VO Gender Studies

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Vorstellungen vom Körper und
die Ordnung der Geschlechter
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Geschlechterordnung im Alltag
• Zweigeschlechtlichkeit als Selbstverständlichkeit
• soziale Orientierungshilfe im Alltag
• Irritation bei Unzuordenbarkeit des Geschlechts
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
Thomas Laqueur, Making Sex. Body and Gender
from the Greeks to Freud. Cambridge 1990
Thomas Laqueur, Auf den Leib geschrieben. Die
Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis
Freud. Frankfurt am Main/New York 1992
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
Hauptthese:
Das scheinbar unhinterfragbare biologische
Geschlecht, das zwischen Männern und Frauen
unterscheidet, ist keine objektive Tatsache. Eine
grundsätzliche Differenz zwischen Männern und
Frauen kann anatomisch/biologisch nicht bewiesen
werden, sie entspringt vielmehr einem
kulturellen/politischen Bedürfnis.
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
• nicht das soziale Geschlecht (gender), sondern das
biologische Geschlecht (sex) steht im Zentrum von
Laqueurs Untersuchung; er will keine
Diskursgeschichte der Geschlechter schreiben
• biographischer Hintergrund: Thomas Laqueur ist
Historiker, sein Vater war Pathologe
• Untersuchungs(zeit)raum: Europa, klassische
Antike bis Anfang des 20. Jahrhunderts
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
• Modell von einem Fleisch/einem biologischen
Geschlecht im Denken der Medizin,
Naturwissenschaft und Philosophie von der
klassischen Antike bis zum Ende des 17.
Jahrhunderts präsent
• im sozialen Leben zwei Geschlechter
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
Galen (129-ca. 216)
Gedankenexperiment: Genitalien eines Mannes
nach innen gewendet -> Frau, Genitalien einer
Frau nach außen gekehrt -> Mann
Frau ist die weniger vollkommene Ausgabe eines
Mannes, hat weniger Hitze
Zeugung: männliches und weibliches Sperma
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
Aristoteles (384-322 v. Chr.)
zwei Geschlechter im sozialen Leben
anatomisch keine gravierenden Unterschiede
zwischen Männern und Frauen
Zeugung: Materie von der Frau, Formgebung durch
den Mann (immaterielle Wirkkraft, Seele)
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
• 1559 Renaldus Columbus entdeckt Klitoris
anatomisches Pendant zu Penis, aber auch Vagina
als Pendant zum Penis gedacht
• Andreas Vesalius: De humani corporis fabrica (1543)
weibliche Organe als Versionen der männlichen
dargestellt; Vagina als Penis
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Andreas Vesalius: De humani corporis fabrica
(1543), Frontispiz, Detail
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
• 16./17. Jahrhundert: Zeugung nur bei Orgasmus
Orgasmus von Hitze und Balance der
Körperflüssigkeiten abhängig (Humoralpathologie)
• parallel zum einen anatomischen Geschlecht zwei
soziale und politische Geschlechter:
Bsp. Elisabeth I. von England: politischer Körper
maskulin, privater Körper feminin; bezeichnete sich
als König und Gemahl der Nation
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habe nur den
empfindlichen und
schwachen Leib einer
Frau, aber das Herz
und den Stolz eines
Königs
Elizabeth I of England Armada Portrait,
George Gower, ca 1588
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
• Erfindung der Zweigeschlechtlichkeit Ende des
18. Jahrhundert
• epistemologischer und politischer Wandel:
Vormachtsstellung der Theologie durch Aufklärung
gebrochen, Empirie und Rationalität,
übergeordnete Bezugsinstanz nicht mehr der
göttliche Makrokosmos, sondern „die Natur“,
Feministinnen und Antifeministen
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
medizinische Entwicklungen:
• Entdeckung von Ei und Spermium
• Ausdifferenzierung des Vokabulars für
Geschlechtsorgane
• künstliche Befruchtung eines Wasserspaniels in
den 1770ern -> weiblicher Orgasmus zur Zeugung
nicht notwendig
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Vom anatomischen Ein-Geschlecht-Modell
zur Zweigeschlechtlichkeit
Widersprüchlichkeiten:
• Embryonenforschung belegt, dass männliche und
weibliche Geschlechtsorgane bis zur achten Woche
fast ident sind
• Ovariotomie („Kastration des Weibes“) zur
Behandlung von sog. Weiblichkeitsstörungen
• Sigmund Freud: klitorale Sexualität muss zu
vaginaler Sexualität werden
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
Claudia Honegger, Die Ordnung der Geschlechter.
Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib.
Frankfurt am Main / New York 1991
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
These: Die Humanwissenschaften generalisierten
den Mann zum Menschen, zugleich entstand eine
mit philosophischen, psychologischen und
soziologischen Ansprüchen auftretende
Teildisziplin über „die Frau“.
Untersuchungszeitraum: 1750-1850
Untersuchungsgebiet: Deutschland und Frankreich
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
kulturelle Umbrüche um 1800
• Bürgertum gewinnt, Adel verliert an Bedeutung
• emanzipatorische Tendenzen der Aufklärung
• Suche nach neuen gesellschaftlichen Idealen
• neue kritisierte Sozialfiguren: „Hagestolz“ und
„alleinstehendes Fräulein“
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) zur
Gelehrsamkeit von Frauen:
„Ein Schöngeist ist eine Geißel für ihren Mann, ihre
Kinder, ihre Freunde, ihre Diener, für alle Welt. Von der
Höhe ihres Genies aus verachtet sie alle ihre fraulichen
Pflichten ...“ aus: Émile (1762)
Briefwechsel mit Henriette (weder Tochter, noch
Mutter, noch Gattin)
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
Querelle des femmes
• Ernst Brandes „Ueber die Weiber“ (1787): Frauen
hätten zuviel gesellschaftliche und kulturelle Macht;
Vernünftige Bildung und „wahre Weiblichkeit“
gegen gesellschaftlichen Verfall
• Jakob Mauvillon „Mann und Weib“ (1791) und
Heinrich Campe „Väterlicher Rath an meine
Tochter“ (1789) : Frauen müssten sich aus
Vernunftgründen den physisch stärkeren Männern
unterwerfen
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
Querelle des femmes
• Theodor Gottlieb von Hippel „Ueber die
bürgerliche Verbesserung der Weiber“ (1792):
knüpft an feministische Forderungen des Marquis
de Condorcet und von Olympe de Gouges an,
bürgerliche und Menschenrechte auch für Frauen
• Mary Wollstonecraft „A Vindication of the Rights
of Women“ (1792): gleiche Bildung für Mädchen
und Knaben
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
• Anthropologie als integrierte Wissenschaft vom
Menschen
• zunehmendes Interesse für Sonderstellung der Frau in
Natur und Gesellschaft
• Suche nach der „physio-moralischen Organisation des
Weibes“ durch médecins-philosophes: Sensibilität und
physiologische Differenzen bestimmen das Geschlecht
• Frauen von der Gebärmutter bestimmt (Denis Diderot)
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
Pierre Roussel „Système physique et moral de la
femme“ (1775):
• weibliche Sensibilität sei jener des Mannes überlegen
(auch moralisch), Endzweck ist Sicherung der
Fortpflanzung
• angeborene, universale Differenz zwischen den
Geschlechtern
• „zärtliches Grundgefühl“ und Unfähigkeit zu hohen
Wissenschaften bei Frauen
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
Geschlecht und Fortpflanzung: bildungshungrige
Frauen und Onanisten schädigen ihre reproduktiven
Kräfte
Pierre-Jean-Georges Cabanis (1757-1808): physischmoralische Differenz der Geschlechter ->
Gesellschaftsideal: bürgerliche und politische Rechte
den Männern vorbehalten, Frauen für Familie
zuständig; Widerspruch zu persönlicher Erfahrung in
der Französischen Revolution
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Die Entwicklung einer
Sonderanthropologie des Weibes
Jakob Fidelis Ackermann „Ueber die Verschiedenheit des
Mannes vom Weibe außer den Geschlechtstheilen“ (1788)
• weiblicher Körper weiche in jedem Element von
männlichem ab; Ausnahme: Augen
• weibliches Gehirn sei zwar absolut kleiner, aber relativ
eher größer als männliches -> „... daher es denn auch kein
Wunder ist, wenn sie im Durchschnitt genommen zu
wissenschaftlichen Unternehmungen tauglicher sind als die
Männer...“
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Von der Sonderanthropologie zur Gynäkologie
Carl Gustav Carus (1789-1869):
• die meisten Krankheiten rühren vom schwächeren
Nervensystem her
• immer ein Zusammenhang mit Sexualorganen
Determination durch den Eierstock:
• Ernst Karl von Baer erblickt 1824 erstmals ein
Säugetier-Ei
• Rudolf Virchow (1848): „Alles, was wir an dem wahren
Weibe Weibliches bewundern und verehren, ist nur eine Dependenz
des Eierstocks.“
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Resümee
• sich ändernde Wahrnehmung der Geschlechter im
18. Jahrhundert
• Thomas Laqueur nimmt vor allem das biologische
Geschlecht in den Blick, Claudia Honegger auch das
damit verknüpfte soziale/kulturelle Geschlecht
• beide dekonstruieren eine scheinbare Tatsache und
tragen zu einer feministischen Wissenschaftsgeschichte bei
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