speisen zu essen. Spirituelle Gastfreundschaft bei Gottesdiensten und Feiern bedeutet für Juden, Christen und Muslime das Angebot, sich in die Gebetswelt einander nahe stehender Religionen hineinnehmen zu lassen und auf diese Weise Gott anders – sei es überraschend vertraut, sei es seltsam befremdlich – zu erfahren. Es bedeutet, wie eingangs gesagt, spirituelles Neuland zu betreten. Pater Maurice Borrmans hat das hier Gemeinte schon vor vielen Jahren einmal so auszudrücken versucht: es sei statt des bloßen nebeneinander Betens auch denkbar, »dass man die Kühnheit findet, gemeinsame Formen des Lob- und Bittgebetes zu entwickeln, die ein gemeinschaftliches Gebetserlebnis erlauben.«17 Sich gegenseitig spirituelle Gastfreundschaft zu gewähren bedeutet, sich auf das Wagnis einzulassen, gemeinsame Gebetserfahrungen mit dem einen Gott zu machen. Bedeutet, nicht nur nebenein17. Borrmans, Wege zum christlich-islamischen Dialog, Frankfurt/M. 1985, 149. Vgl. auch Erste Schritte wagen: Orientierungshilfe für die Begegnung von Kirchengemeinden mit ihren muslimischen Nachbarn, 2001, 42f. 19 Gemeinsam vor Gott 29.11. 19 29.11.2005, 15:03 Uhr ander, sondern auch miteinander vor dem einen Gott zu stehen. Bedeutet, nicht nur nacheinander, sondern auch gleichzeitig mit einer Stimme zu Gott zu sprechen. Juden, Christen und Muslime beschenken sich gegenseitig durch den Reichtum ihrer Gebete, die sie voreinander, nebeneinander oder auch miteinander sprechen, ohne dass sie darum aufhörten, Juden, Christen und Muslime zu sein. Alexis Carrel, der berühmte Chirurg und Biologe, hat einmal gesagt: »so oft wir uns in inbrünstigem Gebet Gott zuwenden, tritt in unserem Leibe, unserer Seele und unserem Leben eine Wandlung zum Besseren ein. Es ist unmöglich, dass jemand betet, ohne dass es ihm zum Segen ausschlägt.«18 Wir als Herausgeber dieses Gebetbuches sind der Überzeugung: je mehr Juden, Christen und Muslime miteinander beten, desto gesegneter werden sie selber sein; desto mehr auch werden diese drei Religionen ein Segen für die Welt und womöglich eine Quelle für die Versöhnung der Völker sein. Mehr denn je in der heutigen, multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft sind Juden, Christen und Muslime voneinander abhängig und aufeinander verwiesen. Sie alle sind – in verschiedener Weise – Kinder Abrahams. Eben darum bedürfen sie einander, um sich wechselseitig zu bestätigen, zu ergänzen und auch zu kritisieren. Wie können wir wahrhaft Glaubende, Liebende und auch Betende sein, solange wir nicht den abrahamischen Bruder und die abrahamische Schwester mit einschließen in das eigene Glauben, Lieben und auch Beten? Unser Friede mit Gott ist unvollständig ohne den Frieden mit den abrahamischen Brüdern und Schwestern an unserer Seite. Wenn schon unser aller Leitfigur »Freund Gottes« heißt, sollten wir Juden, Christen und Muslime uns bemühen, für- und untereinander Freunde auch in diesem Sinne spiritueller Gastfreundschaft zu werden. 18. Zit. nach: Christoph Einiger, Die schönsten Gebete der Welt, 1964, 182. 20 Gemeinsam vor Gott 29.11. 20 29.11.2005, 15:03 Uhr Gebete 21 Gemeinsam vor Gott 29.11. 21 29.11.2005, 15:03 Uhr Lobpreis und Dank W ir danken dir, denn du bist der Ewige, unser Gott und der Gott unserer Vorfahren, seit eh und je. Wir danken dir, denn du bist unser Fels und das Fundament, auf dem unser Leben ruht. Deine Hilfe haben wir zum Schutzschild – Fels und Schutzschild bist du uns seit jeher. Wir loben dich und erzählen von deinem Ruhm. Wir loben dich für unser Leben, das in deine Hand gegeben ist, und für unsere Seele, die dir anvertraut ist; für die Zeichen deiner Gegenwart, die uns täglich umgeben, für die Wunder und Wohltaten zu jeder Zeit, abends, morgens und mittags. Du bist gut, denn dein Erbarmen wird niemals aufhören. Du bist barmherzig, denn deine Gnade wird niemals versiegen. Von jeher hofften wir auf dich! Amen. 22 Gemeinsam vor Gott 29.11. 22 29.11.2005, 15:03 Uhr