1 Unser Sonnensystem mit seinen von NASA-Sonden fotografierten Planeten: (v. r.u.) Merkur, Venus, Erde mit Mond, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun (Kleinplanet Pluto fehlt) Von den Arbeiten Hipparchs bis zur Neuzeit durchlief die Vorstellung des Weltsystems drei große Entwicklungsepochen: das ptolemäische System, in welchem die Erde keine Bewegung hat und die scheinbare Bewegung der Sterne und Planeten um sie als reell angesehen wurde, das kopernikanische System, in dem die Sonne Mittelpunkt der Planetenbewegung und die Erde ein um sie kreisender, rotierender Planet ist, und das newtonsche System, in welchem alle Bewegungen der Himmelskörper durch das eine Gesetz der allgemeinen Anziehung erklärt werden. Das ptolemäische Weltbild stellte alle Bewegungen der Himmelskörper durch eine Folge von Kreisbewegungen dar. Die Erde, immerhin bereits eine Kugel seit Pythagoras (ca. 572–500 v. Chr.), nahm den Mittelpunkt der Himmelskugel ein und hatte keine fortschreitende Bewegung. Die alten Astronomen standen jedoch bei der Erklärung der beobachteten Bewegung der Planeten vor einem gewaltigen Rätsel. Da sie in Wirklichkeit die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne widerspiegelten, umkreisten sie, wenn man sie von der Erde aus sah, die Sonne scheinbar nicht auf einfachen, leicht voraussagbaren Kreisbahnen im Gegenuhrzeigersinn, wie es ein Beobachter sehen würde, der vom himmlischen Nordpol weit außerhalb des Sonnensystems senkrecht darauf hinunterschaut. Aufgrund der Erdbewegung zeigt sich ihre Bewegung als komplizierte Schleifenbahn zwischen den Sternen. Zum Beispiel der Mars. Zumeist bewegt er sich vor dem Sternenhintergrund in östlicher Richtung, kommt jedoch dann und wann zum Stillstand, läuft eine Weile westwärts, dreht dann um und wandert wieder gen Osten. Natürlich tut er dies nicht wirklich; es ist die gleiche Illusion, die wir beobachten können, wenn wir in einem Schnellzug einen parallel mit uns in gleicher Richtung fahrenden Güterzug überholen: Er scheint sich dabei rückwärts zu bewegen. Im Sonnensystem ist die Erde der Schnellzug und der Mars der Bummelzug. In den zwölf Monaten, die die Erde für eine Umkreisung der Sonne benötigt, schafft der Mars nur ungefähr eine halbe Umkreisung (d. h. also: das Marsjahr ist zwei Erdjahre lang). Die durch die wechselnde »Rechtläufigkeit« und »Rückläufigkeit« geformten Schleifen und Kurven unterscheiden sich von Planet zu Planet, und je sorgfältiger ihre Bahnen vermessen wurden, desto schwieriger war es, ein Modell zu erfinden, das das Bahnverhalten von allen einheitlich zu erklären vermochte. Ein solches System stellte Claudius Ptolemäus (ca. 100–180 n. Chr.) aus Alexandria in einer wirklich monumentalen Geistesleistung mit der sogenannten Epizyklentheorie auf: Nach ihr sollte sich jeder Planet auf seiner Kreisbahn um die Erde auf einem Laufkreis (Epizykel) und einem Leitkreis (Deferent) bewegen und dadurch Schleifen bilden. Ptolemäus’ Lehre blieb über 1300 Jahre lang allgemein unangefochten, doch ergaben die auf seine Theorie gestützten Berechnungen im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder falsche Werte. Schon 1050 n. Chr. stimmten damit vorausgesagte Mondorte nicht mehr, und der Kirchenkalender zeigte eine Abweichung von mehreren Tagen. Mitte des 13. Jh. entstandene Tabellen der Stellungen der Planeten und des Erdtrabanten wichen erheblich von den wirklich beobachteten Orten ab. Als unter Papst Leo X. im lateranischen Konzil die notwendig gewordene Verbesserung des Kirchenkalenders erörtert wurde, musste sie unerledigt bleiben, weil die Länge des Jahres und des Monats wie auch die Bewegungen von Sonne und Mond noch nicht hinreichend genau bekannt waren.