Abitur 1999 - Chemie à Kernchemie Seite 1 Kernchemie Aufbau des Atomkerns 2 Sorten von Kernteilchen (Nukleonen) Protonen (1 u, 1 positive Elementarladung) Neutronen (1 u, schwerer als Proton, ungeladen) Elektron - wesentlich kleinere Masse als Proton/Neutron (1 /1836 u) Ordnungszahl (Z) à Zahl der Protonen im Kern, Zahl der Elektronen in der Hülle Massenzahl (A) = Protonenzahl Z + Neutronenzahl N Isotope verschiedene Atomarten eines Elementes (gleiche OZ), die sich in der Neutronenzahl und folglich auch in der Massenzahl unterscheiden, heißen Isotope Strahlenarten α-Strahlen zweifach positiv geladene Teilchen (He2+, Heliumatomkerne) β-Strahlen Elektronen γ-Strahlen nicht aus materiellen Teilchen, energiereiche, kurzwellige elektromagnetische Wellen Wirkung von Strahlen physikalische Wirkung ionisierende Wirkung à Nachweis mit Geiger-Müller-Zählrohr thermische Wirkung à durch Absorbtion Umwandlung Strahlungsenergie in Wärme Aktivität eines Strahlers Quotient aus der Anzahl der Zerfallsakte und der Zeit, in der dieser Zerfall erfolgt (Anzahl der Zerfallsakte pro Zeiteinheit) Anzahl der Zerfal lsakte Aktivität = Zeit Einheit: 1 Bq = 1 s-1 Energiedosis Quotient aus der Energie E, die von der Masse m absorbiert wurde und dieser Masse. (absorbierte Energie pro Masseeinheit) absorbiert e Energie Energiedos is = absorbiere nde Masse J Einheit: 1 Gy = 1 /kg Energiedosisleistung Quotient aus der aufgenommenen Energiedosis und der dazu benötigten Zeit. (absorbierte Energie pro Masseeinheit und pro Zeiteinheit) Energiedos is Energiedos isleistung = Zeit Einheit: 1 Gy/s chemische Wirkung Atome/Moleküle können ionisiert werden, chemische Bindungen können zerstört werden à Bildung von Ionen und Radikalen biologische Wirkung ionisierende Wirkung, hohe Energie à Zerstörung organischer Verbindungen Messung der Wikrung der einzelnen Strahlenarten auf Organismus: Äquivalentdosis Produkt aus der Energiedosis und einem für Organismus und Strahlenart charakteristischen Qualitätsfaktor. Äquivalentdosis = Energiedosis * Qualitätsfaktor Einheit: 1 Sv = 100 rem Tim Nagel 1999 Abitur 1999 - Chemie à Kernchemie Seite 2 Geiger-Müller-Zählrohr Aufbau (vgl. Blatt) • dünnwandiges Metallrohr, mit Edelgas (Argon) gefüllt, mit Glimmerfenster verschlossen • dünner Metalldraht in Achse • Spannung zwischen Draht und Rohrwand bis zu 1000 V Funktionsweise • tritt ionisierendes Teilchen in Rohr ein à Rohr aufgrund der vorhandenen Ionen elektrische leitend à Stromstoß • Stromstoß wird über Verstärker mit Lautsprecher/Zähler registriert Wilsonsche Nebelkammer Aufbau (vgl. Blatt) • Präperat befindet sich unter Glasglocke, mit gesättigtem Alkohol- oder Wasserdampf • Expansionskolben zum schnellen expandieren des Raumes Funtionsweise • wird Raum ruckartig expandiert à Temperatur sinkt unter Taupunkt à übersättigter Wasser-/Alkoholdampf • sind keine Kondensationskeime (Staub) vorhanden kann sich kein Nebel bilden • werden durch radioaktive Strahlen Ionen gebildet à Kondensationskeime (Dipole lagern sich an) à Nebelspur der ionisierenden Teilchen • α-Teilchen relativ schwer à geradlinige Spur, β-/γ-Strahlung à zick-zack-Spur Zerfallsarten α -Zerfall 4 2+ A 4 2+ A− 4 α-Teilchen: + Z −2Y 2 He Z X → 2 He β -Zerfall 0 A A 0 β-Teilchen: −1 e Z X → Z +1Y + −1 e à Neutron wird in Proton und Elektron umgewandelt + β -Zerfall A A 0 β +-Teilchen: −10 e (Positron) Z X → Z −1Y + +1 e à Proton wird zu Neutron und Positron umgewandelt Verschiebungsgesetze von Fajans Bei der Ausstrahlung eines α-Teilchens vermindert sich die Kernladungszahl um 3 Einheiten, die Massenzahl um 4 Einheiten. Bei Aussenden eines β --Teilchens erhöht sich die Kernladungszahl um eine Einheit, die Massenzahl bleibt unverändert. Halbwertszeit Unter der Halbwertszeit T eines Radionuklides versteht man die Zeit, in der die Hälfte einer vorliegenden Anzahl radioaktiver Atome zerfallen ist. N (t ) = N 0 * e − λ *t − N ′(t ) = A(t ) à − N ′(t ) = λ * N 0 * e − λ*t à A(t ) = A0 * e − λ*t ln( 2) λ= T Tim Nagel 1999 Abitur 1999 - Chemie à Kernchemie Seite 3 Radioisotope und deren Verwendung Medizin, Biologie, Biochemie • Beeinflußung von Hautkrankheiten und innerer Erkrankungen durch dosierte Bestrahlung des Gewebes • Untersuchung der Schilddrüse, des Abbaus von Stoffen Chemie • Markierung einzelner Atome à Untersuchung von Reaktionsmechanismen, Reaktionen, Wirkungsweise von Heilmitteln Technik • Materialkontrolle (Dicke von Metallplatten) Radiocarbonmethode • Altersbestimmung historischer, prähistorischer Gegenstände à Halbwertszeit von C = 5568 a Künstliche Kernumwandlungen Rutherford à Beschuß von Stickstoffatomen mit α -Teilchen (1. künstl. Kernumwandlung) 14 4 17 1 kurz: 147 N (α , p )178O 7 N + 2 He → 8 O + 1 H à Austauschreaktion - Proton gegen α-Teilchen à geringe Trefferquote (Ladung) à nur bei hoher Energie (hohe Geschw.) Chadwick à Neutronenstrahlung bei Mischung von Berylliumpulver und Radiumsalz 9 4 12 1 kurz: 49 Be (α , n )126C 4 Be + 2 He → 6 C + 0 Nn à Austauschreaktion - Neutron gegen α-Teilchen à Neutronen haben hohe Energie (schnelle Neutronen) Die Kernspaltung Hahn/Straßmann - Spaltung von 235 U mit langsamen (thermischen Neutronen) à 2 Bruchstücke (Massen 2:3) und 3 Neutronen à Atome beitzen hohe Neutroenzahl à radioaktiv β-/γ-Strahlung 235 1 144 89 1 92 U + 0 Nn → 56 Ba + 36 Kr + 3 0 Nn à freiwerdende Energie läßt sich mit Hilfe der Bindungsenergie im Atomkern erklären Abhängigkeit der Bindungsenergie pro Nukleon von der Massenzahl Atomkerne mit großer Nukleonenzahl - geringere Bindungsenergie pro Nukleon als Atomkerne mit mittlerer Nz à Spaltung von schweren Atomkernen à Energie frei leichte Atomkerne Bindungsenergie pro Nukleon kleiner als bei mittelschweren à Bildung mittlererAtomkerne aus Kernen mit kleiner Nukleonenzahl à Energie frei Berechnung der Bindungsenergie mit Hilfe der Masse-Energie-Gleichung E = m*c² und dem Massendefekt bei der Bildung der Atomkerne (Differenz Masse links - Masse rechts) ∆E = ∆m * c ² c: Lichtgeschwindigkeit Massendefekt Die Masse einer jeden aus Protonen und Neutronen zusammengesetzten Atomkernes ist kleiner als die Summe der Massen der Einzelbestandteile. Die Differnz ∆ m (Massendefekt) entspricht nach Einstein der Bindungsenergie E der Nukleonen im Atomkern. ungesteuerte Kettenreaktion bei Spaltung von 235 U à 2-3 Neutronen freigesetzt à weitere Spaltungsreaktionen • Kettenreaktion nur wenn mind 1 Neutron entsteht • Neutronenverlust nach Außen à Kugel (Oberfläche, Volumen) à kleine Uranmasse à keine Kettenreaktion à erst ab kritischer Masse • ist kritische Masse überschritten à ungesteuerte Kettenreaktion Tim Nagel 1999 Abitur 1999 - Chemie à Kernchemie àk= Seite 4 n( gebildete Spaltneutr onen) >1 n ( verbraucht e Spaltneutr onen) Atombombe: • Uranblock in mehrere unterkritische Teile zerlegt à keine Kettenreaktion • bei Zündung Implosion à kritische Masse à Kettenreaktion • zusaätzlich Neutronenreflektierende Hülle gesteuerte Kettenreaktion k < 1 à keine Kettenreaktion, bricht ab k = 1 à gesteuerte Kettenreaktion (jedes spaltende Neutron liefert ein neues) natürliches Uran à aus 2 Isotopen: 235 U - spaltbar (0,7 %) U - nicht spaltbar (99,3 %) Einwirkung von Neutronen auf natürliches Uran: à Spaltungsreaktion 235 1 1 92 U + 0 Nn → X + Y + 30 Nn à Einfangreaktion (Neutronen werden absorbiert durch 238 U) 238 1 239 239 kurz: 238 92 U + 0 Nn → 92 U 92 U ( n,− ) 92 U à mit natürlichem Uran keine Kettenreaktion möglich 238 Einfangreaktion läuft besonders leicht bei schnellen Neutronen ab Spaltungsreaktion läuft besonders leicht bei thermischen (langsamen) Neutronen ab à um Spaltungsreaktion durchzuführen muß Geschwindigkeit durch elastische Stöße sehr schnell herabgesetzt werden à Verwendung von Bremssubstanzen = Moderatoren • Energieübertragung auf anderes Teilchen dann maximal, wenn gleiche Masse (Impuls) à Substanzen mit geringer Atommasse (Graphit, Wasser, schweres Wasser) • Abbruch einer Kettenreaktion durch Neutronenabsorber (Borstähle, Cadmiumstähle) Kraftwerke allgemeiner Aufbau: Wasser durch Energiezufuhr erhitzt à Dampf durch Düsen über Turbine (Generator) Abkühlung des Dampfes in Kühltürmen Kernkraftwerke à Kernreaktoren (Reaktor = Bereich in dem Kettenreaktion abläuft) • Reaktorkern (Core) aus vielen Brennelementen (quadrat./sechseck. Querschnitt) • Brennelemente aus Brennstäben à metallisches Hüllrohr, Spaltstoff (Kernbrennstoff) in Tablettenform (Pellets), oberes/unteres Ende zusammengeschweißt, Hohlräume zur Aufnahme der Spaltgase • Reaktorkern im Druckbehälter vom Kühlmittel umströmt • Kühlmittel gibt Wärmetauschern Energie ab, durch Pumpen wieder Reaktor zugeführt • Steuerung durch Steuerelemente (neutronenabsorbierendes Material) werden in/zwischen Brennelemente bewegt • Vorteil von Wasser als Moderator und Kühlmittel: bei Kühwasserverlust entfällt Moderation der Neutronengeschwindigkeit à Kettenreaktion bricht ab Siedewasserreaktor • Wasserdampf im Core (70 bar, 285°C) • Brennstäbe, angereichertes Uran - Moderator, Kühlmittel: leichtes Wasser • Steuerung: Cadmiumstäbe (durch Elektromotoren auf und ab, schnell: schießen) Tim Nagel 1999 Abitur 1999 - Chemie à Kernchemie Seite 5 Vorteil • Einkreisreaktion à Dampf direkt auf Turbine (kein Wärmetauscher, keine Verluste) à hoher Wirkungsgrad Nachteile • Steuerung von unten à Steuerstäbe fallen nicht von selbst in Reaktor (Störfall) • Abbrand der Brennelemente nicht konstant (unten stärker - stärkere Moderatorwirkung) • Schaden à radioaktive Stoffe in Kühlwasser à Turbine radioaktov kontaminiert Druckwasserreaktor • Moderator/Kühlmittel: leichtes Wasser • Druck im Core (160 bar, 300°C à Wasser verdampft nicht) • Zweikreissystem à Wärmetauscher Vorteile • 2. Kreis kann nicht radioaktiv werden (Turbine nicht gefährdet) • Steuerung von oben à bei Ausfall der Steuerung durch Schwerkraft nach unten • Wasser als Kühlmittel und Moderator à Sicherung Nachteil • Wasser des 1. Kreises darf nicht zum Sieden kommen (Dampfblasen überhitzen Brennstäbe) à radioaktive Stoffe in Primärkreislauf Hochtemperaturreaktor • Kühlmittel: Helium (geringe Dichte à kaum Moderatorwirkung) - Moderator: Graphit • tennisballgroße Kugelbrennelemente, Hülle aus Graphit, Kugel enthält Brennstoffpartikel (von mehreren übereinanderliegenden Graphitschichten umschlossen à keine Spaltprodukte können entweichen) • • hochangereichertes 235 U (93 %) als Spaltstoff natürliches 232 Th als Brutstoff (233 U aus 232 Th als Brennstoff) − − β 233 β 233 Th+ 01Nn → 233 90Th → 91 Pa → 92 U • Kühlmitteltemperatur bis zu 1000°C à hoher Wirkungsgrad Vorteile • hohe Kühlmitteltemp. (Einsatz als Prozesswärme) à hoher Wirkungsgrad à geringe Abwärme • relativ große Spaltzone, hohe Wärmekapazität des Graphits à Schmelzen des Core nicht möglich (Kühlmittelverlust nicht schwerwiegend) • spaltbares Material wird erbrütet • He nur geringe radioaktive Mengen à Gasturbinde direkt von He angetrieben Nachteil • hochangereichertes 235 U als spaltbares Material Schnelle Brutreaktoren • Brennstäbe: Mischung aus 238 UO2 und 239 PuO 2 (Verhältnis 5:1) • Brennstäb zu sechseckigen Brennelementen à Spaltzone (vom Brutmantel aus 238 UO2 als Brutmaterial umgeben, ebenfalls in Hüllrohren zu Brutelementen) • Kernbrennstoff: 239 Pu • Ziel neben Energiegewinnung, Erbrüten von spaltbarem Material • keine Moderatoren erforderlich, da spaltbares Material erbrütet werden soll • schnelle Neutronen lösen aber Spaltung von 235 U aus à Reaktion muß kompakter werden, Konzentration von spaltbarem Material muß größer sein als bei LWR à hohe Leistungsdichte (Leistung durch Volumen) • Wasser kann nicht als Kühlmittel verwendet werden (Moderator), He zu geringe Wärmekapazität à flüssiges Na als Kühlmittel (geringe Moderatorwirkung, gute 232 90 Wärmeleitfähigkeit, hohe Wärmekapazität, kein hoher Druck, hoher Wirkungsgrad) Tim Nagel 1999 Abitur 1999 - Chemie à Kernchemie Seite 6 Urananreicherung Gasdiffusionsverfahren • aus Kammern mit höherem Druck strömt UF6 durch poröse Wände in Kammern mit geringerem Druck • V(235 UF6 ) > V(238 UF6 ) à Moleküle mit 238 U diffundieren schneller à Anreicherung von 238 UF6 auf Niederdruckseite • mehrere 1000 Trennschritte hintereinander notwendig • nach jedem Trennschritt erneute Kompression à hoher Energiebedarf Zentrifugenverfahren • gasförmiges UF6 in Zentrifuge mit hoher Geschw. geschleudert • unterschiedliche Zentrifugalkräfte à außen 238 U, innen 235 U Trenndüsenverfahren • Gemische aus UF6 und He mit großer Geschwindigkeit durch Düse à Umlenkung um 180° • UF6 mit schwererem Uran weiter nach außen • ca. 200 Schritte für Anreicherung von 0,71 % auf 3 % • erneute Kompression vor jeder Stufe à hoher Energieverbrauch Herstellung des Kernbrennstoffes UO2 à Ausgangsstoff UF6 bzw. UO 2 (NO3 )2 (aus Wiederaufbereitung) 1. Hydrolyse von UF6 2. Ausfällung von Ammoniumuranylcarbonat 3. Thermische Zersetzung von Ammoniumuranylcarbonat 4. Reduktion des UO3 mit Wasserstoff Brennstäbe und Brennelemente • UO2 -Pulver zu Tabletten (Pellets) gesintert • Einfüllen der Pellets in Hüllrohre, Brennstäbe dicht verschweißt • Brennstäbe zu Brennelement zusammengeführt Kernfusion Spaltung vo Kernen à Kernfission Verschmelzung von Kernen à Kernfusion à auch bei Kernverschmelzung wird Energie frei (natürliche Kernverschmelzung in Sonnen) Voraussetzungen für Kernfusion • hohe Energie (Geschwindigkeit) der zu verschmelzenden Kerne, damit CoulombKräfte überwunden werden à hohe Temperatur • Ziel: Kernfusion energiegewinnend einzusetzen à Fusionsreaktoren • geeignete Reaktion: 12 H +13H → 24 He + 01Nn Voraussetzungen für energiegewinnenden Ablauf • sehr energiereiche, schnelle Teilchen à hohe Temp. (Teilchen in Kerne und Elektronen zerfallen = Plasma) • Plasma muß hohe Teilchendichte besitzen, diese muß lange genug aufrecht erhalten werden • Anlage: Tokamak à siehe Blatt Tim Nagel 1999