001_078_BIOsp_0111 56 27.01.2011 13:06 Uhr Seite 56 WISSENSCHAFT · JOURNAL CLUB ÿ Chlorophyll f, ein langwellig absorbierendes Photosynthesepigment ÿ Metastabile Epiallele beim Menschen – unterschiedliche Methylierungsmuster in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen zur Zeit der Befruchtung? ÿ Insulatoren: BEAF und sein Einfluss auf die Expression von Genen des Antennapedia-Komplexes bei Drosophila ÿ Riboswitch-abhängige Regulation eines selbstspleißenden Introns Chlorophyll f, ein langwellig absorbierendes Photosynthesepigment Stromatolithen sind sehr (3,5 Gy) alte präkambrische dünne, oft gefaltete Schichtsedimente, deren Fe(III)-Bänderung Spuren frühen, O2-erzeugenden Organismenlebens anzuzeigen scheinen, obwohl die Deutung einigermaßen kontrovers ist. Durchwachsen sind sie auch heutigentags mit im langwelligen, die Fe2O3Schichtungen durchdringenden Licht photosynthetisierenden Prokaryoten, Cyanophyceen besonderer Art, wie Min Chen et al. (Science (2010) 329:1318– 1319) mitteilen. Sie enthalten dazu ein bisher nicht beschriebenes Chlorophyll (Chl) f mit Absorptionsmaximum bei 722 nm und Fluoreszenzemissionspeaks bei 406/706 nm. ó Gut beschrieben sind die vier Chlorophylle a, b, c, d (e wird seit 60 Jahren aufgelistet, ist aber noch immer ungenügend charakterisiert) im Photosyntheseapparat der Pflanzen: Chl a aller heutigen höheren Pflanzen; das längerwellig absorbierende Chl d in der Cyanophycee Acaryochloris marina und verwandten Organismen, die das Sonnenspektrum erdgeschichtlich früh in stark beschatteten Vegetationsnischen assimilatorisch nutzten. Ein ähnlich schattiger Standort für verschiedene Cyanobakterien-Gesellschaften sind die schwarzroten Stromatolithen. Die Autoren kultivierten aerobe Anreicherungsproben im nahen Infrarot (720 nm), extrahierten die Organismenmatten, in denen vor allem ein noch nicht klassifiziertes fädiges Cyanobacterium dominiert, mit Methanol und unterwarfen die Extrakte der Standard-HPLC-Aufarbeitung (Acetonitril/ und Wasser/Methanol-Gradient bis 100 % Methanol) im 600–720-nm-Band. Das neue Chl „f “ mit λmax 706 nm erscheint hinter b (λmax 655 nm) und a (λmax 670 nm). Chl f (Molekülformel der Ions m/z = 906: C55H70O6N4Mg) enthält die klassische Phytolsubstitution (C20H38) und Mg als Zentralmetall (Phaeophytin: C55H72O6N4, da m/z 884), sowie als Charakteristikum eine CHO-Gruppe an C2 in Ring A, ist also 2-Formyl-Chl a. Y Diese neue Substitution erweitert den Bereich der Photosynthese ins Infrarot und fordert direkt die Bioingenieure zu neuer Nutzanwendung. Lothar Jaenicke ó Metastabile Epiallele beim Menschen – unterschiedliche Methylierungsmuster in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen zur Zeit der Befruchtung? Es gehört mittlerweile zum genetischen Basiswissen, dass epigenetische Markierungen (z. B. Methylierung von DNA) im Genom während der frühen Phase der Embryonalentwicklung gesetzt werden und ein Leben lang erhalten bleiben. Bei Mäusen wissen wir auch, dass es Gene gibt, deren epigenetische Markierung unabhängig vom Genotyp und zufällig erfolgt; die verschiedenen epigenetischen Zustände dieser Gene werden als metastabile Epiallele bezeichnet und ermöglichen eine breite interindividuelle Variabilität bei identischem Genotyp. Jetzt hat die Gruppe um Robert Waterland (Baylor College of Medicine, Houston, USA) mit verschiedenen Partnern auch bei eineiigen Zwillinge substanzielle Unterschiede des Methylierungsmusters an acht verschiedenen Genorten entdeckt (Waterland RA et al., PLoS Genet (2010) DOI:10.1371/journal.pgen.1001252). ó Sie haben daraufhin die Hypothese getestet, ob das Methylierungsmuster an diesen Genen durch Umweltbedingungen (z. B. Ernährung) während der Befruchtung beeinflusst werden kann. Dazu haben die Autoren die Methylierungsmuster bei Kindern in ländlichen Regionen von Gambia bestimmt und gefragt, ob es einen Unterschied zwischen Befruchtungen gibt, die in der Regen- oder in der Trockenzeit stattgefunden haben. Die Autoren berichten, dass die Methylierung von fünf Genen signifikant erhöht war (BOLA3, FLJ20433, PAX8, SLITRK1, ZFYVE28), wenn die Befruchtung in der Regenzeit stattgefunden hat (die Methy- lierung an LINE1, IGF2, GNASAS und IL10 war dagegen unverändert).Die Autoren führen diesen Unterschied auf eine veränderte Ernährung in der Regenzeit zurück. Y Obwohl die biologischen bzw. medizinischen Konsequenzen dieses Befunds noch unklar sind, bietet sich mit dem Mechanismus metastabiler Epiallele eine neue Erklärungsmöglichkeit für bisher nicht verstandene interindividuelle Unterschiede an, nicht nur bei eineiigen Zwillingen. Die Arbeit eröffnet damit ein neues Feld epidemiologischer Studien, da die Methylierungsmuster der DNA aus Material von Blut- und Haarzellen bestimmt werden kann, die nahezu nicht-invasiv gewonnen werden. Jochen Graw ó 1 Institut f. Biochemie, Universität zu Köln, Zülpicher Straße 47, D-50674 Köln 2 Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg, [email protected] 3 Falkenstraße 87, D-58553 Halver, [email protected] BIOspektrum | 01.11 | 17. Jahrgang 001_078_BIOsp_0111 27.01.2011 13:06 Uhr Seite 57 57 Lothar Jaenicke1 Jochen Graw2 Johannes Sander3 Insulatoren: BEAF und sein Einfluss auf die Expression von Genen des Antennapedia-Komplexes bei Drosophila Insulatoren (boundary elements) sind DNA-Protein-Komplexe, die experimentell dadurch definiert sind, dass sie EnhancerPromotor-Wechselwirkungen aufheben und/oder die Ausbreitung von Abschalteffekten des Heterochromatins verhindern. Die Gruppe um Swarnava Roy hat die Rolle des BEAF-Komplexes (boundary element-associated factor) bei Drosophila untersucht (Roy S et al., Mol Genet Genomics (2010) DOI:10.1007/s00438-0100591-y). ó Insgesamt haben sie 17 Gene identifiziert, mit denen BEAF interagiert; sieben davon liegen in dem Antennapedia-Komplex (ANT-C). Bindungsstellen des BEAF-Komplexes an DNA werden üblicherweise in der Nähe des Transkriptionsstarts von Genen gefunden; die Au- toren konnten zeigen, dass drei Bindestellen unterhalb von ANT-C liegen, und zwar in einem Cluster von mehreren kleinen Genen. Zwei davon sind CG1105 und CG1965; beide sind bisher nicht ausführlich charakterisiert. Die Drosophila-Datenbank Flybase (http://flybase. org) zeigt die beiden Gene in einer Kopf-zuKopf-Anordnung. Das könnte darauf hindeuten, dass BEAF für die unabhängige Regulation dieser Gene wichtig ist. Dazu kommen Bindestellen in den Promotorbereichen von fünf weiteren Genen (dwg, Nipped-A, MRTF, Taf6 und spn-E) – erstaunlicherweise fanden die Autoren aber keine Bindestelle in ANT-C selbst. Detaillierte Analysen von vier Genen (pb, bcd, Dfd, ftz) des ANT-C zeigen aber deutliche Verminderungen ihrer Expression in BEAF-KnockoutEmbryonen. Darüber hinaus ist das Expres- sionsmuster vor allem von ftz und Dfd deutlich verändert. Die Autoren schließen daraus, dass BEAF für die korrekte Expression dieser Gene von Bedeutung ist, auch wenn der genaue Mechanismus noch unklar ist. Y Neben diesen spezifischen Effekten muss jedoch noch beachtet werden, dass das Fehlen von BEAF offensichtlich noch weitere Konsequenzen hat: Nur etwa 40 Prozent der Eier, denen maternales und zygotisches BEAF fehlen, können schlüpfen und weniger als 10 Prozent der sich daraus entwickelnden Larven können sich zu adulten Fliegen weiterentwickeln. Die meisten weiblichen Fliegen sterben, sodass 95 Prozent der erwachsenen Fliegen männlich sind. Jochen Graw ó Riboswitch-abhängige Regulation eines selbstspleißenden Introns Aus Bakterien, Pilzen und Pflanzen sind Beispiele dafür bekannt, dass Gene durch Metabolit- oder Signalmolekül-abhängige Konformationsänderungen von RNAAbschnitten in den nicht-translatierten Bereichen der mRNAs (Riboswitche) reguliert werden. Regulatorprotein-unabhängig können so Shine-Dalgarno-Sequenzen maskiert oder Terminatoren ausgebildet werden. ó Anders als bei Ribozymen kommt es bei Riboswitchen normalerweise nicht zu einer Spaltung der RNA (Ausnahme: glmS-Riboswitch bei Firmicutes). Lee et al. (Science (2010) BIOspektrum | 01.11 | 17. Jahrgang 329:845–848) fanden jetzt allerdings bei Clostridium difficile – ein durch Nosokomialinfektionen (pseudomembranöse Kollitis) bekannter Organismus – ein selbstspleißendes Intron der Gruppe I, bei dem der Spleißvorgang durch einen Riboswitch reguliert wird. Der Spleißvorgang wird durch Anwesenheit des second messengers c-di-GMP (und das für den nukleophilen Angriff auf die 5’-Spleißstelle benötigte GTP) gefördert. Bei Anwesenheit des Introns bildet sich eine stem-loop-Struktur aus, die das Startcodon des nachfolgenden ORF (in diesem Fall UUG!) maskiert. Außerdem entsteht erst durch den Spleißvorgang eine voll- ständige Ribosomenbindestelle. In Abwesenheit von c-di-GMP, aber Anwesenheit von GTP, kommt es zu einer RNA-Prozessierung, die die Ribosomenbindestelle vollständig beseitigt. Y Dieses System kann als eine Form des alternativen Spleißens bei Prokaryoten angesehen werden und zeigt zudem, dass selbstspleißende Introns keineswegs nur „selbstsüchtige“ genetische Elemente sind. Zudem könnte es sich um einen Signalintegrator handeln, da der Output des Systems von der Konzentration an c-di-GMP und GTP (als unmittelbarem Vorläufer der cdi-GMP-Synthese) abhängt. Johannes Sander ó 001_078_BIOsp_0111 58 27.01.2011 13:06 Uhr Seite 58 WISSENSCHAFT · JOURNAL CLUB ÿ Schutz ohne Waffen ÿ Natürlicher UV-A- und UV-B-Sonnenschutz ÿ Uhr in der Uhr ÿ Das Xylem/Phloem als Verbindung, auch im Festnetz Schutz ohne Waffen Antibiotika-Resistenz ist in aller Munde. Die allgemeine Vorstellung ist ganz individual-kapitalistisch: Ein Bakterium in einer Population gewinnt durch Mutation eines Gens einen Selektionsvorteil, den es an seine Nachkommen weitergibt, die dann die Ursprungsform überwuchern und dominieren. H. H. Lee et al. (Nature (2010) 467:82–85) betrachten die Dinge aber mit populationsdynamischen Argumenten aus altruistischer Perspektive: Die Antibiotika-bedrohten Bakterien tun sich zusammen und helfen ihresgleichen mitleidig durch Bildung und Abgabe eines in einer Teilmenge mutativ gewonnenen Vorteilsstoffs. ó Die Autoren gaben intermittierend steigende Mengen eines Chinolon-Gyrasehemmers oder eines Proteinsynthese-Inhibitors in eine kontinuierlich wachsende, zunächst genetisch einheitliche Escherichia-coli-Suspension und zeigen durch tägliches Plattieren, dass sich eine Resistenz in einigen wenigen Zellen entwickelt, die dann Nachbarzellen helfen, ebenfalls resistent zu werden, bis sich unter dem dauernden Stress die (in diesem Fall fünffache) Gesamt-Widerstandsfähigkeit durch die Kultur ausgebreitet hat. Das heißt jedoch nicht, dass alle Zellen gleichermaßen resistent wurden, sondern im Ergebnis war dies jede einzelne Zelle weniger als die Gesamtkultur: Fast jede isolierte Einzelzelle wuchs in Gegenwart des Antibiotikums – nicht Wirkstoff-spezifisch! – langsamer als die gemischte Kultur. Wenige Ausnahmen machten aber das Rennen. Diese sind durch ungebremste Ausscheidung des physiologischen Tryptophan-Abbauprodukts Indol charakterisiert, das zu naiven Zellen diffundiert und in diesen die Abwehr auslöst. Kollektives Hilfsverhalten zeigen auch die Zelldichte(Quorum)-Sensoren und die Biofilmbildner. Y So braucht die Population nicht zu warten, bis alle Unfähigen eliminiert sind, sondern sie werden in einem reibungslosen Übergang ersetzt. Es findet kein Kampf ums Dasein statt, sondern sozialisierendes Beispiel und resignierendes Sich-Schicken. Ganz im Sinn des modernen Wohlfahrtsethos. Lothar Jaenicke ó Natürlicher UV-A- und UV-B-Sonnenschutz Pilze bilden Mycosporine; Cyanobakterien, Einzeller- und Makroalgen sowohl diese wie konjugierte „Mycosporin-artige Aminosäuren“ (MAA, Beispiel Shinorin mit Serin), die Wellenlängen von 365 (UV-A) bis 310 nm (UV-B) absorbieren und „Hautschutz“ geben. ó Der Wirkstoff hat die Grundlage eines doppelbindungsreichen, Aminosäure-einfach substituierten 3-Amino-2,5-dihydroxy-cyclohex2,3-enons (λmax 310 nm) oder zweifach substituierten -imins (λmax 333 nm) mit typischer, lichtabsorbierender Keto/Enol- bzw. Ketimid/Enamin-Tautomerie. Die Biogenese geht vom Gerüst des 3-Dehydrochinats (DHQ), dem Vorläufer der Shikimisäure, aus, war aber bisher genetisch wenig definiert, bis nun E. P. Balskus und C. T. Walsh (Science (2010) 329:1653–1656) dies in der Seeanemone Nematostella vectensis untersuchten. In deren Genom wurden vor Kurzem die Enzyme des Shikimat-Wegs, einschließlich einer homologen DHQ-Synthase in Nachbarschaft einer O-Methyltransferase (O-MT), als Kandidaten der Shinorinsynthese entdeckt. Ein Sequenzvergleich mit den Genomen von Dinoflagellaten, Cyanobakterien und Pilzen zeigte als drittes konserviertes offenes Leseraster ein „hypothetisches Protein“, das sich als Glied der ATP-Grasp-Superfamilie erwies, die Peptidierungen katalysieren, wie sie exemplarisch im Shinorin vorkommen. Die genetischen Variationen ließen sich mit den Strukturunterschieden zwischen diesem und den MAA korrelieren, die durch eine direkte ATP-Zugriffsoder eine nichtribosomale Peptidsynthese (NRPS) zustande kommen sollten. Die Genkette arbeitet vermutlich folgendermaßen: DHQ-Synthase bildet mit O-MT konzertiert aus Sedoheptulose-7-P 4-Desoxygadusol; ATPGreifer daraus mit Glycin Mycosporin-glycin; und eine NRPS mit Adenylierungs-, Thiolierungs- und Thio-Esterifizierungs-Zentren fügt dann mit Serin die MAA-Schiffbase Shinorin zusammen. Die Enzyme wurden in E. coli exprimiert und die Einzelschritte in vitro ausgeführt, sodass auch ihr Mechanismus in dieser eleganten Studie durch Isotopenmarkierung eindeutig belegt werden konnte. Y Es ist ein Vergnügen, eine solch saubere Arbeit zu verfolgen – und ohne Formeln, die die Chemiker eigentlich zum Verständigungszweck erfunden hatten, darzustellen. Lothar Jaenicke ó BIOspektrum | 01.11 | 17. Jahrgang 001_078_BIOsp_0111 27.01.2011 13:06 Uhr Seite 59 59 Uhr in der Uhr Stoffwechselzyklen sind durch im Genom codierte physiologische Uhren zeitgeregelt und werden in Säugetieren durch den Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus gesteuert. Dieser lichtempfindliche Neuronenkomplex ist an die Sehnerven gekoppelt, erhält darüber Lichtsignale und stellt daraufhin zahlreiche Verhaltensweisen und Zellaktivitäten. Säugerzellen außerhalb des Hirns besitzen eine nicht autonome circadiane Uhr. Tag/Nachtrhythmik ist für einige Enyzm-, Transport- und Rezeptorproteine durch organspezifische Inaktivierung von Genen (konditionierte Abtragung) bewiesen, einige bemerkenswerterweise nicht durch Licht, sondern durch Nahrungs(nicht)aufnahme justiert. Für das Pankreas wird dies nun ebenfalls klar, welches das Blut- glukose-senkende Insulin in den Langerhans’schen Inseln und das Glykogenmobilisierende Glukagon bildet. ó Eine Anzahl Gene und deren Genprodukte wurden identifiziert, die für je spezielle UhrenTakte zuständig sind. Das allgemeine Schema ist ein molekularer Oszillator als negativer Rückkopplungskreis der Transkriptionsfaktoren BMAL1 und NPAS2 (bzw. CLOCK), in der die Expression zahlreicher Gene und deren Hemmproteine (PER(iode)1, 2, 3; CRY(ptochrom)1, 2) zusammenwirken. B. Marcheva et al. (Nature (2010) 466:627– 631) untersuchen in Mäusen die Zeitkontrolle der Insulin-Ausschüttung und die Wirkung eines Stopps dieser Uhr auf die Insulinabgabe und damit auf den Blutglukose-Spiegel. Die einzelnen Inseln des Pankreas haben auch außerhalb ihres Gewebeverbands ihren eigenen Rhythmus. Die nahrungsbediente „Insel-Uhr“ besteht aus den gleichen Komponenten wie die lichtbediente im Hypothalamus. Sie stößt die Oszillation der Gen-Expression für das Insulinsignal an, nimmt es auf, gibt es weiter und vermittelt den Takt. Zum Beweis: Mäuse, in denen die allgemeine circadiane Uhr ausgeschaltet ist, bilden in Ruhe und nach einem Glukosestoß weniger Insulin und haben kleinere Langerhans’sche Inseln als Normaltiere. Y Ablationsversuche zeigen die direkte Kopplung von „Insel-Uhr“ und Insulinbildung: Bmal1 und npas2 zeigen sich in diesen Versuchen Hypothalamus-unabhängig mit der Nahrungsaufnahme sychronisiert – ob in direkter Kommunikation oder über weitere Glieder, ist noch zu klären. Lothar Jaenicke ó Das Xylem/Phloem als Verbindung, auch im Festnetz Der Transport von molekularen Signalen über Gefäßbahnen ist bei Pflanzen im Gegensatz zu Tieren nicht trivial. Jetzt zeigen A. Carlsbecker et al. bei der Untersuchung der Wurzelentwicklung der Kresse Arabidopsis thaliana durch Molekularimmunologie und Histologie, dass ein beweglicher Transkriptionsfaktor und die Mikro(mi)RNA165/6 die Verbindung und differenzierte Determinierung von innerem Gefäßring und umgebendem Gewebe der Pflanze verwirklichen (Nature (2010) 465:316–321). ó Das Gefäßsystem der Pflanze besteht aus einer einfachen Zylinderarchitektur von wasserführendem Xylem und nährstoffführendem Phloem in den Wurzeln. Bei der Kresse sind die Wurzeln so dünn, dass nur ein Doppelwandzylinder aus Meta(Tüpfelwand, innen)- und Proto(Spiralwand, außen)xylem Platz hat. BIOspektrum | 01.11 | 17. Jahrgang Das Muster der Xylemröhre hängt von einem bidirektionalen Signalfluss ab, nämlich einem aus dem Gefäßzylinder zur Endodermis fließenden Transkriptionsfaktor SHORT ROOT (SHR), der im Zellkern auf SCARECROW (SCR) trifft und die Transkription der miRNAs MIR165a und MIR166b aktiviert. Diese wandern in die Gefäßzellen zurück, breiten sich aus und bauen ihr Substrat, die mRNAs, die für den Klasse III(PHABULOSA; PHB)-Transkriptionsfaktoren codieren, ab. Niedrige PHB-Konzentration ist für Metaxylem spezifisch, hohe für Protoxylem. A. Molnar et al. (Science (2010) 328:872– 875) zeigen durch Sequenzierung, um Dicerartige Enzyme nachzuweisen, die lange Vorläufer-RNA in kleine RNA-Faktoren, wie si- und miRNAs, spalten, dass in DCL2-, DCL3- und DCL4-defekten Wurzeln zwar nicht siRNAs entstehen, aber gespeichert werden, also aus dem Spross in die gepfropften Wurzeln gelangen; parallel dazu fanden P. Dunoyer et al. (l. c., 912–916) vor allem siRNAs aus dem Schößling. Y Aus der Summe dieser Befunde lässt sich als Modell für das Stilllegen von Genen während der Entwicklung vorstellen: (1) Definitiv werden (RNA-)Partikel im Saftstrom aufwärts und abwärts transportiert. (2) siRNAs wandern über längere, miRNAs über kürzere Strecken zu sich teilenden Wurzel- und Meristemzellen. (3) Dort legen sie posttranslational oder posttranskriptional Ziele wie Transposons und Gene still. Lothar Jaenicke ó