D ei en aa - Sarah Fasolin

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Gartenwissen
Die eigene Saat
Nachwuchs
fürs Feld
In Poesie und Prosa steht oft der Vergleich:
Ein Samenkorn ist schlicht ein Wunder.
Im Garten entstehen sie tausendfach, wenn man sie lässt.
Text Sarah Fasolin Fotos Karl-Heinz Hug
Auf dem
Dachboden
trocknen die
geernteten
Samenstände.
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Gartenwissen
Die Stangenbohne Weinländerin wartet in ihrem pinkfarbenen Kleid auf die Ernte.
M
eist bleibt
dem Gärtner
verborgen, was
für kunstvolle
Samenstände
Karotten, Lauch und Zwiebeln
schaffen. Denn das Gemüse wird
geerntet, noch bevor es seinen
Lebenszyklus geschlossen und
Samen gebildet hat. Doch wer einmal seinen schönsten Kopfsalat hat
blühen lassen oder vom schmackhaften Bohnenstock Samen trocknen
liess, der merkt: Eine eigene kleine
Samengärtnerei macht Freude
und lässt den Erfahrungsschatz des
Gärtners grösser werden.
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Der Lauch – hier der Bleu de Liège – bildet eine
Kugel, an deren Enden die Samenkapseln sitzen.
Zum Grundwissen des Samenanbaus gehört, die wichtigsten
Eigenschaften der Pflanzen
zu kennen. Denn es gibt Pflanzen,
die bilden ihre Samenstände im
ersten Jahr des Anbaus, wie etwa
Bohnen, Tomaten, Spinat und
Salatsorten. Andere blühen erst im
zweiten Jahr, zum Beispiel Lauch,
Karotten und Fenchel. Von diesen
müssen zuerst einige Exemplare
überwintert und im nächsten Jahr
nochmals gesetzt werden.
Einsteiger beginnen am besten mit
einer einfachen Kultur, etwa der
Vermehrung von Stangenbohnen.
Diese bilden die Samen im ersten
Jahr und verkreuzen sich selten.
Wichtig ist auch zu wissen, nach
welchen Kriterien man die Pflanzen
auswählt: Legt man besonderen
Wert auf Geschmack, auf die Form
oder auf die Grösse?
BITTE SCHIESSEN LASSEN
Nun wird beobachtet, wie sich
die Pflanzen entwickeln und
welche sich wohl für eine weitere
Vermehrung am besten eignen.
Jene Kohlköpfe oder Bohnenstöcke,
die man schliesslich für die Weiterzucht auswählt, sollte man sogleich
beschildern. Und dann lässt man
sie aufschiessen und blühen. Einige
Erst blüht er gelb, der Fenchel (Sorte Cristallo), dann Das Rote Teufelchen hat den Namen dank seiner
formt er grüne Kapseln, die zum Schluss braun werden. höllischen Schärfe erhalten.
Samenstände werden so gross
und so schwer, dass sie eine Stütze
brauchen. Der richtige Zeitpunkt
für die Ernte lässt sich mit einigen
Tricks bestimmen: Bei Bohnen sollte
man mit dem Fingernagel keinen
Abdruck mehr hinterlassen können.
Bei Salaten schneidet man die Samenstände, kurz bevor die Samen von
selbst herausfallen. Bei Fruchtgemüse wie Tomaten, Auberginen
oder Gurken nimmt man eine
vollreife Frucht. Hier folgt nun
eine Nassreinigung (siehe Box).
Alle anderen Samenstände werden
während der nächsten zwei bis
drei Wochen auf dem Dachboden
oder in einem warmen, luftigen
Raum getrocknet. Dabei sollte es
nie über 35 Grad warm sein, da
sonst die Keimfähigkeit der Samen
gemindert wird. Anschliessend
folgt das Dreschen, das besonders
bei Kindern sehr beliebt ist:
Die Samenstände werden in einen
Stoffsack abgefüllt, der danach
gegen die Wand geschlagen wird.
So lösen sich die Samenkörner
aus der Hülle. Einige Samen, zum
Beispiel von Endivien oder Radieschen, lassen sich kaum aus der
Hülle locken. Hier muss der Sack
mit einem Holzflegel gedrescht
werden. Zuletzt wird der Samen
mit verschieden grossen Sieben
gereinigt. Hilfreich ist dabei ein
Haarföhn, um die leichten Samenhülsen-Teile von den schwereren
Samen wegzublasen.
Nun ist das kleine Samenkorn
parat, um im nächsten Frühling
zu einer grossen Pflanze heranzuwachsen. Vorausgesetzt, es
wird bis dahin richtig gelagert:
bei Temperaturen zwischen null
und zehn Grad in einem Glas
mit Bügelverschluss. Zuletzt darf
die detaillierte Beschriftung (Art,
Sorte, Jahr) nicht vergessen werden,
damit es nächstes Jahr nicht zu
Überraschungen kommt. C
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Samengärtnerei
F ragen Sie Peter Lippus
Was braucht die blaue Hortensie?
Beobachten, blühen lassen, ernten – und zum Schluss den Samen gewinnen.
Experte Peter Lippus hilft den LandLiebe-Lesern bei ihren Gartenfragen weiter.
So wird das Samentütchen voll
B
C
D
Ich habe ein sehr schattiges
Gartenbeet. Welches Gemüse
gedeiht darin trotzdem?
Ich habe rote und blaue Hortensien gekauft. Kann ich diese
nebeneinander im Garten setzen?
Ich habe gehört, blaue Hortensien brauchen eine andere Erde.
Peter Mösch, Bern
E
Ein Blick in das Samengehäuse:
Sind sie alle frisch und munter?
F
Unter dem Wasser das
Fruchtfleisch abspülen.
G
Zum Trocknen in
Kaffeefilter abfüllen.
DAS EINMALEINS DER BESTÄUBUNG
Ein Samenkorn entsteht aus dem
männlichen Erbgut (Pollen) und dem
weiblichen Erbgut (in der Samenanlage enthalten). Je nach Pflanze
finden die beiden Erbgutträger
anders zusammen:
Selbstbefruchter Manche Pflanzen
haben Blüten, in denen sowohl
männliche Pollen als auch die weiblichen Stempel ausgebildet werden
und die Befruchtung innerhalb
der gleichen Blüte stattfindet. Dies
ist zum Beispiel bei Tomaten und
Erbsen der Fall.
Fremdbefruchter Diese Pflanzen
sind darauf angewiesen, dass ihnen
der Wind oder die Insekten den
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Die Samen mit einem kleinen
Löffel aus der Frucht schaben.
Pollen von anderen Pflanzen bringen.
Ebenfalls zu den Fremdbefruchtern
gehören Pflanzen, die sowohl männliche wie auch weibliche Blüten auf
der gleichen Pflanze haben – zum
Beispiel Kürbisse. Um diese Sorten
echt weiterzuzüchten, bräuchte es
die Befruchtung von eigenem Pollen
(oder Pollen einer gleichen Pflanze) mit
der eigenen Narbe. Im Garten kommt
es jedoch oft zu Fremdbestäubungen
durch Insekten, die sich mit Pollen
von anderen Kürbispflanzensorten
auf die weiblichen Blüten setzen. So
kann es zu Verkreuzungen kommen,
und die typischen Eigenschaften der
Pflanze gehen verloren.
Netzwerk www.prospecierara.ch j www.ulmer.de
Nach dem Trocknen in einem Glas
bei null bis zehn Grad aufbewahren.
DER BUCH-TIPP
Ich habe letztes Jahr ein Olivenbäumchen gekauft, das beim
Überwintern jedoch alle Blätter
verloren hat. Nun treibt es neu
aus. Ist es normal, dass Olivenbäume im Herbst ihre Blätter
verlieren, und soll ich die alten
Triebe nun wegschneiden?
Worum es geht Übersicht-
liches Werk mit allen Infos zur
Gemüsevermehrung – auch zur
anspruchsvollen Saatgewinnung
von Fremdbefruchtern.
Wer es liest Einsteiger, Profis.
Wer es schrieb Andrea
Heistinger, Arche Noah, Pro
Specie Rara.
Was es kostet CHF 47.90
«Handbuch
Samengärtnerei
Sorten erhalten,
Vielfalt vermehren,
Gemüse geniessen»
Ulmer
Andrea Bodmer, Zürich
Foto Karl-Heinz Hug / www.vanoordt.ch
Nur voll ausgereifte Früchte werden
für die Vermehrung geerntet.
Ein schattiges Gartenbeet eignet
sich für Gemüse nur im Sommer.
Im Frühling und Herbst speichert
sich im Gemüse, das auf Schattenbeeten steht, gern Nitrat an. Im
Sommer können auf ein Schattenbeet ohne Weiteres Salat und Kohlrabi gesetzt werden. Auch Radiesli,
Kresse und Schnittsalat eignen
sich bestens. Hirschhornwegerich,
Neuseeländer Spinat und Zitronenmelisse könnte ich mir auch noch
vorstellen. Diese wachsen sehr
langsam und eignen sich als Salatgarnitur. Und ein besonderer Tipp:
Versuchen Sie es mit Brunnenkresse.
Sie liebt feuchten Boden.
Das Gemüse braucht etwas länger,
um auszureifen, aber geerntet kann
trotzdem werden. Es kommt auch
immer auf den Schatten und die
Bodenverhältnisse an. Schatten von
Häusern ist weniger gut als Schatten
von Bäumen. Mit zwei bis drei
Stunden Sonne am Morgen oder am
Nachmittag ist ein Ertrag garantiert.
Ich rate Ihnen: Probieren Sie es.
Ich weiss leider nicht, wo Sie den
Olivenbaum überwintert haben.
Darum habe ich Ihnen einige Tipps:
Der Überwinterungsraum sollte
hell und kühl sein. Je nach Temperatur muss regelmässig gegossen
werden, sonst verliert er die Blätter.
Die Blätter verlieren Olivenbäume
auch, wenn sie im Winter zu dunkel
Daniel Widmer, Stäfa
Ein Leben im Garten: Fachmann
Peter Lippus.
PERSÖNLICH
PETER LIPPUS ist diplomierter
Gärtnermeister mit über 30-jähriger
Erfahrung als Fachlehrer Gartenbau
an der sankt-gallischen Bäuerinnenschule. Er ist Mitautor des Lehrmittels «Hausgarten».
und zu warm stehen. Bleiben
sie im Winter im Garten, muss
der Topf gut eingepackt werden.
Olivenbäume vertragen problemlos Temperaturen einige Grade
unter null, aber nur kurze Zeit.
Bei Dauerfrost vertrocknet
die Olive, weil die Wurzeln kein
Wasser aufnehmen können.
Da Oliven viel Wasser speichern,
treiben sie im Frühling leicht
wieder aus. Ich rate Ihnen, die
Triebe, die keine Blätter mehr
haben, zurückzuschneiden und
auf Schädlinge zu kontrollieren.
Wurden Ihre Oliven zu warm
überwintert, könnten sie auch
Spinnmilben haben. Falls Ihnen
der geeignete Platz für den Winter
fehlt: Viele Gärtnereien bieten
einen Überwinterungsservice an.
Vermutlich haben Sie die Bauernhortensie Hydrangea macrophylla
gekauft. Diese Hortensie hat sehr
grosse ballenförmige Blüten und
kann problemlos im Garten gesetzt
werden. Die rot blühende Hortensie
hat gern einen pH-Wert von 7,
was einem normalen Gartenboden
entspricht. Blaue Hortensien blühten
ursprünglich rosa und haben ihre
blaue Farbe durch die entsprechende
Pflege und Erde erhalten. Setzt
man nun eine blaue Hortensie in
normale Gartenerde, blüht sie
nächstes Jahr rosa. Damit sie weiterhin blaue Blüten macht, braucht
sie Torf und einen sauren Boden
mit einem pH-Wert von 4 bis 5. Um
den Torf-Verbrauch zu reduzieren,
könnte man auch zur Hälfte Kokosfasern beimischen. Zudem bevorzugen blaue Hortensien einen halbschattigen Standort. Sind sie im
Torf angewachsen, werden sie ab
August mit dem im Fachhandel erhältlichen Spezialdünger Hortensienblau versorgt. Als günstigere Alternative kann man in der Drogerie
Kalialaun (Kaliumsulfat) kaufen
und davon auf einen Liter Wasser
zwei bis vier Milliliter beigeben.
Damit insgesamt sechsmal giessen.
Blaue Hortensien bleiben also
nur mit saurem Boden und
Kalialaun-Düngung blau. Auch
weisse Hortensien wachsen in Torf,
bekommen aber kein Alaun. C
Haben Sie Fragen?
Redaktion LandLiebe
Vermerk: Gartenfrage
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8008 Zürich
oder per Mail an meinefrage@
schweizer-landliebe.ch
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