Photovoltaikanlagen

Werbung
4
4 2010
INFORMATION
Photovoltaikanlagen –
Sicherheit für die Feuerwehren
Dank attraktiver Förderprogramme des Bundes hat sich die Zahl der Anlagen zur
Stromerzeugung durch Sonnenenergie in den letzten Jahren stark erhöht. Das führt
dazu, dass sich auch Feuerwehren nun verstärkt mit der Funktionsweise und den
Bild 1 | Gebäude mit Solarkollektoren (rechts)
und Photovoltaikmodulen (links)
Gefahren beschäftigen müssen, die von diesen Anlagen ausgehen. Die Entwicklung
einer sinnvollen Einsatztaktik ist daher von entscheidender Bedeutung.
Die Schadenverhütungsbereiche der West-
Ein Arbeitsteam von Vertretern des nord-
fälischen Provinzial Versicherung AG und
rhein-westfälischen Feuerwehrverbandes
Funktionsweise und Aufbau
einer Photovoltaikanlage
Provinzial Rheinland Versicherung AG ver-
und Mitarbeiter der Schadenverhütungs-
Die Erzeugung der elektrischen Energie
bindet seit vielen Jahren eine sehr gute
bereiche Westfälische Provinzial und Pro-
durch die Photovoltaikmodule basiert auf
Zusammenarbeit mit den Feuerwehren in
vinzial Rheinland haben ein achtseitiges
dem photovoltaischen Effekt. Sonnenlicht
Nordrhein-Westfalen. Auf den jährlichen
Faltblatt erstellt. Der in drei Arbeitssitzun-
wird dabei direkt in elektrischen Gleich-
gemeinsamen Workshops mit Vertretern
gen entworfene Inhalt umfasst den Aufbau
strom (DC = Direct Current) umgewandelt.
des Verbandes der nordrhein-westfäli-
einer Photovoltaikanlage, Gefahren, Ein-
Solarmodule bestehen aus einer Vielzahl
schen Feuerwehren werden Zielrichtungen
satzhinweise und eines Ablaufschemas
von Siliziumzellen, die miteinander ver-
und gemeinsame Strategien der effizien-
sowie umfangreiche Schulungsunterlagen
bunden sind. Diese Zellen sind in einem
ten Zusammenarbeit entwickelt. Bereits im
für Fortbildungsveranstaltungen der Lösch-
Aluminiumrahmen zusammengefasst und
Jahr 2009 war eine besonders wichtige
züge. Die Verteilung der Taschenkarte für
mit Spezialglas gegen äußere Einflüsse
Zielsetzung die Gestaltung der Taschen-
die Einsatzkräfte erfolgte in Bergneustadt
geschützt (Bild 1). Mehrere dieser Module
karte „Photovoltaikanlagen – Sicherheit für
bei der Mitgliederversammlung des Ver-
werden durch Reihen- oder Parallelschal-
die Feuerwehren“. In einem handlichen
bandes am 2. Oktober 2010. Die Schu-
tung zusammengeführt und erzeugen dann
DIN-A6-Format und kompakter Form sollte
lungsunterlagen sind seitdem auch als
eine Gleichspannung bis 1.500 Volt. Für
dabei eine übersichtliche Einsatzhilfe im
Download über die Internetseite des Ver-
die Eigenbedarfsnutzung der erzeugten
Brandfall für die Feuerwehrleute geschaf-
bandes abzurufen.
elektrischen Energie und eine Weiterlei-
fen werden.
www.schadenprisma.de
tung in das öffentliche Netz ist ein Wech-
INFORMATION
4 2010
Bild 2 | Aufbau einer
Photovoltaikanlage
selrichter erforderlich. Dieser Wechselrichter wandelt den produzierten Gleichstrom
Bild 3 | Ansicht eines
Lasttrennschalters
in Wechselstrom (AC = Alternating Current)
mit einer Netzfrequenz von 50 Hz um. Für
den Wechselrichter gibt es keinen festen
Standort im Gebäude. Er kann sich in der
Nähe der Photovoltaikanlagen befinden,
aber beispielsweise auch in Kellerbereichen des Gebäudes weiter von ihnen
entfernt sein. Daraus können erhebliche
Einsatzgefahren im Brandfall resultieren
(Bild 2).
Bild 4 | Ablaufschema für den
Feuerwehreinsatz bei Photovoltaikanlagen.
Ablaufschema
Für die Einsatzkräfte der Feuerwehr ist
von entscheidender Bedeutung, ob nur
AC-Sicherungen oder ein sogenannter DCFreischalter (Lasttrennschalter) vorhanden
sind. Nach DIN VDE 0100-7-712 ist der
für installierte Anlagen seit Juni 2006 vorgeschrieben. Die Freischalterstelle kann
wie der Wechselrichter weit entfernt von
den Modulen eingebaut sein. Zu beachten
ist hierbei, dass auch nach dem Betätigen
des Lasttrennschalters vor den Freischaltern (Gleichspannungsseite) immer noch
Spannung anliegt (Bild 3).
Wie die Einsatzkräfte der Feuerwehr bei
Photovoltaikanlagen mit oder ohne DCFreischaltstelle (Lasttrennschalter) vorgehen können, zeigt die nebenstehende Abbildung (Bild 4). www.schadenprisma.de
5
6
INFORMATION
4 2010
Bild 5 | Der Sicherheitsabstand bei
Löschmaßnahmen mit
einem Sprühstrahl muss
mindestens einen Meter
betragen.
Warnung vor
gefährlicher
elektrischer
Spannung
Gefahren und Einsatzhinweise
Elektrizität
Module dürfen nicht zerstört werden. Die
Durch Betätigung der DC-Freischalter-
Zerstörung bewirkt keine Spannungsfrei-
stelle oder der AC-Hauptsicherung im
schaltung, sondern die Gefahr freiliegender
Gebäude lässt sich der Wechselstrom-
spannungsführender elektrischer Leiter.
kreis komplett abschalten. Trotz BetätiDurch eine
Beschäumung der
PV-Module wird
die Anlage nicht
spannungsfrei
Module nicht
zerstören, da
die Gefahr eines
elektrischen
Schlags besteht
Absicherung von
einsturz- und absturzgefährdeten
Bereichen
(Trümmerschatten)
gung der DC-Freischalterstelle liegen in
Überschwemmte Bereiche sind nicht zu
Teilen des Gebäudes weiterhin Gleich-
betreten. Hier besteht die Gefahr eines
spannungen von bis zu 1.500 Volt an. Es
Stromschlags.
besteht bei Berührung von Gleichspannung ab 120 Volt Lebensgefahr. Daher
Nach Beendigung des Einsatzes emp-
sind Schutzabstände nach DIN VDE 0132
fiehlt es sich, Fachpersonal /Anlagenbe-
zu spannungsführenden Teilen und Lei-
treiber hinzuzuziehen. Fachpersonal sollte
tungen während des gesamten Einsatzes
die beschädigte Anlage freischalten und
unbedingt einzuhalten. Dies gilt auch
elektrisch gesichert zurücklassen.
beim Aufrichten, Einrichten und Besteigen
von Feuerwehrleitern.
!
Einsturz / Absturz
Die einzelnen Module sind in der Regel an
Selbst geringe Sonnenstrahlen oder Ein-
einer Aluminium- oder Stahlkonstruktion
satzbeleuchtungen bei Bränden in der
fixiert. Bei einer thermischen Beanspru-
Nacht sorgen dafür, dass die Silizium-
chung kann sie den statischen Belastun-
zellen Energie erzeugen. Eine lichtdichte
gen nicht standhalten. Insofern ist im
Abdeckung der Module für einen länge-
Brandfall und auch bei größeren Sturmer-
ren Zeitraum ist zurzeit nicht möglich. Ver-
eignissen mit dem Versagen der Haltekon-
suche der Feuerwehr München haben
struktion zu rechnen. Die Module selbst
bewiesen, dass mit Schaum abgedeckte
sind aufgrund ihrer geringen Tragfähigkeit
Module bereits nach rund fünf Minuten er-
nicht begehbar. Im Gefahrenfall ist die
neut die volle DC-Ausgangsspannung er-
Absicherung von einsturzgefährdeten Be-
reichen.
reichen (Trümmerschatten) vorzunehmen.
Das Betreten dieses Bereichs ist untersagt.
Löschmaßnahmen im Bereich von Photovoltaikanlagen sollten nur dann durch-
Wegen der Absturzgefahr sollten Photo-
geführt werden, wenn ein Sprühstrahl ver-
voltaikanlagen generell nicht betreten
wendet wird. Nach DIN VDE 0132 sind
werden.
ausreichende Sicherheitsabstände einzuhalten (bei Sprühstrahl > 1 m, Bild 5).
www.schadenprisma.de
INFORMATION
7
4 2010
Bild 6 | Ansicht der
Taschenkarte für
Photovoltaikanlagen –
Sicherheit für den
Feuerwehreinsatz
Warnung vor
giftigen Gasen
Warnung vor
Ausbreitung im
Brandfall
Atemgifte (im Brandfall)
Abschließende Betrachtung
Durch Verbrennungen von Kabelisolierun-
Das Hauptproblem von Photovoltaikanla-
gen, Kunststoffen und Bestandteilen der
gen ist die fehlende Möglichkeit der Frei-
Photovoltaikanlage ist mit toxischen Ga-
schaltung im Gleichspannungsbereich. Die
sen zu rechnen. Darüber hinaus sind auch
Berücksichtigung der Einsatzhinweise in
die üblichen Brandgase eines Wohnungs-
der neuen Taschenkarte für Feuerwehren
bzw. Hausbrandes mit überwiegend festen
(Bild 6) trägt dazu bei, das Risiko für die
Brennstoffen nicht außer Acht zu lassen.
Einsatzkräfte im Brandfall erheblich zu reduzieren.
Ausbreitung im Brandfall
PV-Module und Verkabelung können über
Wünschenswert wären Standortverzeich-
Brandwände geführt sein und zu einer
nisse von vorhandenen größeren Photo-
Brandausbreitung führen.
voltaikanlagen mit der Darstellung von installierten DC-Freischaltstellen. Die Kenn-
Warnung vor
Erkrankung /
Verletzung
Erkrankung / Verletzung
zeichnung von Gebäuden mit Photo-
Das Verbundglas an Photovoltaikanla-
voltaikanlagen hatte der Arbeitskreis der
gen kann durch die Wärmeeinwirkung im
Deutschen
Brandfall bersten. Durch die Splitterbildung
Elektronik
von zerstörten Modulen besteht erhöhte
DIN und VDE (DKE) beschlossen. Dieses
Verletzungsgefahr im Einsatz.
Kennzeichnungsschild soll an Stromkreis-
Kommission
und
Elektrotechnik,
Informationstechnik
im
verteilern und / oder Schalt- und Zähler-
Kamineffekt
schränken angebracht werden.
Zu beachten ist auch die mögliche BilWarnung vor
Kamineffekt
dung des Kamineffektes bei großen Photo-
In der Zwischenzeit tragen die Einsatzhin-
voltaikmodulflächen und Fassadenanlagen
weise auf der neuen Taschenkarte erheb-
durch Luftströmungen unterhalb der ge-
lich dazu bei, das Risiko für die Einsatz-
schlossenen Modulflächen.
kräfte im Brandfall zu reduzieren. Wolfgang Franzek
Dipl.-Chem. Ing. Birgit Lerlei
Dipl.-Ing. Volker Rautenberg
Abteilung Schadenverhütung / Risikoberatung
Provinzial Rheinland Versicherung AG
www.schadenprisma.de
Herunterladen