Die Prävalenzentwicklung der körperdysmorphen Störung in den Jahren 2002 bis 2013. Dissertation zur Erlangung des Grades eines Dr. med. an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig Tanja Gieler 1 Die Prävalenzentwicklung der körperdysmorphen Störung in den Jahren 2002 bis 2013. Dissertation Zur Erlangung des akademischen Grades Dr. med. an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig Eingereicht von: Tanja Gieler, geb. Kempf Geburtsdatum/Geburtsort: 05.02.1973 / Herborn Angefertigt an: Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig Betreuer: Prof. Dr. Elmar Brähler Beschluss über die Verleihung des Doktorgrades vom: 24.01.2017 2 Inhaltsverzeichnis 1. Bibliographische Beschreibung 4 2. Einführung 2.1. Einleitung 2.2. Epidemiologie der körperdysmorphen Störung 2.3. Genese der körperdysmorphen Störung 2.4. Klinik der körperdysmorphen Störung 2.5. Literatur 6 6 6 7 8 13 3. Publikationen 17 4. Zusammenfassung 18 5. Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit 22 6. Danksagung 23 7. Lebenslauf 24 3 1. Bibliographische Beschreibung Name, Vorname Titel der Arbeit Tanja Gieler Die Prävalenzentwicklung der körperdysmorphen Störung in den Jahren 2002 bis 2013 Universität Leipzig, Dissertation 1. Publikation (3.1): 8 S, 65 Lit., 4 Tab. 2. Publikation (3.2): 6 S, 50 Lit., 1 Tab., 3 Abb. Referat: Die körperdysmorphe Störung (KDS) oder Body Dysmorphic Disorder (BDD) ist eine häufig unerkannte Erkrankung die in der Literatur mit einer Prävalenz von 1% angegeben wird. Bei der KDS beschäftigen sich Betroffene übermäßig mit einem Makel in der äußeren Erscheinung, welcher objektiv für Mitmenschen nicht oder nur minimal sichtbar ist. Häufig sind der Kopf und die Gesichtspartie betroffen (Nase, Asymmetrien, Augenpartie, Zähne, Haar). Der Beginn der BDD liegt häufig in der Adoleszenz. Problematisch ist die mangelnde Offenheit über die Probleme mit dem Äußeren zu sprechen, da die Betroffenen befürchten nicht ernst genommen zu werden oder als arrogant und oberflächlich bewertet zu werden. Symptomatisch für die Erkrankung ist das sogenannte mirror-checking, d.h. die Betroffenen müssen sich zwanghaft ständig im Spiegel überprüfen. Dabei werden dann vermehrt kosmetische Produkte zwecks Camouflage angewandt oder die Haut wird manipuliert. In seltenen Fällen werden spiegelnde Flächen komplett gemieden. Das Umfeld wird häufig durch die ständigen Inanspruchnahmen von nötigen Rückversicherungen über das Aussehen belastet. Diese Rituale, sowie die Gedanken über das Aussehen nehmen oft mehrere Stunden des Tages in Anspruch. Betroffene sind oft nicht mehr in der Lage einer regulären Arbeit nachzugehen und eine Tagesstruktur aufrechtzuerhalten. Folgen oder Komorbiditäten sind sozialer Rückzug, Angststörungen und depressive Erkrankungen bis hin zum Suizid. In der vorliegenden Studie soll untersucht werden, wie sich die Prävalenz der KDS in den Jahren 2002 bis 2013 verändert hat, ob es einen Unterschied zwischen dem 4 Vorhandensein einer Partnerschaft gibt, ob die Bildung einen Einfluss hat und sich die Geschlechtsverteilung verändert hat, die bisher für Frauen und Männer als gleich berichtet wurde. Hierzu wurde der DCQ (Dysmorphic concern questionnaire) eingesetzt, welcher die KDS in eine subklinische und klinische Form unterteilt. Das Ergebnis zeigt eine deutliche Zunahme der Prävalenz der beiden Formen in unterschiedlicher Verteilung, Frauen scheinen jedoch häufiger als Männer betroffen zu sein. Die Untergruppe ohne Partner und diejenigen ohne Abitur scheinen häufiger betroffen zu sein, dies zeigte sich jedoch nicht signifikant. Die Untersuchung gestattet keine Rückschüsse auf die Ätiologie der Erkrankung, zeigt aber das diese Erkrankung mit den vielfältigen Belastungen, welche ohne adäquate Therapie chronisch wird, mehr Beachtung finden sollte und in dem untersuchten Zeitraum 2002 – 2013 deutlich zugenommen hat. 5 2. Einführung Die Prävalenzentwicklung der körperdysmorphen Störung in den Jahren 2002 bis 2013. „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Wahre Schönheit ist für das Auge unsichtbar.“ (Antoine de Saint-Exupery) 2.1. Einleitung: Diese Promotionsschrift soll sich mit der Frage beschäftigen, ob die KDS in den letzten Jahren zugenommen hat. Da schon in mehreren Prävalenzstudien gezeigt wurde, dass die KDS eine klinisch relevante Erkrankung ist (s.u. 2.2.), scheint das Interesse für die Veränderung der Prävalenz wichtig. Wenn davon auszugehen ist dass diese Erkrankung zunimmt, könnte es hilfreich sein die damit arbeitenden Fachärzte zu sensibilisieren, um eine zügige und effektive Therapie einzuleiten. Durch die Schaffung eines Bewusstseins für diese Erkrankung und deren Zunahme könnte durch gezielte Tests und damit einer höheren Sicherheit des Untersuchers, schnell eine konkrete ambulante Psychotherapie und in schwereren Fällen die Überweisung in eine psychiatrische Klinik erfolgen. Dadurch könnte viel Unsicherheit bei der Kommunikation vermieden werden und den Patienten viel unnötiges Leid und kostbare Zeit erspart bleiben. 2.2. Epidemiologie der körperdysmorphen Störung Das Störungsbild der KDS wird in den letzten Jahren immer mehr beforscht. 1995 fanden sich in PubMed 22 Veröffentlichungen, 2005 schon 42, 2012 152 und in den ersten 4 Monaten 2016 bereits 36 Arbeiten zu dem Thema. Die Prävalenzrate der Störung liegt nach bisherigen Angaben in der Literatur bei 0,7% (Faravelli et al 1997) bis 2,4% (Koran et al 2008) der Allgemeinbevölkerung. Auffällig ist, dass sich Menschen welche unter einer KDS leiden, häufig in dermatologischen Praxen vorstellen. 9-12% der Patienten die von Dermatologen gesehen werden, leiden an einer KDS (Phillips et al 2005, Koran et al 2008). Die vorgenannten Autoren berichten weiterhin, dass sich im Bereich der plastischen Chirurgie ein Anteil von 6-15% von Patienten mit KDS findet. Eine prospektive Studie von Bjornsson et al (2011) konnte zeigen, dass 1,8-4,8% der Patienten zum Untersuchungszeitpunkt unter KDS litten, 2,6-6,1% litten unter einer lebenslangen KDS. 6 Weitere Studien untersuchten die Punktprävalenz der KDS in der allgemeinen Bevölkerung. In Studien aus Deutschland stellte Rief et al (2006) eine Häufigkeit von 1,7% fest, Stangier et al (2007) beschreibt eine Punktprävalenz von 0,9% und Buhlmann et al (2010) fanden eine Punktprävalenz von 1,8%. Die unterschiedlichen Daten könnten mit den unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten zusammenhängen. Faravelli et al (1997) untersuchte die Prävalenz ausschließlich in Florenz und kam auf 0,7% der Bevölkerung und Otto et al (2001) untersuchte ausschließlich Frauen in den USA aus 7 USamerikanischen Ortschaften, die in einer Fallkontrollstudie erhoben wurden. Hier konnte eine Prävalenz von 0,7% mittels strukturierter Interviews festgestellt werden. Die bereits oben beschriebene Prävalenz von 2,4% ermittelte Koran et al (2008) mittels eines computer-assistierten Interviews nach den Kriterien des DSM-IV. Im Verlauf des Textes wurden schon die Prävalenzen in spezifischen Settings beschrieben, die deutlich höher ausfallen. So konnten in dermatologischen Praxen in Deutschland mittels DCQ Prävalenzen von 8,7% (2003b) und 9% (2003a) von Stangier et al ermittelt werden, Während Ritter et al 2010 Prävalenzen von 7,9% fanden und Wiedersich et al eine Prävalenz der KDS von 6,6% in dermatologischen Praxen beschreibt (2010). Eine weitere wichtige Gruppe ist die der psychiatrischen Patienten. In den untersuchten Populationen wurden 0,5-10% beschrieben, welche von einer KDS betroffen sind (Wegner et al 1999, Brawman-Mintzer et al 1995, Nierenberg et al 2002, Kollei et al 2011, während bei Studenten Zahlen von ca. 4 % berichtet werden (Bohne et al 2002, Veale et al 1996). 2.3. Genese der körperdysmorphen Störung Die multifaktorielle Genese der KDS beinhaltet biologische, psychologische und soziokulturelle Faktoren. Eine Vielzahl psychologischer Theorien haben versucht die körperdysmorphe Störung zu erklären, es wird dabei von einer Diskrepanz von Körperbild und Körperselbst ausgegangen (Veale et al 2003, Harth & Gieler 2008). Es ist aus unserer Sicht davon auszugehen, dass durch ein Trauma oder ähnliche nicht verarbeitete frühe Störungen in der kindlichen Entwicklung zu einer ungenügenden Selbstreflektion und mangelnder Körperintegrität geführt haben. Veale et al (2001) beschreibt, dass Menschen mit KDS von einem Wunsch geleitet werden äußerlich ein anderes Körperbild zu repräsentieren, als 7 sie es innerlich spüren. In ihrer ausgeprägten Selbstunsicherheit benötigen sie die ständige Rückversicherung von ihrer Umgebung, was diese am Äußeren des Patienten wahrnehmen. Als Alternative dient die Selbstüberprüfung im Spiegel, getreu der Frage aus dem bekannten Märchen Schneewittchen: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land (Veale et al 2001). Bildgebende SPECT-Verfahren in neurologischen Studien zeigen Beeinträchtigungen und spezifische Aktivitäten bei betroffenen Patienten mit körperdysmorpher Störung (Moody et al 2015). Weiterhin wurden in Untersuchungen von Carey et al (2004) und Feusner et al (2007, 2010) bei Patienten höhere Aktivitäten in der linken Hemisphäre im Vergleich mit Kontrollgruppen gefunden. In späteren Untersuchungen konnte er Störungen in der visuellen Verarbeitung und im fronto-striatalen System finden, dass mit der Entwicklung von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen in Verbindung stehen könnte (Veale et al 2016). 2.4. Klinik der körperdysmorphe Störung Schon 1886 hat der Psychiater Morselli (1886) das Krankheitsbild der Body Dysmorphic Disorder (BDD) beschrieben und dafür den Begriff Dysmorphophobia eingeführt (Morselli 1886). In der Folge beschrieben dann auch andere Psychiater junge Frauen, die wegen ihrer eingebildeten Hässlichkeit Angst hatten, keinen Liebhaber zu finden (Gieler, 2003). Inzwischen gibt es immer häufiger Publikationen zu diesem Phänomen (Fang et al 2014, Schieber et al 2015, Husain et al 2014, Toro-Martinez et al 2014). 1987 ist das Krankheitsbild der BDD in den USA offiziell als Krankheitsdiagnose in den DSM-IV aufgenommen worden (DSM-IV; American Psychiatric Association 1994). Mittlerweile ist die BDD sowohl im DSM-IV-R als auch im ICD-10 als eigenständiges Krankheitsbild akzeptiert (DSM-IV-R 2000). Im ICD-10 wird die BDD den somatoformen Störungen zugerechnet (ICD-10 2010). Im DSM-V wird sie neu in die Kategorie der Zwangsstörungen eingeordnet (American Psychiatric Association DSM V 2013). Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind die Zwangserkrankungen, die hypochondrischen Störungen, sowie Körperbildstörungen bei der Anorexia nervosa bzw. Bulimie. BDD ist eine chronische psychische Störung, bei welcher die Betroffenen nicht aufhören können über einen minimalen oder eingebildeten Makel nachzudenken (Albertini et al 1999, Horowitz et al 2002, Phillips et al 1991 und 2005). Sie empfinden ihr Erscheinungsbild als so entstellt, dass sie sich schämen, und verhindern, dass Sie jemand 8 sehen könnte. Diese Patienten verbringen mehrere Stunden pro Tag damit sich im Spiegel zu kontrollieren und ihr Erscheinungsbild zu checken (mirror-checking), oder sie vermeiden Spiegel oder spiegelnde Flächen (Albertini et al 1999). Weiterhin verwenden diese Patienten kosmetische Produkte, um den eingebildeten Makel zu verdecken, oder sie manipulieren die Haut übermäßig (Albertini et al 1999, Grant et al 2006, Horowitz et al 2002, Phillips et al 1993, 2005). Dabei sind sie allerdings selten mit dem Ergebnis zufrieden bzw. nicht dauerhaft mit ihrem Selbstbild im Einklang. Diese auf die Hautoberfläche projizierte psychische Störung betrifft vor allem Gesicht, Nase, Ohren und sekundäre Geschlechtsmerkmale (Phillips et al 2005). Objektive Betrachter können den Makel meist nicht erkennen (DSM V Kriterium A). Menschen mit BDD weisen das Bedürfnis auf, sich ständig zu versichern, ob alles in Ordnung aussieht. Häufig vermeiden sie jedoch soziale Kontakte, öffentliche Plätze, Arbeit und Schule. Manche verlassen das Haus nur nachts (Albertini et al 1999, Phillips et al 1993). Die körperdysmorphe Störung korreliert mit sozialem Rückzug, der das Maß üblicher Schüchternheit deutlich überschreitet und bis zur klinischen Ausprägung der sozialen Phobie reicht (Patterson et al 2001, Phillips 1991). Dieser Rückzug beinhaltet, dass die betroffenen Menschen keine zwischenmenschlichen Kontakte mehr pflegen oder aufnehmen, sozial ausgegliedert sind und arbeitsunfähig werden (Phillips et al 2005). Weitere Komorbiditäten sind das Auftreten von Essstörungen (Hartmann et al 2013), Angst- und affektiven Störungen (Gunstad et al 2003, Phillips et al 2005). In diesem Kontext kommt es meistens zu einem Anstieg des Körpergewichts mit nachfolgenden Diäten. In diesem Teufelskreis treten in etwa 15 % der Fälle suizidale Reaktionen auf (Phillips & Menard 2006). Der Wunsch und die Umsetzung von kosmetischdermatologischen und plastisch-chirurgischen Eingriffen birgt das entsprechende Risiko von unerwünschten Folgeerscheinungen oder führt zur Operationssucht (Philipps et al 2000). Grant et al beschreiben Komorbiditäten der KDS. Hierzu zählen v.a. die Depressionen, Soziale Phobien, Zwangs- und Angststörungen (Gunstad et al 2003). Auch Skin Picking und Substanzmissbrauch sind häufig assoziiert (Jafferany 2007, Muffadel et al 2013). Dyl et al beschreiben 2006 ein vermehrtes Vorkommen von Dissoziationen und PTSD (post traumatic stress disorder) bei der körperdysmorphen Störung. 9 Klinische Diagnostik: Folgende Fragen können für die klinische Diagnose hilfreich sein (nach Stangier et al 2003a): • Sind Sie bzgl. Ihres äußeren Erscheinungsbildes häufig beunruhigt? • Denken Sie häufig über ihre Erscheinung nach und wünschen sich, Sie könnten diese Gedanken unterbrechen? • Wie viele Stunden verbringen Sie im Durchschnitt damit sich mit Ihrem Aussehen zu beschäftigen? • Ist hierbei Ihr Hauptinteresse nicht dünn genug zu sein, oder zu dick zu werden? (Abgrenzung zu Essstörungen) • Beeinflusst die Beschäftigung mit Ihrem Aussehen Ihr Leben? • Vermeiden Sie Treffen mit Freunden, der Familie? • Können Sie Ihrer Arbeit nachgehen, gehen Sie zur Schule? • Gibt es Dinge, die Sie aufgrund ihres Aussehens vermeiden? Die Diagnostischen Kriterien im DSM-IV-IVTR (2000) sind: A: Beschäftigung mit einem eingebildeten Defekt in der Erscheinung. Falls eine leichte physische Anomalität vorhanden ist, wird diese von der Person überbewertet. B: Die Beschäftigung verursacht Stress und ein Ungleichgewicht in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionen C: Die Beschäftigung ist denen anderer psychischer Erkrankungen wie der Anorexia nervosa vergleichbar. 10 Die körperdysmorphe Störung geht gewöhnlicher weise nicht ohne adäquate Hilfe zurück. Meist verschlechtert sie sich unbehandelt und kann zu suizidalen Handlungen führen. Validierte Diagnostik der körperdysmorphen Störung: Zur diagnostischen Erfassung der BDD werden unterschiedliche Instrumente empfohlen, die teils klinisch oder als Screening-Fragebögen eingesetzt werden. Es gibt zwei Formen von Interviews, die sich zur Erfassung der BDD eignen: Das strukturierte InterviewDiagnostic-Modul für BDD von Philipps BDDDM (Phillips et al 1993) wird für den klinischen Einsatz empfohlen. Außerdem gibt es halbstrukturierte Interviews, die sogenannten Yale-Brown-Obsessive-Compulsive-Scale (BDD-YBOCS) (Phillips 1997). Mit diesen Verfahren kann der Schweregrad der psychologischen Symptome erfasst und Informationen zur Verhaltensanalyse gewonnen werden. Ebenso gibt es Fragebögen zur Erfassung der BDD: Der DCQ wurde in Deutschland von Stangier et al (2000) validiert und erlaubt eine Einteilung in Patienten mit subklinischer und klinischer Ausprägung der BDD. Er umfasst nur 7 Items und lässt sich somit gut als Screening-Instrument einsetzen (genaue Beschreibung siehe Methodik). Im deutschsprachigen Raum werden außer dem DCQ zwei weitere Fragebögen angewandt: Der KDS-F (körperdysmorpher StörungsFragebogen) mit 43 Items, die auf 3 Hauptskalen kodiert werden und der KDS-K (Kurzfassung des KDS-F), Brunhoeber 2009). Therapeutische Ansätze der körperdysmorphen Störung Die Behandlung der körperdysmorphen Störung erfolgt derzeit hauptsächlich über einen verhaltenstherapeutischen Ansatz mit dem Ziel krankmachende Gedankenmuster und Verhaltensweisen umzulernen, die teilweise auch internetbasiert durchgeführt werden (Enander et al 2014, 2016). Gerade in den letzten Jahren sind erstmals kontrollierte und randomisierte Studien mit kleiner Patientenzahl publiziert worden, die den kognitivbehavioralen Ansatz untersucht haben (Allen et al 2006, Greenberg et al 2016, Veale et al 2014, Wilhelm et al 2014). Der Einsatz von Psychopharmaka wurde ebenfalls in einigen therapeutischen Studien untersucht (Phillips 2006b, Phillips et al 2006 a, 2008, 2009) jedoch mit nur geringem Erfolg und wenigen Patienten. Es wurden vor allem SSRI’s 11 (Fluoxetin, Escitalopram) eingesetzt, aber auch Aripiprazole (Rashid et al 2015, Uzun & Ozdemir 2010). Auch der Einsatz einer Elektrokrampftherapie wurde in einer Studie beschrieben (Rapinesi et al 2013). Ein Cochran-Review (Ipser et al 2014) bestätigt eine kleine Evidenz der verhaltenstherapeutischen Studien und den Einsatz von SSRI’s. Insgesamt möchte ich mit der hier vorliegenden Schrift das Krankheitsbild der körperdysmorphen Störung in einer Übersicht der diagnostischen und klinischen Ansätze beschreiben (Veröffentlichung im Hautarzt 2016) und eine epidemiologische Erhebung in einer repräsentativen Bevölkerungsgruppe in Deutschland aus dem Jahr 2002 und 2013 analysieren, aus der hervorgeht, dass die Prävalenz der Störung in dieser Zeit zugenommen hat (Veröffentlichung in ACTA Dermatovenereologica 2016). 12 2.5. Literaturverzeichnis 1. Albertini RS, Phillips KA. Thirty-three cases of body dysmorphic disorder in children and adolescents. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 1999; 38: 453-459. 2. Allen A. Cognitive-behavioral treatment of body dysmorpic disorder. 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The effect of self-focused attention and mood on appearance dissatisfaction after mirror-gazing: An experimental study. J Behav Ther Exp Psychiatry. 2016; 52: 3844. 64. Wegner U, Meisenzahl EM, Möller HJ, Kapfhammer HP. Dysmorphophobie – Symptom oder Diagnose? Nervenarzt. 1999; 70: 233-239. 65. Wiedersich A. Die Körperdsymorphe Störung- Das Bild der körperdysmorphen Störung in verschiedenen Behandlungssettings. Dissertation Universität Giessen 2010. 66. Wilhelm S, Phillips KA, Didie E, Buhlmann U, Greenberg JL, Fama JM, Keshaviah A, Stefetee G. Modular cognitive-behavioral therapy for body dysmorphic disorder: a randomized controlled trial. Behav Ther 2014; 45: 314-327. 16 3. Publikationen 3.1 Gieler T Schmutzer G, Braehler E, Schut C, Peters E, Kupfer J (2016) Shadows of Beauty – Prevalence of Body Dysmorphic Concerns in Germany is increasing: Data from two representative samples from 2002 and 2013; Acta Dermatovenereologica Suppl. 2016, accepted for publication. (ImpactFactor: 3,72) 3.2. Gieler T, Braehler E (2016) Die körperdysmorphe Störung - Die Angst vor Missgestaltung - Body Dysmorphic Disorder – Anxiety about deformity; Der Hautarzt. 2016; 67(5):385-390. (Impact-Factor: 0,564) 3.3. Sonstige Publikationen (nicht als Anlagen): 3.3.1. Gieler U, Gieler T, Kupfer JP. Acne and quality of life – impact and management. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; Suppl. 4: 12-14. doi: 10.1111/jdv.13191. (Impact-Factor: 2,826) 3.3.2. Gieler U, Gieler T, Schut C, Niemeier V, Peters EM, Kupfer JP. Quality of life and comorbities in urticaria – what is known? Current Dermatological Reports 2015; 24 April; doi: 10.1007/s13671-015-0105-6. 3.3.3. Gieler U, Gieler T: Rosazea – der Fluch der Kelten. Buchbeitrag: Rosazea (Schaller Hrsg.) im Druck 2016 3.3.4. Gieler U, Gieler T, Schoof S, Scheewe S, Schut C, Kupfer J. Atopic eczema Stress for Single Parents and Families – an empirical Study of 96 Mothers. Acta Dermatovenereologica, 2016; May 12. doi: 10.2340/00015555-2457. [Epub ahead of print] PMID: 27171603. (Impact-Factor: 3,72) 17 4. Zusammenfassung * * Teile der Zusammenfassung wurden aus meinem beiliegenden Paper zitiert. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Dr. med. Die Prävalenzentwicklung der körperdysmorphen Störung in den Jahren 2002 bis 2013. Eingereicht von: Tanja Gieler geb. Kempf Angefertigt am: Institut für Medizinische Psychologie der Universität Leipzig Betreut von: Prof. Dr. rer. nat. habil. E. Brähler Mai 2016 Die körperdysmorphe Störung ist eine chronische psychische Störung, bei welcher die Patienten eingebildete oder minimale Schönheitsmakel oder Asymmetrien überbewerten. Dies führt dazu, dass sie ständig über die vermeintliche Missgestaltung von Teilen ihres Körpers nachdenken müssen. Dies nimmt häufig mehrere Stunden des Tages in Anspruch und kann im Extremfall dazu führen, dass Betroffene nicht mehr arbeitsfähig sind. Bei milderen Verlaufsformen, müssen sich Patienten häufig die Rückversicherung von Bekannten oder Familienmitgliedern holen, um sich zu beruhigen. Sozialer Rückzug aus Scham kommt häufig vor und kann sich bis zu einer sozialen Phobie entwickeln. Nicht selten kann sich diese Symptomatik derart ausweiten, dass die Betroffenen suizidal werden. Häufige Komorbiditäten sind Essstörungen, Angst- und affektive Störungen. Falls diese Menschen das Haus verlassen und sich auf einen gesellschaftlichen Rahmen einlassen, verwenden sie häufig kosmetische Produkte, um die vermeintlichen Makel zu verstecken. Bei der körperdysmorphen Störung können nahezu alle Körperteile Objekt der Entstellungswahrnehmung werden. Häufig betroffen sind: Haut, Haare, Zähne, Nase, Ohren und sekundäre Geschlechtsmerkmale. Dabei ist zu betonen, dass objektiven Betrachtern der vermeintliche Makel meist nicht oder kaum auffällt. Die Patienten gehen 18 in ihrer Verzweiflung bis zum Äußersten und greifen dabei auch auf Schönheitsoperationen zurück, welche sich bis zur Operationssucht steigern kann. In mehreren Studien weltweit wurden Untersuchungen bzgl. der Punktprävalenz der körperdysmorphen Störung (KDS) gemacht. Es existieren ebenfalls Untersuchungen über die spezifischen Settings in welchen die KDS gehäuft vorkommt. In Studien wurde bisher noch nicht die Frage geklärt, ob oder in welchem Ausmaß die Krankheit in den letzten Jahren zugenommen hat. In dieser Arbeit soll daher überprüft werden, ob die Entstellungswahrnehmungen und die Tendenz zu einer KDS in Deutschland zugenommen hat. Das Ziel dieser Arbeit ist: Die Analyse der Prävalenzentwicklung der körperdysmorphen Störung in Deutschland, anhand eines spezifischen Fragebogens, in ihrer subklinischen und klinischen Form, in den Jahren 2002-2013. Im Rahmen einer Umfrage durch ein professionelles Institut (USUMA GmbH Berlin) wurden Personen in allen Teilen Deutschlands befragt. Im Jahre 2002 waren es n=2066 und im Jahre 2013 n=2508 befragte Personen (verwertbare Daten). In dieser Erhebung wurde zum Screening der körperdysmorphen Störung, der sogenannte DCQ angewandt. Dieser Dysmorphic condern Questionnaire stammt in der deutschen Validierung von Stangier et al (2003) und wurde aus dem General Health Questionnaire nach Goldberg (1972) von Oosthuizen et al (1998) entwickelt. Der Fragebogen besteht aus 7 Items, welche durch eine 4 Punkte- Skala von 0-3 zu bewerten ist. Als Beispiel sei hier eine Frage erwähnt: „Wurde Ihnen schon von Ärzten oder anderen gesagt, dass Sie normal seien, obwohl Sie der Überzeugung sind, dass etwas mit Ihrem Aussehen oder Ihren Körperfunktionen nicht stimmt.“ Für die statistische Datenanalyse wurde IBM SPSS Version 22 Windows 2013 verwandt. Zum Vergleich der Häufigkeitsverteilungen wurden Chi2-Tests bestimmt. Die Veränderungen der Prävalenzen von 2002 bis 2013 wurden mittels ODDs-Ratios, mit 19 einem Konfidenzintervall von 95% dargestellt. Zusätzlich wurden ODDs-Ratios für den Vergleich der Abstufungen der Variablen: -Männer/Frauen -mit und ohne Abitur -mit und ohne Partner analysiert. In einer zuerst erfolgten deskriptiven Statistik wurde die Punktprävalenz der KDS in beiden Stichproben ausgewertet. Für die subklinische Form der KDS wurde ein Cut-Off Wert von ≥ 11 - < 14 und für die klinische Form ein Wert von ≥ 14 verwandt. Es zeigte sich eine Zunahme in Wahrnehmung von Entstellungen in der deutschen Bevölkerung. Im Jahre 2002 gaben 0,5% der Befragten subklinische Symptome an, im Jahre 2013 2,6% (OR=5.16; CI95% =(2.64; 10.06). Die klinisch relevanten Symptome stiegen von 0,5% auf 1% (OR=2.20; CI95%=( 1.03; 4.73). Die Häufigkeitsverteilung der Befragten bzgl. Entstellungswahrnehmungen mit einem Wert <11, d.h. es liegt weder ein subklinische noch eine klinische Form der KDS vor, unterscheidet sich signifikant zwischen den Jahren 2002 bis 2013 (Chi2(2) = 32.71; p<.001). Bei den genannten Untergruppen zeigt sich ein Anstieg allerdings nur in der subklinischen Form. Im Vergleich der Frauen und Männer zeigt sich, dass sich in der Gruppe der Frauen häufiger die subklinische Form zeigt (Frauen:OR = 4.21; CI 95% = (1.87; 9.47); Männer: OR = 7.38; CI95% = (2.24; 24.35)). Die Untergruppe ohne Abitur (OR = 9.49; CI95% = 3.79; 23.76), sowie die Untergruppe ohne Partner zeigen höhere Prävalenzen im Jahre 2013 (OR = 5.38; CI95% = (2.09; 13.86)/ (OR = 4.89; CI95% = 1.90; 12.57). Mit dieser Fragebogenstudie konnte die Annahme, dass sich die Entstellungsbefürchtungen in den Jahren 2002-2013 erhöht haben, nachgewiesen werden. 20 Dieses Ergebnis zeigt offenbar, einen Trend in der Entwicklung der Häufigkeit der körperdysmorphen Störung in der deutschen Bevölkerung. Diesem Krankheitsbild sollte daher mehr Beachtung geschenkt werden und häufiger in differentialdiagnostische Überlegungen miteinbezogen werden. Da sich der DCQ (Dysmorphic concern Questionnaire) in dieser Studie bewährt hat, erscheint ein klinischer Einsatz sinnvoll. Durch dieses Screening-Instrument ist eine klinische gestellte Diagnose schnell zu überprüfen, so dass eine schnelle Diagnostik und Einleitung von Psychotherapie möglich ist. Dies kann zur schnellen Minderung von Beschwerden führen und eine unnötige Belastung durch z.B. häufige Operationen reduzieren. 21 5. Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne unzulässige Hilfe oder Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Ich versichere, dass Dritte von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten haben, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen, und dass die vorgelegte Arbeit weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde zum Zweck einer Promotion oder eines anderen Prüfungsverfahrens vorgelegt wurde. Alles aus anderen Quellen und von anderen Personen übernommene Material, das in der Arbeit verwendet wurde oder auf das direkt Bezug genommen wird, wurde als solches kenntlich gemacht. Insbesondere wurden alle Personen genannt, die direkt an der Entstehung der vorliegenden Arbeit beteiligt waren. .................................. Datum ................................................................................................ Unterschrift 22 6. Danksagung Hiermit möchte ich mich bei allen Menschen bedanken, die mich bei der Durchführung und Fertigstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Ein besonderer Dank gilt meinem „Doktorvater“ Herr Prof. Dr. Elmar Brähler, der mich in seiner ganz besonderen Art immer blitzschnell und unmissverständlich unterstützt hat. Die Zusammenarbeit war immer zielgerichtet, so dass nach jedem Treffen wieder viele neue Ideen für meine Arbeit entstanden sind. Weiterhin möchte ich mich bei Frau Dr. Schmutzer, Herrn PD Dr. Jörg Kupfer und Dr. Christina Schut sowie PD Dr. Eva Peters für die gute Zusammenarbeit und die Hilfe sowie Korrekturen vor allem bei den statistischen Analysen bedanken. Ebenso möchte ich einen besonderen Dank an MD Florence Dalgard PhD / Oslo ausdrücken, die mich immer wieder motiviert hat wissenschaftlich zu arbeiten. Außerdem an Michèle Fend für die Inspirationen durch konstruktive Diskussionen über mögliche Ursachen und Zusammenhänge der körperdysmorphen Störung. Meinem Mann und meinen Kindern danke ich für die Liebe und dafür, dass sie einfach da sind. 29.5.2016 Tanja Gieler 23 7. Lebenslauf Angaben zur Person Name: Geburtsdatum: Geburtsort: Familienstand: Wohnort: Tanja Gieler 05.02.1973 Herborn verheiratet, vier Kinder Wilhelmstr. 6 35440 Linden 06403-69282 Ausbildung/Berufstätigkeit: 1979-1984 1984-1992 1993-1995 1995-2003 2003-2010 2010-2014 2014-2016 Seit 2016 Grundschule Eisemroth; Lahn-Dill-Kreis Johanneum Gymnasium Herborn Krankenpflegeausbildung in der psychiatrischen Klinik in Herborn Hochschulstudium Humanmedizin an der Universität in Giessen Assistenzärztin in der neurologischen Klinik in Braunfels. Assistenzärztin an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Giessen und Marburg, Standort Giessen Assistenzärztin in der Vitos Klinik für soziale Psychiatrie Giessen und Marburg, Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie Assistenzärztin im Inst. für Psychoanalyse und Psychotherapie (DPV) Giessen Inbegriffen sind Erziehungszeiten, die Geburtsjahre der Kinder sind 1992, 2000, 2005 und 2007. 24