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Vorwort 11
Einleitung – Ins Extrem eintauchen 14
I Oberfläche und Ausstattung 17
1 Der höchste Berg – Olympus Mons 18
2 Der kälteste Vulkan – Kryovulkane 22
3 Ein wahrer « Grand » Canyon – Valles Marineris 26
4 Rüttler und Schüttler – Plattentektonik 30
5 Bleibende Eindrücke hinterlassen – extreme Impaktkrater 35
II Ozeane, Wasser und Eis 41
6 Der tiefste Ozean – Europa 42
7 Der beste Ort zum Surfen – die Erde 46
8 Die größten Eiskugeln – Saturns eisige Monde 50
9 Wie Jekyll und Hyde – schmutzige, eisige Kometen 54
10 Der Himmel stürzt ein ! – Die Trockeneiskappen des Mars 59
III Wirklich wildes Wetter 65
11 Langlebigster Wirbelsturm – Jupiters Großer Roter Fleck 66
12 Der Sturm spielt auf zum Tanze – Hurrikane auf der Erde 70
13 Wirklich widrige Winde auf Neptun 75
14 Bester Staubsauger – marsianische Staubteufel 80
15 Härtester Regen – Diamantenhagel auf Uranus und Neptun 84
IV Klimaextreme 89
16 Die übelsten Klimageschwister – El Niño und La Niña 90
17 Ultraheiß und ultratrocken – Turbo-Treibhaus Venus 94
18 Der schmutzigste Klimawandel –
globale Staubstürme auf dem Mars 98
19 Die ausgefallensten Jahreszeiten – Uranus 102
20 Schneebälle in der Hölle – Merkur 106
V Ringe und Dinge 111
21 Der Herr der Ringe – Saturn 112
22 Abermilliarden Körper – die Oort’sche Wolke 118
23 Wenn Kometen zum Angriff blasen – Shoemaker-Levy 9 123
24 Der Planet, den es nie gab – der Asteroidengürtel 127
25 Ein welterschütternder Aufprall – die Geburt unseres Mondes ? 132
VI Elektro Magneto Extremo 137
26 Der verdrehte Supermagnet – unsere Sonne 138
27 Eine Blase in den Raum pusten – der Sonnenwind 143
28 Der größte Plasmaschirm – die Magnetosphäre des Jupiter 147
29 Radikale Lightshow – Auroren auf Erde und Jupiter 151
30 Schockierende Superblitze auf Saturn 156
VII Leben 161
31 Genauuuu richtig ! – Lebensfülle auf der Erde 162
32 Tod aus dem All – das große Aussterben an der K-T-Grenze 167
33 Leben aus dem All – außerirdische Ursprünge 172
34 Kleine grüne . . . Mikroben – Gibt es Leben auf dem Mars ? 177
35 Leben im Dunkeln – Erde & Europa ? 182
VIII Extreme allerorten – ein Sammelsurium 187
36 Der größte Gestank unter der Sonne – Io, das faule Ei 188
37 Das reichste Treibstoffdepot – Titan 192
38 Pluto – der problematische Planet 196
39 Retro auf Venus und Triton 201
40 Am häufigsten missinterpretiertes «Artefakt » –
das Gesicht auf dem Mars 206
41 Das einäugige Monster – Hexerei auf Saturn 210
42 Frankensteins Mond – Miranda 214
43 So sicher wie der Sonnenaufgang ? – Hyperions
chaotische Rotation 218
44 Der unglaubliche schrumpfende Planet – Merkur 222
45 Wie maßgeschneidert – Sonnenfinsternisse auf der Erde 226
46 Seltsamste Lebensform – Menschen 230
IX Wenn Extreme sich summieren 235
47 Im Zentrum : Die Sonne 236
48 Riese Jupiter 241
49 Sexy Saturn 246
50 Extreme Erde 251
Anhang 257
Danksagung 259
Glossar 261
Liste der Abkürzungen 271
Weiterführende Literatur 273
Register 277
Vorwort
Alles begann mit einem verrückten «Was wäre,
wenn . . . »-Brainstorming. Damals war einer von
uns (David) Gastwissenschaftler am NASA Goddard Space Flight Center und erforschte Sturzfluten. Der andere (Todd) war und ist am JPL
(NASA Jet Propulsion Laboratory) und beschäftigt
sich mit Geodynamik und Geodäsie zur Unterstützung der Raumschiffnavigation. Im Goddard waren
NASA-Wissenschaftler gerade dabei, die Daten von
CAMEX-4, einer bedeutenden Forschungsmission,
zu analysieren, in deren Verlauf zahlreiche Flüge in
den gefährlichen Augenwall des Hurrikans Erin stattfanden. « Extremes Wetter » war das Thema dieses
Sommers.
Während einer wichtigen Goddard-JPL-Telekonferenz (wir wissen nicht mehr genau, was uns an
diesem Tag zum Telefon greifen ließ, aber es muss
ganz einfach wichtig gewesen sein) plauderten wir
über extreme natürliche Risiken : Fluten, Stürme,
Erdbeben. Und dann begannen die Ideen nur so zu
sprudeln. Als Planetenforscher waren wir ja nicht
nur auf extreme Wetterereignisse und den Planeten
Erde festgelegt. Spannende Fragen schwirrten durch
den Äther : Was sähen wir, wenn wir durch Jupiters
Großen Roten Fleck flögen ? Gibt es auf dem Titan
Sturzfluten aus Methan ? Lässt sich irgendetwas in
unserem Sonnensystem mit der heftigen Vulkan-
aktivität auf Io vergleichen ? Welches sind eigentlich
die wahrhaft extremen Orte im Sonnensystem ? Wir
kamen zu dem Schluss, dass jemand mal ein Buch
darüber schreiben sollte . . . wir hätten es definitiv
sehr gern in unserem Bücherregal gehabt !
Achtzehn Monate später, auf dem Herbsttreffen
der American Geophysical Union, unterhielten wir
uns, angeregt durch neue wissenschaftliche Ergebnisse und voll des guten San Franciscoer Essens,
abermals über die vielen extremen Orte in unserem
Sonnensystem. Schon nach kurzer Zeit hatten wir
eine Liste von mindestens 60 verschiedenen extremen
Fakten und Ereignissen zusammengestellt (sie wuchs
später auf mehr als 100 an). Das Buch war geboren :
Wir würden es selbst schreiben.
Aber wir merkten bald, dass einige der Beispiele
ziemlich oberflächlich waren – es drohte, wie eine
Einkaufsliste nebensächlicher Details über das Sonnensystem auszusehen.
Wir wollten mehr als das. Wir wollten tiefer ins
Extrem eintauchen. Wir wollten den Wow!-Faktor
einfangen, aber gleichzeitig wollten wir die wichtigste
Frage in der Wissenschaft ansprechen : Warum ? Wir
stellten uns ein Buch vor, das coole, faszinierende
und geheimnisvolle Ideen vermittelte – die Art Ideen,
die uns überhaupt dazu veranlasst hatte, uns für eine
Laufbahn in der Planetenforschung zu entscheiden.
11
vorwort
Wir hoffen, Sie finden in diesem Buch die richtige
Balance zwischen dem Wow!-Faktor und seriöser
Wissenschaft.
Planetenforschung ist wahrhaft interdisziplinär.
Eine Mischung aus traditionellen Disziplinen wie
Physik, Astronomie, Chemie, Biologie, Ingenieurswesen und Computerwissenschaften füllt die Seiten
dieses Buches. Ob Sie einfach nur Interesse an dieser
Art Science-Buch haben oder als Student darauf
brennen, das All zu erforschen, oder ein Wissenschaftler sind, der sich auf ein Terrain ein wenig außerhalb seines Fachgebiets begibt – wir hoffen, dass
Sie vieles in diesem Buch finden, das Ihren Appetit
auf unsere Wissenschaft extrem anregt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dieses Buch
zu lesen. Sie können es natürlich einfach von der ersten bis zur letzten Seite lesen, bis zum abschließenden
Teil «Wenn Extreme sich summieren», in dem die
12
vorwort
ultimative Extremheit vierer Sonnensystemkörper
zusammengefasst wird. Der letzte Teil macht sicherlich mehr Sinn, wenn Sie zuvor die anderen Teile gelesen haben. Aber uns ist klar, dass die meisten Leser
das Buch durchblättern und sich zuerst diejenigen
Kapitel herauspicken werden, die besonders interessant anmuten – jeder Leser wird seinen eigenen Weg
durch das Buch nehmen. Um dies zu erleichtern, haben wir versucht, jedes Kapitel möglichst «selbstverständlich» zu halten. Aber es ist ganz schön schwierig,
alles auf vier Seiten zu erklären! Unter Umständen
müssen Sie für weitere Informationen ab und zu auf
das Glossar oder die Abkürzungsliste oder auch auf
ein thematisch verwandtes Kapitel zurückgreifen.
Trotz der Gefahr, metrische und englische Systeme nebeneinander zu gebrauchen, haben wir uns
dazu entschlossen, Mengen in mehreren Maßeinheiten anzugeben, um das Buch einem breiteren
Publikum zugänglich zu machen. Obwohl in der
wissenschaftlichen Gemeinschaft « Kelvin » die bevorzugte Temperatureinheit ist, geben wir beispielsweise Temperaturen gewöhnlich auch in Celsius an –
eben jener Einheit, mit der die Menschen im Alltag
am besten vertraut sind. Wir hoffen, dass dies allen
unseren Lesern erlaubt, ein Gefühl für Extreme zu
gewinnen, ohne durch ungewohnte Maßeinheiten
abgelenkt zu werden. Behalten Sie aber im Hinterkopf, dass man Maßeinheiten in der Praxis nur allzu
leicht durcheinanderwirft. Die Ergebnisse können
verheerend sein. So zerschellte 1999 die Raumsonde
Mars Climate Orbiter auf dem Roten Planeten, weil
zwei Ingenieurteams verschiedene Einheiten benutzt
hatten, das eine Team metrische, das andere englische. Es war ein 125-Millionen-Dollar-Fehler.
Sollte Ihr Lieblingsphänomen im Buch keine
Erwähnung gefunden haben, so ist das unser Fehler.
Wir haben Phänomene herausgesucht und beschrieben, die wir für echt cool . . . ehm: wissenschaftlich
interessant halten. Andere Wissenschaftler würden
vielleicht eine andere Auswahl treffen. Aber zu unserer Verteidigung sei gesagt : Es ist wie mit Kartoffelchips : schwierig, nur einen zu nehmen – oder auch
nur 50. Es kommt uns so vor, als würden jeden Tag
unglaubliche neue Entdeckungen gemacht. Zwei
wirklich aufregende davon haben wir nur ein paar
Tage vor Redaktionsschluss noch hier aufnehmen
können, wenn auch nicht als eigene Kapitel.
Andere neue Entdeckungen haben wir mit Absicht nicht berücksichtigt. Beispielsweise war der
kälteste Ort, dessen Temperatur jemals von Menschen
gemessen wurde, bis vor kurzem Neptuns ferner
Mond Triton. Doch 2009 fanden neue Messungen
einen viel näheren Ort, der noch kälter ist : Regionen
des Erdmondes, die nie die Sonne zu Gesicht bekommen. Wir nehmen an, dass auch dieser « Rekord »
bald gebrochen wird und wir auf einen noch kälteren
Ort stoßen – einen, dessen Temperatur wir einfach
noch nicht gemessen haben –, vielleicht entdeckt von
der NASA-Sonde New Horizons auf ihrer Reise zum
Pluto und darüber hinaus.
Wir denken, dass die extremen Plätze, die in diesem Buch diskutiert werden, tatsächlich extrem sind :
Sie werden nicht so leicht von neuen Entdeckungen
entthront werden. Aber da die Technik fortschreitet
und ständig neue Entdeckungen gemacht werden,
müssen wir bereit sein, unsere wissenschaftlichen
Ansichten immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Was wir heute als extrem ansehen, stellt sich
morgen vielleicht als ganz gewöhnlich heraus. Was
wäre, wenn . . . ?
Einleitung – Ins Extrem eintauchen
Machen Sie sich bereit, in einige der coolsten, unglaublichsten Räume und Phänomene einzutauchen,
die jemals hier auf der Erde und im ganzen Sonnensystem entdeckt wurden. Wie bei jedem extremen
Abenteuer müssen Sie sich zunächst einmal mental
auf die Reise vorbereiten. Daher lassen Sie uns damit
beginnen, den Titel des Buches aufzuarbeiten : Extreme Orte. Eine Reise zu den ausgefallensten Plätzen
unseres Sonnensystems.
Mit « unserem Sonnensystem » meinen wir den
Teil des Weltraums, der von der Schwerkraft unserer
Sonne dominiert wird. Obgleich es in den unendlichen Weiten des Alls eine Fülle interessanter Dinge
gibt, erforschen wir in diesem Buch die erstaunlichen
und verblüffenden Merkmale unserer eigenen himmlischen Nachbarschaft – Planeten, Zwergplaneten,
Trabanten, Satelliten, Asteroiden, Kometen, Kuipergürtelobjekte, Eiskörper der Oort’schen Wolke und
natürlich die Sonne selbst – sowie die Prozesse, die
all diese Himmelskörper so bemerkenswert machen.
Die Begriffe « Orte » und « Plätze » gebrauchen
wir recht locker und in einem umfassenden Sinne.
Oft diskutieren wir einen echten physikalischen Ort
wie den Olympus Mons, ein gigantischer Vulkan, der
alles Übrige auf dem Roten Planeten Mars überragt.
Wir meinen damit unter Umständen aber auch ein
außerordentliches Ereignis, das in ferner Vergangen-
heit stattgefunden hat – wie der erderschütternde
Asteroideneinschlag, der vor 65 Millionen Jahren das
Zeitalter der Dinosaurier beendete. Es kann auch ein
bizarres Phänomen sein, das – wie der Diamantenregen auf Uranus und Neptun – nicht auf einen einzigen Ort in Raum oder Zeit beschränkt ist.
All diese « Plätze » sind jedoch durch einen roten
Faden miteinander verbunden : Sie sind einzigartig,
kurios, außergewöhnlich – anders gesagt : extrem !
Es kann sich um das größte, das schnellste oder das
__________ (füllen Sie die Lücke selbst aus) Ereignis
bzw. Phänomen handeln. Für viele extreme Plätze
gilt, dass es im ganzen Sonnensystem nichts Vergleichbares gibt. Manchmal sind die extremen Beispiele ganz einfach zum Staunen. Und es erwarten
Sie einige Überraschungen – so manches, das Ihnen
ganz normal erscheinen mag, fällt in Wahrheit völlig
aus dem Rahmen !
In diesem Buch stellen wir Ihnen 50 zweifellos
extreme Orte vor. Glauben Sie uns, diese Liste mit
nur 50 Einträgen zusammenzustellen, war gar nicht
einfach – es gibt viel mehr als 50 in unserem Sonnensystem ! Wir haben die extremen Orte in Grundkategorien geordnet (wie « Ozeane, Wasser und Eis »,
« Ringe und Dinge » oder – einer unserer Favoriten –
« Extreme allerorten », auch wenn einige Themen
kategorienübergreifend sind.
14
einleitung
Wir wollen versuchen, mehr als nur Fakten über
einen bestimmten extremen Platz zu vermitteln ;
wichtig ist uns zu verdeutlichen, warum das jeweilige
Beispiel so besonders ist, und die wissenschaftlichen
Grundlagen aufzuzeigen, die hinter diesen Extremen
stehen. Wie so oft in den Naturwissenschaften gibt
es manchmal ebenso viele ungelöste Rätsel wie Antworten.
Die Reihenfolge der extremen Orte in den einzelnen Abteilungen stellt keine Rangordnung dar.
Und wir ordnen die extremen Plätze auch nicht auf
einer Skala von 1 bis 50 an. Das ist Ihre Sache ! Wenn
Sie mögen, können Sie auf unserer Webseite www.
ExtremeSolarSystem.com für Ihre Lieblings-Extreme
votieren.
Wir bitten Sie nur darum, sämtliche 50 Kapitel zu
lesen, bevor Sie abstimmen – Sie finden womöglich
immer wieder etwas Neues, Aufregendes und Unerwartetes, das auf einen vorderen Platz Ihrer Liste
vorrückt.
Schnüren Sie also Ihr eigenes Extrembündel. Und
machen Sie sich auf eine abenteuerliche Reise gefasst.
Es könnte sein, dass Sie das Sonnensystem am Ende
mit völlig anderen Augen sehen.
teil i
Oberfläche und Ausstattung
teil i: oberfläche und ausstattung
kapitel 1
Der höchste Berg – Olympus Mons
18
kapitel 1: olympus mons
Der Mount Everest ist der höchste Berg der Welt,
stimmt’s ? Nun ja, nicht ganz. Wenngleich er fast
9 Kilometer hoch in den Himmel ragt, was ihn zur
höchsten irdischen Erhebung über dem Meeresspiegel macht, so ist er dennoch nicht der absolut
höchste Berg. Der absolut höchste Berg der Erde ist
der Mauna Kea, einer der Vulkane auf Hawaii. Seine
Gesamthöhe, gemessen vom Fuß tief unten auf dem
Boden des Pazifiks bis zum Gipfel hoch im Himmel
von Hawaii, beträgt etwas mehr als 10 Kilometer ; er
misst also vom Fuß bis zum Gipfel 1 Kilometer mehr
als der Everest !
Und im Sonnensystem übertreffen viele Berge
den Mount Everest an Höhe. Die Maxwell Montes,
eine Gebirgskette im nördlichen Hochland der Venus – nebenbei bemerkt das einzige topographische
Merkmal auf der Venus, das mit James Clerk Maxwell nach einem Mann benannt ist –, überragen den
Mauna Kea mit 11 Kilometer deutlich. Und die Gipfel der Boösaule Montes auf dem vulkanisch extrem
aktiven Jupitermond Io sind mit 18 Kilometer rund
doppelt so hoch wie der Everest !
Bei der Erforschung des Saturns und seiner Monde entdeckte die Cassini-Sonde einen Bergrücken in
der Äquatorregion des Saturnmondes Iapetus, dessen
Länge fast ein Drittel des Mondumfangs beträgt. Bislang ist unklar, wie dieser Bergrücken entstanden ist
und warum er sich in der Äquatorregion des Mondes
gebildet hat, doch Messungen zeigen, dass sich Teile
der Gebirgskette bis zu 20 Kilometer über die Ebenen
rundum erheben.
Abb. 1.2 Der Olympus Mons lässt die höchsten Berge der
Erde wie Zwerge erscheinen. Grafik : Laura Melvin
Die Ehre, der höchste Berg in unserem Sonnensystem zu sein, gebührt jedoch dem Olympus
Mons auf dem Mars. Gelegen in der marsianischen
Thars-Region, ist der Olympus Mons der höchste
von mehreren Vulkanen auf dem Roten Planeten.
Die benachbarten Vulkane, die die Tharsis Montes
bilden, erreichen immerhin eine Höhe von 14 bis 18
Kilometer, doch der majestätische Olympus Mons
stellt sie alle in den Schatten. Dreimal so hoch wie
der Mount Everest, erhebt er sich 27 Kilometer über
das Umland und bringt es auf einen Durchmesser
von rund 624 Kilometer. Er bedeckt eine Fläche, die
viermal so groß ist wie Bayern.
Wie die Inselkette von Hawaii hat sich der große
Marsvulkan vermutlich über einem « Hotspot » gebildet, wo heißes Material wie eine Rauchfahne (engl.
plume) tief aus dem Inneren des Planeten an die
Oberfläche steigt. Wenn dieser heiße Mantel-Plume
die Oberfläche erreicht, führt dies zu einer Schmelze
des Gesteins, und ein Vulkan kann sich bilden.
Die eindrucksvolle Größe des Olympus Mons ist
höchstwahrscheinlich eine Folge der fehlenden Plattentektonik auf dem Roten Planeten. Die Erdkruste
ist in tektonische Platten zerbrochen, die sich alle mit
einer Geschwindigkeit von 2 bis 20 Zentimeter pro
Jahr gegeneinander verschieben. So tritt in Hawaii
Abb. 1.1 Der Olympus Mons auf dem Mars, aufgenommen
aus dem Orbit. Die große Gipfelcaldera hat einen Durchmesser von 25 Kilometer und entstand wahrscheinlich
durch einen Zusammenbruch, nachdem aus dem Hauptvulkanschlot Magma abgeflossen war. Foto : NASA/JPL
19
teil i: oberfläche und ausstattung
an der Erdoberfläche bilden sich junge Vulkane. So
entsteht über dem Hotspot eine Kette von Vulkanen
wie die Hawaii-Inseln. Da es auf dem Mars keine
Plattentektonik gibt, konnte der – wahrscheinlich
seit langem erloschene – Olympus Mons viel länger
über dem vulkanbildenden Plume sitzen und solche
Ausmaße annehmen, dass sein Volumen nun rund
100 Mal größer als das des Mauna Loa ist, Hawaiis
größtem (wenn auch nicht höchstem) Vulkan.
Der Monstervulkan auf dem Mars könnte Bergsteigern, denen der Mount Everest zu langweilig
geworden ist, als verlockendes Ziel erscheinen. Sie
müssten jedoch feststellen, dass der Aufstieg keine
echte technische Herausforderung ist, sondern vielmehr an eine lange Wanderung erinnert. Mit seinen
nur leicht ansteigenden Flanken ist der Olympus
Mons eher etwas für Wanderer als für Alpinisten. Auf
jeden Fall ist es wohl noch etwas zu früh, schon jetzt
eine solche Bergwanderung zu planen. Angesichts der
Abb. 1.4 Falschfarbenbild des Olympus Mons, berechnet
unter Zuhilfenahme von Daten der Sonde Mars Global
Surveyor (MGS). Die 6 Kilometer hohe Steilstufe, die die
Basis des Berges bildet, ist höher als der berühmte Kilimandscharo in Afrika. Computergrafik : NASA/Goddard
Space Flight Center (GSFC) Scientific Visualization Studio
Abb. 1.3 Der Saturnmond Iapetus weist in Äquatornähe
einen Wulst auf ; dieser Bergrücken ist doppelt so hoch wie
der Mount Everest. Foto : NASA/JPL/Space Science Institute
ein heißer, aufsteigender Mantel-Plume mit dem Boden der Pazifikplatte in Kontakt. Wie ein Fließband,
das sich über eine heiße Flamme bewegt, wandert die
Pazifikplatte langsam über den Plume. Alte Vulkane
erlöschen, und über der neuen Position des Hotspots
20
kapitel 1: olympus mons
achtmonatigen Reise zum Mars, dem wochenlangen
eigentlichen Aufstieg, der achtmonatigen Rückreise
und der Notwendigkeit, alles mitzuführen, was an
Nahrung, Wasser und Sauerstoff gebraucht wird,
ist es unwahrscheinlich, dass Reiseagenturen dieses
Extremabenteuer in näherer Zukunft in ihr Angebot
aufnehmen werden.
Abb. 1.5 rechts Ein heißer Plume, der durch den Mantel
des Mars aufsteigt, könnte für den größten Vulkan im Sonnensystem verantwortlich sein. Grafik : Laura Melvin
Abb. 1.6 Wenn wir den Olympus Mons in den Pazifik fallen lassen könnten, würde dieser marsianische Monsterberg
die Inselkette von Hawaii völlig bedecken. Grafik : NASA/
GSFC Scientific Visualization Studio und Virginia Butcher
(SSAI)
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