Der Bulge der Milchstraße Die Sicht eines Beobachters

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Der Bulge der Milchstraße
Die Sicht eines Beobachters
Stefan Uttenthaler
Stefan Uttenthaler, VO "Entwicklung der Galaxis", 23. November 2012
Die stellaren Hauptkomponenten der Milchstraße
●
Thin Disc
●
Thick Disc
●
Halo
●
Bulge
Quelle: Wikipedia
Die Thin Disc (“Dünne Scheibe”)
Junge, metallreiche, kinematisch “kalte”
Scheibenpopulation.
Höhe der Scheibe ca. 1 kpc.
Die Sonne ist Mitglied der Thin Disc.
Die Thick Disc (“Dicke Scheibe”)
Ältere (~10 Giga-Jahre), meist metallarme,
kinematisch “heisse” Scheibenpopulation.
Ursprung ist nicht klar. Vermutungen:
●
kinematische Heizung der Thin Disc durch
Streuung an massereichen Molekülwolken
●
Radiale Migration von der inneren Scheibe
●
Ergebnis der Akkretion einer Zwerggalaxie
Bekanntes Mitglied der Thick Disc: Arktur ( Boo)
Der Halo
Sehr alte, metallarme Sterne (Population II),
sphäroidale Anordnung um das Zentrum der
Milchstraße. Ungeordnete Orbits
(kinematisch heiss).
Einige Prozent der Halo-Sterne stammen
vermutlich aus Kugelsternhaufen, ein Teil
kommt ev. aus akkretierten Zwerggalaxien.
Der Bulge
Der Bulge der Milchstraße ist die
“zentrale Verdickung” der sonst
scheibenförmigen Galaxie.
Gut sichtbar in Weitwinkelaufnahmen
der Milchstraße, auch zu sehen als die
zentrale Population von externen Galaxien.
Genauer Ursprung, Alter, ... ebenfalls
noch Thema der Forschung, aber es
gibt einen gewissen “Trend”. Darauf
wird im Folgenden noch eingegangen.
NGC 4565, Bob Franke
Der galaktische Bulge in Weitwinkelaufnahmen
2MASS (2-Micron All-Sky Survey, Himmelsdurchmusterung in J, H, und K Band)
Weitwinkel-Mosaik der Milchstraße im optischen Bereich (Jan Hattenbach).
Der galaktische Bulge in Weitwinkelaufnahmen
Weitwinkel-Mosaik der Milchstraße im optischen Bereich (Axel Mellinger).
Hürden bei der Untersuchung des galaktischen Bulges
Unsere spezielle Perspektive bewirkt folgendes:
●
●
●
●
Staubwolken mit hoher Extinktion verstellen die Sicht, differenzielle
(räumlich stark variirende) Extinktion erschwert die Analyse.
Überlagerung von Populationen: Schwierigkeiten, Bulge-Sterne von Sternen
der Thin und Thick Disc im Vordergrund zu unterscheiden.
Hohe Sterndichte, genaue Photometrie nicht immer möglich (hohe Winkelauflösung erforderlich).
Relativ großer Abstand (ca. 8 kpc, 26000 LJ) macht detaillierte Studien
einzelner Sterne schwierig (v.a. Zwerge!).
Theoretische Entstehungsszenarien des Bulges
●
Klassischer Bulge
●
Pseudo-Bulge
●
Clump-Origin Bulge
Klassischer Bulge
Entstehung des Bulges aus dem Kollaps der Gaswolke, aus dem sich
die Milchstraße bildete (monolithischer Kollaps) bzw. hirarchische Merger,
rasche Sternentstehung.
Der Bulge entspricht in diesem Szenario einer kleinen elliptischen Galaxie,
die im Zentrum der Milchstraße sitzt.
Keine geordnete Rotation, kinematisch heiss (zufällige Orbits), alle Sterne
sind alt und massearm.
War früher das allgemein akzeptierte Modell (deshalb “klassisch”),
wird jetzt mehr und mehr relativiert.
Pseudo-Bulge (“disky bulge”)
Bulge entsteht durch langsame, von äußeren Einflüssen wie Mergern
ungestörten Entwicklung der Scheibe selber (“secular evolution”).
Durch Instabilitäten in der Scheibe bildet sich ein Balken aus Sternen aus
(Balkenspirale!), der Sterne in Orbits mit höherer Inklination streut. Bulge
und innere Scheibe bilden eine mehr oder weniger einheitliche Population.
Geordnete Rotation, kinematisch kalt, länger anhaltende Sternentstehung,
weshalb auch jüngere und etwas massereichere Sterne zu erwarten sind.
Dieses Modell wurde erst in den letzten Jahren genauer ausgearbeitet
(Kormendy & Kennicutt 2004).
Clump-Origin Bulge
In der gasreichen, dichten Scheibe der Ur-Galaxie bilden sich große
Gasklumpen (Molekülwolken), die durch dynamische Reibung ins
Zentrum der Galaxie sinken, sich dort vereinigen und in großen Mengen
Sterne bilden (Skizze!). Beobachtungen hoch-rotverschobener Galaxien
zeigen welche mit großen Gasklumpen in ihren Scheiben.
Ebenso hohe Sternenstehungsrate, die Form würde aber eher einem
Pseudo-Bulge entsprechen.
Ein recht junges Modell, das eine Art “Mischform” aus klassischem und
Pseudo-Bulge darstellt.
Die Szenarien machen unterschiedliche Vorhersagen zu den
Eigenschaften des Bulges, die es gilt, durch Beobachtungen zu
überprüfen!
Form des Bulges
COBE
(Launhardt et al. 2002)
Aufnahmen mit großem Gesichtsfeld lassen erkennen, dass der Bulge
nicht elliptisch rund, sondern eckig (“boxy”) erscheint und asymmetrisch
ist (mehr Sterne auf der linken Seite). ⇨ Pseudo-Bulge!?!
2MASS
2MASS
(Cabrera-Lavers et al. 2007)
Alter von Bulge-Sternen aus der Photometrie
Farbe (Teff) und Helligkeit des Turn Off Points ist guter Indikator des Alters.
Zoccali et al. (2003)
Clarkson et al. (2011), HST
Ergebnis: Bulge-Sterne sind alt, nur wenig Raum für junge Population.
Sterne am AGB deuten jüngeres Alter an!
AGB = Asymptotic Giant Branch
Rote Riesensterne in der letzten Phase nuklearen Brennens
(H+He in Schalen), bevor der Stern zum Planetaren Nebel und
Weissen Zwerg wird.
AGB-Sterne pulsieren stark (Mira und semi-reguläre Veränderliche)
und verlieren viel Masse (Sternwind).
AGB Sterne im Bulge sollten nicht schwerer als ~1M⊙ sein, falls der
Bulge wirklich 10 GJ alt ist!
Sterne am AGB deuten jüngeres Alter an!
AGB Sterne
1.5M⊙
RGB tip
1.0M⊙
Zoccali et al. (2003)
AGB Sterne sollten nicht heller als der
RGB tip sein – manche sind aber heller!
Uttenthaler et al. (2007)
Vergleich mit Pulsationsmodellen deutet
Massen von 1.5M⊙ an, also ein Alter von
~3 GJ.
Gefüllte Symbole: Sterne mit dredge-upIndikator Technetium.
Sterne am AGB deuten geringeres Alter an!
Groenewegen & Blommaert (2005)
Verteilung der Pulsationsperioden von Mira
Sternen im Bulge. Lange Perioden (>400d)
werden nur von Sternen mit 1.5 – 2.0M⊙
erreicht.
Auch Planetarische Nebel im Bulge stammen
vermutlich von Sternen mit 1.2 – 1.8M⊙.
Aber: AGB-Sterne und PN haben lange
Entwicklung mit vielen Unsicherheiten hinter
sich. Verstehen wir die Entwicklung
ausreichend?
Sind diese “massereichen” AGB-Sterne
das Ergebnis von Mergern (blue straggler)?
Weitere Methode zur Altersbestimmung:
Spektren von Sternen am Turn-Off
Bensby et al. (2011)
Während micro-lensing Events können
hoch aufgelöste Spektren von Zwergsternen
im Bulge aufgenommen werden.
Aus den Spektren lassen sich Temperatur
und Oberflächenbeschleunigung bestimmen.
log g
Aus Vergleich mit Isochronen ergibt sich das
Alter der Sterne.
Einige davon sind bis zu 3 GJ “jung”!
Aber: Möglicherweise täuscht eine hohe
He-Häufigkeit ein junges Alter vor!
Metallizität von Bulge-Sternen
Die mittlere Metallizität und die Metallizitätsverteilung (metallicity distribution
function, MDF) sind eine wichtige Größe in der Charakterisierung der
Bulge-Population.
Erste hoch-aufgelöste Spektren von Bulge-Riesen: McWilliam & Rich (1994).
Ergebnis: Mittleres [Fe/H] leicht subsolar (-0.2 … -0.1), breite Verteilung der
Metallizitäten.
Dieses Ergebnis ist im Grunde heute noch gültig.
Metallizität von Bulge-Sternen
Neueste Beobachtungen zeigen aber: Es gibt zwei Häufungen in der
Metallizitätsverteilung!
Hill et al. (2011): Riesen haben einen Peak
bei [Fe/H]=-0.3 und einen bei +0.3.
Bensby et al. (2011): Zwerge zeigen
Peaks bei [Fe/H]=-0.6 und +0.3.
Panel (b): Ältere Messungen von Riesen.
Metallizität von Bulge-Sternen
Neueste Beobachtungen zeigen aber: Es gibt zwei Häufungen in der
Metallizitätsverteilung!
Der Bulge enthält also mindestens
zwei Populationen!
Wahrscheinlich trifft also nicht nur eins
der erwähnten Entstehungszenarien
zu, sondern zwei!
Pseudo-Bulge und klassischer Bulge?!?
Uttenthaler et al. (2012): Auch Riesen zeigen
Peaks bei [Fe/H]=-0.6 und +0.3.
Unterschiede zwischen zwei Populationen: -Elemente
Metallreiche Population ist arm an -Elementen, metallarme Population ist
hingegen reich an -Elementen!
-Elemente: O, Ne, Mg, Si, S, Ar, Ca, Ti
Nukleosynthetische Quelle von
-Elementen:
core-collapse SN (kurzlebig)
Nukleosynthetische Quelle von Fe:
SN Ia (Weisse Zwerge, langlebig!)
Die beiden Populationen haben
unterschiedliche chemische
Geschichten!
Wiederum: klassischer und Pseudo-Bulge!
Alves-Brito et al. (2010)
Unterschiede zwischen zwei Populationen: -Elemente
Trend der -Elemente in Bulge-Sternen sehr ähnlich der Thick Disc.
Gibt es eine gemeinsame Geschichte
der chemischen Anreicherung?
Zumindest für metallarme BulgePopulation und die Thick Disc
scheint das zuzutreffen!
Haben diese beiden Populationen
etwas miteinander zu tun?
Alves-Brito et al. (2010)
Unterschiede zwischen zwei Populationen: Kinematik
Die beiden Populationen haben auch ein sehr unterschiedliches
Verhalten in den Radialgeschwindigkeiten:
Metallarme Pop. hat breite
Geschwindigkeitsverteilung
(Geschwindigkeitsdispersion),
metallreiche Pop. hat
schmalere Geschwindigkeitsdispersion.
Uttenthaler et al. (2012)
Spricht wiederum für die duale
Interpretation (klassischer Bulge
und Pseudo-Bulge)!
[M/H]
Unterschiede zwischen zwei Populationen: Kinematik
Die beiden Populationen haben auch ein sehr unterschiedliches
Verhalten in den Radialgeschwindigkeiten.
Dies wird besonders deutlich,
wenn man die
Geschwindigkeitsdispersion
als Funktion der galaktischen
Breite betrachtet.
Metallreiche Pop. hat balkenähnliche Kinematik,
metallarme Pop. hat Kinematik
eines klassischen Späroids.
Babusiaux et al. (2010, blau),
Uttenthaler et al. (2012, schwarz)
Einschränkung der Masse des klassischen Bulges:
BRAVA: Bulge RAdial Velocity Assey
Spektroskopische Durchmusterung des Bulges in vielen Feldern,
zur Messung der Radialgeschwindigkeit.
Shen et al. (2010, Abb.
rechts) finden aus BRAVA
Daten und Vergleich mit
kinematischen N-body
Modellen des Bulges,
dass ein klassischer
Bulge nicht mehr als 8%
der Scheibenmasse
enthalten kann.
Metallizitätsgradient
Die mittlere Metallizität der Sterne ist im inneren Bulge (nahe zur galaktischen
Ebene) höher als im äußeren Bulge.
Zoccali et al. (2008): spektroskopisch
bestimmte [Fe/H] bei unterschiedlichem
Abstand zur Scheibe.
Gonzalez et al. (2011): MetallizitätsKarte aus Photometrie von Bulge-Sternen.
[Fe/H] nimmt nach außen ab.
Metallizitätsgradient
Die mittlere Metallizität der Sterne ist im inneren Bulge (nahe zur galaktischen
Ebene) höher als im äußeren Bulge.
Ein Metallizitätsgradient wäre vereinbar mit einem klassischen Bulge, jedoch
nicht mit einem reinen Pseudo-Bulge, da in diesem die Sterne gut
durchmischt sein sollten.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die metallreiche Pop. stärker zur Ebene
hin konzentriert ist als die metallarme Pop.
Der Gradient entsteht also vermutlich durch die räumliche Variation des
zahlenmäßigen Verhältnisses der beiden Populationen, nicht durch
räumliche Variation innerhalb einer Population!
Ist der Balken auch direkt nachweisbar?
Ja! “Standardkerzen” (Red-Clump-Sterne, Miras, …) auf der linken Seite
des Bulges sind uns näher als jene auf der rechten Seite!
Genauer Neigungswinkel aber noch unsicher (20 – 45 Grad).
Cabrera-Lavers et al. (2007) benutzen
RC Sterne. Blick von oben auf die
galaktische Ebene.
Groenewegen & Blommaert (2005):
Helligkeit von Mira-Veränderlichen hängt
von der galaktischen Länge ab. Balken!
Weitere kürzliche Entdeckung im Bulge:
Doppelter Red Clump!
Bei größerem Abstand von der Ebene (>5°) sind in Farben-HelligkeitsDiagrammen zwei Red Clumps zu sehen!
I mag
V–I
Entdeckung durch Nataf et al. (2010) und
McWilliam & Zoccali (2010).
Wie ist das zu verstehen?
Wie ist das zu verstehen?
Es gibt entlang der Sichtlinie durch den
Bulge zwei Stellen mit einer erhöhten
Dichte von Sternen!
Bei niedrigen galaktischen Breiten laufen
die Dichtestellen aufeinander zu.
⇨ Von der Seite gesehen hat der Bulge
eine X-Form!
McWilliam & Zoccali (2010)
Der doppelte Red Clump
Vgl. die Galaxie in der Hickson Compact
Group 87:
HCG 87a (Hubble)
Der doppelte Red Clump
Eine solche Struktur kann sich eigentlich nur durch die Wirkung eines Balkens
in einem Pseudo-Bulge bilden. Von einem klassischen Bulge wäre
anzunehmen, dass er strukturlos glatt ist.
Tatsächlich zeigt sich: Die Population, die diese Struktur bildet, ist die
metallreiche Balken-Population!
Ness et al. (2012)
Uttenthaler et al. (2012)
Der doppelte Red Clump
Auch in N-body Modellen eines Pseudo-Bulges
ist die X-Struktur zu erkennen.
Der Balken im N-body Modell
von der Seite gesehen.
Residuen nach Abzug der glatten
Lichtverteilung: X-Form bleibt über!
Li & Shen (2012)
Zusammenfassung
Der Bulge der Milchstraße ist ein kompliziertes, aber spannendes und aktives
Forschungsgebiet. Er besteht nich aus einer homogenen Sternpopulation,
sondern (zumindest) aus zwei:
●
●
Eine metallreiche Population, -arm, kinematisch kalt, verursacht doppelten
RC und X-Form.
Interpretation: Pseudo-Bulge, der durch dynamische Instabilitäten der
inneren Scheibe (Balken) erzeugt wird.
Eine metallarme Population, -reich, kinematisch heiss, schwächere
Konzentration zur Ebene (Scheibe) hin, chemische Ähnlichkeit mit
Thick Disc.
Interpretation: kleiner klassischer Bulge, ev. auch innere Thick Disc.
Danke für's Zuhören!
Bei Fragen: E-Mail an [email protected]
Quellen:
Alves-Brito et al. (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010A%26A...513A..35A
Babusiaux et al. (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010A%26A...519A..77B
Bensby et al. (2011): http://adsabs.harvard.edu/abs/2011A%26A...533A.134B
Cabrera-Lavers et al. (2007): http://adsabs.harvard.edu/abs/2007A%26A...465..825C
Clarkson et al. (2011): http://adsabs.harvard.edu/abs/2011ApJ...735...37C
Gonzalez et al. (2011): http://adsabs.harvard.edu/abs/2011A%26A...530A..54G
Groenewegen & Blommaert (2005): http://adsabs.harvard.edu/abs/2005A%26A...443..143G
Hill et al. (2011): http://adsabs.harvard.edu/abs/2011A%26A...534A..80H
Kormendy & Kennicutt (2004): http://adsabs.harvard.edu/abs/2004ARA%26A..42..603K
Launhardt et al. (2002): http://adsabs.harvard.edu/abs/2002A%26A...384..112L
Li & Shen (2012): http://adsabs.harvard.edu/abs/2012ApJ...757L...7L
McWilliam & Rich (1994): http://adsabs.harvard.edu/abs/1994ApJS...91..749M
McWilliam & Zoccali (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010ApJ...724.1491M
Nataf et al. (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010ApJ...721L..28N
Ness et al. (2012): http://adsabs.harvard.edu/abs/2012ApJ...756...22N
Shen et al. (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010ApJ...720L..72S
Uttenthaler et al. (2007): http://adsabs.harvard.edu/abs/2007A%26A...463..251U
Uttenthaler et al. (2012): http://adsabs.harvard.edu/abs/2012A%26A...546A..57U
Zoccali et al.(2003): http://adsabs.harvard.edu/abs/2003A%26A...399..931Z
Zoccali et al. (2008): http://adsabs.harvard.edu/abs/2008A%26A...486..177Z
Der Bulge der Milchstraße
Die Sicht eines Beobachters
Stefan Uttenthaler
Stefan Uttenthaler, VO "Entwicklung der Galaxis", 23. November 2012
Die stellaren Hauptkomponenten der Milchstraße
●
Thin Disc
●
Thick Disc
●
Halo
●
Bulge
Quelle: Wikipedia
Die Thin Disc (“Dünne Scheibe”)
Junge, metallreiche, kinematisch “kalte”
Scheibenpopulation.
Höhe der Scheibe ca. 1 kpc.
Die Sonne ist Mitglied der Thin Disc.
Kinematisch “kalt” oder “heiss” bedeutet in diesem
Zusammenhang, dass die Breite der
Geschwindigkeitsverteilung (auch Geschwindigkeitsdispersion
genannt) klein oder groß ist. In einer kinematisch heissen
Population haben die Sterne Geschwindigkeiten, die sehr
unterschiedlich voneinander sind, in einer kinematisch kalten
Population sind sich die Geschwindigkeiten recht ähnlich.
Die Thick Disc (“Dicke Scheibe”)
Ältere (~10 Giga-Jahre), meist metallarme,
kinematisch “heisse” Scheibenpopulation.
Ursprung ist nicht klar. Vermutungen:
●
kinematische Heizung der Thin Disc durch
Streuung an massereichen Molekülwolken
●
Radiale Migration von der inneren Scheibe
●
Ergebnis der Akkretion einer Zwerggalaxie
Bekanntes Mitglied der Thick Disc: Arktur ( Boo)
Der Halo
Sehr alte, metallarme Sterne (Population II),
sphäroidale Anordnung um das Zentrum der
Milchstraße. Ungeordnete Orbits
(kinematisch heiss).
Einige Prozent der Halo-Sterne stammen
vermutlich aus Kugelsternhaufen, ein Teil
kommt ev. aus akkretierten Zwerggalaxien.
Der Bulge
Der Bulge der Milchstraße ist die
“zentrale Verdickung” der sonst
scheibenförmigen Galaxie.
Gut sichtbar in Weitwinkelaufnahmen
der Milchstraße, auch zu sehen als die
zentrale Population von externen Galaxien.
Genauer Ursprung, Alter, ... ebenfalls
noch Thema der Forschung, aber es
gibt einen gewissen “Trend”. Darauf
wird im Folgenden noch eingegangen.
NGC 4565, Bob Franke
Der galaktische Bulge in Weitwinkelaufnahmen
2MASS (2-Micron All-Sky Survey, Himmelsdurchmusterung in J, H, und K Band)
Weitwinkel-Mosaik der Milchstraße im optischen Bereich (Jan Hattenbach).
http://www.astro.virginia.edu/~mfs4n/milky/2mass.plane.big.jp
http://www.scilogs.de/kosmo/gallery/3/panorama_homepage.jp
Der galaktische Bulge in Weitwinkelaufnahmen
Weitwinkel-Mosaik der Milchstraße im optischen Bereich (Axel Mellinger).
http://canopus.physik.uni-potsdam.de/~axm/images/mwpan45s_bright.jpg
Hürden bei der Untersuchung des galaktischen Bulges
Unsere spezielle Perspektive bewirkt folgendes:
●
●
●
●
Staubwolken mit hoher Extinktion verstellen die Sicht, differenzielle
(räumlich stark variirende) Extinktion erschwert die Analyse.
Überlagerung von Populationen: Schwierigkeiten, Bulge-Sterne von Sternen
der Thin und Thick Disc im Vordergrund zu unterscheiden.
Hohe Sterndichte, genaue Photometrie nicht immer möglich (hohe Winkelauflösung erforderlich).
Relativ großer Abstand (ca. 8 kpc, 26000 LJ) macht detaillierte Studien
einzelner Sterne schwierig (v.a. Zwerge!).
Wie aus den vorigen Aufnahmen zu erkennen ist, bringt unsere
spezielle Perspektive in der Scheibe der MW folgende
Schwierigkeiten bei der Untersuchung des Bulges mit sich:
Staubwolken mit hoher Extinktion verstellen die Sicht,
differenzielle, also räumlich stark variirende Extinktion erschwert
die Analyse. Es gibt einige “Fenster”, die besser zugänglich sind,
v.a. im südlichen Bulge.
Es kommt zu einer Überlagerung von Populationen. Eigentliche
Bulge-Sterne sind nicht ganz einfach von Sternen der Thin und
Thick Disc im Vordergrund zu unterscheiden.
Die hohe Sterndichte macht eine genaue Photometrie oft nicht
möglich, v.a. im nahen und mittleren Infrarot. Dicht gepackte
Sterngruppen können nicht immer in Einzelsterne aufgelöst werden.
Der relativ großer Abstand (ca. 8 kpc) macht detaillierte Studien
einzelner Sterne schwierig. Im Vergleich dazu sind Sterne der Thin
und Thick Disc ja in unmittelbarer Sonnenumgebung zu finden.
Zwergsterne können spektroskopisch nur während sogenannter
micro-lensing events beobachtet werden, und dann nur für wenige
Stunden oder Tage.
Theoretische Entstehungsszenarien des Bulges
●
Klassischer Bulge
●
Pseudo-Bulge
●
Clump-Origin Bulge
Ohne ein wenig Theorie geht es nicht...
Klassischer Bulge
Entstehung des Bulges aus dem Kollaps der Gaswolke, aus dem sich
die Milchstraße bildete (monolithischer Kollaps) bzw. hirarchische Merger,
rasche Sternentstehung.
Der Bulge entspricht in diesem Szenario einer kleinen elliptischen Galaxie,
die im Zentrum der Milchstraße sitzt.
Keine geordnete Rotation, kinematisch heiss (zufällige Orbits), alle Sterne
sind alt und massearm.
War früher das allgemein akzeptierte Modell (deshalb “klassisch”),
wird jetzt mehr und mehr relativiert.
Ohne ein wenig Theorie geht es nicht...
Pseudo-Bulge (“disky bulge”)
Bulge entsteht durch langsame, von äußeren Einflüssen wie Mergern
ungestörten Entwicklung der Scheibe selber (“secular evolution”).
Durch Instabilitäten in der Scheibe bildet sich ein Balken aus Sternen aus
(Balkenspirale!), der Sterne in Orbits mit höherer Inklination streut. Bulge
und innere Scheibe bilden eine mehr oder weniger einheitliche Population.
Geordnete Rotation, kinematisch kalt, länger anhaltende Sternentstehung,
weshalb auch jüngere und etwas massereichere Sterne zu erwarten sind.
Dieses Modell wurde erst in den letzten Jahren genauer ausgearbeitet
(Kormendy & Kennicutt 2004).
Ohne ein wenig Theorie geht es nicht...
Clump-Origin Bulge
In der gasreichen, dichten Scheibe der Ur-Galaxie bilden sich große
Gasklumpen (Molekülwolken), die durch dynamische Reibung ins
Zentrum der Galaxie sinken, sich dort vereinigen und in großen Mengen
Sterne bilden (Skizze!). Beobachtungen hoch-rotverschobener Galaxien
zeigen welche mit großen Gasklumpen in ihren Scheiben.
Ebenso hohe Sternenstehungsrate, die Form würde aber eher einem
Pseudo-Bulge entsprechen.
Ein recht junges Modell, das eine Art “Mischform” aus klassischem und
Pseudo-Bulge darstellt.
Die Szenarien machen unterschiedliche Vorhersagen zu den
Eigenschaften des Bulges, die es gilt, durch Beobachtungen zu
überprüfen!
Ohne ein wenig Theorie geht es nicht...
Form des Bulges
COBE
(Launhardt et al. 2002)
Aufnahmen mit großem Gesichtsfeld lassen erkennen, dass der Bulge
nicht elliptisch rund, sondern eckig (“boxy”) erscheint und asymmetrisch
ist (mehr Sterne auf der linken Seite). ⇨ Pseudo-Bulge!?!
2MASS
(Cabrera-Lavers et al. 2007)
2MASS
Um zwischen den einzelnen Szenarien zu unterscheiden, gibt es
verschiedenste Herangehensweisen und Beobachtungsdaten. Diese
werden im Folgenden behandelt, immer wieder mit Bezug zu den
Vorhersagen dieser Modelle.
Alter von Bulge-Sternen aus der Photometrie
Farbe (Teff) und Helligkeit des Turn Off Points ist guter Indikator des Alters.
Zoccali et al. (2003)
Clarkson et al. (2011), HST
Ergebnis: Bulge-Sterne sind alt, nur wenig Raum für junge Population.
Sterne am AGB deuten jüngeres Alter an!
AGB = Asymptotic Giant Branch
Rote Riesensterne in der letzten Phase nuklearen Brennens
(H+He in Schalen), bevor der Stern zum Planetaren Nebel und
Weissen Zwerg wird.
AGB-Sterne pulsieren stark (Mira und semi-reguläre Veränderliche)
und verlieren viel Masse (Sternwind).
AGB Sterne im Bulge sollten nicht schwerer als ~1M ⊙ sein, falls der
Bulge wirklich 10 GJ alt ist!
Sterne am AGB deuten jüngeres Alter an!
AGB Sterne
1.5M⊙
RGB tip
1.0M⊙
Zoccali et al. (2003)
AGB Sterne sollten nicht heller als der
RGB tip sein – manche sind aber heller!
Uttenthaler et al. (2007)
Vergleich mit Pulsationsmodellen deutet
Massen von 1.5M⊙ an, also ein Alter von
~3 GJ.
Gefüllte Symbole: Sterne mit dredge-upIndikator Technetium.
Vier Sterne im Sample von Uttenthaler et al. (2007), jene die in
der Abbildung als gefüllte Symbole dargestellt sind, enthalten
das Element Technetium (Tc) in ihren Atmosphären. Tc ist ein
Element mit ausschließlich radioaktiven Isotopen, das nur
beobachtet werden kann, wenn es im Stern selber produziert
wird und von der Kernregion an die Oberfläche gemischt wird.
Das derzeitige Verständnis dieses als “third dredge-up”
bezeichneten Mischvorgangs legt nahe, dass nur Sterne mit
mindestens 1.5 Sonnenmassen einen solchen dredge-up haben
können; in leichteren und damit langlebigeren Sternen würde
man somit kein Tc erwarten. Sterne mit 1.5 Sonnenmassen
leben aber nur ca. 3 GJ, bevor sie ihren Brennstoffvorrat
aufgebraucht haben. Das wiederum würde ein jüngeres Alter
des Bulges, oder zumindest eines Teils davon, bedeuten.
Sterne am AGB deuten geringeres Alter an!
Groenewegen & Blommaert (2005)
Verteilung der Pulsationsperioden von Mira
Sternen im Bulge. Lange Perioden (>400d)
werden nur von Sternen mit 1.5 – 2.0M⊙
erreicht.
Auch Planetarische Nebel im Bulge stammen
vermutlich von Sternen mit 1.2 – 1.8M⊙.
Aber: AGB-Sterne und PN haben lange
Entwicklung mit vielen Unsicherheiten hinter
sich. Verstehen wir die Entwicklung
ausreichend?
Sind diese “massereichen” AGB-Sterne
das Ergebnis von Mergern (blue straggler)?
Die Verschmelzung von zwei Sternen in einem
Doppelsternsystem (merger) führt zu einem sogennanten “blue
straggler”, ein Stern, der (auf der Hauptreihe) blauer ist als der
Turn-Off. So ein verschmolzener Stern würde sich dann normal
entwickeln wie ein Stern, der mit dieser doppelten Masse
geboren wurde, und würde dann eben einen jungen,
massereichen Stern vortäuschen, auch am AGB.
Eine offene Frage ist, ob es ausreichend viele solcher blue
stragglers gibt, um die beobachtete Population von scheinbar
jungen AGB-Sternen zu erklären.
Weitere Methode zur Altersbestimmung:
Spektren von Sternen am Turn-Off
Bensby et al. (2011)
Während micro-lensing Events können
hoch aufgelöste Spektren von Zwergsternen
im Bulge aufgenommen werden.
Aus den Spektren lassen sich Temperatur
und Oberflächenbeschleunigung bestimmen.
log g
Aus Vergleich mit Isochronen ergibt sich das
Alter der Sterne.
Einige davon sind bis zu 3 GJ “jung”!
Aber: Möglicherweise täuscht eine hohe
He-Häufigkeit ein junges Alter vor!
“micro-lensing”: Ein im Vordergrund vorbeiziehender Stern
vergrößert einen Bulge-Stern kurzfristig sehr stark (Faktor 10
bis einige 100). In einem kurzen Zeitraum von wenigen
Stunden oder Tagen kann dann mit Teleskopen von acht und
mehr Metern Durchmesser ein hoch-aufgelöstes Spektrum
aufgenommen werden.
Aus dem Vergleich mit Isochronen (Linine gleichen Alters)
ergibt sich teilweise ein jüngeres Alter der Sterne als aus den
Farben-Helligkeitsdiagrammen. Diese offensichtliche
Diskrepanz im Alter der Bulge-Sterne ist noch nicht gelöst. Ein
Vorschlag zur Lösung wäre eine hohe Helium-Häufigkeit in
den metallreichen Sternen, was ein junges Alter vortäuschen
könnte. Das lässt sich allerdings sehr schwer überprüfen, da die
Helium-Häufigkeit nur in sehr heissen Sternen direkt gemessen
werden kann, die es im Bulge nicht gibt.
Metallizität von Bulge-Sternen
Die mittlere Metallizität und die Metallizitätsverteilung (metallicity distribution
function, MDF) sind eine wichtige Größe in der Charakterisierung der
Bulge-Population.
Erste hoch-aufgelöste Spektren von Bulge-Riesen: McWilliam & Rich (1994).
Ergebnis: Mittleres [Fe/H] leicht subsolar (-0.2 … -0.1), breite Verteilung der
Metallizitäten.
Dieses Ergebnis ist im Grunde heute noch gültig.
Metallizität von Bulge-Sternen
Neueste Beobachtungen zeigen aber: Es gibt zwei Häufungen in der
Metallizitätsverteilung!
Hill et al. (2011): Riesen haben einen Peak
bei [Fe/H]=-0.3 und einen bei +0.3.
Bensby et al. (2011): Zwerge zeigen
Peaks bei [Fe/H]=-0.6 und +0.3.
Panel (b): Ältere Messungen von Riesen.
Metallizität von Bulge-Sternen
Neueste Beobachtungen zeigen aber: Es gibt zwei Häufungen in der
Metallizitätsverteilung!
Der Bulge enthält also mindestens
zwei Populationen!
Wahrscheinlich trifft also nicht nur eins
der erwähnten Entstehungszenarien
zu, sondern zwei!
Pseudo-Bulge und klassischer Bulge?!?
Uttenthaler et al. (2012): Auch Riesen zeigen
Peaks bei [Fe/H]=-0.6 und +0.3.
Unterschiede zwischen zwei Populationen: -Elemente
Metallreiche Population ist arm an -Elementen, metallarme Population ist
hingegen reich an -Elementen!
-Elemente: O, Ne, Mg, Si, S, Ar, Ca, Ti
Nukleosynthetische Quelle von
-Elementen:
core-collapse SN (kurzlebig)
Nukleosynthetische Quelle von Fe:
SN Ia (Weisse Zwerge, langlebig!)
Die beiden Populationen haben
unterschiedliche chemische
Geschichten!
Wiederum: klassischer und Pseudo-Bulge!
Alves-Brito et al. (2010)
Der Kern des häufigsten Isotops der -Elemente ist jeweils ein
ganzzahliges Vielfaches eines Helium-Kerns, der auch als Teilchen bezeichnet wird. -Elemente haben eine andere
nukleosynthetische Quelle als Elemente des Eisen-Peaks (V, Cr,
Mn, Fe, Co, Ni): Sie werden hauptsächlich von core-collapse
Supernovae von schweren, also kurzlebigen Sternen erzeugt, die
aber wenig Eisen und dgl. synthetisieren. Fe, Ni, usw. dagegen
werden hauptsächlich bei SN Ia gebildet, deren Vorgänger Weisse
Zwerge sind, also recht langlebige Objekte. Die Auswürfe von SN
Ia sind fast frei von -Elementen. Das heisst, die metallarme, reiche Population hat sich sehr schnell gebildet (wenig Beitrag von
langlebigen SN Ia Vorgängern), die metallreiche, -arme
Population hat eine langsamere Anreicherungsgeschichte hinter
sich.
Unterschiede zwischen zwei Populationen: -Elemente
Trend der -Elemente in Bulge-Sternen sehr ähnlich der Thick Disc.
Gibt es eine gemeinsame Geschichte
der chemischen Anreicherung?
Zumindest für metallarme BulgePopulation und die Thick Disc
scheint das zuzutreffen!
Haben diese beiden Populationen
etwas miteinander zu tun?
Alves-Brito et al. (2010)
Zumindest die metallarmen Bulge-Sterne ähneln in ihrer
chemischen Zusammensetzung jenen der Sterne in der Thick Disc
in der Sonnenumgebung. Das könnte bedeuten, dass die Thick Disc
und der Bulge eine ähnliche oder sogar die gleiche Geschichte der
chemischen Anreicherung haben. Die beiden Populationen könnten
also etwas miteinander zu tun haben!
Unterschiede zwischen zwei Populationen: Kinematik
Die beiden Populationen haben auch ein sehr unterschiedliches
Verhalten in den Radialgeschwindigkeiten:
Metallarme Pop. hat breite
Geschwindigkeitsverteilung
(Geschwindigkeitsdispersion),
metallreiche Pop. hat
schmalere Geschwindigkeitsdispersion.
Uttenthaler et al. (2012)
Spricht wiederum für die duale
Interpretation (klassischer Bulge
und Pseudo-Bulge)!
[M/H]
Unterschiede zwischen zwei Populationen: Kinematik
Die beiden Populationen haben auch ein sehr unterschiedliches
Verhalten in den Radialgeschwindigkeiten.
Dies wird besonders deutlich,
wenn man die
Geschwindigkeitsdispersion
als Funktion der galaktischen
Breite betrachtet.
Metallreiche Pop. hat balkenähnliche Kinematik,
metallarme Pop. hat Kinematik
eines klassischen Späroids.
Babusiaux et al. (2010, blau),
Uttenthaler et al. (2012, schwarz)
Einschränkung der Masse des klassischen Bulges:
BRAVA: Bulge RAdial Velocity Assey
Spektroskopische Durchmusterung des Bulges in vielen Feldern,
zur Messung der Radialgeschwindigkeit.
Shen et al. (2010, Abb.
rechts) finden aus BRAVA
Daten und Vergleich mit
kinematischen N-body
Modellen des Bulges,
dass ein klassischer
Bulge nicht mehr als 8%
der Scheibenmasse
enthalten kann.
Metallizitätsgradient
Die mittlere Metallizität der Sterne ist im inneren Bulge (nahe zur galaktischen
Ebene) höher als im äußeren Bulge.
Zoccali et al. (2008): spektroskopisch
bestimmte [Fe/H] bei unterschiedlichem
Abstand zur Scheibe.
Gonzalez et al. (2011): MetallizitätsKarte aus Photometrie von Bulge-Sternen.
[Fe/H] nimmt nach außen ab.
Metallizitätsgradient
Die mittlere Metallizität der Sterne ist im inneren Bulge (nahe zur galaktischen
Ebene) höher als im äußeren Bulge.
Ein Metallizitätsgradient wäre vereinbar mit einem klassischen Bulge, jedoch
nicht mit einem reinen Pseudo-Bulge, da in diesem die Sterne gut
durchmischt sein sollten.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die metallreiche Pop. stärker zur Ebene
hin konzentriert ist als die metallarme Pop.
Der Gradient entsteht also vermutlich durch die räumliche Variation des
zahlenmäßigen Verhältnisses der beiden Populationen, nicht durch
räumliche Variation innerhalb einer Population!
Ist der Balken auch direkt nachweisbar?
Ja! “Standardkerzen” (Red-Clump-Sterne, Miras, …) auf der linken Seite
des Bulges sind uns näher als jene auf der rechten Seite!
Genauer Neigungswinkel aber noch unsicher (20 – 45 Grad).
Cabrera-Lavers et al. (2007) benutzen
RC Sterne. Blick von oben auf die
galaktische Ebene.
Groenewegen & Blommaert (2005):
Helligkeit von Mira-Veränderlichen hängt
von der galaktischen Länge ab. Balken!
Red-Clump-Sterne sind Sterne, die in ihrem Zentrum Helium zu
Wasserstoff verbrennen. Dieses nach der eigentlichen
Hauptreihe zweit-langlebigste Stadium wird auch “HeliumHauptreihe” genannt. Da die Leuchtkraft des Sterns in dieser
Phase nur sehr schwach von der Metallizität bzw. der genauen
Masse abhängt, sind Red-Clump-Sterne gute
Entfernungsindikatoren bzw. Standardkerzen. Damit lässt sich
die mittlere Entfernung entlang des Balkens der Milchstraße
ableiten.
Mira-Veränderliche hingegen gehorchen einer engen Beziehung
zwischen Pulsationsperiode und Leuchtkraft, ähnlich den
Cepheiden. Somit lässt sich aus der Periode und einer
beobachteten scheinbaren Helligkeit ebenfalls eine Entfernung
ableiten.
Weitere kürzliche Entdeckung im Bulge:
Doppelter Red Clump!
Bei größerem Abstand von der Ebene (>5°) sind in Farben-HelligkeitsDiagrammen zwei Red Clumps zu sehen!
I mag
V–I
Entdeckung durch Nataf et al. (2010) und
McWilliam & Zoccali (2010).
Wie ist das zu verstehen?
Wie ist das zu verstehen?
Es gibt entlang der Sichtlinie durch den
Bulge zwei Stellen mit einer erhöhten
Dichte von Sternen!
Bei niedrigen galaktischen Breiten laufen
die Dichtestellen aufeinander zu.
⇨ Von der Seite gesehen hat der Bulge
eine X-Form!
McWilliam & Zoccali (2010)
Der doppelte Red Clump
Vgl. die Galaxie in der Hickson Compact
Group 87:
HCG 87a (Hubble)
Der doppelte Red Clump
Eine solche Struktur kann sich eigentlich nur durch die Wirkung eines Balkens
in einem Pseudo-Bulge bilden. Von einem klassischen Bulge wäre
anzunehmen, dass er strukturlos glatt ist.
Tatsächlich zeigt sich: Die Population, die diese Struktur bildet, ist die
metallreiche Balken-Population!
Ness et al. (2012)
Uttenthaler et al. (2012)
Der doppelte Red Clump
Auch in N-body Modellen eines Pseudo-Bulges
ist die X-Struktur zu erkennen.
Der Balken im N-body Modell
von der Seite gesehen.
Residuen nach Abzug der glatten
Lichtverteilung: X-Form bleibt über!
Li & Shen (2012)
Zusammenfassung
Der Bulge der Milchstraße ist ein kompliziertes, aber spannendes und aktives
Forschungsgebiet. Er besteht nich aus einer homogenen Sternpopulation,
sondern (zumindest) aus zwei:
●
●
Eine metallreiche Population, -arm, kinematisch kalt, verursacht doppelten
RC und X-Form.
Interpretation: Pseudo-Bulge, der durch dynamische Instabilitäten der
inneren Scheibe (Balken) erzeugt wird.
Eine metallarme Population, -reich, kinematisch heiss, schwächere
Konzentration zur Ebene (Scheibe) hin, chemische Ähnlichkeit mit
Thick Disc.
Interpretation: kleiner klassischer Bulge, ev. auch innere Thick Disc.
Danke für's Zuhören!
Bei Fragen: E-Mail an [email protected]
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Quellen:
Alves-Brito et al. (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010A%26A...513A..35A
Babusiaux et al. (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010A%26A...519A..77B
Bensby et al. (2011): http://adsabs.harvard.edu/abs/2011A%26A...533A.134B
Cabrera-Lavers et al. (2007): http://adsabs.harvard.edu/abs/2007A%26A...465..825C
Clarkson et al. (2011): http://adsabs.harvard.edu/abs/2011ApJ...735...37C
Gonzalez et al. (2011): http://adsabs.harvard.edu/abs/2011A%26A...530A..54G
Groenewegen & Blommaert (2005): http://adsabs.harvard.edu/abs/2005A%26A...443..143G
Hill et al. (2011): http://adsabs.harvard.edu/abs/2011A%26A...534A..80H
Kormendy & Kennicutt (2004): http://adsabs.harvard.edu/abs/2004ARA%26A..42..603K
Launhardt et al. (2002): http://adsabs.harvard.edu/abs/2002A%26A...384..112L
Li & Shen (2012): http://adsabs.harvard.edu/abs/2012ApJ...757L...7L
McWilliam & Rich (1994): http://adsabs.harvard.edu/abs/1994ApJS...91..749M
McWilliam & Zoccali (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010ApJ...724.1491M
Nataf et al. (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010ApJ...721L..28N
Ness et al. (2012): http://adsabs.harvard.edu/abs/2012ApJ...756...22N
Shen et al. (2010): http://adsabs.harvard.edu/abs/2010ApJ...720L..72S
Uttenthaler et al. (2007): http://adsabs.harvard.edu/abs/2007A%26A...463..251U
Uttenthaler et al. (2012): http://adsabs.harvard.edu/abs/2012A%26A...546A..57U
Zoccali et al.(2003): http://adsabs.harvard.edu/abs/2003A%26A...399..931Z
Zoccali et al. (2008): http://adsabs.harvard.edu/abs/2008A%26A...486..177Z
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