Religionssendungen im ORF Der glaubende Mensch - Stichwort: Glaubensleben - Lebenshilfe Religion, Spiritualität und Sinnvermittlung sind nicht – wie vielfach vorausgesagt – verschwunden, sondern haben sich in der postmodernen Gesellschaft einen neuen Markt erobert - oft auch jenseits der etablierten Kirchen und Religionsgemeinschaften. Ein zentrales Anliegen der ORF-Hauptabteilung Religion im Fernsehen ist es, der Frage nach Gott im Leben religiöser Menschen heute nahe zu kommen, Orientierung im Supermarkt der Religionen zu bieten. Vor allem die Sendung „Feierabend“ stellt Frauen und Männer vor, deren Glaube trägt, die sich aus ihrem Glauben heraus sozial und gesellschaftlich engagieren, die als Glaubende anderen Menschen – gläubig oder nicht-gläubig – Lebenshilfe bieten. Und das mit großem Publikumserfolg: Im Jahr 2009 haben an den 16 „Feierabend“-Terminen jeweils durchschnittlich 568.000 Zuseher und Zuseherinnen die ORF-Religionssendung konsumiert. Mit den ORF-Religionssendungen „Was ich glaube“, „Stimme des Islam“ und „Die Lehre des Buddha“ hat der ORF 2009 77 x 5 Minuten Vertreter/innen des Christentums, des Judentums, des Islam und des Buddhismus zu Wort kommen lassen, um Gläubigen sowie Nicht-Gläubigen Anstöße zur Reflexion von Glaube, Tradition und Leben zu geben. Als besonderes Service für Gläubige versteht die ORF-Religionsabteilung ihr Angebot der „GottesdienstÜbertragungen“. 2009 wurden 17 Gottesdienste (katholisch und evangelisch) übertragen. Einer der Höhepunkte – auch für nicht-religiöse Menschen: die Übertragung des Pfingstgottesdienstes aus der Bergkirche in Eisenstadt, bei der – anlässlich des 200. Todestages von Joseph Haydn – Haydns Schöpfungsmesse den musikalischen Rahmen bildete. Weitere Highlights waren der Evangelische Festgottesdienst aus Sopron anlässlich des 20. Jahrestages der Öffnung des Eisernen Vorhangs an der österreichisch-ungarischen Grenze und der Papstgottesdienst aus Nazareth anlässlich der Pilgerreise von Papst Benedikt XVI. ins Heilige Land. Zusammenleben der Kulturen – Stichwort interreligiöses und interkulturelles Lernen Spätestens seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 ist der Islam ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt, und Samuel Huntingtons These vom „Kampf der Kulturen“ – auch wenn sie kontrovers diskutiert wird – hat Aufschwung bekommen. Dabei hat sich gezeigt, wie vorurteilsbehaftet der Islam in Europa wahrgenommen wird, wie groß das Bedürfnis nach Information und Aufklärung über die Religion Mohammeds ist. Mindestens ebenso groß – so hat sich gezeigt – sind die Vorurteile vieler Muslim/innen der nicht-muslimischen Gesellschaft gegenüber. Um zu einem friedvollen Zusammenleben der Kulturen und Religionen beizutragen, ist es Aufgabe eines öffentlichrechtlichen Rundfunks, über die Vorgänge innerhalb der verschiedenen Religionen und Religionsgemeinschaften unabhängig zu berichten, Glaubensinhalte zu erklären, geschichtliche Entwicklungen darzustellen, wichtige Themen aufzugreifen und die auch innerhalb der Religionen zur Diskussion zu stellen. Kritische Distanz und respektvolle Nähe bei der Berichterstattung kennzeichnen dabei das Verhältnis der Abteilung Religion/Fernsehen des ORF zu all den verschiedenen Religionen. Das ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ und die ORF-Dokumentations- und Diskussionsleiste „Kreuz&Quer“ haben sich im Jahr 2009 aus verschiedenen Perspektiven immer wieder dem Thema „Zusammenleben der Religionen und Kulturen“ angenähert und insgesamt 819 Minuten auf Sendung gebracht. Darüberhinaus tragen sämtliche Sendungen der ORF-Reihe „Religionen der Welt“ zu einem besseren Verständnis der Religionen und Traditionen bei. Für seine Berichterstattung wurde „Kreuz und Quer“ im Oktober 2009 mit dem „Erasmus Media Award for Interreligious Dialogue“ von der „European Society for Education and Communication“ ausgezeichnet. In der Begründung der Jury hieß es: „Kreuz und Quer ist ein Modell für öffentlichen Diskurs, ein Programm mit öffentlichem Wert, eine Instanz des Dialogs und – in Zeiten von Migration, Ausländerfeindlichkeit und sozialer Diskriminierung – ein virtuelles Haus der friedvollen Begegnung, der sozialen Versöhnung und der gesellschaftlichen Einheit. Kreuz und Quer hat eine Performance im interreligiösen und interkulturellen Dialog entwickelt, die die journalistischen und mediale Kompetenz in allen Dimensionen spiegelt: Leistungsfähigkeit und Leistung, Verantwortung, Ästhetik und Ethik.“ Der Blick über den Tellerrand - Stichwort Entwicklungszusammenarbeit Im Zeitalter der Globalisierung ist es auch Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Folgen der Globalisierung zu beleuchten, vor allem auch die Verlierer/innen der Globalisierung in den Blick zu nehmen. Oft sind die Länder des Südens, die so genannten Entwicklungsländer, die Leidtragenden. Die Religionsabteilung des ORF/Fernsehen bemüht sich darum, Hintergründe zu beleuchten, Zusammenhänge aufzuzeigen, Missstände und Ungerechtigkeiten beim Namen zu nennen und vor allem auch Modelle für eine gelungene Entwicklungszusammenarbeit der verschiedenen Kirchen und Religionsgemeinschaften vorzustellen. Im Rahmen der Sendungen „Orientierung“ und „Kreuz&Quer“ hat der ORF im Jahr 2009 675 Sende-Minuten dem Thema gewidmet. Die Themen wurden in Kurzberichten, Reportagen, Dokumentationen und Studiogesprächen aufbereitet. Verantwortungsbewusst leben - Stichwort Ethik In der Antike und im Mittelalter wurde der Fortschritt in Wissenschaft, Kultur und Ethik zusammen gedacht. Wer entsprechendes Wissen hat, handelt nach Sokrates auch ethisch richtig, war man damals überzeugt. Das gilt heute längst nicht mehr. Vor allem die rasanten Entwicklungen in den Naturwissenschaften und die technischen Möglichkeiten v.a. in Physik, Medizin, Genetik und Biotechnologie werfen heute viele gesellschaftlich relevante Fragen auf, die Antworten unter ethischen Gesichtspunkten verlangen. Die ORF-Abteilung Religion/Fernsehen sieht ihre Aufgabe darin, hochspezifiziertes Wissen in ihren Sendungen auch für „Nicht-Fachleute“ nachvollziehbar aufzubereiten um sich so ein Urteil bilden zu können. Außerdem will sie den Zusehenden Orientierungshilfen anbieten, um Standpunkte einnehmen und selbstbestimmt Entscheidungen treffen zu können. Vor allem „Kreuz&Quer“ widmet sich mit Dokumentationen und anschließenden Diskussionen den oft hochkomplexen Themen. Aber auch die Sendung „Orientierung“ informiert in regelmäßigen Abständen über bioethische, wirtschaftsethische und sozialethische Fragestellungen. Insgesamt wurden im Jahr 2009 im Rahmen von „Kreuz&Quer“ und „Orientierung“ Dokumentationen, Reportagen und Gespräche mit ethischen Fragestellungen im Ausmaß von 559 Minuten gesendet. Zum Beispiel die Dokumentationen: „Frühchen zwischen Leben und Tod“ und „Wir adoptieren einen Embryo“ oder die Diskussion: „Natur und Wirtschaft: Das Ende der Maßlosigkeit“.