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Niedersachsen - vom Bardengau
zum Bundesland
von Prof. Dr. Hans-Heinrich Seedorf
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zum 84. Niedersachsentag des
Niedersächsischen Heimatbundes e.V.
in Duderstadt
Allgemeine Verwaltung und Europa
Niedersachsen - vom Bardengau
zum Bundesland
von Prof. Dr. Hans-Heinrich Seedorf*
In der gegenwärtigen Zeit scheint das
Interesse an der Heimat- und Regionalgeschichte zu steigen. Entgegen
einer immer wieder vertretenen Auffassung ist auch das Land Niedersachsen
kein Kunstgebilde der Nachkriegszeit.
Das Bundesland kann vielmehr auf
eine lange gemeinsame Geschichte
der in diesem Land lebenden Menschen zurückblicken. Der Nestor der
niedersächsischen Geschichte, Prof.
Dr. Hans-Heinrich Seedorf, hat die
Geschichte Niedersachsen in dem
folgenden Beitrag zusammengefasst.
Prof. Seedorf hat zusammen mit Prof.
Dr. Hans-Heinrich Meyer, geboren
1954, eine zweibändige „Landeskunde Niedersachsen“ vorgelegt, die
einen Umfang von 1415 Seiten hat
und interessierte Leser zu weiteren
Informationen über unser Bundesland
führt. Der folgende Beitrag beruht auf
einer überarbeiteten Fassung eines
Vortrages, den Prof. Seedorf auf dem
60. Geburtstag des stellvertretenden
Hauptgeschäftsführers der IHK Hannover-Hildesheim, Dr. Manfred Bahlburg, in Hannover gehalten hat.
Herkunft des Namens
Niedersachsen hat seinen Namen
vom alten Volksstamm der Sachsen,
der zu Beginn unserer Zeitrechnung
noch nördlich der Elbe auf „dem Nacken der cimbrischen Halbinsel“ im
heutigen Holstein sesshaft war. Den
Namen Sachsen leitet der Corveyer
Mönch Widukind (10. Jh.) im Hinblick
auf den Kampfesmut und die Härte der
* Prof. Dr. Hans Heinrich Seedorf, geboren 1923
in Sittensen. 1942 Kriegsabitur in Bederkesa,
schwere Verwundung in Russland, Studium der
Geographie, Geologie, Biologie und Germanistik in Göttingen, 1952 Promotion, Assistent
von Prof. Dr. Kurt Brüning. 1954 Referent im
Niedersächsischen Landesverwaltungsamt in
Hannover. 1972 Habilitation, bis 1988 Professur
am Geographischen Institut der Universität
Hannover.
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Stammesgenossen von dem Namen
ihres Kurzschwertes, dem Sax, ab,
während die zur gleichen Zeit lebende
Roswitha von Gandersheim ihn auf das
lateinische Wort „saxum“ (Fels, Stein)
zurückführte, womit ein Hinweis auf
das von nordischen Findlingen übersäte Herkunftsland der Sachsen gegeben sein könnte.
Missionare mit der neuen Heilslehre
zu ihren festländischen Stammesbrüdern, deren Sprache sie verstanden. Zu nennen sind Winfrid, besser
bekannt als Bonifatius, der Apostel der
Deutschen, der verschiedene Bistümer
gründete, aber schließlich in Friesland,
weil er nicht friesisch sprechen konnte,
erschlagen wurde.
Wanderung und Ausbreitung der
Altsachsen
Ein anderer unerschrockener Engländer war Lebuin, der 770 auf der
sächsischen Stammesversammlung
in Marklo auf dem jährlich einmal
stattfindenden sächsischen Allthing
für das Christentum warb. Bekannter
ist der Angelsachse Willehad, der 787
von Karl dem Großen als erster Bischof
des großen Bistums Bremen eingesetzt
wurde.
Der ehemals kleine Volksstamm der
„Saxones“, wie er vom griechischen
Geographen Ptolemaeus (um 150
n. Chr.) bezeichnet wurde, hatte im
Zuge der Völkerwanderung im dritten
Jahrhundert vom heutigen Holstein
aus die Elbe nach Süden überschritten und seit dem vierten Jahrhundert
seinen Einfluss durch Unterwerfung
oder Eingliederung auf die Gebiete
der alten germanischen Völkerschaften der Chauken, Angrivarier, Brukterer und Cherusker ausgedehnt, sowie
auch auf das Gebiet der Langobarden
(Bardengau, Bardowick), die im vierten Jahrhundert nach Süden gezogen
waren und schließlich in der Poebene
(Lombardei) von 568 bis 774 ein eigenes Reich hatten.
Eroberung Englands und
Aussendung von Missionaren zum
Festland
Im fünften Jahrhundert hatten die Sachsen zusammen mit den holsteinischen
Angeln (Angelsachsen) die britischen
Inseln erobert und dort sieben angelsächsische Königreiche errichtet,
darunter Sussex, Essex und Wessex,
durch Krieger, die nachweislich, mindestens teilweise, aus dem Unterelbeund Unterwesergebiet kamen.
Die Sachsen nahmen auf der Insel das
Christentum an und gründeten um 600
das Bistum Canterbury. Insbesondere
im achten Jahrhundert sandten sie
Größter Machtbereich um 700 n. Chr.
Auf dem Festland erreichte das Stammesgebiet der Sachsen um 700 n.
Chr. seine größte Ausdehnung. Es
erstreckte sich damals weit über die
Grenzen des heutigen Bundeslandes
Niedersachsen von Holstein und der
Ostsee entlang der mittleren Elbe bis
an die Saale, Unstrut und Fulda und
erreichte im Westen den Niederrhein
und die Ijssel.
Ausgenommen blieb im niedersächsischen Bereich lediglich ein verhältnismäßig schmaler Küstenstreifen,
der sich von der Wesermündung in
westlicher Richtung über das Gebiet
des heutigen Landkreises Friesland
und über Ostfriesland verbreiterte
und über das niederländische Friesland nach Flandern reichte. Es war
das Stammesgebiet der Friesen.
Erste Organisationsform des
Stammesgebietes im Mittelalter
Sachsen bestand aus 60 bis 80 Gauen, deren Vertreter sich nur einmal im
Jahr auf dem berühmten sächsischen
Gedruckt auf umweltverträglichem chlorfrei gebleichtem Papier
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Allthing von Marklo (möglicherweise
dem heutigen Marklohe bei Nienburg)
versammelten. Die Gaue waren zu vier
Stammeslandschaften („Heerschaften“) zusammengeschlossen, nämlich
zu Westfalen, Engern, Ostfalen und zu
der Heerschaft der Nordleute. Sie wurden im Kriegsfall von selbst gewählten
Herzögen geführt.
Der bedeutendste Herzog war der
Westfale Widukind. Während der über
30 Jahre dauernden Eroberungszüge
Karls des Großen gegen die Sachsen
(772 bis 804), die ihren Höhepunkt
in dem berüchtigten Blutgericht von
Verden (782) fanden, gelang es Widukind, den Gesamtstamm zu einen, so
dass man erstmalig von einem sächsischen Stammesherzogtum sprechen
kann. Das zerfiel allerdings wieder mit
der vernichtenden Niederlage an der
Hasefurt bei Osnabrück und mit Widukinds Unterwerfung und Taufe (785).
Bei seiner Taufe im Jahre 785 soll sich,
der Legende nach, Widukinds schwarzes Pferd, der Rappe. in ein weißes
Ross, in einen Schimmel, verwandelt
haben, nämlich in jenes Ross, das die
Niedersachsen seit 1946 in ihrem Landeswappen führen.
Eingliederung in das Frankenreich
Die Eingliederung der Sachsen und
auch der Friesen in das fränkische
Reich war mit tiefgreifenden Umstrukturierungen, z.B. mit der Einführung
des Zehnten als Kirchensteuer und
mit einer Straffung der Verwaltung,
verbunden. Sie ließ aber das Gebiet
der Sachsen als Einheit bestehen.
Das Stammesrecht (Lex Saxonum)
wurde übernommen, und auch das
Altsächsische blieb erhalten. Aus ihm
entwickelte sich mit der Zeit das Niederdeutsche, die plattdeutsche Sprache, die im Mittelalter von Ostfriesland
bis zum Baltikum gesprochen wurde
und dem Ober- und Mitteldeutschen
durchaus ebenbürtig war.
Aufstieg sächsischer Adelsfamilien
und Machtverfall der Karolinger
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Mit dem Verfall der karolingischen
Reichsgewalt seit der Mitte des neunten Jahrhunderts verstanden es einige
der sächsischen Adelsfamilien, durch
geschickte Erweiterung des Besitzes,
ihren Einfluss auszubauen und so die
politische Führung zu übernehmen.
Um Lüneburg waren es die Billunger,
um Braunschweig die Brunonen und
im Gebiet rings um den Harz vor allem
die Liudolfinger, die als Verteidiger der
sächsischen Marken gegen die Slawen
und Ungarn im zehnten Jahrhundert
den größten Teil des Stammesbereiches unter ihre Führung brachten und
damit das Stammesherzogtum Sachsen erneut bildeten, aber doch keine
territoriale Einheit erreichten.
Sächsische Könige und Kaiser
Mit dem Übergang vom Fränkischen
zum Deutschen Reich waren es die
Liudolfinger, die 919 mit Heinrich I.
den ersten deutschen König stellten.
Von nun an trugen die sächsischen
Könige und Kaiser für ein Jahrhundert die Reichsgewalt. Es waren die
drei „Ottonen“ und Sachsenkaiser:
Otto der Große (936-973), der die von
Heinrich I. zwischen Oder und Elbe
neugewonnenen Ostgebiete durch
die Errichtung von Markgrafschaften
festigte und erweiterte, sein Sohn, Otto
II. (973-983), trat durch seine Heirat mit
der byzantinischen Prinzessin Theophanu im Jahre 972 als sächsischwest-römische Kaiser gleichberechtigt
neben dem oströmischen Kaiser von
Byzanz auf. Beim großen Slawenaufstand von 983 verlor er beträchtliche
Teile des Ostlandes. Weiter ist Otto III.
(983-1002) zu nennen, der sich durch
seine nach Rom orientierte Politik stark
vom sächsischen Stammland entfernte. Mit dem Tode Heinrichs II. auf der
Pfalz Grone bei Göttingen (1024) ging
die Führung des Reiches für nahezu ein
Jahrhundert an die Salier über.
Doch inzwischen war der Harz mit
seinen Silbergruben im Rammelsberg
und bei Gittelde zum Mittelpunkt des
Reiches oder sogar Mitteleuropas,
geworden. Der Wikingerforscher Graf
Oxenstierna schreibt:
„Innerhalb von 20 Jahren, zwischen 980
und 1000, verdrängte das Harzer Silber
das bisher allein herrschende arabische
Silber. Die Wikinger waren silbersüchtig, sie nahmen für die Fahrt durch das
Jenseits Silber mit ins Grab. Damit war
das Handelsmonopol der Wikinger gebrochen. Die von den Sachsenkaisern
erschlossenen Gruben lenkten den
Warenaustausch auf andere, neue
Wege“.
Die vom Rhein aus der Gegend um
Speyer kommenden Salier bauten
das erzreiche Harzgebiet weiter zu einem Zentrum ihrer Macht aus. Goslar
wurde unter Heinrich III. (1039 - 1056)
zur bevorzugten Residenz des Kaisers
Gedruckt auf umweltverträglichem chlorfrei gebleichtem Papier
(Kaiserpfalz, Dom). Als 1056 der Dom
zu Goslar eingeweiht wurde, war nicht
nur der Papst anwesend, sondern mit
ihm kamen 80 Erzbischöfe und Bischöfe in die Kaiserpfalz. Doch als
Heinrich IV., der Sohn Heinrichs III.,
die Harzburg errichten ließ, wurde er
im so genannten „Sachsenaufstand“
unter der Führung von Otto von Northeim vertrieben.
Das Herzogtum Sachsen unter
Kaiser Lothar von Süpplingenburg
und Heinrich dem Löwen (1106 bis
1180)
Mit dem Aussterben des salischen Hauses übernahm im Jahre 1125 erneut ein
sächsischer Herzog die Königsgewalt
und machte Sachsen zum Zentrum des
Reiches: Lothar von Süpplingenburg
bei Helmstedt. Er führte angesichts
des starken Bevölkerungsdruckes im
Altsiedelland die von den Ottonen
begonnene Ostpolitik weiter fort. Zu
diesem Zweck setzte Lothar drei Dynastengeschlechter als Kolonisationsträger ein: Im Norden die von der Porta
Westfalica kommenden Schaumburger
in Holstein (deshalb heute noch das
Schaumburger Nesselblattwappen im
Landeswappen Schleswig-Holsteins),
in der Mitte die Askanier und im Süden
die Wettiner in Meißen und in der Lausitz. Er wurde dadurch zum eigentlichen
Wegbereiter der großen mittelalterlichen
Ostkolonisation. Lothar starb 1137. Im
„Kaiserdom“ zu Königslutter liegt er
begraben.
Festigung und Ende des
Herzogtums Sachsen durch
Heinrich den Löwen
Aus der Ehe der Tochter Lothars mit
dem Welfenherzog Heinrich dem
Stolzen von Baiern ging 1129 der wohl
berühmteste und durchsetzungsfreudigste Herrscher hervor, der im alten
Sachsenland je gewirkt hat: Heinrich
der Löwe.
Er versuchte mit allen üblichen und
zweifelhaften Mitteln, aus seinem
Streubesitz ein geschlossenes Herrschaftsgebiet zu machen, um damit
einen sächsischen Staat zu bilden,
d.h. das alte Stammesherzogtum
Sachsen wieder herzustellen. Braunschweig wählte Heinrich zu seiner
Residenz, wo er die einer Kaiserpfalz
gleichende Burg Dankwarderode und
den berühmten Bronzelöwen (1166)
als Sinnbilder seiner Herrschaft und
Machtfülle errichten ließ.
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Nach einem lange währenden Zwist
mit seinem Vetter Kaiser Friedrich
I. Barbarossa, dem er wegen der
Nichtbeleihung mit den Erzgruben
und der Stadt Goslar die Heeresfolge
in Italien verweigerte, kam es 1180 zum
Sturz und zur Ächtung des Herzogs,
der nunmehr alles verlor.
Ausgangspunkte der Stadt- und Territorialbildung waren, wie Oldenburg,
Cloppenburg, Harburg, Lüneburg,
Nienburg, Rotenburg, Schaumburg,
Wolfsburg. Andere tragen zwar nicht
den Burgnamen, sie hatten aber
Burgen als Stützpunkte der Territorialgewalt.
Damit war das Stammesherzogtum
Sachsen am Ende. Es hatte zuletzt
von der Ostsee bis fast an den Rhein,
von der Grenze zu Friesland bis an
Werra und Saale gereicht. Nun wurde
es auf dem Reichstag zu Gelnhausen
(1180) in zwei Teile geteilt. Der Teil
westlich der Weser fiel als Herzogtum
Westfalen an das Erzbistum Köln. Auch
die Westfalen übernahmen das Sachsenross des Widukind in ihr Wappen,
allerdings mit steigendem Schweif.
Der Anspruch Westfalens auf die niedersächsischen Gebiete westlich der
Weser ist mindestens bis 1946 erhalten
geblieben.
Auflösung der territorialen Einheit
und Entstehung des Namens
„Niedersachsen“
Mit dem östlichen Teil sowie mit dem
Herzogstitel der Sachsen und der Kurwürde wurden die Askanier belehnt,
die damit für über 200 Jahre nach Wittenberg an die Elbe gelangten. Davon
haben die bis 1946 bestehende preußische Provinz Sachsen bzw. das Land
Sachsen-Anhalt ihren Namen.
Dieses Jahr 1180 ist für die Niedersachsen auch deshalb so bedeutsam
geworden, weil nach der Zerschlagung des alten Herzogtums Sachsen
ehemalige Vasallen des Herzogs und
andere Adelige versuchten, ihre Burgen
ausbauten, Städte als Stadtburgen und
Grenzfestungen gründeten und sich eigene Territorien schufen, deren Zahl im
niedersächsischen Gebiet auf über 40
anwuchs. Man braucht in der näheren
Umgebung Hannovers nur an die
Grafschaften Hoya, Wölpe, WunstorfRoden mit der Stadtburg Lauenrode,
an die Grafschaften Schaumburg,
Hallermunt, Spiegelberg, Everstein
und Homburg sowie an die Bistümer
Minden und Hildesheim als eigene
Territorien zu erinnern. Nordwestdeutschland war politisch ein bunter
Flickenteppich geworden.
Durch die vielen Burgen im Lande, die
vielfach später Amtssitze oder Kreissitze wurden, wirkt dieses Jahr 1180
bis in die Gegenwart nach. Schon in
den Namen der Kreissitze erkennt man
vielfach, dass es sich um Burgen des
12. und 13. Jahrhunderts handelt, die
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Der sächsische Herzogstitel war aber
nach dem Aussterben der Askanier
1422 weiter von Wittenberg elbeaufwärts an die Wettiner nach Meißen und
Dresden vererbt worden, in ein Gebiet,
das man heute zumeist mit dem Begriff
„Sachsen“ verbindet und das mit der
alten sächsischen Stammesart überhaupt nichts mehr zu tun hat.
So gab es lange Zeit nebeneinander
drei Gebiete mit dem Namen „Sachsen“. Zur Unterscheidung bürgerte sich
allmählich der Gebrauch der Wörter
Obersachsen (Saxonia superior) und
Niedersachsen (Saxonia inferior) ein.
1354 heißt es erstmalig „Saxonia
inferior“ oder „Neddersassen“. Zur
gleichen Zeit, 1361, tritt auch das
Wappentier der Niedersachsen, das
springende Pferd des Herzogs Widukind, erstmalig im Siegel der Welfen
auf, die damit den Anspruch auf das
alte Stammesherzogtum dokumentieren wollten. Offiziell wurde der Name
„Niedersachsen“ jedoch erst 1512, als
der sog. Niedersächsische Reichskreis
gegründet wurde, der jedoch keine territoriale Bedeutung hatte.
In der folgenden absolutistischen Zeit
ging der Name Niedersachsen weitgehend verloren. Man bezeichnete sich
nach den Ländern, denen man angehörte, als Hannoveraner, Braunschweiger,
Oldenburger und Schaumburger.
Aus einem der vielen Territorien, aus
dem Fürstentum Calenberg, entstand
ab 1692 das mächtige Kurfürstentum
Hannover. Es wurde 1705, mit dem
Tode des letzten Heideherzogs Georg
Wilhelm, um das Fürstentum Lüneburg erweitert, wodurch Celle seinen
Status als Residenzstadt verlor. Den
vorläufigen Höhepunkt brachte 1714
die Erlangung der englischen Krone
durch Georg Ludwig, der als König
Georg I. die Personalunion zwischen
England und Hannover begründete, die
123 Jahre (bis 1837) dauerte.
Brandenburg-Preußen drängt
nach Westen
Zugleich verstärkte sich der Druck
Brandenburg-Preußens nach Westen.
Schon 1648, mit dem Westfälischen
Frieden, hatte der östliche Nachbar
die Bistümer Minden und Halberstadt
vereinnahmt und 1702 bzw. 1707 die
Grafschaften Lingen und Tecklenburg
erworben, bevor 1744, nach dem Tode
des letzten Cirksena, auch Ostfriesland
zu Preußen kam, das in der wieder aufblühenden Hafenstadt Emden ein Tor
zur Nordsee und damit zum Weltmeer
erhielt.
Säkularisation und Wiener Kongress
- Ausdehnung des neuen Königreichs Hannover
Das im Jahre 1814 auf dem Wiener
Kongress zum Königreich erhobene
Hannover konnte sich flächenmäßig
erheblich vergrößern. Für den Verzicht
auf das nördlich der Elbe gelegene
Herzogtum Lauenburg wurde es mehr
als reichlich entschädigt, vor allem
durch Zugewinne im Westen. Hier erhielt es von Preußen Ostfriesland und
die Niedergrafschaft Lingen, außerdem
die Grafschaft Bentheim. Weiterhin erwarb Hannover von Preußen das Stift
Hildesheim, die Stadt Goslar und das
Untereichsfeld sowie von Hessen die
alte Exklave Plesse bei Göttingen.
Oldenburg, das ebenso wie das Herzogtum Braunschweig in seinen niedersächsischen Grenzen unverändert
blieb, wurde zum Großherzogtum
erhoben.
Hannover wird preußische Provinz
Rund 50 Jahre hatten die Umgestaltungen des Wiener Kongresses
Bestand. 1853 erhielt Preußen von
Oldenburg am Jadebusen das Land
für die Anlegung eines Kriegshafens
„Wilhelmshaven“. Der Weg zur endgültigen Vorherrschaft Preußens war
dann auch nicht mehr weit. Im preußisch-österreichischen Krieg (1866)
musste nach der zwar gewonnenen
Schlacht von Langensalza (27. Juni
1866) die hannoversche Armee kapitulieren und der blinde König Georg
V verlor sein Königreich Hannover. Es
wurde als Provinz in den preußischen
Staat einverleibt. Preußen erhielt damit
eine endgültige Verbindung zwischen
seinen westlichen und östlichen Landesteilen. Braunschweig, Oldenburg
und Schaumburg-Lippe konnten dank
Gedruckt auf umweltverträglichem chlorfrei gebleichtem Papier
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einer vorteilhaften Unterwerfungspolitik ihre Selbständigkeit behaupten.
• aus dem Freistaat SchaumburgLippe,
Gebietsveränderungen zwischen
den Weltkriegen - Abschaffung der
Monarchien 1918
• aus der Freien Hansestadt Bremen
und
1919, nach der Errichtung der Weimarer Republik, blieb Hannover preußische Provinz, während Braunschweig,
Oldenburg und Schaumburg-Lippe mit
der Abschaffung der Monarchien im
Jahre 1918 zu eigenständigen Ländern wurden.
Als in den zwanziger Jahren die
Notwendigkeit einer Reichsreform
angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten immer zwingender wurde,
beauftragte im Jahre 1928 der Hannoversche Provinziallandtag Kurt Brüning
mit der Abfassung einer Denkschrift,
die schon ein Jahr später, 1929, vorgelegt wurde. Sie trug bewusst den
Titel „Niedersachsen im Rahmen der
Neugliederung des Reiches“, worunter
ein Wirtschaftsgebiet Niedersachsen
verstanden wurde, Er fußte dabei
auf Bestrebungen des Verbandes der
niedersächsischen Handelskammern,
die dieses Wirtschaftgebiet in dem
1921 gegründeten Wirtschaftsblatt
Niedersachsen, dem Verkehrsverband
Niedersachsen und dem Wirtschaftsausschuss Niedersachsen anstrebten,
vor allem aber war das ein Fernziel der
1925 gegründeten „Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft zum Studium
Niedersachsens“, deren Geschäftsführer Kurt Brüning 1926 geworden
war und der es auch bis zu seinem
Tode 1961, 35 Jahre lang blieb. Dieses Wirtschaftsgebiet Niedersachsen
bestand in der Wirklichkeit aus insgesamt zehn politischen Einheiten oder
Teilen davon, nämlich:
• aus der preußischen Provinz Hannover,
• aus Teilen der Provinz Westfalen,
• aus dem zu Hessen-Nassau gehörenden Kreis Grafschaft Schaumburg, worauf noch der Stadtname
Hessisch Oldendorf hinweist,
• aus einigen zur Provinz Sachsen
gehörenden Exklaven, wie z.B.
dem heutigen Wolfsburg,
• aus dem Freistaat Oldenburg,
• aus dem Freistaat Braunschweig,
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• aus dem Freistaat Lippe (Detmold),
• aus dem Gebiet um Cuxhaven,
das zur Freien und Hansestadt
Hamburg gehörte.
Im umfangreichen Text und auf den 84
Karten der Denkschrift wurde verdeutlicht, dass „die politische Zerrissenheit
Niedersachsens nicht das Ergebnis natürlicher, stammesmäßiger, wirtschaftlicher
oder kulturgeschichtlicher Gegebenheiten sei, sondern als Überbleibsel einer
durch viele Zufälligkeiten beeinflussten
dynastisch-territorialen Entwicklungsgeschichte anzusehen“ sei.
Ein zweiter Band der Denkschrift, der
1931 herauskam, zeigte an vielen Beispielen die Folgen der politischen Zersplitterung in Verwaltung, Wirtschaft,
Verkehr und Kultur auf.
Mit Brünings beiden Denkschriftbänden war erstmals ein konkretes
Konzept für eine großräumige Verwaltungseinheit Niedersachsen entwickelt
worden. Das Konzept sollte 1945/46
bei der Neugliederung Restdeutschlands wieder eine bedeutende Rolle
spielen.
Allerdings hatte Brüning in seinen
Wirtschaftsraum Niedersachsen auch
die westfälischen Gebiete um Minden
und Bielefeld und selbstverständlich
auch Oldenburg mit einbezogen. Das
rief Proteststürme der westfälischen
Provinzialverwaltung wie auch Oldenburgs hervor.
Brünings Denkschrift hatte aber nur
mögliche Grenzen aufgezeigt. Sein
Hauptanliegen war es gewesen, die
nachteiligen Auswirkungen der territorialen Zersplitterung auf Wirtschaft,
Verkehr und Verwaltung darzulegen.
Im übrigen vertrat er den Grundsatz,
dass erst die genaue Landeskenntnis,
wie sie eine unvoreingenommene landeskundliche Forschung vermittelt,
Grundlage für mehr oder weniger
entscheidende Änderungsvorschläge
sein könne.
Frühe Nachkriegszeit und Gründung
des Landes Niedersachsen
Die Nachkriegszeit war für das niedersächsische Gebiet die stärkste
Umbruchsphase seiner Geschichte.
Zum einen strömten rd. 2,5 Millionen
Flüchtlinge und Vertriebene(!) in das
Gedruckt auf umweltverträglichem chlorfrei gebleichtem Papier
Land, wodurch trotz aller Kriegsverluste die Einwohnerzahl von 4,5 Millionen
(1939) auf fast 7 Millionen (1950) stieg.
Zum zweiten wurde an Niedersachsens
Ostgrenze ein „Eiserner Vorhang“ errichtet, der eine wirtschaftliche Umorientierung erforderlich machte.
Auch verwaltungsmäßig machte das
Kriegsende einen Neubeginn notwendig. Schon bald nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am
8. Mai 1945 fiel das nordwestdeutsche
Besatzungsgebiet der britischen Militärverwaltung zu. Die früheren Länder
Oldenburg, Bremen, Braunschweig
und Schaumburg-Lippe wurden vorübergehend wiederhergestellt und aus
der ehemaligen preußischen Provinz
Hannover wurde das Land Hannover
gebildet, dessen Oberpräsident Hinrich Wilhelm Kopf wurde.
Die Freie Hansestadt Bremen, die als
Nachschubhafen zur amerikanischen
Besatzungszone gehörte, formierte
sich im Januar 1947 zu einem eigenen,
dem kleinsten Bundesland.
Bereits seit dem Sommer 1945, nach
dem Zusammenbruch des Reiches
und der Auflösung Preußens, hatte
der Sozialdemokrat Hinrich Wilhelm
Kopf die nicht verwirklichten Reichsreformpläne der späten Weimarer Jahre
und damit die Brüningschen Gedanken
der Niedersachsen-Denkschrift wieder
aufgegriffen und dank der gutachterlichen und landeskundlichen Vorarbeiten von Kurt Brüning, der über 150
Veröffentlichungen mit dem Namen
Niedersachsen vorlegte, die Grenzen
des künftigen Landes Niedersachsen
abgesteckt.
Staatsbildung in Niedersachsen
nach 1945
Nachdem sich die zonalen Länderchefs
am 1. März 1946 für die Zusammenfassung wirtschaftlich-geographischstammesmäßig einheitlicher Gebiete
zu leistungsfähigen Ländern ausgesprochen hatten, wie es die Militärverwaltung wollte, eröffnete Hannovers damaliger Oberpräsident Hinrich
Wilhelm Kopf die Diskussion mit dem
von Brüning übernommenen Niedersachsenplan, der Niedersachsen bis
zum Teutoburger Wald unter Einschluss
Lippes forderte. Er stieß dabei auf heftigen Widerstand beim Oberpräsidenten
der Nordrhein-Provinz, Dr. Lehr. Oldenburg und Braunschweig legten eigene
Neuordnungspläne vor.
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