Neue Strategien gegen Krebs

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Informationstechnologie
Neue Strategien
gegen Krebs
N
ach dem klassischen Verständnis von Krebs können
Veränderungen unseres Erbguts zur Bildung von Tumoren
führen. Im Erbgut einzelner Zellen kommt es zum Austausch, Löschen oder Vervielfältigen von
einzelnen DNA-Bausteinen bis hin
zu ganzen Erbgutabschnitten auf
den Chromosomen. Da diese Schäden unumkehrbar sind, zielen
chirurgische Eingriffe und Chemotherapie darauf ab, bei einem
Patienten alle Krebszellen zu entfernen oder zu zerstören. Erschwerend kommt hinzu, dass genetische Veränderungen oft erst in
einem späten Stadium der Krankheit festgestellt werden können,
sodass eine langfristig erfolgreiche
Behandlung oft nicht möglich ist.
Dies könnte sich durch neue
Forschungsergebnisse ändern. Sie
zeigen, dass Krebszellen in vielen
Fällen bereits epigenetisch geschädigt sind, bevor sich in der DNA
selbst Fehler anhäufen. Als epigenetische Veränderungen des Erbguts bezeichnet man vererbbare
Modifikationen, die nicht den genetischen Kode, also die Reihen10
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Deutsches Ärzteblatt
Vorhersagemodell bietet
Referenzpunkt für
epigenetische Schäden
in Tumoren.
folge der DNA-Bausteine, verändern (Kasten). Ein Beispiel ist die
Markierung einzelner DNA-Bausteine durch eine zusätzliche Methylgruppe. Solche Veränderungen
erfüllen in gesunden Zellen viele lebenswichtige Aufgaben: Sie
schützen die Zelle vor fremder
DNA, helfen Fehler bei der Neubildung von DNA zu korrigieren
und die Aktivität von Genen zu
steuern. In vielen Krebszellen ist
die DNA-Methylierung gestört,
sodass DNA-Bereiche methyliert
werden, die normalerweise nicht
davon betroffen werden sollten.
Dadurch können wichtige krebsunterdrückende Gene nicht mehr
abgelesen werden, was zu einer
Wucherung dieser Zellen führt.
Dass Krebszellen oft epigenetische Schäden aufweisen, bevor
sich ein sichtbarer Tumor entwickelt, kann für eine verbesserte
Frühdiagnose verwendet werden.
Darüber hinaus ergibt sich ein
Abbildung: Christoph Bock 2006
Bioinformatik
Ein methyliertes
DNA-Molekül.
Fehlerhafte Methylierungen im
menschlichen Erbgut
können Krebs verursachen.
weiterer viel versprechender Behandlungsansatz: Epigenetische
Modifikationen von Krebszellen
sind prinzipiell umkehrbar. Deshalb sollte es möglich sein, Tumoren mit neuen Medikamenten in
einen harmlosen Zustand zurückzuverwandeln, anstatt sie abzutöten oder zu entfernen. Mehrere
Laboratorien und Pharmaunternehmen haben bereits erste
Schritte zur Entwicklung von epigenetischen Krebsmedikamenten
unternommen. Diese Medikamente wirken, indem sie die DNA-Methylierung von Krebszellen verändern. Allerdings machen sie dabei
nicht nur die epigenetischen Veränderungen in den Tumorzellen
rückgängig, sondern sie beeinflussen auch natürliche DNA-Methylierungen, die für eine normale
Zellentwicklung notwendig sind.
Deshalb haben epigenetische Medikamente bisher schwere Nebenwirkungen und können – wie auch
die klassische Chemotherapie – zu
Schäden bei späteren Nachkommen der Patienten führen.
In einer Kooperation zwischen
dem Max-Planck-Institut für Infor-
Informationstechnologie
matik (Forschungsgruppe von
Prof. Thomas Lengauer) und der
Universität des Saarlandes (Lehrstuhl für Epigenetik, Prof. Jörn
Walter) versuchen Saarbrücker
Wissenschaftler dieses Problem
mithilfe von Bioinformatik zu lösen. Die Grundidee ist, dass ein intelligentes epigenetisches Krebsmedikament nur die fehlerhaften
DNA-Methylierungen in einer
Krebszelle rückgängig machen soll.
Die Bioinformatik kann bei dem
Verständnis helfen, was fehlerhafte
DNA-Methylierungen von biologisch notwendigen unterscheidet.
Im ersten Schritt wurde eine
Software entwickelt, mit der experimentell ermittelte DNA-Methylierungsdaten auf ihre Richtigkeit
überprüft werden können. Dieses
Programm unterstützt die Arbeit
im Labor, wenn Tumorproben auf
epigenetische Veränderungen untersucht werden, und es hilft dabei,
einen einheitlichen Qualitätsstandard für die Analyse zu etablieren.
Darauf aufbauend wurden
dann DNA-Methylierungsmuster
im Blut von gesunden Patienten
mit verschiedenen Informationen
über das menschliche Erbgut verglichen. Mittels Data-Mining-Methoden wurden drei Gruppen von
Eigenschaften menschlicher DNA
identifiziert, die für eine normale
DNA-Methylierung entscheidend
sind: die DNA-Sequenz, sich wiederholende DNA-Abschnitte und
die dreidimensionale Struktur der
DNA. Mit dieser Erkenntnis war
es möglich, die Verteilung der Me-
Epigenetik – Vererbung jenseits der DNA-Sequenz
Die meisten genetisch bedingten Eigenschaften, wie zum Beispiel Augenfarbe oder Veranlagung für Diabetes, werden durch proteinkodierende Gene gesteuert. Ihre Vererbung
folgt den mendelschen Regeln und ist symmetrisch bezüglich Mutter und Vater. Epigenetisch vererbte Eigenschaften werden hingegen oft nur über ein Elternteil weitergegeben,
was man als elternspezifische Prägung (Imprinting) bezeichnet.
Epigenetische Eigenschaften können genauso mutieren wie genetische. Allerdings ist das
Ergebnis oft weniger stabil, und nach einigen Generationen setzt sich wieder der ursprüngliche Zustand durch. Daher wurden epigenetische Ursachen zwar bei verschiedenen Krankheiten vermutet (zum Beispiel bei Schizophrenie), konnten aber bisher nur bei
Krebs und einigen selteneren Krankheiten, wie dem Beckwith-Wiedemann-Syndrom,
zweifelsfrei nachgewiesen werden. Aufgrund des technischen Fortschritts bei der Kartierung von epigenetischen Veränderungen ist auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren
jedoch mit weiteren Erkenntnissen zu rechnen.
thylierung im Erbgut gesunder
Zellen mit 90-prozentiger Genauigkeit vorherzusagen. Denn trotz
Entschlüsselung des menschlichen
Genoms stehen bisher keine genomweiten DNA-Methylierungsdaten von ausreichender Genauigkeit zur Verfügung.
Aus dem Vergleich der Methylierungsmuster von gesundem Ge-
Krankheitsaktivität bestimmen
I Ärzte können über ein bei Abbott Immunology verfügbares
Programm den DAS28 (Disease
Activity Score 28) von Patienten
mit rheumatoider Arthritis einfach berechnen. Der Kalkulator
basiert auf einer Office-Anwendung und kann aufgrund seiner
geringen Dateigröße von der
Webseite www.humira.de (Fachkreise: Rheumatoide Arthritis –
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webe und Krebszellen sollen künftig Konzepte für verträglichere
Medikamente gegen Krebs entwickelt werden. Darüber hinaus
wird untersucht, wie sich ein bereits
in der Erprobungsphase befindliches epigenetisches Krebsmedikament auf die DNA-Methylierung
Diagnostische Methoden) heruntergeladen werden.
Wichtig bei der Therapie der
rheumatoiden Arthritis ist die
fortlaufende, regelmäßige Erfassung der Krankheitsaktivität.
Hierzu lässt sich der DAS28 nutzen. Er ermöglicht die Beurteilung
der aktuellen Krankheitsaktivität
und eignet sich daher gut zur raschen Beurteilung der Wirksam-
im gesamten Erbgut auswirkt. Dies
könnte einen konkreten Startpunkt für die Optimierung einer
epigenetisch wirkenden ChemoChristoph Bock
therapie bieten.
Informationen: Christoph Bock, MaxPlanck-Institut für Informatik, Stuhlsatzenhausweg 85, 66123 Saarbrücken,
E-Mail: [email protected],
Internet: www.christoph-bock.de
keit einer Therapie und zum
Krankheitsmonitoring. Die regelmäßige Krankheitsdokumentation ist über den EBM 2000plus abrechenbar.
Beim DAS28 werden die
Schwellungen und der Druckschmerz an 28 Gelenken ermittelt.
Zusätzlich gehen Entzündungsparameter (CRP oder Blutsenkungsgeschwindigkeit) und die Patienteneinschätzung des Zustands in
EB
die Kalkulation ein.
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