Atomendlager Benken in der Schweiz/Beurteilung nach dem

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Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 13 /
13. Wahlperiode
28. 02. 2003
1851
Kleine Anfrage
des Abg. Norbert Zeller SPD
und
Antwort
des Ministeriums für Umwelt und Verkehr
Atomendlager Benken in der Schweiz/Beurteilung nach dem
Erdbeben am Oberrhein
Kleine Anfrage
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie beurteilt die Landesregierung die Folgen des Erdbebens vom 22. Februar 2003 am Oberrhein hinsichtlich des von der schweizerischen Regierung geplanten Atomendlager-Standorts Benken bei Schaffhausen?
2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Standort – wie nun
nach dem Erdbeben im Rheingraben eindeutig in einem Gefährdungsgebiet angesiedelt – ungeeignet ist?
3. Ist die Landesregierung gewillt, entsprechend bei der schweizerischen Regierung ihre Bedenken gegen den Standort Benken geltend zu machen und
sich klar gegen diesen auszusprechen?
28. 02. 2003
Zeller SPD
Begründung
Die Erdstöße am Ober- und Hochrhein mit dem Epizentrum im elsässischen
St. Die haben gezeigt, dass der Standort Benken, der von der Schweizer Nationalen Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) erst
vor wenigen Wochen im Abschlussbericht zur Suche eines atomaren Endlagers als „ungefährdet“ bezeichnet und daher als geeignet bewertet wurde,
diesem Bild nicht mehr entspricht. Die bis in die Schweiz deutlich registrierten Erdstöße widerlegten die von den durch NAGRA beauftragten geologischen Gutachtern ausgeführten „Unbedenklichkeiten“ für diesen Standort,
der nur 20 Kilometer von dem als Erdbebenzone drei ausgewiesenen Gebiet
Eingegangen: 28. 02. 2003 / Ausgegeben: 31. 03. 2003
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des Bodanrücks mit dem Merkmal „besonders gefährdet“, entfernt ist . Es
muss daher von Seiten der Landesregierung alles unternommen werden, um
die schweizerische Regierung davon zu überzeugen, den Standort in Benken
aufzugeben.
Antwort
Mit Schreiben vom 21. März 2003 Nr. 76–4654.18 beantwortet das Ministerium für Umwelt und Verkehr im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium die Kleine Anfrage wie folgt:
1. Wie beurteilt die Landesregierung die Folgen des Erdbebens vom 22. Februar 2003 am Oberrhein hinsichtlich des von der schweizerischen Regierung geplanten Atomendlager-Standorts Benken bei Schaffhausen?
Zu 1.:
Der dynamische Vorgang eines tektonischen Erdbebens muss für die Unversehrtheit eines Endlagers für radioaktive Abfälle grundsätzlich als Gefährdung angesehen werden.
Die im Wesentlichen reversible Dehnung und Scherung des Gesteins beim
Durchgang seismischer Wellen großer Amplituden und die irreversible Verschiebung von Gesteinspartien unterschiedlicher Dimension im Nahfeld der
Erdbebenherdfläche verbunden mit Auflockerung, Riss- und Hohlraumbildung bis hin zur Verlagerung des Gesteinsmaterials infolge des eigentlichen
Erdbebenbruchvorgangs können die für ein Endlager bedeutsamen Wasserwegsamkeiten verändern oder neue Wegsamkeiten schaffen. In einem homogenen, wasserundurchlässigen Gesteinskomplex wie dem Opalinuston stellen
die irreversiblen Effekte die weitaus größere Gefährdung dar.
Für die Einschätzung der Gefährdung eines Endlagers für radioaktive Abfälle
durch Erdbeben spielen die Magnitude, die Entfernung vom Endlager und die
Eintrittswahrscheinlichkeit die entscheidenden Rollen. Wesentlich ist weiterhin die Gesteinsbeschaffenheit im Umfeld des Endlagers.
Die Erdbebengefährdung in Baden-Württemberg und im grenznahen Ausland
ist insgesamt als mäßig bis gering einzustufen, innerhalb Baden-Württembergs treten geografisch gesehen aber deutliche Unterschiede auf.
Das Erdbeben am 22. Februar 2003 um 21.41 Uhr ereignete sich am Westrand der Vogesen. Es wies eine Stärke von 5,4 auf der Richterskala auf. Das
Epizentrum lag in der Nähe der französischen Stadt St. Dié. Mit Beben dieser
Stärke ist in Baden-Württemberg und in den angrenzenden Gebieten von
Frankreich und der Schweiz generell zu rechnen, wenn auch in einer nach
Erdbebenzonen abgestuften Eintrittswahrscheinlichkeit.
Das von der Schweiz untersuchte Opalinuston-Vorkommen in Benken liegt
ca. 160 km vom Epizentrum des Bebens am 22. Februar 2003 entfernt. Eine
Schadenswirkung an einem nach gängigen Regeln der Technik gebauten
Endlager für radioaktive Abfälle, ausgehend von einem Erdbeben der Stärke
5,4 auf der Richterskala in so großer Entfernung, kann ausgeschlossen werden.
Erdbeben dieser und auch größerer Stärke sind allerdings auch in weit geringerer Entfernung von Benken möglich.
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2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Standort – wie nun
nach dem Erdbeben im Rheingraben eindeutig in einem Gefährdungsgebiet angesiedelt – ungeeignet ist?
Zu 2.:
Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Gefährdung eines möglichen Endlagers für radioaktive Abfälle am Standort Benken durch Erdbeben
nicht zu vernachlässigen ist. Es sind deshalb vertiefte Untersuchungen und
Nachweise für ein Endlager bei Benken erforderlich, um eine seismische Gefährdung des Endlagers auszuschließen.
3. Ist die Landesregierung gewillt, entsprechend bei der schweizerischen Regierung ihre Bedenken gegen den Standort Benken geltend zu machen und
sich klar gegen diesen auszusprechen?
Zu 3.:
Die Landesregierung hat sich bereits in der Vergangenheit kritisch und intensiv mit den Bemühungen der Schweiz auseinander gesetzt, die vorgeschriebenen Nachweise für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente, hochradioaktiven Abfalls und langlebiger mittelaktiver Abfälle zu erbringen.
Das Ministerium für Umwelt und Verkehr hat des Öfteren deutlich gemacht,
dass ein Endlager der Schweiz in Grenznähe dieselben Sicherheitsanforderungen erfüllen muss, die in Deutschland an ein Endlager gestellt werden.
Die Haltung des Landes, die in der Pressemitteilung des Umwelt- und Verkehrsministeriums vom 26. Februar 2002 dargelegt wurde, beruht auf folgenden Eckpunkten:
1. Die Prüfung, ob die geologische Formation Opalinuston für eine Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen geeignet ist, darf nicht als Vorentscheid für einen Endlagerstandort verstanden werden.
2. Die deutsche Bevölkerung und die Gebietskörperschaften im grenznahen
Raum müssen in einem transparenten Verfahren in gleicher Weise wie die
Schweizer Bevölkerung informiert und beteiligt werden.
3. Die Zeit bis zu einem zukünftigen Standortentscheid soll auch für die
Untersuchung und Erkundung weiterer Standorte genutzt werden.
4. Ein Endlager in Grenznähe muss denselben Sicherheitsanforderungen genügen, wie sie im anliegenden Nachbarland an ein Endlager gestellt werden.
5. Sollte in der Schweiz kein geeigneter Standort zu finden sein, müssten
Entsorgungsmöglichkeiten im Ausland gesucht werden.
In mehreren Schreiben und persönlichen Gesprächen, u. a. mit Herrn Bundesrat Leuenberger, dem Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, wurde dieser Standpunkt der
Schweizer Seite verdeutlicht.
Müller
Minister für Umwelt und Verkehr
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