„Er macht Witze“

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16 PANORAMA
Frankfurter Rundschau Montag, 23. Juli 2007 63. Jahrgang Nr.168 D*/R/S
„Er macht Witze“
Sängerin Judith Holofernes über ihr Treffen mit dem Dalai Lama,
die Suche nach dem Glück und ihren Respekt vor Roland Koch
Frau Holofernes, Sie gehörten
zu den wenigen Menschen, die
sich beim Deutschlandbesuch
des Dalai Lama mit ihm unterhalten konnten. Wie war’s?
Sehr bewegend und sehr aufregend, wobei er eine Ausstrahlung
hat, die einen alle Nervosität
schnell vergessen lässt. Er hat mir
zum Abschied einen weißen Schal
geschenkt.
Was werden Sie damit machen?
Weil wir noch auf Tour sind, wird
er sehr gut verpackt, denn ein
Tourbus ist kein guter Platz für einen weißen Schal. Zuhause
kommt er zu meinem Buddha ins
Wohnzimmer.
Was ist so faszinierend am Dalai
Lama?
Er lebt die Werte, von denen er
spricht. Er verkörpert das reine
Mitgefühl. Mit der Ehrerbietung,
die ihm entgegengebracht wird,
geht er sehr humorvoll um. Er
nimmt das zwar mit liebevoller
Aufmerksamkeit entgegen, aber
er macht alles, um das Steife und
Ängstliche herauszunehmen, er
macht Witze, er winkt ins Publikum, während über etwas Ernstes
geredet wird, lacht vor sich hin.
Ich habe gehört, dass er bei seinen
Auftritten in Indien gar nicht so
witzig und heiter gewesen sein
soll wie im Westen.
Da haben die Deutschen ja
Glück.
Vielleicht ist das in Indien nicht so
nötig, die Leute sind mit seinen
Ideen viel vertrauter.
Eine Umfrage hat ergeben, dass
sich viele Deutsche vom Dalai Lama konkrete Ratschläge für ihr
Leben erhoffen – Sie auch?
Ich habe vom Dalai Lama schon
sehr viele konkrete Anweisungen
bekommen, indem ich Bücher von
ihm gelesen habe. Ich glaube, die
Leute erhoffen sich das zu Recht,
weil er seine Lehren sehr alltagsnah vermittelt.
Was haben Sie von ihm gelernt?
Es ist sehr ermutigend, von ihm gesagt zu bekommen, dass er meine
Arbeit für wichtig hält. Und dass
Künstler ethische Ideen transportieren sollen. Die Sätze waren wie
eine Kraftspritze für mich.
Sie treten mit dem Dalai Lama
auf, Richard Gere, Uma Thurman und Roland Koch tun es
auch. Ist es einfach eine gute PRAktion mit ihm zusammen gesehen zu werden?
Für mich trifft das nicht zu. Ich
würde das auch niemandem unterstellen. Der Dalai Lama berührt
viele Menschen, ungeachtet ihrer
politischen Ausrichtung. Mit Roland Koch habe ich in politischer
Hinsicht sonst vielleicht nicht viel
gemeinsam. Aber er ist einer von
wenigen Politikern, die immer
wieder darauf drängen, dass der
Dalai Lama offiziell in Deutschland empfangen wird – obwohl
das immer heftige diplomatische
Probleme mit China nach sich
zieht. In Deutschland wird jeder,
der versucht, etwas Gutes zu tun,
sei es in Bezug auf Tibet, die Umwelt oder eine humane Globalisierung mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er sich eigentlich nur
selbst profilieren möchte.
Auch Sie und Ihre Band „Wir
sind Helden“ sehen sich häufig
dem „Gutmenschen“-Vorwurf
ausgesetzt.
Ja, wir müssen in Interviews ständig beweisen, dass wir unser Engagement ernst meinen. Dabei werden Dinge, die uns wichtig sind,
wie zum Beispiel achtsamer Konsum oder das Engagement gegen
den G8-Gipfel, ständig hinterfragt. Das ist sehr ermüdend.
Auf dem Podium haben Sie den
Dalai Lama konkret zum Umgang mit den Medien befragt.
Er ist bei dem Thema gut im Training, er kann auch in der Bild-Zeitung sprechen, ohne sich korrumpieren zu lassen, ich weiß aber
sehr genau, dass ich das nicht
kann. Er hat mir jedenfalls geantwortet, dass er die Medien als sehr
freundliches Organ wahrnimmt.
Im Grunde geht mir das auch so,
aber für mich gibt es neben vielen
erfreulichen Gesprächen auch immer schwierige Momente. Da war
es schön, vom Dalai Lama einen
unterstützenden Impuls zu bekommen.
Was hat der Dalai Lama, was Sie
nicht haben?
Er geht ganz und gar in seiner Lehre auf. Was er erzählt, geht alle
Menschen an. Im Prinzip ist der
Unterschied der, dass ich noch mit
Künstler-Ego und was weiß ich
was rumlaufe. Das macht es
schwieriger.
Was meinen Sie, warum ist der
Dalai Lama bei den Deutschen,
besonders bei den jungen, beliebter als der Papst?
Der Dalai Lama ist im Gegensatz
zur katholischen Kirche sehr integrativ – er spricht nicht von Religion, sondern von allgemeingültigen Werten, die es genauso im
Christentum gibt. Buddhismus ist
streng genommen keine Religion,
sondern eine Philosophie, eine Art
und Weise, wie man versucht sein
Leben zu leben. Man muss nicht irgendwo eintreten, um Buddhismus für sich auszuprobieren. Das
macht es einfach, sich dem zu nähern.
Ist Buddhismus nicht einfach
cooler als das Christentum?
Man kann das so formulieren,
aber das ist auch keine Antwort
auf die Frage, warum der Buddhismus so beliebt ist bei jungen Leuten. Der Dalai Lama sagt übrigens,
dass man Spiritualität und Erfüllung zuerst in der Religion seines
Kulturkreises suchen sollte, weil
die einem in der Regel näher
steht.
Sie haben es anders gemacht
und haben sich dem Buddhismus zugewendet. Warum?
Ich bin nicht christlich erzogen
worden. Ich bin über die Philosophie zur Religion gekommen. Als
Kind habe ich nächtelang wach ge-
legen und mich gefragt, was passiert, wenn meine Eltern sterben
und ich selbst, ich habe über die
Vergänglichkeit gegrübelt und
über die Unendlichkeit des Universums. Und so habe mich auf
Glückssuche begeben. Als Teenager habe ich mich sehr für Philosophie interessiert. Irgendwann
ist mir klar geworden: Mit der Gehirnakrobatik allein kann es nicht
getan sein, da fehlt etwas. Die Verbindung von Herz und Geist habe
ich im Buddhismus gefunden.
Manche Dinge muss man nicht verstehen. Es reicht, wenn man sie in
Meditationen einfach erlebt.
Zum Beispiel?
Eines der Kernanliegen des Dalai
Lama ist eine neue Ethik für das
neue Millennium – eine Ethik des
Verzichts. Das hört sich abschreckend an. Aber wenn man sich in
Meditation übt, macht man die Erfahrung, dass es nichts Beglückenderes gibt, als loszulassen.
Klingt etwas floskelhaft.
Ist es aber nicht. Wir alle versuchen doch ständig, unser Ego zu
füttern, es wachsen zu lassen und
zu schützen. Wer meditiert erfährt, wie angenehm es ist, wenn
das Ego mal eben die Klappe hält.
Der Grundgedanke ist, dass es
glücklicher macht, zu geben als zu
nehmen.
Praktizieren Sie das?
Ich versuche das tatsächlich – und
es funktioniert. Mich macht es
zum Beispiel glücklicher, Geschenke zu besorgen als für mich selbst
etwas zu kaufen.
Das würde eine gute Christin
wohl auch sagen. Es gibt aber
auch eklatante Unterschiede zwischen den Religionen, zum Beispiel was die Erlösung angeht.
Der Himmel auf der einen Seite,
das Nichtswerden im Nirwana
auf der anderen. Ist das für Sie
nicht beängstigend?
Die Sehnsucht nach Auflösung ist
tatsächlich wesentlicher Bestandteil der Lehre. Natürlich habe ich
Angst, mich aufzulösen. Das Ego
möchte das nicht – wahrscheinlich ist das selbst noch für sehr
weit fortgeschrittene Buddhisten
beängstigend. Es ist aber hilfreich,
wenn man bei Auflösung an ein
Aufgehen im Ganzen, an tiefen
Frieden und Stille denkt, an Erlösung. Nicht an Vernichtung. Der
Buddhismus hat mit Nihilismus
nichts gemein.
Sie empfehlen eine Lightversion
des Buddhismus?
Bestimmt nicht. Bei dem Kongress
ging es darum, mit dem anzufangen, was man im Alltag ausprobieren kann. Da kann man auch ohne
große
Meditations-Erfahrung
oder einen religiösen Hintergrund kraftvolle Veränderungen
spüren – alleine durch eine ethische Grundausrichtung und die
Aufmerksamkeit auf den eigenen
Geist.
Können Sie das erklären?
Ich schaue mir beim Denken zu –
und bekomme ein bisschen Dis-
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