Homosexuelle Liebe und Kirche - Schleswig

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Homosexuelle Liebe
und Kirche
Grundlagenpapier
der Schleswig-Holsteinischen
Diakoninnen- und Diakonenschaft zu Rickling e.V.
1. In der Bibel begegnet uns ein Gott, der die Menschen zutiefst bejaht und
liebt und sie als auserwähltes Volk aus der Gefangenschaft und Sklaverei
befreite. In Jesus Christus bietet er uns ein vollkommen neues und auf
Liebe angelegtes Leben an, ein Leben in der Hoffnung auf eine neue Welt,
die da anbricht, wo Menschen dem Wort Gottes vertrauen. Dies gilt für alle
Menschen ohne Einschränkung ihrer Person.
Es ist daher nicht zulässig, biblische Texte aus ihrem Zusammenhang
herauszunehmen und als Waffe gegen Menschen zu benutzen, um ihre
homosexuelle Liebesform aus dem Raum der Kirche zu verbannen. Es ist
ebenso wenig zulässig, sie zwar individuell zu akzeptieren, beruflich und
öffentlich aber abzulehnen.
Weil unser Glaube uns zu dem Mut befreit, die Wirklichkeit des Lebens zu
sehen und für ein menschenwürdiges Leben einzutreten, kann und darf
niemand wegen seiner Homosexualität aus der Kirche ausgegrenzt werden,
sondern soll ermutigt werden, sie offen zu leben.
2. Christliche Ethik und die Grundrechte des Menschen stehen dafür ein, dass
der Mensch einen Weg findet, menschlich angenommen in sozialer
Verantwortung ganzheitlich zu leben. Das heißt in diesem Zusammenhang,
dass er weder seine homosexuelle Bindung als sündhaft empfindet noch
dazu gezwungen wird, sie durch Lüge zu verstecken. Denn letzteres hieße,
zwei Wirklichkeiten zu leben und damit - durch die kirchliche
Moralanschauung hervorgerufen - als eine gespaltene Person. Dies kann
nicht die Befreiung des Evangeliums aus Zwängen sein, sondern verstärkt
die Fesseln einer Sexualität, mit der zu leben unsere Kirche und
Gesellschaft dem Menschen sowieso viel abverlangt.
3. Uns ist bewusst, dass das Alte Testament homosexuelle Praktiken als
Greuel ablehnte und als Götzendienst verurteilte (3. Mose 18, 17 - 26).
Ebenso ist uns bewusst, aus welchen religionsgeschichtlichen Gründen
dies geschah und welch ein Schöpfungsglaube dahinterstand. Uns ist
auch bewusst, dass Paulus diese Anschauung des Alten Testamentes
übernahm und der Sexualität grundsätzlich keinen großen Raum mehr
zumaß im Blickwinkel der Enderwartung. Homosexuelle Liebe als
mögliche Lebensform nimmt die Bibel nicht wahr.
Andererseits plädierte Paulus für die Vielfalt einer aus der Gnade Christi
geschenkten Lebensweise (1. Korinther 7, 7) und forderte die Christen auf,
darum ihre eigene Lebensweise nicht zu verabsolutieren.
Kriterium ist die Liebe Christi, der Paulus einen unvergleichlichen Hymnus
verliehen hat (1. Korinther 13). Er folgerte, dass jeder so leben soll, wie es
ihm der Herr zugemessen hat, wie Gott einen jeden berufen hat (1. Korinther 7, 17: wörtlich: ... jemandem das Los bestimmt ist). Jude oder nicht
Jude sein, Sklave oder Freier, Mann oder Frau sein. Fähigkeiten sexueller
Enthaltsamkeit haben, das sind für Paulus Aspekte des Loses, dass der
Mensch zu tragen hat und das seiner Verfügung entzogen ist. In diesem
Rahmen erlebt der einzelne die Nachfolge Christi.
4. Wir akzeptieren und schützen
verschiedene Lebensformen. Im kirchlichen Raum bedeutet es, dem
Menschen, der homosexuell ist und liebt, möglich zu machen, in der
Nachfolge Christi zu leben, ohne Unterdrückung und Belästigung, ohne
Angst und Diskriminierung.
5. Wir fordern und treten dafür ein:
Jede Diskriminierung ist zu beenden!
Berufliche Sanktionen, bis hin zu Kündigungen dürfen nicht erfolgen.
Die Gemeinden sind zu ermutigen und dabei zu fördern, sich mit der Frage
homosexueller Liebe offen und mutig aus einander zu setzen, so dass das
Wesentliche, die Verwirklichung der Lebenspraxis Jesu, das gemeinsame
Ziel ist.
6. Wir erwarten,
dass unsere Kirche einen mutigen und menschlichen Weg geht, indem sie
unsere Forderungen in ihren eigenen Reihen lebt und die gesellschaftlichen
Kräfte dazu aufruft, ihr gleichzutun. Echte Buße unserer Kirche und unserer
Gemeinschaft als Diakoninnen- und Diakonenschaft ist es, eine Ende zu
machen mit allem unseligen Schweigen und Verdammen und eine auf
Wahrhaftigkeit angelegte Bejahung zu allen homosexuellen Frauen und
Männern auszusprechen. Segnungen homosexueller und anderer Lebensgemeinschaften sind auf Wunsch zu gewähren. Es gilt der Mensch vor Gott in
seinem Bestreben nach Liebe und Gerechtigkeit.
-------------------------------------------------------------------------------------------------Verabschiedet auf dem Diakoninnen- und Diakonentag vom 4./5. Oktober 1993
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