LÄNDERBERICHT Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. SLOWAKEI DR. HUBERT GEHRING CHRISTOPH THANEI 1. Dezember 2010 www.kas.de Kommunalwahlen in der Slowakei REGIERUNGSKOALITION VERLIERT HAUPTSTADT BRATSILAVA www.kas.de/slowakei Mit einer Enttäuschung für die seit Juli gen gewinnen konnte, schreiben selbst amtierenden Mitte-Rechts-Koalition der die unterlegenen Gegner seiner tadello- christlich-liberalen Premierministerin Ive- sen Regierungszeit (2006 – 2010) im ta Radičová endeten die Kommunalwah- größten Stadtteil Bratislava-Petržalka zu. len vom 27. November. Vor allem in Bra- Für die Großstadt versprach er nun eine tislava und den anderen größeren Städ- ähnlich transparente Politik wie er sie ten waren sie zur ersten landesweiten bisher in Petržalka praktizierte: Unter Testwahl seit dem Regierungswechsel dem Schlagwort "Offenes Rathaus" soll es hochstilisiert worden. Doch gerade die volle Transparenz bei allen wichtigen Ent- mit der größten Spannung erwartete Ent- scheidungen geben. Alle öffentlichen Auf- scheidung um den Sitz des künftigen träge und Entscheidungen der Stadtver- Oberbürgermeisters von Bratislava ende- waltung sollen im Internet veröffentlicht te mit einer für das Regierungslager werden. Solche Vorschläge erinnern schmerzhaften Niederlage. Im Duell um deutlich an jene Versprechen, die Pre- das höchste Amt in der vermeintlich un- mierministerin Radičová für ihre Regie- einnehmbaren Bastion der bürgerlichen rung auf Staatsebene versprach. Parteien gewann der von der linken Opposition unterstützte Parteilose Milan Im Gegensatz zum Bürgermeisterposten Ftáčnik (59 457 Stimmen) überlegen. selbst waren die bürgerlichen Parteien jedoch bei den Wahlen zum Stadtparla- Seine Konkurrentin, die Ex- ment in Bratislava erfolgreich. So wird Schauspielerin und Diplomatin Magdaléna Ftáčnik im Stadtparlament eine weiterhin Vášáryová, unterlag deutlich (40 438 bürgerliche Mehrheit gegenüberstehen. Stimmen), obwohl sie von allen vier Par- Das ist er schon aus seiner bisherigen teien der Regierungskoalition (SDKU-DS, Tätigkeit gewohnt: Im größten Stadtteil KDH, SaS, Most-Hid) gemeinsam unter- Bratislava-Petržalka regierte er bisher stützt wurde. Das Ergebnis der Bürger- trotz einer bürgerlichen Mehrheit im meister-Direktwahl in Bratislava kann mit Stadtteil-Parlament so erfolgreich, dass dem Begriff Überraschung beschrieben er nun bei der Direktwahl des Oberbür- werden. Tatsächlich hatten in der Haupt- germeisters offensichtlich auch die Stim- stadt seit es in der Slowakei freie Wahlen men vieler bürgerlicher Wähler gewann. gibt, stets die bürgerlichen Kandidaten Er wolle "ein Bürgermeister sein, der haushoch gewonnen, egal ob es um nicht trennt, sondern verbindet", sagte kommunale oder staatliche Wahlen ging. Ftáčnik noch in der Wahlnacht. Auch bekannte Linkspolitiker wie ExPremier Robert Fico hatten bisher in Bratislava Boomstadt traditionell keine Chance. Dass Milan Ftáčnik nun überle- 2 Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Fehlersuche in Bratislava SLOWAKEI Ungünstig für die Regierungsparteien war vá mehr Stimmen weggenommen habe DR. HUBERT GEHRING wohl auch, dass ihre Hochburg Bratislava als ihrem Konkurrenten Ftáčnik. Zähle CHRISTOPH THANEI durch eine mit nur 33,57 Prozent deutlich man die Stimmen Budajs und Vášáryovás unter dem Landesdurchschnitt von 49,69 zusammen, hätten die Bürgerlichen bei Prozent liegende Wahlbeteiligung aus der der Bürgermeisterwahl eine Mehrheit ge- Reihe tanzte. (Sowohl für Bratislava als habt. drittplatzierte Kandidat, Ex-Dissident Ján Budaj (23 813 Stimmen), wohl Vášáryo- 1. Dezember 2010 www.kas.de auch das gesamte Land bedeutete dies übrigens eine leichte Steigerung der Landesweit besseres Ergebnis für Bür- Wahlbeteiligung.) Schon am Tag der gerliche als in der Hauptstadt Wahl meldeten sich aber auch Stimmen vor allem aus der konservativen Christ- Schaut man auf die weiteren Ergebnisse, lich-Demokratischen Bewegung KDH, die muss konstatiert werden, dass auch in der Auswahl der Spitzenkandidatin Mit- einigen anderen der größeren Städten schuld am Misserfolg gaben. KDH- des Landes die Regierungsparteien gegen Vorstandsmitglied Peter Bobula wurde die Kandidaten der linken Opposition ver- von den Medien mit dem Vorwurf zitiert, loren haben. Außenminister Mikuláš Dzu- die SDKÚ von Mikuláš Dzurinda und Iveta rinda gestand als Parteichef der regieren- Radičová habe ihre Kandidatin durchge- den SDKU-DS die Niederlage noch in der drückt, obwohl die KDH größere Ansprü- Nacht vor Ende der Stimmauszählung che auf die Nominierung gehabt hätte, da ein: "Auch ein Handwerker kann (seine sie ja schon bei der jüngsten Kandida- Produkte) manchmal gut verkaufen, tenwahl für den Regionspräsidenten der manchmal nicht. Heute haben wir nicht SDKÚ-DS den Vortritt gelassen und verkauft", sagte er in der Wahlnacht. Ge- selbst bessere Kandidaten als Vášáryová schadet hat der bürgerlichen Koalition gehabt hätte: "Wir haben in der Vergan- aber sicher auch, dass sie zuletzt auf genheit Kandidaten nominiert, die nicht Staatsebene durch ständige Zwistigkeiten nur die Unterstützung der Partnerpartei- und Parteiengezänk gelähmt war, bei de- en hatten, sondern auch die Wähler an- nen es zumindest vordergründig mehr sprechen konnten." um Postenvergaben als um sachpolitische Themen ging. Auf fehlende Transparenz führte der Politologe Juraj Marušiak den Verlust des Nach den ersten Schlagzeilen auf den In- Bürgermeistersessels zurück. Er meinte: ternetseiten der Medien wie "Debakel für "Magdalena Vášáryová war eine gute Mitte-Rechts-Parteien" folgten aber rasch Kandidatin. Sie war als Botschafterin der auch nüchternere Wahrnehmungen: In Tschechoslowakei in Österreich und der Summe sei das Ergebnis der bürgerlichen Slowakei in Polen bereits eine bekannte Parteien gar nicht wirklich so schlecht und erfahrene Diplomatin." Sicher sei sie gewesen. Nicht nur habe die Koalition kommunalpolitisch eher unerfahren ge- selbst in den Stadtparlamenten der grö- wesen. Doch habe sie auch ihr Team zu ßeren Städte, allen voran Bratislava, er- wenig unterstützt. Und Ftáčnik habe nicht folgreicher abgeschnitten als bei den Di- wegen Vášáryovás Schwäche gewonnen, rektwahlen der Bürgermeister. Die SDKÚ- sondern wegen seiner eigenen Stärke als DS konnte sogar gegenüber den Wahlen erfahrener und integrer Kommunalpoliti- vor vier Jahren leicht zulegen und die ker. Der Politologe Grigorij Mesežnikov KDH wurde hinter Ficos Smer- vom Institut für öffentliche Fragen weist Sozialdemokratie neuerlich zweitstärkste außerdem noch darauf hin, dass der politische Kraft. Hauptverlierer waren 3 Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. hingegen die in der Vergangenheit auf demokratischen Partei Smer, Jozef kommunaler Ebene starken rechtspopu- Dvonč, auch mit Unterstützung der KDH. SLOWAKEI listischen Parteien HZDS von Ex-Premier In der drittgrößten Stadt des Landes, DR. HUBERT GEHRING Vladimír Mečiar und SNS von Ján Slota. dem ostslowakischen Prešov, verteidigte CHRISTOPH THANEI der unabhängige Kandidat Pavel Hagyari Vor allem in kleineren Gemeinden waren 1. Dezember 2010 www.kas.de sein Bürgermeisteramt. aber Vergleiche mit der Bundespolitik von vornherein schwer. Dies liegt daran, weil Am Rande fiel noch auf, dass die Angehö- einerseits viele keinem politischen Lager rigen der ungarischen Minderheit anders zuordbare parteiunabhängige Kandidaten als bei den Parlamentswahlen im Juni erfolgreich waren und andererseits viele stärker zu ihrer traditionellen Vertretung unterschiedliche Koalitionen angetreten Partei der Ungarischen Koalition (SMK) waren, die oft aus Regierungs- und Op- als zur slowakisch-ungarischen Versöh- positionsparteien bunt zusammengewür- nungspartei Most-Híd (Brücke) von Par- felt waren. Der Grund für solche bunten lamentsvizepräsident Béla Bugár tendier- Koalitionen liegt im Wahlsystem. Es gibt ten. Die konservativere und eher nationa- bei slowakischen Kommunalwahlen prin- listischere SMK verfügt offensichtlich zipiell keinen zweiten Wahlgang, sondern noch immer über stärkere regionale und es entscheidet die relative Mehrheit. Um kommunale Strukturen als ihre erst in zu gewinnen, müssen Kandidaten, die diesem Jahr neu gegründete Konkurren- nicht über eine außerordentlich große ei- tin Most-Híd. gene Hausmacht verfügen, möglichst viele Parteien, auch kleine Splittergruppen Der Wahlkampf selbst wurde von Beob- auf ihre Seite ziehen und als Unterstützer achtern immer wieder als der bisher här- gewinnen. Andernfalls kann leicht anstel- teste und aufwändigste in der slowaki- le zweier starker Kandidaten, die sich ge- schen Geschichte bezeichnet. Für teils genseitig Stimmen wegnehmen, ein la- heftige Diskussionen sorgten auch zahl- chender Dritter gewinnen. Das gilt so- reiche Wahlplakate mit Negativdarstel- wohl für die in Direktwahl bestimmten lungen der jeweiligen politischen Gegner. Bürgermeister als auch für die Abgeord- Noch mehr als in früheren Wahlgängen neten der kommunalen Parlamente. wurden vor allem in Gemeinden mit star- (Darin besteht ein entscheidender Unter- kem Anteil der Roma-Minderheit Fälle schied zum Wahlrecht etwa in der von Wahlbetrug und Stimmenkauf ge- Schwesterrepublik Tschechien.) meldet. Das muss aber nicht unbedingt eine Zunahme solcher Fälle bedeuten, Die Mitte-Rechts-Koalition verlor somit sondern kann auch auf eine gestiegene zwar die Bürgermeisterwahlen in den mit Sensibilität der Bevölkerung hinweisen: größter Aufmerksamkeit beobachteten Beobachtete Ungesetzlichkeiten werden Großstädten Bratislava und Košice, sowie immer weniger ignoriert, sondern offen in den Regionalhauptstädten Žilina und aufgezeigt und aktiv bekämpft. Trenčín an die jeweiligen Linkskandidaten. Sie konnte aber nicht nur im katholisch geprägten Trnava einen KDHKandidaten durchsetzen, sondern überraschend auch in der traditionell eher dem linken Lager zuneigenden mittelslowakischen Hauptstadt Banská Bystrica. In Nitra gewann der Kandidat der sozial-