- Universität Regensburg

Werbung
140
Jürgen Merz
von Gruppenübungen und _Rollenspielen die notwendigen Einstellungs- und Verhal­
_
tensanderungen eingeü t Anderung des Sexualverhaitens, gesunde Ernährung, etc. ).
.
.
Dane en erf ?lgt eme Emfuhrung m Entspannungsübungen. Im 3.Teil schließlich ste­
hen dIe erwahnten Visualisie�ungsübungen ynd Meditationen im Vordergrund. Die
.
PatIenten werden dazu angeleltet,derartige Ubungen zunehmend auch außerhalb der
� (
�
141
AIDS-relevante Verhaltensweisen bei jungen Erwachsenen
Die Verbreitung AIDS-relevanter Verhaltensweisen bei jun­
gen Erwachsenen
Helmut Lukesch
Gruppenstunden in eigener Regie zu machen.
�
U se�e bisherigen Erfahrungen z�igen �indrucksvoll, daß durch die "Positiven-Grup­
pe Angste abgebaut werden. DIe PatIenten lernen mit 'ihrer Krankheit konstrukti­
ver umzugehen �nd diese als Herausforderung anzunehmen. Wenn sie Angst oder
.
HoffnungslosIgkeIt oder anderer emotionaler Streß "überfällt", haben sie in den
Vorstellungs- und Entspannungsübungen offensichtlich ein hilfreiches Gegenmittel
�
Außerdem aben wir wiederholt beobachtet, daß sich auch der Immunstatus verbes
.
.
sert. EmpIrIsch abgesIcherte Effektivitätsprüfungen stehen aber noch aus.
�
1. Problemstellung
Die Rahmenbedingungen für die AIDS-Problematik sind weitgehend bekannt.
Die
Krankheit AIDS wird durch einen Lentivirus ausgelöst, der sich in der Regel erst lange
Jahre nch der HIV-Infektion in Krankheitssymptomen äußert. Auch ohne manifeste
Symptomatik kann der Infizierte den Virus weitergeben. Der Virus selber ist schwer
übertragbar, nur bei direkten Kontakten mit Körperflüssigkeiten Infizierter (z.B. Blut,
Samen) kommt es zu Ansteckungen. HIV -Infektionen und AIDS-Erkrankungen sind
in der Bundesrepublik noch weitgehend auf sog. primäre Risikogruppen beschränkt
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Drogenkonsumenten, Prostituierte oder hwg­
Eine Ausbreitung der Epidemie über diese Risikogruppen
hinaus auf andere Bevölkerungssegmente wird aufgrund vorliegender Simulationsstu­
dien als sicher prognostiziert, ist z . T . bereits eingetroffen (BGA, 1988).
Ein effektives Heilmittel gegen die Infektion ist ebenso wenig in Sicht wie ein Impfstoff,
durch den eine vorbeugende Immunisierung erzielt werden könnte. Denkbare Wege
zur Eindämmung weiterer Infektionen sind neben seuchenhygienischen Maßnahmen
Aufklärungs- und Informationskampagnen (in Einzelfällen auch psychologische Trai­
nings), um Verhaltensweisen, die für die Weiterverbreitung des V irus als besonders
gefährlich gelten, zu ändern.
In einigen Studien (vorwiegend an Homosexuellen) konnte in der Tat gezeigt werden,
daß durch Aufklärung Verhaltensänderungen zustande kommen können, daß aber
auch bestimmte Konstellationen solchen Veränderungen entgegenstehen. Besondere
Schwierigkeiten bilden der Zusammenhang von Sexualität und Alkoholkonsum (Isra·
elstam & Lambert, 1986), die Drogenszene (Görgens, Kathke & Krahnke, 1987; Stall
et. al, 1986) sowie die Prostitution.
Da nach Simulationsstudien die jüngere Alterskohorte (sog.
Disco Jugend) als das
Bevölkerungssegment angesehen werden muß, in der sich die HIV -Epidemie in Zu­
kunft verstärkt ausbreiten wird, wenn nicht die eingeschlagenen Maßnahmen greifen
(Dörner, 1986; Hein, 1987; Runkel, 1986), war es für uns von Interesse zu untersu·
ehen, welche Verhaltensweisen, die für die Verbreitung des HIV von Bedeutung sind,
in welcher Häufigkeit in diesem Bevölkerungssegment vorkommen.
2. Methode
Die Untersuchung fand gruppenweise im Rahmen von Studio-Tests über die Bewer·
tung 20 in- und ausländischer AIDS-Spots statt (Lukesch et al. , 1988, 1989). Ins·
gesamt wurden 322 Probanden in die Untersuchung einbezogen. Die Befragung fand
in 22 Gruppensitzungen statt.
Die Probanden bildeten eine anfallende Stichprobe
und setzten sich aus Universitäts- oder Fachhochschulstudenten (n=61), Mitgliedern
142
Helmut Lukesch
der Landjugend (n=71), Bundeswehrangehörigen (n=119), Schülern aus Fachakade­
mien bzw. anderer Schulen (n=41) bzw. Besuchern von Freizeiteinrichtungen (n=30)
zusammen.
demographischen Merkmalen
Variable
Geschlecht
Konjessionszugehörigkeit
männlich
66,7%
Alter (in Jahren)
aM
katholisch
67,0%
evangelisch
17,8%
andere/keine
6,2%
21,39
s
3,82
Religiöse Überzeugung
überzeugt
Herkunft
42,3%
unentschieden/
Landgemeinde
44,7%
Klein- bis Mittelstadt
34,1%
Großstadt
21,2%
Schulabschluß
Volks-, Haupt-,
gleichgültig
29,3%
ablehnend
28,4%
Politische Orientierung
CDU/CSU
21,2%
SPD
14,8%
FDP
Berufsschule
35,6%
Grüne
Realschule
14,0%
weiter "links"
Gymnasium
15,9%
weiter "rechts"
Fach-, Fachhoch-
keine
schule
14,9%
Universität
19,6%
Auch riskante Verhaltensweisen sind in dieser Gruppe in beträchtlicher Häufigkeit an­
zutreffen. Nach Eichner und Habermehl (1978, S. 338) gaben von den homosexuellen
Männern 69% an, im vergangenen Jahr aktiv anal-genitalen Verkehr ausgeführt zu
haben, 57% hatten passiv anal-genitalen Verkehr, fast ubiquitär war oral-geni- taler
Verkehr (aktiv 95%, passiv: 97%).
In der vorliegenden Studie bezeichneten 7,3% der männlichen Befragten ihre sexuelle
Tabelle 1: Beschreibung der Stichprobe nach sozioVariable
143
AIDS-relevante Verhaltensweisen bei jungen Erwachsenen
Orientierung als nicht ausschließlich heterosexuell (vgl. Tab. 2). Im Vergleich zu
den an einer studentischen Stichprobe gewonnenen Ergebnissen von Clement (1986,
S. 1126) sind dies relativ wenig Befragte. Zieht man jedoch Untersuchungen unter
Einschluß der erwachsenen Allgemeinbevölkerung heran, so scheinen die vorliegenden
Daten bekannten Gegebenheiten zu entsprechen. So hatten bei Wottawa (1979, S.
569) 4,7% der männlichen Befragten homosexuellen Geschlechtsverkehr angegeben
(1,5% ausschließlich homosexuell, 3,2% homo- und heterosexuell). Auch bei Clement
(1986, S. 125) sind aktuelle homosexuelle Kontakte bei 5% der männlichen Befragten
vorhanden. Aus der Erhebung von Eichner und Habermehl (1978, S. 332) läßt sich
der Anteil homosexueller Männer auf ca. 3,5% schätzen. Damit bestätigen sich seit
langem gefundene Verteilungen, hatte doch schon Hirschfeld (1920, zit. n. Kinsey et
al., 1970) 2,3% homo- und 3,4% bisexueller Männer festgestellt.
Tabelle 2: Sexuelle Orientierungen männlicher Befragter (Angaben in %)
Autor
N
2,3%
17,0%
nur hete-
vorwie-
bise-
vorwie-
aussch!.
ro-sexu-
gend he-
xuell
gend
homo-
eil
tero-se-
homo-
sexuell
7,4%
3,2%
34,1%
Clement
1068
78
18
2
1
1
215
92,7
2,0
1,0
1,0
3,4
74,3
11,4
:.1,9
5,7
5,7
(1986)
Untersuchungs-
3. Ergebnisse
sexuell
xuell
(der männ-
daten
lichen
(1988)
Befragten)
35
(nur Studenten)
3.1. Homo- und bisexuelle Orientierung der männlichen Befragten
Es steht nach den Angaben des Bundesgesundheitsamtes fest, daß knapp drei Viertel
der AIDS-Kranken aus homo- oder bisexuellen Männern besteht. In der Geschichte
der HIV-Epidemie ist diese Gruppe wiederholt als besonders gefährdet bezeichnet
worden, wobei je nach Untersuchungszeitpunkt und -ort beträchtlich hohe Durchseu­
chungsgrade ?efunden wurden (Koch, 1987). Es bedeutet auch nur eine marginale
AkzentverschIebung, wenn anstatt von Risikogruppe von Risikoverhalten gesprochen
wIrd (Caruso & Halg, 1987), da gerade die für die HIV -Verbreitung riskanten Verhal­
tensw�isen in dieser
� ruppe eine besonders hohe Verbreitung besitzen.
Dazu gehört
zu� emen hoch pro lskes Sexu�lverhalten, von Dannecker und Reiche (1974) wurde
�
bel Homosexuellen eme BandbreIte an Sexualpartnern zwischen 4 und 3 000 gefunden.
Etwas höher sind die Angaben bei der Frage nach sexuellen Kontakten zu Homosexu­
ellen in den letzten 12 Monaten. Hier geben in der vorliegenden Untersuchung 11,7 %
der männlichen Befragten an, solche Kontakte gehabt zu haben.
F ür die AIDS-Problematik bedeutet dies insgesamt, daß die von der Krankheit ausge­
hende Bedrohung nicht zu einer Umpolung der grundlegenden sexuellen Orientierung
geführt hat, was im Grunde auch nicht zu erwarten war. Auch die homosexuellen
Kontakthäufigkeiten sind sicherlich nicht rückläufig.
Daß es einen Austausch zwischen der homo- und der heterosexuellen Sexualszene
gibt, ist lange vor dem Aufkommen der AIDS-Thematik belegt worden; so hatten
144
Helmut Lukesch
�
AIDS-relevante Verhaltensweisen
bel jungen Brwachsenen
145
iche (1974) unter den von ihnen befragten Homosexuellen 5% ge­
Dannecke� und
funden, die verheiratet waren, 4% waren geschieden bzw_ verwitwet und 1% lebte ge­
bestehen in der Häufigkeit von Risikokontakten zwischen den Geschlechtern, wobei
trennt von ihrenFrauen. Dieses spezielle Problem ist auch nach den vorliegenden Da­
männlicheBefragte z. T. zehn Mal häufiger mit Risikogruppen verkehren als Frauen.
gruppen liegt die Kontakthäufigkeit zwischen 7% und 8%. Gravierende Unterschiede
ten in den 4% bisexueller junger Männer zu sehen (Zusammenfassung der Kategorien
Junge Männer setzen sich demnach häufiger Gefährdungen aus, reichen diese dann
vorwiegend heterosexuell bis vorwiegend homosexuell), da von diesen möglicherweise
aber wieder an junge Frauen weiter.
wichtige Sexualimporte aus der homosexuellen Szene zu jungenFrauen ausgehen. Er­
Schulartzugehörigkeit signifikante Differenzen; durchgängig auffällig ist, daßBefragte
fahrungsberichte, wonach ca. die Hälfte der Homosexuellen bisexuelle Phasen durch­
mit niedrigerem Schulabschluß im Vergleich zu Studenten zwei- bis viermal so häufig
gemacht haben, liegen auch aus Dänemark vor (Ebbensen,Biggar & Melby, 1984).
Risikokontakte eingehen.
3.2. Risikogruppenkontakte
Ein Vergleich mit früherenBefunden kann vor allem in bezug auf den Kontakt mit
Eine weitere Frage bezog sich auf die sexuellen Risikogruppenkontakte. Ein solcher
Kontakt ist allerdings nur eine Vorbedingung, für ein eigenes Risiko, denn für die
S. 552) ca.
tatsächliche Gefährdung müßte naheliegenderweise hinzukommen, daß bei der ande­
ren Person eine HIV- Infektion vorliegt.
Risikogruppenkontakte
Bluter Homo- Pro- Drogenstit.
kons.
Kunden v.
hwg-
Prostit.
Pers.
Prostituierten zurück, bis 45 Jahre hatten 69% der von ihm befragten US-Bürger
zumindest einmal Kontakt zu Prostituierten.
Nach Eichner und Habermehl (1978,
Prostituierten gekommen.
Unter Studenten ist nach Clement (1986, S. 113) eine
noch geringere Erfahrungshäufigkeit gegeben, nämlich nur 13% hatten jemals einen
solchen Kontakt, dabei ist außerdem ein Rückgang im Vergleich von vier Studenten­
generationen festzustellen. Nach den vorliegenden Daten ist im Vergleich hierzu ein
Jahr einem solchen Kontakt ausgesetzt. Da bei der Prostitution die Verwendung von
Kondomen nur bedingt durchsetzbar war (Maiworm, 1988), ist in diesemBereich ein
Bedarf für weitergehende Aufklärung zu sehen.
7,4
8,2
7,0
7,4
7,2
13,5
Kontakte zuBlutern und Drogenkonsumenten werden in 7,4% derBefragten berichtet.
Hinsichtlich der Drogenkonsumentenkontakte müßte noch zwischen den F ixern und
anderen unterschieden werden.
Geschlecht
männlich
(N==210)
(1970,
weiterer Rückgang gegeben. Allerdings hat sich jeder zehnteBefragte im vergangenen
Gesamt
(N==322)
So geht nach dem Klassiker Kinsey et al.
4% der männlichen "Gesamt-Triebbefriedigung" auf Beziehungen mit
S. 326) sind in derBundesrepublik allerdings nur 39% der Männer in Kontakt mit
Tabelle 3: Häufigkeit von Sexualkontakten zu AIDS-Risikogruppe
n
in den letzten 12 Monaten, aufgeteilt nach soziodemographischen Kriterien (Angaben in %)
sex.
Prostituierten gemacht werden.
Nach dem Geschlecht erbringt nur noch die
Nur bei ersteren besteht bei Weitergabe nicht steriler Spritzen ein erhöhtes InEek­
10,8
11,7
10,2
10,3
10,4
17,0
tionsrisiko, für die Gesamtgruppe ist aufgrund intensiverer In-Group-Beziehungen
(N=105)
1,1
3,2
1,1
*
1,1
**
6,4
beziehungen zuBlutern, da zwei Drittel dieser Personengruppe als HIV-infiziert gilt,
P
**
2,1
*
**
*
weiblich
Schulabsch/uß
(N==114)
12,6
16,5
11,6
RS (N==45)
11,6
12,8
12,8
12,5
10,3
20,0
GY(N==51)
12,8
2,1
2,1
13,5
4,2
14,6
2,1
2,1
14,6
FH,FHS
0,0
2,3
0,0
Univ.
(N==63)
p
wiewohl erst 3% der Infizierten an AIDS erkrankt sind (Mölling, 1988).
3.3. Sexuelle Lib e ral ität
VS, S,BS
(N==48)
ein erhöhtes Kaskadenrisiko gegeben. Hoch risikobehaftet sind ungeschützte Sexual­
0,0
0,0
9,1
5,0
3,3
5,0
*
6,7
**
3,4
ns
5,0
*
*
ns
Es gehört in der Regel zur sexuellen Entwicklung, daß Sexualität nicht nur mit einem
oder einer Partner(in), sondern mit mehreren erlebt wird. Auch wenn nicht davon
ausgegangen werden kann, daß Promiskuität - im Sinne des Fehlens jeglicher verhal­
tenssteuernder Normen - als Modalverhalten vorkommt, so zeigf'n doch die vorliegen­
den Erfahrungen, daß strikt monogameBeziehungen keineswegs das ausschließliche
Beziehungsmuster darstellen. Noch weniger kann dies für junge Erwachsene gelten,
die erst in der Phase der Partnerfindung und der Erprobung ihrer Sexualität sind.
Selbst in relativ festen Beziehungsformen kommen nach Wottawa (1979, S. 589) ge­
legentliche Seitensprünge bei 55% der Männer und 34% der Frauen vor; wobei die
Am häufigsten geben dieBefragten an (vgl. Tab. 3), sie hätten sexuellen Kontakt zu
Bereitschaft dazu um ca. 10% höher ist als die tatsächliche Erfahrung. In der studen­
Personen mit häufig wechselnden Sexual partnern. Mit Angehörigen anderer Risiko-
tischen Population haben nach Clement (1986, S. 125) immerhin 28% der Studenten
146
Helmut Lukesch
und 23 % der Studentinnen sexuelle Außenbeziehungen in festen Partnerschaften er­
probt. Auch ungewöhnliche Sexualpraktiken sind nicht so ungewöhnlich, wie es den
Anschein hat (Wottowa 1979, S. 589; Eichner & Habermehl, 1978, S. 332 und 181).
In der untersuchten Stichprobe haben erst 46,9% eine feste Beziehung gefunden,
35,8% sind noch ohne Partner(in) und die restlichen 17,3% sind in eine bzw. mehrere
147
AIDS-relevante Verhaltensweisen bei jungen Erwachsenen
eine
dieser Gruppe sind auch mehr als drei Viertel davon überzeugt, daß Präservative
von einem Drittel. Ge­
Schutzmöglichkeit darstellen, benützt werden diese aber nur
einzelner
nerell zeigt sich, daß in fast allen F ällen mehr Befragte von der Effizienz
Verhaltensweisen wissen, diese aber dennoch nicht in ihrem Sexualleben realisieren
(vgl. auch Schmitt & Israel, 1986).
(lockere) Beziehungen involviert. Als Momentaufnahme betrachtet, sind also mehr als
die Hälfte der Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren auf Partnersuche und selbst
bestehende Beziehungen können nicht als Endpunkt angesehen werden.
Sexuelle
Treue wird von 56,7% der Befragten als unbedingt notwendig angesehen und etwa
gleich viele meinen, außerehelicher Geschlechtsverkehr sei bei Männern oder Frauen
nicht zulässig. Sexuelle Liberalität nimmt mit dem Alter zu, ist naheliegenderweise
unter religiös gleichgültigen bzw. ablehnend eingestellten weiter verbreitet und weist
auch eine deutliche parteipolitische Affinität auf.
\
geändert hat (vgl. hierzu auch Runkel, 1986). Grundlegende sexuelle Orientierungeo
sind gleich geblieben, mit ca. 7% ist der Anteil der bisexuellen männlichen Befragten
der Befragten ist die Partnersuche ein aktuelles T hema und selbst für die in einer
festen Beziehung sind Änderungen bzw. Außenbeziehungen möglich. Obwohl gleich­
Art der gegebenen Partnerbeziehung (N = 278) nur Befragte mit
zeitig sexuelle Beziehungen zu mehreren Partnern nur von jedem sechsten angegeben
heterosexueller Orientierung (Angaben in % der Ja-Antworten)
werden kann die sexuelle Partnerschaftsform mehrheitlich als sukzessiv monogam,
r'
mit de Option auf gelegentliche Drittkontakte, gekennzeichnet werden.
Art der Partnerbeziehung
Maßnahme
Sexualverhalten unter der lebensbedrohenden Gefahr von AIDS nicht gravierend
partement der Homosexuellen und dem der Heterosexuellen. F ür mehr als die Hälfte
beim Geschlechtsverkehr vor AIDS zu schützen, aufgeteilt nach
eingehaltene
Rückblickend läßt sich aufgrund der gefundenen Ergebnisse feststellen, daß sich das
relativ hoch; diese Befragten besorgen einen sexuellen Austausch zwischen dem Com­
Tabelle 4: Befürwortete und tatsächlich eingehaltene Maßnahmen, um sich
Befürwortete/
4. Diskussion
keine Partner-
eine feste sex.
mehrere sex.
beziehung
Beziehung
Beziehungen
N=94
N=134
N=50
Risikogruppenkontakte sind in beträchtlichem Ausmaß gegeben, wobei mit solchen
Kontakten auch die Selbstzurechnung zur AIDS-Risikogruppe zunimmt (signifikante
p
immer nur mit
68,8
69,9
60,0
ns
einem einzi-
30,0
76,3
36,0
**
Unterschiede bei Sexualbeziehungen zu Homosexuellen, Drogenkonsumenten und
hwg-Personen), aber keineswegs jeder mit solchen Kontakten sich selbst den Risi­
kogruppen zurechnet (vgl. auch Kreutz, 1986).
Diskrepanzen sind feststellbar zwischen den generell befürworteten und den tatsäch­
gen Partner zu-
lich eingehaltenen Schutzmaßnahmen vor AIDS. Vor allem der Verzicht auf Kondome
sammensein (ab-
in nicht festen Beziehungen und der trotz besseren W issens weiterhin vorhandene
solut treu sein)
sexuelle Kontakt zu Risikogruppen geben zu Bedenken Anlaß.
Präservative
77,4
79,3
78,0
ns
benutzen
26,7
23,7
32,0
ns
Die Einstellungs-Verhaltens-Diskrepanz ist z. T. mit Wissenslücken über AIDS zu
erklären. Obwohl das W issen über Übertragungswege und das Wesen der Krankheit
ganz auf Sex
8,6
3,8
8,0
os
prinzipiell gut ausgebildet ist, sind hier noch Verbesserungen denkbar (vgl.
verzichten
4,4
3,8
4,0
os
keinen Kontakt
53,8
45,9
54,0
ns
zu Risikogruppen
33,3
23,7
40,0
ns
hierzu
auch Emmons et al., 1986). Im besonderen müßte auf die Tatsache hingewiesen wer­
den, daß eine Weitergabe der mV -Infektion auch bei Nichtsymptomträgern möglich
ist, daß AIDS nicht auf die sog. Risikogruppen beschränkt ist und daß AIDS in ab­
sehbarer Zukunft nur durch Verhaltensänderungen, nicht aber durch Medikamente
bekämpft werden kann.
Vergleicht man die Antwortmuster zu den Einstellungsfragen mit den Angaben zu
den bestehenden Partnerformen, so werden von wesentlich mehr Befragten in sexueller
Hinsicht liberale Positionen vertreten als tatsächlich gelebt. Das Potential an sexueller
Freizügigkeit scheint also auch in diesem Bevölkerungssegmeot wesentlich größer zu
sein,als es gemessen an der realisierten Form der Partnerbeziehung ist.
In eine andere Richtung diskrepant sind befürwortete und tatsächlich realisierte Maß­
nahmen, um sich beim Geschlechtsverkehr vor AIDS zu schützen (vgl.
Tabelle 4).
Z.B. meinen von den Befragten, die ihren Angaben gemäß in mehrere sexuelle Bezie­
hungen involviert sind, immerhin 60%, daß absolute Treue vor AIDS schütze. Von
Neben deo bereits eingeschlagenen Maßnahmen der Aufklärung über das Fernse­
hen, der Verteilung von Broschüren für bestimmte Zielgruppen oder Plakatierungs­
aktionen ist zu überlegen, ob nicht verstärkt von Trainings- (Kelly & Lawrence,
1987) oder Gruppendiskussionen als Aufklärungsstrategie Gebrauch gemacht wer­
den sollte (Valdiserri et al., 1987). Bekanntlich hat schon Lewin (1947) nachweisen
können, daß Entscheidungen, die in der Auseinandersetzung mit den Meinungen an­
derer in einer Kleingruppe erarbeitet werden, im Gegensatz zu anonym angewandten
Aufklärungsstrategien eine größere Verhaltensrelevanz besitzen.
Solche Methoden
werden bereits im Schulunterricht (DiClemente, Zorn & Temoshok, 1987) oder bei
148
H<>lmllt Lukescll
der Bundeswehr angewandt, sie müßten aber auch in Universitäten im Rahmen der
Gesundheitserziehung praktiziert werden (Caruso & Haig, 1987).
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Der ersteBeitrag im Themenblock Krankheitsverarbeitung beschäftigt sich mit grund­
lagenbezogenen Überlegungen zur Diagnostik derBelastungsverarbeitung. Dr. M•.:h­
ad Reicherts (UniversitätFribourg) stellt nach einer Systematik:tu belastungsdiagn.Js­
tischen Personmerkmalen eine neue, computergestützte Methode zur Erhebung von
Selbstbeobachtungsdaten vor.
Dr. Georg Jungnitsch (Rheuma-Klinik Oberarnmergau) berichtet über die Entwick­
lung eines Krankheitsbewältigungstrainings für Patienten mit chronischer Polyarthri­
tis.
Im Unterschied zu konventionellen Programmen handelt es sich dabei um ein
Behandlungskonzept, das nicht nur psychologische Unterstützung zur Bewältigung
von Schmerzen, sondern auch für die vielfältigen Probleme, die mit der Erkrankung
einhergehen, beinhaltet.
Zwei weitereBeiträge beschäftigen sich ebenfalls mit Personen, die an chronischer Po­
lyarthritis (cP) erkrankten. DieBedeutung der Persönlichkeitsvariable Geschlechts­
identifikation für das Bewältigungsverhalten von cP-Erkrankten untersucht Barbara
Gaukler (Universität Regensburg). Dabei zeigt sich, daß "androgyneU Patient(inn)en
vielfältigere Copingstrategien verwenden und damit über eine erhöhte Verhaltensflexi­
bilität verfügen. Mit dem Einfluß der Qualität einer Partnerschaft auf das körperliche
und psychosoziale Wohlbefinden von cP-Patienten beschäftigt sich die Studie von
Regina Schuier (Universität Regensburg). Lediglich spezifische Aspekte der Partner­
schaft, wie ein geringes Ausdrücken von Gefühlen in der Partnerschaft, standen in
einerBeziehung zur körperlichenBeeinträchtigung und erlebten Depression.
Basierend auf einer Analyse der veränderten Lebenssituation von Dialysepatienten
in den Lebensbereichen Beruf, Familie und Freizeit geht Ingrid Schön (Universität
Regensburg) insbesondere darauf ein, welche kognitivenBewältigungsstrategien diese
Personengruppe benützt. Bedingt durch das intensiveBehandlungssetting stellt für
Dialysepatienten der Umgang mit dem medizinischen System (Personal-Patient­
Beziehung) eine bedeutsame Quelle für Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit dar.
ZweiBeiträge zu Aspekten der Krankheitsbewältigung bei Typ-II- Diabetikern run­
den diesenThemenblock ab. Dabei zeigt Dipl.-Psych. Bernhard Kulzer (Fachklinik
für Diabetes, Bad Mergentheim), daß der Umgang mit verschiedenen krankheits­
bedingten Anforderungen (z.B. regelmäßige Einnahme vonTabletten oder Diätplan
einhalten) abhängig ist von der Wahl bestimmter Bewältigungsformen.
Insbeson­
dere die Gewichtsreduktion sowie das Einhalten eines Diätplanes sindBereiche, in
denen psychologische Konzepte noch stärker in eine umfassende Diabetesbehand­
lung einbezogen werden müssen. Ludwig Hartmannsgruber widmet sich den kogniti­
ven Repräsentationen, dieT yp-II-Diabetiker von ihrer Krankheit haben (subjektive
Krankheitstheorie). Das Auftreten mangelnder Compliance bei Diabetikern wird da­
bei als Folge kognitiver Verzerrungen, insbesondere hinsichtlich Ernährung und Be­
deutung der Spätfolgen, gesehen.
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